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Dunkler als der Tod

Kriminalroman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2014
Unschuldig schuldig Die Privatermittlerin Diane sucht vermisste Personen. Ihre neueste Klientin Karen ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Vor sieben Jahren hat sie ihren kleinen Sohn Falcon getötet - und beinahe auch ihre Tochter Sunny. Sie will Diane engagieren, um Sunny zu finden, die sie seit damals nicht mehr gesehen hat. Karen scheint zu glauben, dass Sunny in Gefahr sein könnte. Aber wie weit kann man einer Frau trauen, die ihr eigenes Kind getötet hat?  

Donna Malane ist Fernsehproduzentin und Drehbuchautorin und wurde für ihre Arbeit bereits mit mehreren Preise ausgezeichnet. Sie lebt in Auckland/Neuseeland.
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Produkt

KlappentextUnschuldig schuldig Die Privatermittlerin Diane sucht vermisste Personen. Ihre neueste Klientin Karen ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Vor sieben Jahren hat sie ihren kleinen Sohn Falcon getötet - und beinahe auch ihre Tochter Sunny. Sie will Diane engagieren, um Sunny zu finden, die sie seit damals nicht mehr gesehen hat. Karen scheint zu glauben, dass Sunny in Gefahr sein könnte. Aber wie weit kann man einer Frau trauen, die ihr eigenes Kind getötet hat?  

Donna Malane ist Fernsehproduzentin und Drehbuchautorin und wurde für ihre Arbeit bereits mit mehreren Preise ausgezeichnet. Sie lebt in Auckland/Neuseeland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423424561
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum01.07.2014
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1781
Artikel-Nr.1546364
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Montag, 19. November 2012

Die roten Girlanden, die von den Lampen herabhingen, erinnerten mich an blutige Gedärme. Ich war definitiv nicht in festlicher Stimmung. Aber wenigstens war ich meine fünfzig Längsbahnen geschwommen. Okay, Querbahnen. Ich war schon an der Tür zum Ausgang, als über den Lautsprecher zwei Schweigeminuten zum Gedenken an die Opfer des Pike-River-Grubenunglücks ausgerufen wurden. Neunundzwanzig Tote. Zwei Minuten Schweigen. Das schien nicht zu viel verlangt. Ich blieb stehen, etwas verlegen mit meinem Kaffeebecher und dem Rosinenbrötchen, das wacklig auf seinem Deckel saß. Die kleinen Racker, die eben noch quietschend im Kinderbecken geplanscht hatten, hockten still da, die runden Popos ins Wasser getunkt, und schauten mit großen Augen in die plötzlich reglosen Gesichter ihrer Eltern. Die Gruppe wirkte wie ein Abbild der toten Bergleute. Erstarrt. Aller Lebendigkeit beraubt.

Und mitten in diese seltene hypnotische Stille hinein läutete mein blödes Telefon.

So kam es zu meiner Verabredung mit Karen Mackie im Café Deluxe. Sie hätte sich gar nicht diese pinkfarbene »Kimonobluse«, wie sie sie genannt hatte, anziehen müssen. Ich hätte sie sowieso erkannt. Keine noch so exotische Aufmachung hätte das Anstaltsgrau ihres Teints kaschieren können. Nein, das ist nicht fair. Ihr Teint war nicht grau. Nicht mehr taufrisch vielleicht, aber ist das ein Wunder, wenn man schon über dreißig Jahre lang in derselben Haut steckt? Normalerweise bin ich ehemaligen Strafgefangenen gegenüber nicht voreingenommen, doch mein Misstrauen gegen diese Frau hatte seinen Grund. Sie hatte sich am Telefon als Vex ehemalige Zellengenossin vorgestellt, und Vex saß wegen Anstiftung zum Mord an einer jungen Prostituierten namens Niki im Gefängnis. Niki war meine kleine Schwester.

Karen kam unverzüglich zur Sache, ohne mir überhaupt Gelegenheit zu geben, erst einmal das Grundsätzliche abzuhandeln. »Ich habe einen Auftrag für Sie. Ich möchte, dass Sie meine Tochter Sunny suchen. Sunny, wie Sonnenschein«, fügte sie mit einem scheuen Lächeln hinzu. »Ihr Vater hat damals das Sorgerecht bekommen, als ich weggegangen bin.«

»Weggegangen«? Meinetwegen, wenn sie es schönfärben wollte.

»Ich habe schon im Internet gesucht, aber nicht viel gefunden. Justin hat wahrscheinlich einen anderen Namen angenommen.« Auf dem kleinen Holztisch zwischen uns lag eine mit Unterlagen und Fotos vollgestopfte Plastiktüte. Ich ließ sie, wo sie war. »Ich muss wissen, dass sie sicher und wohlbehalten ist.«

Das ließ mich aufhorchen. »Sie haben Angst, dass er sie missbraucht?«

Sie antwortete nur mit einem Schulterzucken.

»Haben Sie mit der Polizei gesprochen?«

Erneutes Schulterzucken. »Die interessieren sich herzlich wenig für das, was ich zu sagen habe.« Sie richtete den Blick auf die Plastiktüte, eine stumme Aufforderung an mich. »Da drin finden Sie alles. Namen, Fotos, Kontaktdaten.« Sie schaute mich kurz an, dann senkte sie den Blick wieder auf die Tüte. »Ich habe Sunny seit dem Tag meiner Festnahme nicht mehr gesehen. Sie war damals sieben. Jetzt ist sie vierzehn.«

Ich brauchte nicht groß nachzurechnen. In Neuseeland wandert man nur wegen schwerster Verbrechen so lange hinter Gitter. Sie sah mir an, was ich dachte, und griff nach der Handtasche auf ihrem Schoß.

»Ich bezahle Sie selbstverständlich.«

Ich überlegte ganze fünf Sekunden. So lang brauchte ich, um meine finanzielle Situation zu überschlagen. Selbst schöngefärbt konnte mein derzeitiges Bankguthaben nur als »mager« beschrieben werden.

»Also gut. Hier sind meine Bedingungen: Sollte ich die Person ausfindig machen, die Sie suchen, so erfahren Sie ihren Aufenthaltsort nur, wenn die Person damit einverstanden ist. Aber bezahlen müssen Sie mich auf jeden Fall.« Sie ließ sich das durch den Kopf gehen und nickte. »Das hat nichts damit zu tun, dass Sie im Gefängnis waren.« Das musste sie wissen. »Für alle meine Auftraggeber gelten die gleichen Bedingungen.«

Sie nickte noch einmal. »Okay.«

Ich schob ihr den nur eine Seite umfassenden Vertrag, den ich all meinen Auftraggebern vorlege, über den Tisch zu, und sie unterschrieb ihn, ohne auch nur ein Wort davon gelesen zu haben. Ihre Hand zitterte, ich merkte ihr an, wie froh sie war, aufgeregt wie ein Kind. Dankbar. Dann schob sie mir das Blatt wieder zu. Ich drehte es herum. Ihre Schrift war stark linksgeneigt, nicht das einzige Anzeichen dafür, dass es ihr an Selbstvertrauen fehlte. Ihre Fingernägel waren abgekaut. Es fiel ihr schwer, mir ins Gesicht zu sehen, und sie hatte die merkwürdige Angewohnheit, häufig zu zwinkern.

»Sunny wird mich sicher nicht sehen wollen, aber darum geht s auch gar nicht. Das ist nicht der Grund, warum ich nach ihr suche. Ich muss einfach nur wissen, dass es ihr gut geht.«

Mein Misstrauen legte sich etwas, doch ich konnte nicht vergessen, wie sie auf mich gekommen war. Vex stand wie ein böser Geist zwischen uns.

»Nehmen Sie es mir nicht übel, Karen, aber ich muss Sie etwas fragen ⦫ Ich suchte nach einer möglichst neutralen Formulierung, um ihre Beziehung zur Mörderin meiner Schwester anzusprechen. »Ich muss wissen, wie Sie zu Vex stehen.«

Karen zuckte mit den Schultern, doch die Geste drückte eher Ratlosigkeit als Gleichgültigkeit aus, deshalb nahm ich keinen Anstoß daran. »Ich habe ihr erzählt, dass ich jemanden brauche, der Sunny sucht, und sie hat gesagt, dass sie eine Frau kennt, die darauf spezialisiert ist, Vermisste ausfindig zu machen.« Sie nahm mein Stirnrunzeln, das reine Angewohnheit war, anscheinend persönlich, denn sie fügte hinzu: »Man kann sich seine Zellengenossen im Knast nicht aussuchen.«

Schweigend saßen wir einander gegenüber. Ich sagte mir, ich hätte kein Recht, über sie zu urteilen. Ich hatte keine Ahnung, was ihr durch den Kopf ging. Vielleicht gar nichts. Vielleicht lernte man in sieben Jahren Gefängnishaft, an nichts zu denken. Schließlich sagte ich: »Okay. Fangen wir mit der Vorarbeit an. Vielleicht kann ich feststellen, wo Ihr Exmann jetzt lebt. Versprechen kann ich nichts, aber ich werde es versuchen.«

»Danke.« Sie schniefte laut. Tränenabwischen ist im Knast offenbar tabu. Ich merkte, wie meine Ablehnung schmolz, wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer sollte ich ihr mit auf den Weg geben, fand ich.

»Es kann sein, dass Ihre Tochter Sie jetzt, wo Sie aus dem Gefängnis raus sind, kennenlernen möchte. Bei Vierzehnjährigen weiß man nie. Sie sollten die Möglichkeit jedenfalls nicht ausschließen.«

Doch sie schlug mir das Geschenk, das ich ihr machen wollte, aus der Hand. »Sie haben ja keine Ahnung«, erklärte sie und straffte die Schultern. »Sie haben keine Ahnung, was ich meiner Tochter angetan habe.« Zum ersten Mal sah sie mir direkt in die Augen. »Deswegen musste ich weg. Ich wollte meine Tochter umbringen.«

Ich glaube, ich brachte nur ein »Oh« heraus.

Die zwei Frauen am Nebentisch waren sehr still geworden. Das Café Deluxe ist winzig, und ich war ziemlich sicher, dass die beiden Karens Worte gehört hatten. Hier sollte ich mich in Zukunft nicht mehr mit Auftraggebern treffen, sagte ich mir. Karen sah mich unverwandt an und sprach weiter, ohne die Stimme zu senken. Sie wusste, dass die beiden Frauen nebenan lauschten.

»Meine Entschuldigung war damals, dass ich voll auf Crystal war. Die meiste Zeit war ich total zugedröhnt und wenn nicht, habe ich mit allen Mitteln versucht, den Zustand wiederherzustellen. Aber das war s gar nicht. Ich war einfach hohl.« Sie sah mir direkt in die Augen. »Ja, eine leere Hülle, bis zu dem Tag, an dem ich zu Gott gefunden habe. Bis er mich gefunden hat.« Ich bemühte mich nicht einmal, meine Skepsis zu verbergen, doch sie begegnete meinem Blick mit erhobenem Kopf, wie um den Schlag in seiner ganzen Wucht zu empfangen. »Er schenkt uns seine bedingungslose Liebe«, sagte sie absolut ruhig und sachlich. »Die Kinder haben hinten rumgetobt. Ich habe die Handbremse gelöst und den Wagen in den Pupuke-See rollen lassen. Ein Mann, der an der nächsten Bucht die Schwäne fütterte, hat es beobachtet, ist sofort reingesprungen und hat s geschafft, Sunnys Gurt zu öffnen. Er hat sie aus dem Wasser gezogen und von Mund zu Mund beatmet. Er hat ihr das Leben gerettet.«

Was hätte ich darauf sagen sollen? Aber sie brauchte gar keine Reaktion von mir.

»Gott sei Dank«, fügte sie mit der Inbrunst der gläubigen Christin hinzu. »Der Richter hat mir zugutegehalten, dass ich die Wahrheit gesagt und nicht versucht habe, es als Unfall darzustellen.« Ich sah die roten Flecken auf ihrem Hals und spürte den inneren Kampf, als sie sich, wie in einer Art Exorzismus, das Geständnis abrang. Es hätte mich nicht gewundert, wenn auch ihr Kopf noch um 360 Grad herumgewirbelt wäre. Na ja, ein bisschen vielleicht. »Ich wollte sie töten. Ich wollte meine schöne kleine Tochter töten.«

Und dann schien alle Kraft sie verlassen zu haben. Am ganzen Körper erschlafft, sank sie in sich zusammen. Sie war nicht allein in ihrer Erschöpfung. Wir brauchten beide eine Verschnaufpause. Genau wie die stumm und starr dasitzenden Frauen am Nebentisch, denen beinahe die Augen aus dem Kopf sprangen. Ich überlegte noch krampfhaft, wie ich die einzig logische Frage stellen sollte, als sie mir unaufgefordert zu Hilfe kam.

»Es gibt keine Antwort auf das Warum. Keine Entschuldigung.« Wieder dieses Schulterzucken, das ich inzwischen als eine Angewohnheit von ihr erkannt hatte. »Ja, ich war...
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Donna Malane ist Fernsehproduzentin und Drehbuchautorin und wurde für ihre Arbeit bereits mit mehreren Preise ausgezeichnet. Sie lebt in Auckland/Neuseeland.