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Die Spur des Ultramarins

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am23.07.20151. Auflage
ULTRAMARIN - das Blau, das die Farbe des Himmels spiegelt Gent 1431: Der Maler Jan van Eyck braucht für seine Arbeit am Genter Altar das Pigment Ultramarin. Das jedoch ist in ganz Flandern nicht zu kriegen, da es nahezu unerschwinglich ist. Nur der Neffe seines Auftraggebers, Adrian Borluut, ein verkrachter Medizinstudent, sieht im Handel mit Ultramarin eine Chance, sich etwas aufzubauen. Er macht sich auf die Reise nach Venedig. In Esslingen lernt er den Apotheker Christoph Appenteker kennen, der sein Geschäftspartner wird. Als dieser mitsamt dem Geld spurlos verschwindet, macht Adrian sich mit dessen Tochter Catharina auf eine gefahrvolle Suche, nach der nichts in ihrem Leben mehr so sein wird wie zuvor.

Pia Rosenberger wurde 1963 in der Nähe von Osnabrück geboren. Nach dem Abitur studierte sie Kunstgeschichte, Literatur und Pädagogik. Heute lebt sie mit Mann und zwei Kindern in Esslingen und arbeitet als freie Journalistin, Stadtführerin und Museumspädagogin. Ihr erster historischer Roman ?Die Himmelsmalerin? ist ebenfalls bei FISCHER erschienen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextULTRAMARIN - das Blau, das die Farbe des Himmels spiegelt Gent 1431: Der Maler Jan van Eyck braucht für seine Arbeit am Genter Altar das Pigment Ultramarin. Das jedoch ist in ganz Flandern nicht zu kriegen, da es nahezu unerschwinglich ist. Nur der Neffe seines Auftraggebers, Adrian Borluut, ein verkrachter Medizinstudent, sieht im Handel mit Ultramarin eine Chance, sich etwas aufzubauen. Er macht sich auf die Reise nach Venedig. In Esslingen lernt er den Apotheker Christoph Appenteker kennen, der sein Geschäftspartner wird. Als dieser mitsamt dem Geld spurlos verschwindet, macht Adrian sich mit dessen Tochter Catharina auf eine gefahrvolle Suche, nach der nichts in ihrem Leben mehr so sein wird wie zuvor.

Pia Rosenberger wurde 1963 in der Nähe von Osnabrück geboren. Nach dem Abitur studierte sie Kunstgeschichte, Literatur und Pädagogik. Heute lebt sie mit Mann und zwei Kindern in Esslingen und arbeitet als freie Journalistin, Stadtführerin und Museumspädagogin. Ihr erster historischer Roman ?Die Himmelsmalerin? ist ebenfalls bei FISCHER erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104032238
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum23.07.2015
Auflage1. Auflage
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1539309
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Das Blau hatte die Farbe der Dämmerung kurz nach Sonnenuntergang. Jan van Eyck tauchte den Pinsel in die Farbpfütze auf seiner Palette und betrachtete die Spitze, die im Licht des Nachmittags feucht schimmerte. Im Atelier roch es nach dem Nussöl, mit dem er seine Farben anrieb. Der blaue Pinsel näherte sich der Holztafel mit der Eva, die auf der Staffelei stand, so nackt, wie Gott sie geschaffen hatte. Adrian Borluut, sein Bruder Cornelis und sein Onkel Josse Vijd standen hinter dem Maler und schauten ihm über die Schulter. Die Mutter der Menschheit sah so lebensecht aus, als hätte sie der Künstler direkt aus dem Paradies auf sein Bild gebannt.

Adrian hielt den Atem an. Seine Augen glitten über Evas lange Beine, den birnenförmigen Bauch, die kleinen Brüste. Sie war so kunstvoll gemalt, als könne sie, wenn ihr danach war, aus dem Bild heraustreten und sich lächelnd zu ihnen gesellen. »Ultramarin«, sagte er.

»Ich will keine Nackigen auf meinem Altar.« Onkel Josse ließ sich schwer atmend auf den Schemel neben dem groben Holztisch fallen. »Und schon gar keine blauen.«

Ein Lächeln trat in van Eycks Augen. »Keine Angst. Ich verwende die Farbe nur für einen zarten Schimmer auf der Oberfläche. Aber für andere Aufgaben werde ich mehr davon brauchen. Das hier ist leider der Rest.« Er deutete auf den blauen Farbklecks auf seiner Palette

Cornelis sog scharf die Luft ein. »Ihr wisst, dass Ultramarin in hochreiner Form in Gent schlecht zu bekommen ist«, sagte er. »Und dass es in Gold aufgewogen wird.«

Jan van Eyck ließ sich Zeit mit einer Antwort. »Ultramarin ist die Farbe Gottes. Und genau dieses Pigment brauche ich. Wenn Ihr denn einen Altar haben wollt.«

Sein Pinsel aus weichem Dachshaar glitt sanft über die Fläche und vertiefte einige Schatten auf dem zarten Körper der Frau. Dann tauschte er ihn aus und malte ihr eine täuschend echt aussehende schwarzbraune Haarsträhne. Fast so naturgetreu, als hätte sie unter der Oberfläche darauf gewartet, freigelegt zu werden, oder als habe er sie abgeschnitten und aufs Bild geklebt. »Ich brauche Ultramarin«, wiederholte der Künstler.

Adrian wusste, dass sie als Auftraggeber für die Beschaffung der Farbstoffe zuständig waren, die Jan van Eyck benötigte. An der Wand lehnten die fertigen Tafeln. Doch der riesige Altar, den sein Onkel bestellt hatte, war noch lange nicht vollendet. Und das würde er auch nicht werden, solange der Künstler nicht das Pigment bekam.

Er konnte seine Augen nicht von der Gestalt der Eva wenden. Sie hat uns allen die Erbsünde eingebrockt, dachte er. Und doch sieht sie so unschuldig aus wie ein Lamm. Das helle Licht des Nachmittags fiel in das Atelier des Künstlers und ließ die kalkweißen Wände aufleuchten. Im Hintergrund mörserte der Lehrling ein grünes Pigment, bis sich eine Staubwolke über seiner Schale zusammenballte. Aber van Eyck wollte Blau. Ultramarinblau! Mit seinem Bruder Hubert hätten sie diesen Ärger nicht gehabt.

Doch der war vor der Staffelei tot zusammengebrochen, und so hatten sie bei Jan angefragt, der als Kammerherr am Hof des Herzogs von Burgund diente, um das Werk zu vollenden, den prächtigen Altar, den Onkel Josse und Tante Elisabeth für ihre Kapelle in der Johanneskirche stiften wollten. Es hatte einige Jahre gedauert, bis Jan van Eyck zwischen den Aufträgen Herzog Philipps die Zeit gefunden hatte, sich dem begonnenen Altar zu widmen. Sie hatten nicht erwartet, dass er Hubert das Wasser reichen konnte, doch jetzt bewies er ihnen das Gegenteil. Er war mehr als der Höfling, für den sie ihn gehalten hatten, mehr als der glatte Diplomat, der in Portugal als Teil einer Delegation die herzogliche Heirat mit der Infantin Isabella eingefädelt hatte. Er war ein wirklicher Maler. Evas Haare flossen aus seinem Pinsel, und sie sahen echter aus als seine eigenen.

Jetzt jedoch hob er seine Augen und ließ sie prüfend über die Runde seiner Auftraggeber wandern. Sie blieben an Adrian hängen, der widerwillig spürte, wie er errötete.

»Ihr müsstet das doch verstehen, Adrian Borluut. Seid Ihr nicht der Gelehrte in der Familie?«

»Ähm, nein« sagte er und überhörte den Anflug von Spott in der Stimme van Eycks. Er war nichts weiter als ein verkrachter Medizinstudent, der sein Studium abgebrochen hatte.

»Ultramarin kommt aus Outremer«, wandte er ein, und seine Verwandten stimmten ihm zu. »Man kann in Gent alles kaufen. Malachitgrün ...« Er schaute in Richtung des Lehrlings, der sich die grünen Finger an seinem Wams abputzte und ihr Gespräch fasziniert verfolgte, »Zinnober, Bleiweiß, Beinschwarz, Krapplack für ein prächtiges Rot und sogar Azurit, wenn man einen Blauton benötigt und das nötige Kleingeld hat. Aber mit Ultramarin wird es schwierig.«

»Noch ist es hier nicht gebräuchlich.« Der Maler schaute sie alle der Reihe nach an. Aus welchem Grund auch immer schien er diese Auseinandersetzung zu genießen. »Ehrenwerte Herren - wollt Ihr gar nicht wissen, wofür ich das Ultramarin zu verwenden gedenke?«

»Nun rückt schon damit raus!«, sagte der Onkel bärbeißig.

»Bei Adam und Eva nur für die Vertiefung der Schatten«, sagte van Eyck geduldig, als würde er einer Horde Kindern die Welt erklären. »Ansonsten besteht ihre Leibfarbe aus Ocker, Bleiweiß und Schwarz. Aber die neue Eva, Maria, die Himmelskönigin, sie soll ein Gewand bekommen, wie man es noch nicht gesehen hat. Tiefblau wie das Himmelszelt an einem sonnigen Tag, blau wie die Dämmerung, bevor die Sonne aufgeht, oder nachdem sie untergegangen ist. Verheißung. Sehnsucht. Gottesnähe. Nicht umsonst lautet ihr Name Meeresstern.«

Adrian nickte widerwillig, von sich selbst überrascht. Früher hatte man für ein schönes Blau einfach den Grundstoff Lapislazuli gerieben und die daraus entstehende Farbe auf den Malgrund aufgetragen. Das Ergebnis war wegen der Kalkeinlagerungen im Blau insgesamt unbefriedigend ausgefallen. Dann jedoch wurde im Osten ein Verfahren entwickelt, mit dem man alle Unreinheiten und alles Katzengold aus dem Halbedelstein entfernen konnte. In Italien verwendete man den Farbstoff Ultramarin in hochreiner Konzentration schon länger. War da nicht einer gewesen, der den Mauerputz al fresco in diesem Blau gestaltet hatte, gleichsam, als wolle er die Wand durchlässig für den Himmel machen? Ja, natürlich - sein Name war Giotto gewesen, Giotto di Bondone. Und auch die Brüder Limburg hatten ihr Stundenbuch damit hinterlegt. Wenn hochreines Ultramarin nur nicht so teuer wäre!

»Ich brauche nicht allzu viel«, fuhr der Maler nun bescheiden fort.

»Ob Ihr eine Unze braucht oder eine ganze Wagenladung«, sagte Cornelis ungehalten. »Das ändert nichts daran, dass wir kein Ultramarin besorgen können. In ganz Gent gibt es nicht einen Fingerhut voll davon.« Er griff nach dem Pokal mit Wein, der unter dem Fenster stand, und trank einen großen Schluck.

»Nein?«

Hatte Adrian sich verhört, oder schlich sich in das Wort nicht doch ein spöttischer Ton? Van Eyck hatte nichts dagegen, den Pfeffersäcken, die für sein Ultramarin ihre fetten Ärsche in Bewegung setzen mussten, eins auszuwischen. Im Hintergrund hörten sie die rhythmischen Geräusche des Mörsers. Der Lehrjunge hatte seine Arbeit wieder aufgenommen und rieb geduldig den grünen Farbstoff mit dem Bindemittel an. »Euch schert also nicht, dass wir das Pigment wer weiß wo besorgen müssen?«, fragte Onkel Josse bedrohlich leise. Adrian sah förmlich, wie die Zornesader auf seiner Stirn anschwoll.

»Und gleichfalls ist es Euch egal, wie viel wir dafür hinblättern müssen?«, fügte Cornelis hinzu.

Ein schiefes Lächeln stahl sich in Jan van Eycks Mundwinkel. »Habt Ihr nicht eine Bank und ein gutgehendes Handelskontor?«, fragte er. »Und Bedienstete, die für Euch reisen können?«

Er strich sich eine braune Haarsträhne hinter die Ohren, in die sich einige Fäden Grau gemischt hatten. »Und wenn Ihr selbst nach Outremer fahren müsst und im Wüstensand grabt - ich brauche es«, sagte er schlicht. »Und auch der Herzog wird sicherlich befürworten, dass an dem Altar nicht gespart wird.«

»Und was tut Ihr, wenn wir es nicht besorgen können?« Der Onkel schnappte nach Luft und lockerte seinen Halsausschnitt.

Adrian runzelte die Stirn. Onkel Josses Kurzatmigkeit bereitete ihm Sorgen.

Jan van Eyck zuckte mit den Schultern. »Ihr wollt einen Altar, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Einen Altar, der selbst Herzog Philipp den Zwist vergessen lässt, den Eure Familie mit der seinen hatte, und ich male ihn Euch. Vorausgesetzt, Ihr stellt mir das Material dafür zur Verfügung.«

Ohne ein Wort erhob sich der alte Mann und verließ am Arm seines Neffen Cornelis den Raum. Adrian fand sich plötzlich allein an der Seite des Malers wieder, der in aller Ruhe seinen Pinsel in die Farbe tauchte und eine weitere feine Haarsträhne auf das Bild zauberte.

»Ihr seid kein Künstler?« Van Eyck wandte ihm seinen Blick zu.

»Nein«, sagte Adrian.

»Dann ist Euch das Gefühl nicht vertraut, und das ist vielleicht auch besser so.«

»Welches Gefühl?«

»Das Gefühl, dass alles richtig ist«, sagte Jan van Eyck, und Adrian fühlte sich plötzlich so nackt wie Eva auf der Staffelei.

»Und wie nennt Ihr es? Dieses Gefühl?«

Van Eycks graue Augen waren sehr kühl. »Vollkommenheit«, sagte er.

Adrian verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Der Künstler zog sich von der Staffelei mit dem Bildnis der Eva zurück, ging zum Tisch und reinigte sorgfältig die Dachshaarpinsel - eine Arbeit, die er nur ungern seinen Gehilfen...
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