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Weißes Licht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am18.12.2014
Am Ende der Unendlichkeit
Felix Rayman lebt im Staat New York und hat den langweiligsten Beruf der Welt: Er ist Mathematiklehrer in einer Provinzstadt. Seine Familie ist zerrüttet, seine Karriere stritt schon seit Jahren auf der Stelle - Was hat Felix also zu verlieren? Er bringt sich selbst das luzide Träumen bei, um komplexe mathematische Probleme zu lösen, und macht so außerkörperliche Erfahrungen. Bei einer davon trifft er auf den Teufel, dem er mit knapper Not entkommt. Sein Retter ist niemand geringeres als Jesus, der ihn um einen Gefallen bittet: Rayman soll Kathy, einer jungen Frau, die im Wochenbett gestorben ist, nach Cimön bringen. Doch wie gelangt man in ein Land, das unendlich weit entfernt ist? Wie besteigt man dort einen Berg, der unendlich hoch ist? Und gibt es das absolut Unendliche eigentlich?

Rudy Rucker, 1946 in Louisville, Kentucky geboren, studierte Mathematik und lehrte Computerwissenschaften unter anderem an der San José State University, was sich deutlich in seinen Romanen niederschlägt. 1980 erschien sein Debüt 'Weißes Licht', in den folgenden beiden Jahren dann 'Software' und 'Wetware', für die er mit dem Philip K. Dick Award ausgezeichnet wurde. Er gilt als Mitbegründer des Cyberpunk-Genres und verfasste zahlreiche Romane und populäre Sachbücher. Seit 1999 betätigt er sich auch als Maler, seit 2006 gibt er das Science-Fiction-Webzine Flurb heraus. Rudy Rucker lebt mit seiner Frau in San José, Kalifornien.
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Produkt

KlappentextAm Ende der Unendlichkeit
Felix Rayman lebt im Staat New York und hat den langweiligsten Beruf der Welt: Er ist Mathematiklehrer in einer Provinzstadt. Seine Familie ist zerrüttet, seine Karriere stritt schon seit Jahren auf der Stelle - Was hat Felix also zu verlieren? Er bringt sich selbst das luzide Träumen bei, um komplexe mathematische Probleme zu lösen, und macht so außerkörperliche Erfahrungen. Bei einer davon trifft er auf den Teufel, dem er mit knapper Not entkommt. Sein Retter ist niemand geringeres als Jesus, der ihn um einen Gefallen bittet: Rayman soll Kathy, einer jungen Frau, die im Wochenbett gestorben ist, nach Cimön bringen. Doch wie gelangt man in ein Land, das unendlich weit entfernt ist? Wie besteigt man dort einen Berg, der unendlich hoch ist? Und gibt es das absolut Unendliche eigentlich?

Rudy Rucker, 1946 in Louisville, Kentucky geboren, studierte Mathematik und lehrte Computerwissenschaften unter anderem an der San José State University, was sich deutlich in seinen Romanen niederschlägt. 1980 erschien sein Debüt 'Weißes Licht', in den folgenden beiden Jahren dann 'Software' und 'Wetware', für die er mit dem Philip K. Dick Award ausgezeichnet wurde. Er gilt als Mitbegründer des Cyberpunk-Genres und verfasste zahlreiche Romane und populäre Sachbücher. Seit 1999 betätigt er sich auch als Maler, seit 2006 gibt er das Science-Fiction-Webzine Flurb heraus. Rudy Rucker lebt mit seiner Frau in San José, Kalifornien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641151751
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum18.12.2014
SpracheDeutsch
Dateigrösse990 Kbytes
Artikel-Nr.1536973
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2 Wie ich dorthin gelangte

 

In einem leblosen Körper wach zu sein war mir keine gänzlich neue Erfahrung. Während der letzten zwei Wochen hatte ich die merkwürdigsten Nickerchen gemacht. Nickerchen, aus denen ich wie gelähmt erwachte und mich dann durch eine Schicht aus Illusionen um die andere hindurchkämpfen musste, bevor ich überhaupt in der Lage war, mich zu erheben. Dieses hatte einen Tag vor dem Friedhofserlebnis einen Höhepunkt erreicht.

Ich kam gerade frisch von der Universität und hatte einen Job als Dozent für Mathematik an einem staatlichen College in Bernco, N. Y., angenommen. Irgendein Narr oder Misanthrop hatte das College mit dem Akronym SUCAS belegt. Ich war der erste Head, der am SUCAS lehrte, und fühlte mich absolut fehl am Platz. Abends zankte ich mit meiner Frau und knallte mir über Stereokopfhörer Exile on Main Street von den Rolling Stones rein. Tagsüber schlief ich sooft es ging in meinem Büro auf dem Fußboden, Asphaltplatten, weich mit dem Wachs aus den vierziger Jahren.

Selbstverständlich würde es meinen sogenannten Studenten oder Kollegen von eigenen Gnaden nicht sonderlich bekommen, sähen sie mich auf dem Fußboden liegen und pennen, also verriegelte ich meine Tür. Ich schlief unruhig, beseelt von der Furcht, es könne jemand einen Nachschlüssel benutzen und mich hier überraschen mit im Schlummer vollgesabberten Wangen. Häufig genug sprang mein Verstand auf »hellwach« beim vermeintlichen Geräusch einer Faust, eines Schlüssels oder einer Klaue an der Tür, und dann mühte ich mich minutenlang, meinen Körper in die Senkrechte zu bringen.

Der Kollege, mit dem ich das Büro teilte, war Stuart Levin; er hatte bereits zwei Jahre länger als ich am SUCAS gelehrt. Vor ungefähr acht Jahren hatten wir uns als Studenten flüchtig kennengelernt.

Was ich an Stuart damals immer bewundert hatte, waren seine Poster von Mao und D. T. Suzuki. Der große Vorsitzende war an die Schranktür geheftet, Suzuki mit Klebstreifen an der gegenüberliegenden Wand befestigt. Der feiste Vorsitzende winkte eingebungsvoll mit dem Arm, und der dürre alte Japaner war in ein Zen-buddhistisches Mönchsgewand gehüllt und saß entspannt auf einem Felsbrocken. Stuart hatte ihnen Sprechblasen neben das Gesicht gemalt. Der Vorsitzende herrschte ihn an: »Hast du heute schon GESCHRIEBEN, Stuart?!«, und der Mönch starrte wie in weite Ferne und brummelte vor sich hin: »Heute Schwein, morgen Speck.«

Stuart traf ich am ersten Vorlesungstag in unserem Büro. Acht Jahre waren verflossen, und er sah merklich gealtert aus. Dünner, das Haar gestutzt, dazu die obligatorische Standardausgabe von einem Dozentenbart.

»Du wirst dich in Acht nehmen müssen mit dem, was du hier sagst, Rayman«, war das Erste, was er mir erzählte. Ich trat vollends in das Büro und blickte mich erst einmal um, während er weitersprach und dabei die Wörter stoßweise hervorpresste. »Habe diesen Sommer gerade erfahren, dass meine Anstellung nicht verlängert wird.« Mit einer nervösen Halsbewegung lenkte er seinen Blick auf mich ... vorwurfsvoll, vermutete ich.

»Willst du damit sagen, dass sie dich bereits gefeuert haben?«, fragte ich Platz nehmend.

Stuart nickte eifrig mit dem Kopf. »Aber sie geben einem ein ganzes Jahr, um einen neuen Job zu finden ... ich schicke jetzt 1200 Briefe raus.« Er reichte mir einen vom Stapel auf seinem Schreibtisch. Gleich in der dritten Zeile entdeckte ich einen Druckfehler.

»Was machst du überhaupt hier?«, fragte ich. »An einer Provinzuniversität Mathematik unterrichten ... was ist da Besondres dran? Wie steht's mit deinem Zen-Sozialismus?«

Sein Lächeln glich einem Sprung in einer Felswand. Er trug den Kopf eines Mannes, der das Zweifache seiner Statur ausfüllt. »Das war Bernardines Idee. Sie sagte, wir sollten das System von innen her unterhöhlen. Also beschloss ich, in Mathe zu promovieren. Wenn sie einen entmenschlichen wollen, benutzen sie Zahlen anstelle von Namen, stimmt's? Statistik anstelle von Seelen. Also studierte ich Statistik, aber die einzige Dozentenstelle, die ich finden konnte, war dieser Job hier in der Prärie; und der geht mir jetzt auch noch flöten.« Seufzend ließ er sich in einen Sessel fallen. »Ich hab mir nie vorgestellt, dass es mal so beschissen armselig mit mir ausfallen könnte.«

Nach diesem ersten Tag sah ich nicht mehr viel von Levin. Er hatte so ein Vorgefühl, dass auch nicht ein einziger seiner 1200 Briefe mit Interesse oder gar Sympathie aufgenommen werden würde, und er verbrachte seine ganze Freizeit mit den Hausaufgaben aus zwei Abendschulkursen für Rechtswissenschaften.

Ich hatte es umgehen können, meinen Studenten zu verraten, wo sich mein Büro befand ... so konnte ich mich die meisten Nachmittage friedlichem Müßiggang überlassen, der lediglich von meinen Schuldgefühlen April gegenüber getrübt wurde. Kam ich nach Hause, lag April stets ausgestreckt auf der Couch und sah fern, wobei sie den Ton abgestellt hatte. Schweigend lag sie da, bis ich zu ihr ging und mich nach ihrem Befinden erkundigte. Die Antwort war immer dieselbe. Sie war schrecklich sauer, alles hing ihr zum Halse raus, es langte ihr bis obenhin: das Provinznest, das ständige Baby-Business, das Einkaufen im schäbigen Supermarkt, Probleme mit dem Auto, mit dem, was die Nachbarsfrau heute gesagt hatte, und so weiter und so weiter.

Das hörte sich um vieles schrecklicher an als mein Leben, obwohl ich so etwas natürlich niemals eingestehen konnte. Stattdessen legte ich große Betonung auf meine Tätigkeit als Forscher (ziellos), auf Unterrichtsvorbereitung (eine Stunde pro Woche war bei weitem ausreichend) und Fachschaftsmeetings (nach dem ersten Meeting hatte ich mir bereits geschworen, dass es für mich kein zweites gäbe). Donnerstags hatte ich keinen Unterricht; ich blieb dann normalerweise zu Hause und beschäftigte mich den Tag über mit unserem Baby Iris, um mein Schuldbewusstsein ein wenig zu entlasten.

Aber diese Schuldgefühle waren eigentlich nie allzu beklemmend, wenn ich mich in meinem gut geheizten Büro mit dem weichen, gewachsten Fußboden aufhielt. Bis zum Mittag hatte ich den Unterricht für den Tag absolviert und nachdem ich mein Sandwich runtergeschlungen hatte, setzte ich mich für gewöhnlich an meinen Schreibtisch, um mich der Mathematik hinzugeben. Mein Lieblingsgebiet war die Mengenlehre, die exakte Wissenschaft des Unendlichen. Ich unternahm den Versuch, mich durch ein paar wichtige, neu erschienene Artikel hindurchzuarbeiten. Ich hoffte, einen neuen Einstieg zu Cantors Kontinuumproblem zu finden, einen Ansatz auf die Frage, wie groß die unendliche Menge von Punkten im Raum ist.

Hier draußen in Bernco war ich von anderen Mengenlehretheoretikern isoliert, und es war sehr schwierig, die Abhandlungen allein zu studieren. Es dauerte nie sehr lange, bis mich ein Gefühl von wohliger Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit überwältigte und ich mich auf dem Fußboden ausstreckte - und mir einredete, es geschähe nur, um besser zu entspannen und somit irgendeine komplexe mengentheoretische Konstruktion besser visualisieren zu können.

Mit der Uhr gemessen währten meine Schlummerpausen zwei, drei, manchmal sogar vier Stunden. Aber die geistige, die innerliche Zeit meiner Nickerchen ließ sich nicht mit Systemen aus Zahnrädern und Ankern messen. Meine Pausen waren in Lichtjahren, Kilogramm, Quantensprüngen, Hypervolumina messbar ... Raum und Zeit waren während dieser Herbstnachmittage aufgebrochen, gemischt wie ein Kartenspiel, allein mit dem Rattern und Zischen des Heizkörpers und dem allmählichen Abnehmen des grauen Tageslichts.

Wacht man innerhalb seiner Träume jemals auf? Es ist so, als ginge der Traum weiter wie sonst, nur merkt man plötzlich, dass man in Traumland hellwach ist. In gewöhnlichen Träumen bewegt man sich einfach so wie ein Betrunkener nach dem Blackout. Aber in selteneren Augenblicken besonders deutlichen Träumens wird man sich seiner selbst bewusst und beginnt, die Vorgänge im Traum zu kontrollieren.

Diese Momente einer merkwürdig düsteren Klarheit dauern selten lange an - denn während man durch Traumland zieht, erwarten einen tausend falsche Abzweigungen, von denen eine jede zurückführt zum Traumwerk, zu seherischer, aber seelenloser Manipulation von Hoffnungen und Ängsten. Sobald ein Traum einen vollständig fesselt, setzt die bekannte Hypnose ein, und die Augenblicke von Luzidität sind vorüber.

Im Laufe meiner Nickerchen in Bernco war ich auf eine Methode gestoßen, diese Intervalle luziden Träumens zu verlängern. Der Trick bestand darin, nichts anzustarren und den Blick locker auf meinen Händen und meinem Körper ruhen zu lassen. Solange ich in Traumland meinen Körper zusammenhalten konnte, konnte ich bei Bewusstsein bleiben. Manchmal war es mir sogar möglich, mich zwischen den hellen Schatten zu bewegen, bis ich genau den Traum ausfindig machte, den ich wollte.

Im Oktober setzte ein bizarrer Nebeneffekt ein. Während der luziden Traumphase hatte mein Verstand sich daran gewöhnt, in einem selbst erzeugten Astralkörper in Traumland umherzuwandern. Aber jetzt hatte ich in zunehmender Häufigkeit Mühe, in meinen physischen Körper zurückzuschlüpfen. Ich kam auf dem Fußboden meines Büros ausgestreckt wieder zu mir, war aber nicht in der Lage, die Augen zu öffnen, unfähig, mich überhaupt zu rühren. Die Geräusche aus der Halle kamen verzerrt, schwollen an und ebbten ab, und ich lag da, gelähmt, und quälte mich ab, die Kontrolle über meinen Körper zurückzugewinnen.

Am Montag, zwei Tage bevor ich den Gang zum Friedhof machte, setzte eine neue Phase ein. Ich wachte völlig gelähmt auf, und indem ich mich zu bewegen suchte, löste sich mein astraler Arm von meinem physischen Arm. Ich...
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Autor

Rudy Rucker, 1946 in Louisville, Kentucky geboren, studierte Mathematik und lehrte Computerwissenschaften unter anderem an der San José State University, was sich deutlich in seinen Romanen niederschlägt. 1980 erschien sein Debüt "Weißes Licht", in den folgenden beiden Jahren dann "Software" und "Wetware", für die er mit dem Philip K. Dick Award ausgezeichnet wurde. Er gilt als Mitbegründer des Cyberpunk-Genres und verfasste zahlreiche Romane und populäre Sachbücher. Seit 1999 betätigt er sich auch als Maler, seit 2006 gibt er das Science-Fiction-Webzine Flurb heraus. Rudy Rucker lebt mit seiner Frau in San José, Kalifornien.