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Der fremde Bretone

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am09.03.20151. Auflage
Bretonischer Sturm.

An einem kalten Wintertag entkommt der junge Ukrainer Marko nur knapp einer Schleuserbande, die ihn und drei Freunde nach Frankreich schmuggeln sollte. Fortan ist er in höchster Gefahr, denn die rumänische Mafia ist ihm auf den Fersen. Er findet schließlich Zuflucht auf einer kleinen bretonischen Fischerinsel - und stößt dort auf alte Legenden, Aberglauben und unerklärliche, grausame Todesfälle ...

'Ein meisterhafter Krimi, eine lebendige und explosive Mischung aus Mafia und bretonischen Legenden, Liebesgeschichten und Fischern im Sturm: ein wahrer Genuss.' Le Divan.



Emmanuel Grand, geboren 1966 in Versailles, wuchs an der französischen Atlantikküste der Vendée auf. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen vier Töchtern in der Nähe von Paris und arbeitet als Webdesigner. Bei Rütten & Loening erschienen bisher seine Romane 'Der fremde Bretone' und 'Späte Vergeltung'.
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Produkt

KlappentextBretonischer Sturm.

An einem kalten Wintertag entkommt der junge Ukrainer Marko nur knapp einer Schleuserbande, die ihn und drei Freunde nach Frankreich schmuggeln sollte. Fortan ist er in höchster Gefahr, denn die rumänische Mafia ist ihm auf den Fersen. Er findet schließlich Zuflucht auf einer kleinen bretonischen Fischerinsel - und stößt dort auf alte Legenden, Aberglauben und unerklärliche, grausame Todesfälle ...

'Ein meisterhafter Krimi, eine lebendige und explosive Mischung aus Mafia und bretonischen Legenden, Liebesgeschichten und Fischern im Sturm: ein wahrer Genuss.' Le Divan.



Emmanuel Grand, geboren 1966 in Versailles, wuchs an der französischen Atlantikküste der Vendée auf. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen vier Töchtern in der Nähe von Paris und arbeitet als Webdesigner. Bei Rütten & Loening erschienen bisher seine Romane 'Der fremde Bretone' und 'Späte Vergeltung'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841208750
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum09.03.2015
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4515 Kbytes
Artikel-Nr.1546265
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
MARKO

Eine Sekunde bevor das Ballonglas in ihren Händen zersplittert wäre, stellte Karine es ab und nahm ein anderes aus der Spüle, ohne dabei den hintersten Tisch aus den Augen zu lassen. Der Mann, der dort an seinem Kaffee nippte, erinnerte sie an eine Szene aus einem Spielfilm, den sie im Fernsehen gesehen hatte. Die Szene spielte in einer Bar an einer Straße, die durch die Wüste führte. Es herrschte eine brütende Hitze. Eine Kellnerin saß am Tresen. Im Halbdunkel hockte ein zwielichtiger Typ vor seinem Bier. Aus dem Fernseher drangen gedämpft die Geräusche eines Baseballspiels, und im Hintergrund surrte eine Klimaanlage. Dann hebt der zwielichtige Typ plötzlich einen Finger. Die Kellnerin schlendert zu ihm hinüber und stellt sich vor ihn hin. Der Mann schiebt die Hand in seine Jacke, zückt einen Revolver, lässt irgendwas Bescheuertes wie »Endstation, alles aussteigen« vom Stapel und knallt sie ab, einfach so, ohne Grund. Paff. Blut strömt über den Bildschirm. Der Film hatte ihr eine Höllenangst eingejagt, und zwei Wochen lang war sie praktisch im Laufschritt über den Parkplatz gehetzt, wenn sie zu ihrem Peugeot 106 wollte. Frank, ihr Freund, nannte das Verfolgungswahn. Aber so was verstanden Kerle eben nicht. Jedenfalls aktivierte der Typ dahinten in der Cafeteria ihren »Verfolgungswahn« wieder. Um die dreißig, abgewetzte braune Windjacke, zerzauste Haare, schlecht rasiert. Und eine blaue Sporttasche, die er dicht neben sich gestellt hatte.

Es war noch dunkel. Die roten Leuchtziffern der Wanduhr zeigten 6:57. Auf der anderen Straßenseite plagte sich Abdel, der Angestellte des Relais H, mit seinem Rollgitter ab. Der Bahnhof war menschenleer. Im Rhythmus der ankommenden und abfahrenden Züge füllte und leerte er sich mit Menschen, die in aller Eile in die Cafeteria strömten und noch einen Kaffee tranken, bevor sie weiterhasteten. Bis zum nächsten Ansturm herrschte dann Flaute. Als um 7 Uhr 19 der Zug aus Quimper in den Bahnhof einfuhr, hatte Karine bereits die Tische mit einem feuchten Tuch abgewischt und im Fernseher die Morgensendung eingeschaltet, in der der ideale Schwiegersohn und seine perfekte Assistentin über Silikonschnuller, Gesichtsmasken und Gartenpflege plauderten.

Um 7 Uhr 55 saß der Typ in der Windjacke immer noch vor seiner ersten Tasse Kaffee. Frank hätte ihr geraten, an etwas anderes zu denken. Vermutlich war er einfach ein Penner. Nur hatten Penner ihre Tagesroutine, und den hier hatte sie noch nie gesehen. Um 8 Uhr stand er auf, griff nach seiner Tasche und kam nach vorn zum Tresen.

»Ich will telefonieren.«

Er hatte einen starken polnischen Akzent. Karine hatte letzten Sommer auf dem Campingplatz La Cotinière ein paar Polen kennengelernt. Er war ganz sicher ein Pole. Sie deutete auf eine Telefonzelle draußen auf dem Vorplatz. Der Mann ging hinaus. Sie blickt ihm nach. Das Telefonat dauerte nicht lange. Der Mann sagte nichts und legte gleich wieder auf. Dann wählte er ein zweites und ein drittes Mal. Alle Anrufe waren gleich kurz. Anschließend kehrte er in die Cafeteria zurück, setzte sich auf denselben Platz wie zuvor und bestellte noch einen Kaffee. Als Karine ihm die Tasse brachte, sah sie, wie er die Hand in seine Sporttasche schob. Sie dachte an Frank, dann an den Film, dann wieder an Frank. Der Mann zog eine zusammengerollte Ausgabe des Télégramme de Brest heraus und legte sie auf den Tisch. Er faltete die Zeitung sorgfältig auseinander und hob den Blick.

»Ich suche Arbeit. Kann man hier finden?«

»Hier ist es wie überall - die Arbeit liegt nicht auf der Straße.«

»Ich kann Ihnen zeigen?«

Der Mann deutete auf einige Annoncen, die er mit einem Kreuz markiert hatte. Sie zuckte mit den Schultern.

Anstreicher. Morlaix.

Sie übernehmen die Vorbehandlung und Politur der Oberflächen und bringen Farben, Tapeten und andere Wandverkleidungen an.

Datentypist. Rennes.

Nach einer Einarbeitungszeit in einem kleinen Team (2-3 Personen) geben Sie Daten von Waren (Tiefkühlkost und Lebensmittel), die unsere Kunden per Katalog bestellt haben, in ein PC-Programm ein.

Außendienstverkäufer

Führender Anbieter von Konfektionskleidung für Senioren sucht Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst für Verkaufstätigkeit in der Nähe Ihres Wohnorts (unbefristet).

Karine war skeptisch, vor allem, was die letzte Annonce betraf.

»Sie haben dort angerufen?«

»Ja. Sie gehen nicht ran.«

»Acht Uhr ist zu früh. Versuchen Sie es später wieder.«

Der Mann nickte.

»Lassen Sie mich mal sehen.«

Der Mann gab ihr die Seite mit den angekreuzten Anzeigen. Sie überflog die Spalten, und ihr Blick blieb an einer Notiz ganz unten auf der Seite hängen.

»Die da haben Sie nicht angekreuzt. Das ist nicht weit von hier.«

Kapitän sucht Matrosen für Küstenfischerei.

Unterkunft, Festgehalt plus Umsatzbeteiligung. Belz.

»Aber da muss man Seemann sein, ist vielleicht keine so gute Idee ...«, sagte sie zögernd.

Doch der Mann streckte schon den Arm nach der Anzeigenseite aus und las die Notiz aufmerksam durch.

»Das habe ich nicht gesehen. Belz?«

»Eine Insel. Man braucht eine Stunde mit dem Schiff.«

»Eine Insel?«

»Aber man muss Matrose sein. Sind Sie Matrose?«

»Ich kann alles machen«, antwortete der Mann. »Ich kann Matrose sein ... Ich rufe an.«

»Freuen Sie sich nicht zu früh. Es ist keine leichte Arbeit.« Karine bemühte sich, seine aufkeimende Hoffnung ein wenig zu dämpfen, denn sie würde wahrscheinlich enttäuscht werden.

Aber der Mann war schon hinausgelaufen, in Richtung Telefonzelle.

*

Sie fuhren seit zehn Stunden. Das ohrenbetäubende, monotone Brummen des Motors dröhnte durch den gesamten Container. Die bis zur Decke gestapelten Holzkisten und Kartons schwankten im Gleichtakt. Anatoli, Wassili, Marko und Iryna saßen aneinandergepresst und todmüde in ihrem Versteck hinter der Ladung. Um aussteigen zu können, mussten sie ein Dutzend Pakete wegräumen, über zwei Paletten klettern und sich an der Metallwand entlangtasten. Anatoli war durch den Benzingestank und das ständige Gerüttel übel geworden. Marko saß auf dem Boden, Iryna schlief, in Wassilis Arme geschmiegt. Ihr Vater Ruslan hatte sie Wassili anvertraut, er sollte während der Reise auf sie aufpassen.

Ruslan Belanow war Metallarbeiter in Donezk, einer Industrie- und Bergbaustadt im Südosten der Ukraine. Er wohnte in dem völlig heruntergekommenen Stadtteil Oktober in einem niedrigen kleinen Haus inmitten von Halden und hoch aufragenden Schmelzöfen. Seit dem Tod seiner Frau kümmerte er sich allein um Iryna. Natalja war, wie im Donezbecken üblich, an Lungenkrebs gestorben. Ruslan hatte sich nie damit abgefunden, dass sie vor ihm gegangen war. Er hatte fünfunddreißig Jahre im Stahlwerk von Jenakiewo gearbeitet. Fünf Jahre in der Kokerei, Kohle schaufeln, dreißig in der Schmelzerei, im Asbestanzug, in dem man schwitzte wie ein Tier. Nach all den Jahren, in denen er Tag für Tag im Werk Kohlestaub und Schwefeldämpfe eingeatmet hatte, hätte er als Erster sterben müssen. So war das nicht geplant gewesen. Aber es passierte ja sowieso nie etwas, wie man es plante.

Bis zum Ende der 1980er Jahre hatte Ruslan, wie die meisten Arbeiter aus Donezk, der Kommunistischen Partei angehört. Er war nie ein besonders eifriger Aktivist gewesen. Damals war die KP-Mitgliedschaft vor allem die beste Methode, nicht aufzufallen. Dann war das Sowjetreich auseinandergebrochen, und er hatte, wie alle anderen, seinen Parteiausweis zurückgegeben. Das Ende des Kommunismus war von den Einwohnern des Donezbeckens mit Zurückhaltung aufgenommen worden, denn sie hatten sich aus der Sowjetära ein Misstrauen gegenüber allem bewahrt, was aus dem Westen kam. Siebzig Jahre lang hatten sie im größten Industriegebiet der UdSSR gelebt, und das hatte sie zu Helden gemacht. Sie sprachen Russisch statt Ukrainisch. Ruslan allerdings hatte die wässrige Milch der russischen Revolution immer nur in kleinen Schlucken genossen. Er hatte beim Fall der Berliner Mauer geweint und die Unabhängigkeit der Ukraine begrüßt. Natürlich waren auch seine Hoffnungen auf einen großen demokratischen Umbruch rasch der Enttäuschung gewichen. Die Orange Revolution hatte das Politbüro durch Oligarchen ersetzt. Sonst hatte sich nichts verändert, und für die Metallarbeiter von Jenakiewo schon gar nicht. Vorher hatte es nichts gegeben. Heute gab es viele Dinge, die man sich nicht leisten konnte.

Manchmal fragte sich Ruslan, ob er die Welt von gestern oder die von heute vorzog. Im Grunde wusste er es nicht. Sie hatten immer Not gelitten, mit den Kommunisten und ohne sie. Er hatte sich damit abgefunden. Von Wirtschaft verstand er nichts, von Politik auch nicht viel. Deshalb beschäftigte er sich mit sich selbst und mit seiner Tochter. Er zog etwas Gemüse in einem kleinen Gärtchen hinter dem Haus und legte jeden Monat ein wenig Geld auf die Seite. Und außerdem hatte er aufgehört zu rauchen. Seine einzige Freizeitbeschäftigung bestand darin, sich in der Kneipe mit seinen Freunden die Spiele von Schachtjor Donezk anzusehen. Ansonsten fand er sich in dieser Welt und dieser Zeit nicht mehr zurecht.

Dass seine fünfzehnjährige Tochter fortgehen würde, bereitete ihm großen Kummer, und er hatte sich erst nach monatelangen Grübeleien dazu entschlossen, sie auf die Reise zu schicken. Der Tag, an dem sie im Morgengrauen, in ihren Wollmantel...
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Autor

Emmanuel Grand, geboren 1966 in Versailles, wuchs an der französischen Atlantikküste der Vendée auf. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen vier Töchtern in der Nähe von Paris und arbeitet als Webdesigner. Bei Rütten & Loening erschienen bisher seine Romane "Der fremde Bretone" und "Späte Vergeltung".