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KL - Gespräch über die Unsterblichkeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am18.02.20151. Auflage
Wer sieht uns an? Und was wird dadurch aus uns? Einer, der es wissen muss, ist der bekannte Modeschöpfer KL, eine Ikone der Unnahbarkeit, der seit Jahrzehnten nicht zu altern scheint und immer gleich aussieht. Ein namenloser Erzähler fährt nach Paris, um mit KL über Schein und Sein, über den Tod und das Leben als Bild gewordene Instanz zu sprechen. Doch KL ist einer der eigensinnigsten und launischsten Gesprächs- partner deutscher Sprache. Das Gespräch ist mit zahlreichen Reglementierungen und Auflagen verbunden. Und entwickelt sich schließlich in eine unerwartete Richtung. >KL - Gespräch über die UnsterblichkeitVom WasserHouwelandtWassererzählungenKlassenbuchDer brennende SeeWasser und andere WeltenDie Wütenden und die Schuldigen< (2021) und zuletztmehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextWer sieht uns an? Und was wird dadurch aus uns? Einer, der es wissen muss, ist der bekannte Modeschöpfer KL, eine Ikone der Unnahbarkeit, der seit Jahrzehnten nicht zu altern scheint und immer gleich aussieht. Ein namenloser Erzähler fährt nach Paris, um mit KL über Schein und Sein, über den Tod und das Leben als Bild gewordene Instanz zu sprechen. Doch KL ist einer der eigensinnigsten und launischsten Gesprächs- partner deutscher Sprache. Das Gespräch ist mit zahlreichen Reglementierungen und Auflagen verbunden. Und entwickelt sich schließlich in eine unerwartete Richtung. >KL - Gespräch über die UnsterblichkeitVom WasserHouwelandtWassererzählungenKlassenbuchDer brennende SeeWasser und andere WeltenDie Wütenden und die Schuldigen< (2021) und zuletzt
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832188474
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum18.02.2015
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1551416
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

ZU BESUCH BEI KL

Sein Fahrer holt mich vom Gare de l'Est ab, wie besprochen. Womöglich ist es auch der Assistent, mit dem ich telefoniert hatte, doch als solcher gibt er sich nicht zu erkennen. (Er wirkt jünger als der Mann am Telefon, aber auch nicht mehr ganz jung.) Ich hatte erwartet, dass er mit einem Schild in der Bahnhofshalle stehen würde. Stattdessen taucht er diskret neben mir auf, spricht mich mit Namen an und bittet mich ihm zu folgen. Als er mir meinen Rucksack abnehmen will, winke ich ab, ich trage mein Zeug lieber selbst. Er stoppt kurz, schaut mich an, prüfend, sogar etwas pikiert. Dann geht er voran und ich hinterher mit dem Gefühl, ihn gekränkt zu haben. Auf der fast halbstündigen Fahrt durch die verschiedenen Bezirke sagt er kein Wort, auch nicht, dass KL mich erwartet.

Als wir im Atelier ankommen, ist niemand da. Der weitläufige, loftartige Raum sieht aus, als hätte der Meister in diesem Moment alles stehen und liegen lassen. Skizzen, Notizen und ganze Nester von Zeichenutensilien verteilen sich über die Arbeitsfläche. Ich wahre gebührenden Abstand zu den Entwürfen. Falls ich stören sollte, will ich wenigstens nicht respektlos erscheinen. Unauffällig halte ich nach einer Uhr Ausschau, um mich zu vergewissern, dass ich nicht zu früh bin. Doch mein Zug war pünktlich, und der Fahrer hatte bestimmt seine Anweisungen. Vielleicht geht es nur darum, dass KL nicht auf mich wartet, sondern ich auf ihn.

Der junge, nicht mehr ganz junge Mann hat sich neben der Tür postiert, die Arme vor der Brust verschränkt. Auf einmal wirkt er wie ein Leibwächter. Unklar ist nur, wen oder was er bewacht. Als ich mich fragend umsehe, deutet er mit dem Kopf - eigentlich nur mit dem Kinn - auf eine Sitzgruppe in einem entlegenen Winkel des Raumes: ein Diwan, ein paar Louis-quinze-Stühle mit historischer Polsterung. Zögernd setze ich mich. Im selben Moment wird der Fahrer (oder Leibwächter) durch einen älteren Herrn im schwarzen Anzug abgelöst, der geradewegs auf mich zukommt und sich nach meinen Wünschen erkundigt, ein Hausangestellter oder Butler offenbar. Zunächst bestelle ich nichts, dann doch ein Wasser, für den Fall, dass es länger dauert. Auf einem kleinen Tischchen mit geschwungenen Beinen - Nussbaum; antik, wie ich vermute - liegen mehrere Zeitschriften. Ich komme mir vor wie in einem Wartezimmer. Dann erst bemerke ich auf dem Titelblatt KL im Halbprofil. Das darunterliegende Magazin wirbt in großen roten Lettern mit einem Exklusivinterview und einem kleineren Schnappschuss des Meisters, weiß gerahmt. Es folgt ein Branchenblatt, das ebenfalls groß mit seinem Porträt aufmacht und die neueste Ausgabe von The KL Daily. Ich lege die Zeitschriften wieder zurück auf den Stapel. Die Einschüchterungsstrategie hat funktioniert.

Hinter der Tür höre ich Schritte, Wortfetzen, eine Auseinandersetzung in mehreren Sprachen. Doch offenbar redet nur eine Person und die Erwiderungen sind Pausen - ein Telefonat, wie es scheint. Es wird leiser. Die Telefonstimme entfernt sich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es KL war, auch wenn er in Wirklichkeit eine Stimme haben soll, die nicht nach ihm klingt. Eine Zeit lang herrscht Ruhe, nicht einmal Straßenlärm oder andere Geräusche dringen von draußen herein. Totenstill liegt die Stadt unter uns, obwohl wir mit dem Wagen eben noch durch den dichtesten Berufsverkehr gefahren sind. Die Telefonstimme kommt zurück, für ein, zwei Sätze, Satzschleifen in fremdsprachigem Singsang. Vermutlich ein zweites Gespräch oder das versöhnliche Ende des ersten. Die Anspannung und Nervosität, dass KL gleich kommt, ist einem Anflug von Ungeduld, fast schon Unmut gewichen: Wann kommt KL endlich? Doch auch das geht vorbei. Ein paar Ewigkeiten später bin ich überzeugt: KL kommt nie.

Eingesunken sitze ich da. Die Stühle sind bequemer, als sie aussehen, geradezu sesselartig. Man geht in ihnen unter. Auf dem Nussbaumtisch, der mir jetzt sehr viel höher erscheint, steht ein Glas Wasser auf einem Silbertablett. Ich kann mich nicht erinnern, wann der Butler das gebracht hat. Ich habe jedes Zeitgefühl verloren und schon längst vergessen, was ich KL fragen wollte. Ich weiß nur eins: Von Einschüchterungsstrategie kann keine Rede sein. Der Meister denkt gar nicht daran, mir zu zeigen, wie groß er ist und wie klein dagegen ich. Er muss niemandem etwas beweisen. Für ihn ist Alltag, viel zu tun. Ich bin nur ein Punkt, ein Pünktchen, auf seiner randvollen Agenda und eigentlich gar nicht da.

Wir haben telefoniert, bonjour!

Auf einmal kommt sein Assistent ins Zimmer gestürzt (das muss er sein), die Hand zum Gruß ausgestreckt. Ich rappele mich aus dem Louis-quinze-Stuhl hoch wie aus einer anderen Zeit, nehme Hand und Gruß entgegen, finde aber so schnell keine Worte. Der Assistent ist schneller.

Er ist tout à fait désolé, dass Sie warten müssen. Ich soll Sie um Entschuldigung bitten, vielmals und in aller Form. Wenn es nach ihm ginge, wäre er pünktlich, auf die deutscheste Weise, sagt er selbst. Aber er hat mit Italienern zu tun - Rom! Mailand! Und es gibt un problème mit New York. Haben Sie noch etwas Geduld?

Ich nicke beflissen - jaja -, was bleibt mir anderes übrig? Ich muss froh sein, wenn KL mich überhaupt empfängt, mir einen Moment seiner kostbaren Zeit schenkt und Einblick gewährt in seine Arbeit, seine Welt. Plötzlich beschleicht mich die Angst, er könnte unsere Verabredung in allerletzter Minute platzen lassen und mich auf irgendwann vertrösten.

Mais la bonne nouvelle: Er ist trotz allem guter Stimmung! Sie haben Glück. Er ist, comment dit-on, mit dem richtigen Fuß aufgestanden, aujourd'hui, und das bisschen confusion in Italien und les États-Unis kann seine Laune nicht trüben.

Er sagt so andächtig und gottesfürchtig »er« - man müsste es eigentlich großschreiben. Andererseits hat es einen leichten Dialekteinschlag ins Hamburgische, ein langes »E«, auslautend mit einem »A« statt »R«, und da sein Assistent alles Mögliche ist, nur kein waschechter Hanseat, muss es KLs Aussprache selbst sein, originalgetreu nachgeahmt und hart an der Grenze zur Parodie: »eea«!

Und damit er bei Laune bleibt, würde ich mit Ihnen gern die conditions durchgehen, um Missverständnisse zu vermeiden und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Mit solchen petites choses hält er sich nur ungern auf. Asseyez-vous, s'il vous plaît â¦

Sein Assistent verweist mich geschäftsmäßig zurück auf meinen Platz und setzt sich mit übereinandergeschlagenen Beinen neben mich. Dann zieht er eine lange Liste hervor, die er weitgehend abliest.

Oberstes Gebot, aber das sagte ich bereits au téléphone: Keine Fragen zur Mode oder zu anderen geschäftlichen Belangen, insbesondere nichts, was unter das Berufsgeheimnis fällt!

Davon hatte er am Telefon nichts gesagt, aber ich stimme zu.

Auch keinerlei Fragen privater Natur in Bezug auf Geschäftspartner und Kollegen aus der Modebranche. Desgleichen kein Klatsch und Tratsch über Models, Prominente und sonstige Personen des öffentlichen Lebens!

Ich stutze. Die Zeitschriften auf dem Nussbaumtisch sind voll davon, soweit ich sie gelesen habe (leider mit Vergnügen), seine eigene auch. KL ist nicht nur ein scharfzüngiger Plauderer, er ist eine Instanz: ein unbestechlicher Beobachter und strenger Richter, dessen Urteile sich zwar wie Klatsch und Tratsch ausnehmen, dies aber auf einem einsamen Niveau von Bosheit. Wie kein Zweiter versteht er es, gleichzeitig vornehm und vernichtend zu sein - je vornehmer, desto vernichtender! Und wen er ins Visier nimmt oder mit Nichtachtung straft, dem gnade Gott, denn er (»ER«!) kennt kein Pardon.

D'accord?

Was? Ja, sicher, sage ich zögerlich, aber ist es nicht ein bisschen unklug, all die Themen auszuklammern, die den größten Unterhaltungswert haben? Oder meinen Sie, es macht besonders viel Spaß, ihn lästern zu hören, wenn es verboten ist?

Das bringt uns zum nächsten Punkt ⦠Sein Assistent hält es für unter seiner (Seiner?) Würde, darauf einzugehen. Sie stimmen ferner zu, dass die Mit- bzw. Abschrift dieses Gesprächs als streng vertraulich gilt und nicht an Dritte weitergegeben werden darf bis zum Zeitpunkt der ausdrücklichen Autorisierung durch ihn oder seine mit dieser Aufgabe betrauten Mitarbeiter. Videoaufnahmen sind nicht gestattet, Tondokumente gelten als nicht genehmigt und sind weder gerichtsverwertbar noch zitierfähig. Sie dienen - falls Sie davon Gebrauch machen wollen - lediglich als subjektive Gedächtnisstütze. Objektiv im Sinne des Presserechts wurde nur das gesagt, was wir autorisieren.

Ja, sage ich, klar.

Überdies verzichten Sie auf Ihr Zitatrecht. Der genehmigte Text darf ausschließlich in der von uns autorisierten vollständigen Form veröffentlicht werden, ohne Kürzungen, Umstellungen oder Hinzufügungen, auch wenn sie als Anmerkungen der Redaktion gekennzeichnet sind. Ausschnitte und Zitate in jeglicher Form bedürfen einer gesonderten Erlaubnis. Sie dürfen weder aus dem Zusammenhang gerissen noch in andere Kontexte gestellt werden. Bei Zuwiderhandlung gehen wir gerichtlich gegen Sie vor.

Okay.

Der Assistent schenkt mir ein Lächeln. C'est tout. Ihre Interviewzeit beträgt dreißig Minuten, trentes minutes au maximum. Das Gespräch ist aber jederzeit unverzüglich beendet, quand il se lève.

Wie?

Wenn er sich erhebt und abwinkt.

Nein, nein, ich meine, dreißig...
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