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Matterhorn, Bergführer erzählen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am27.03.20151. Auflage
Jedes Jahr strömen Tausende Alpinisten ins Wallis, um das Matterhorn zu erklimmen. Die meisten nehmen den Aufstieg in Begleitung eines erfahrenen Bergführers in Angriff. Diese mutigen Männer und Frauen kennen auf dem Weg zum Gipfel jeden Stein, wissen um Gefahren und motivieren ihre Gäste, wenn diese den Mut verlieren. Am Berg erleben sie Glücksmomente und Tragödien, Lustiges und Skurriles. Bergführer haben eine Menge ­zu erzählen. Und wer schon einmal mit einem von ihnen bei einem Glas Wein in der Hütte saß, der weiß wie schnell die Zeit verfliegt. Zum 150. Jubiläum der Matterhorn-Erstbesteigung porträtiert Kurt Lauber die berühmtesten Bergführer Zermatts und erzählt ihr emotionalstes Erlebnis vom Berg der Berge. Eine lebendige Zeitreise durch 150 Jahre Bergführergeschichte.

Kurt Lauber, geboren 1961, ist Skilehrer, Bergführer, Hubschrauberpilot und Rettungsspezialist mit Erfahrung in mehr als 1000 Rettungseinsätzen. In den Medien ist er ein gefragter Interviewpartner und gilt als Experte in Sachen Bergsteigung und Bergrettung. Seit 1995 arbeitet er außerdem als Hüttenwart auf der Hörnlihütte am Matterhorn.Kurt Lauber lebt mit Frau und Sohn in Zermatt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextJedes Jahr strömen Tausende Alpinisten ins Wallis, um das Matterhorn zu erklimmen. Die meisten nehmen den Aufstieg in Begleitung eines erfahrenen Bergführers in Angriff. Diese mutigen Männer und Frauen kennen auf dem Weg zum Gipfel jeden Stein, wissen um Gefahren und motivieren ihre Gäste, wenn diese den Mut verlieren. Am Berg erleben sie Glücksmomente und Tragödien, Lustiges und Skurriles. Bergführer haben eine Menge ­zu erzählen. Und wer schon einmal mit einem von ihnen bei einem Glas Wein in der Hütte saß, der weiß wie schnell die Zeit verfliegt. Zum 150. Jubiläum der Matterhorn-Erstbesteigung porträtiert Kurt Lauber die berühmtesten Bergführer Zermatts und erzählt ihr emotionalstes Erlebnis vom Berg der Berge. Eine lebendige Zeitreise durch 150 Jahre Bergführergeschichte.

Kurt Lauber, geboren 1961, ist Skilehrer, Bergführer, Hubschrauberpilot und Rettungsspezialist mit Erfahrung in mehr als 1000 Rettungseinsätzen. In den Medien ist er ein gefragter Interviewpartner und gilt als Experte in Sachen Bergsteigung und Bergrettung. Seit 1995 arbeitet er außerdem als Hüttenwart auf der Hörnlihütte am Matterhorn.Kurt Lauber lebt mit Frau und Sohn in Zermatt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426428672
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum27.03.2015
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse9117 Kbytes
Artikel-Nr.1545395
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

»Sehr oft hatte Gott das Seil in der Hand.«


Ulrich Inderbinen


Jahr für Jahr pilgern Touristen aus aller Welt zu einem Brunnen im historischen Ortskern von Zermatt. Errichtet wurde er im Jahr 2000 zum 100. Geburtstag der Bergführerlegende Ulrich Inderbinen. Der Jubilar war höchstpersönlich zugegen, als das Quellwasser zum ersten Mal sprudelte. Glücklich und dankbar sind all diejenigen, die diesem Urgestein persönlich begegnen durften. »Beeindruckend« sei er gewesen. Dabei wäre das sicher das Letzte, was Ulrich Inderbinen von sich behauptet hätte.

Was war so beeindruckend an dem Mann, der 104 Jahre lang in Zermatt gelebt hat? Der niemals ein Auto, Fahrrad oder Telefon besessen hatte. Sprechen die Menschen vom »alten Inderbinen«, so geht es eben immer um sein Alter. Als sei er bereits mit hundert auf die Welt gekommen. Doch auch eine Legende hat einmal klein angefangen.

Inderbinen wurde im Dezember 1900 in Zermatt als Sohn armer Bergbauern geboren, in einem einfachen, nach traditioneller Walliser Art erbauten Haus. Alle Bewohner des Dorfes am Fuße des Matterhorns waren zu dieser Zeit Selbstversorger, man lebte hauptsächlich von der Landwirtschaft, und das Wasser kam nicht aus der Leitung, sondern musste vom Dorfbrunnen geholt werden. Der kleine Ulrich war eins von neun Kindern, alle schliefen sie im selben Zimmer, in einem Bett.

Bereits mit fünf Jahren hütete er die Kühe. Mit acht Jahren ging er jeden Morgen zu Fuß von Zmutt, einem kleinen Weiler oberhalb von Zermatt, zur Schule und am Abend wieder zurück. Es waren einfache Zeiten, an die sich Inderbinen mit Wehmut erinnerte: »Früher war das Leben hart und schön. Alle besaßen wenig, und jeder hat jedem geholfen. Die Menschen waren zufriedener als heute, wo man alles hat und nur an sich selbst denkt.«

Berge rauf- und runterlaufen, das war für den kleinen Ulrich Alltag. Sommers wie winters. Bei Eis und Schnee, bei brütender Hitze. Aber niemals wäre er auf die Idee gekommen, eine Bergtour zu machen, geschweige denn einen Berg zu besteigen. Bis dahin mussten über zwanzig Jahre vergehen.

Obwohl Ulrich Inderbinen zwei Bergführer in der Familie hatte, beschloss er erst spät, in ihre Fußstapfen zu treten. Sein Onkel Moritz Inderbinen führte nicht nur Gäste aufs Matterhorn, er konnte auch auf internationale Erfahrung zurückblicken: Er war in Afrika und Kanada unterwegs, sogar im Himalaja arbeitete er als Führer. Auch Theodul Biner, Ulrichs Taufpate, verdiente seinen Lebensunterhalt als Bergführer.

Als Inderbinen auf die Welt kam, war die Erstbesteigung des Matterhorns gerade einmal 35 Jahre her. Nachdem Edward Whymper den Gipfel 1865 als Erster erklommen hatte, wurde Zermatt berühmt und ein beliebter Sommerkurort. 1891 wurde die Bahnlinie zwischen Visp und Zermatt eröffnet, und die Besucherzahlen stiegen noch einmal deutlich an. Der Tourismus hielt Einzug, doch Ulrichs Eltern verdienten ihr Geld nun nicht etwa mit den berghungrigen Besuchern Zermatts, sie blieben Selbstversorger: »Arm, aber unabhängig.«

Auch Ulrich dachte (noch) nicht daran, Touristen auf die umliegenden Gipfel der 41 Viertausender zu führen. Mit 18 verließ er Zermatt und arbeitete hart in einem Kohlebergwerk im Unterwallis. Zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Der junge Mann hatte Heimweh, doch auch während der folgenden Jahre musste er im Winter stets auswärts Arbeit suchen.

Da der Bergführerberuf eine der wenigen Einkommensmöglichkeiten darstellte, beschloss Ulrich, Bergführer zu werden. Die erste Etappe auf dem Weg zum Bergführer bestritt er als junger Träger, wie die Aspiranten damals genannt wurden. Bei seinem ersten Engagement musste er einer Dame den Rucksack tragen, die, wie er später bemerkte, »an sich schon genug zu tragen hatte«.

Im Juni 1925 absolvierten Ulrich und sein ältester Bruder Albinus den Bergführerkurs. Zuvor hatten die beiden neben der Bewerbung auch eine Bestätigung eingereicht, dass sie das Matterhorn und das Breithorn bestiegen hatten. Nun folgten fünf Tage theoretischer Unterricht, und bei einer viertägigen Bergtour wurden verschiedene Techniken, Eis- und Felskletterei praktisch vermittelt.

Nach neun Tagen legte Ulrich erfolgreich die Prüfung ab. Er bekam das Führerbuch sowie Bergführerdiplom und -abzeichen.

Zur Ausbildung gehörten auch »Anstandsregeln«, nachzulesen im Führerbuch:


»Die Führer sind verpflichtet, den Reisenden, die es verlangen, ihre Dienste zur Verfügung zu stellen. Sie beachten ihnen gegenüber die größte Verschwiegenheit und Höflichkeit und fügen sich ihren Befehlen, insoweit diese mit der Sicherheit der Karawane vereinbar sind. Der Führer soll sich bewusst sein, dass er im Dienste des Reisenden steht und von ihm den Lohn bezieht; er soll daher nicht durch Grobheiten und Belästigungen oder durch unwahre Angaben den Reisenden von sich stoßen. Der Ungeübte bedarf der stützenden Hand des Führers da, wo der erfahrene Bergsteiger dieselbe zurückweisen würde. Der Führer muss sich demnach bestreben, dem Letztern ebenso wenig durch unnötige Zudringlichkeit lästig zu werden, als den Erstern durch Unterlassung der erforderlichen Nachhülfe der Gefahr auszusetzen.«


Außerdem waren alle patentierten Bergführer verpflichtet, bei Bergrettungen zur Verfügung zu stehen, das hieß »... bei Unglücksfällen an der Bildung von Nachforschungs- oder Rettungskarawanen mitzuwirken«.

 

Nach wochenlangem Warten vor dem Hotel Monte Rosa bekam der frischgebackene Bergführer Ulrich endlich seinen ersten Gast. Ende Juli verpflichtete ein Arzt aus Krefeld neben Alexander Perren auch den jungen Inderbinen, und der erste Auftrag lautete: Matterhorn.

Ulrich zog eine warme Hose, gestrickte Strümpfe, Hemd und Jackett an, schnürte seine Militärschuhe und steckte ein paar Lebensmittel in seinen Rucksack, aus denen der Hüttenwirt ihnen ein einfaches Mahl zubereiten sollte. Dann holten er und Perren ihren Kunden nachmittags am Hotel ab, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Hörnlihütte.

Bevor die Dreierseilschaft zur Matterhorn-Besteigung aufbrach, bekreuzigten sie sich mit Weihwasser und sprachen ein Gebet. Dann nahm Ulrich die Kerzenlaterne, und sie gingen hinaus in die kalte und dunkle Nacht. Ulrich führte seine erste Matterhorn-Tour erfolgreich, der Gast war hochzufrieden:

»Herr Inderbinen erwies sich als durchaus sicher und zuverlässig, so dass ich hoffe, noch häufiger mit ihm zusammen zu gehen ...« So steht es in seinem Führerbuch.

Danach musste sich der junge Bergführer erst einmal wieder in Geduld üben, es war schwierig, Gäste zu bekommen. In der ersten Saison seiner Bergführertätigkeit hatte er neben der Matterhorn-Tour nur zwei weitere Engagements.

Im Sommer 1928 durften die Bergführer keine Gäste mehr am Bahnhof anwerben, und vor den Hotels hatte Ulrich keine Chance. Aber die Inderbinen-Brüder waren clever, und getreu dem Motto »Der frühe Vogel fängt den Wurm« gingen sie frühmorgens vier Stunden zu Fuß auf den Gornergrat und warteten auf den Zug, der die Touristen von Zermatt auf 3087 Meter brachte. Dort oben waren sie konkurrenzlos und wurden oft von Bergwanderern angesprochen, die beim Anblick der Viertausender ringsum spontan Lust auf eine Bergtour bekamen.

So vergingen die Sommer, tagein, tagaus, nur sonntags führte Ulrich keine Gäste. Wenn nichts dazwischenkam ... wie im Sommer 1930: Ulrich war seit fünf Jahren Bergführer, als er während einer Tour einen ganzen Samstagnachmittag mit seinem Gast in der Cabana Margherita festsaß, draußen herrschte dichtes Schneetreiben, ein Weiterkommen war unmöglich. Erst am Sonntagmorgen wagten sie den Abstieg, und der 30-Jährige wusste, was ihn zu Hause erwartete. Er hatte die Sonntagsmesse verpasst, und dafür hatte der Vater kein Verständnis. Schneetreiben hin oder her.

Der Glaube an Gott und fromme Rituale waren feste Bestandteile in Ulrichs Leben. Vor dem Verlassen des Hauses bekreuzigte man sich mit Weihwasser, vor und nach jeder Mahlzeit sprach man ein kurzes Gebet. Und natürlich besuchte die ganze Familie Inderbinen jeden Sonntag das Hochamt. Ulrich saß sein Leben lang jeden Tag in der Frühmesse. Die eigene Person war ihm nie wichtig, dafür aber der Herrgott, die Natur und die Mitmenschen. Inderbinen war über siebzig Jahre lang als Führer in den Walliser Alpen unterwegs. Und er wusste, was er »dem da oben« schuldig war: »Sehr oft hatte Gott das Seil in der Hand.«

 

Seine Gäste brachte er nicht einfach nur heil hinauf und wieder hinunter, er wollte ihnen auch die Liebe zu den Bergen vermitteln. Bis Anfang der sechziger Jahre war es nicht leicht, als Bergführer engagiert zu werden, denn den beiden Weltkriegen war auch der Tourismus zum Opfer gefallen. Das änderte sich erst 1962, als in Zermatt das Bergführerbüro eröffnet wurde und der Bergtourismus einen neuen Aufschwung erlebte. Endlich herrschte eine starke Nachfrage nach Bergführern. Um die Touren zu organisieren, wäre ein Telefon nützlich gewesen, doch der über 60-Jährige beschloss, dass es sich für einen so alten Bergführer nicht mehr lohne, wegen der noch verbleibenden Jahre eines anzuschaffen. Dennoch war es kein Problem, Inderbinen zu erreichen, man traf ihn täglich zwischen 17 und 18 Uhr auf dem Zermatter Kirchplatz!

Nun sind wir also doch wieder beim Alter angekommen, man kommt auch gar nicht umhin, denn die meisten Ulrich-Inderbinen-Anekdoten haben damit zu tun. Einem Gast, der sich über sein hohes Alter Sorgen machte, dann allerdings nach der Tour selbst ziemlich geschafft war, sagte er einmal: »Wenn Sie langsamer laufen wollen, müssen Sie sich nächstes Mal einen älteren Bergführer suchen.« Und gelangweilt habe...
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Autor

Kurt Lauber, geboren 1961, ist Skilehrer, Bergführer, Hubschrauberpilot und Rettungsspezialist mit Erfahrung in mehr als 1000 Rettungseinsätzen. In den Medien ist er ein gefragter Interviewpartner und gilt als Experte in Sachen Bergsteigung und Bergrettung. Seit 1995 arbeitet er außerdem als Hüttenwart auf der Hörnlihütte am Matterhorn.Kurt Lauber lebt mit Frau und Sohn in Zermatt.