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Das Schloss in den Wolken

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am24.04.2015Auflage
Valancy Stirling ist das Gespött ihrer Familie. Weit über zwanzig und noch immer unverheiratet! Nicht mal einen Verehrer hatte sie bisher! Dann passiert etwas, das ihr Leben radikal verändert. Und Valancy fasst sich ein Herz. Sie wird sich nicht mehr an die beengenden Konventionen halten, nicht mehr zu den ermüdenden Familientreffen gehen und sich nicht mehr von Onkel Benjamin triezen lassen. Stattdessen spricht sie die Wahrheit aus. Verlässt das Haus. Sucht sich eine Anstellung. Verliebt sich. Und findet das blaue Schloss, den Zufluchtsort ihrer Tagträume, endlich im richtigen Leben. Eine mitreißende Entwicklungs- und Liebesgeschichte vor der wilden Schönheit des kanadischen Ostens.

Lucy Maud Montgomery wurde 1874 auf Prince Edward Island in Kanada geboren. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wuchs sie bei den Großeltern auf. 1908 erschien ihr erstes Buch, »Anne auf Green Gables«. Die Reihe wurde zu einem weltweiten Erfolg. L.M. Montgomery schrieb zahlreiche weitere Bücher, auch für Erwachsene, und gilt als eine der wichtigsten Autorinnen Kanadas.
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Produkt

KlappentextValancy Stirling ist das Gespött ihrer Familie. Weit über zwanzig und noch immer unverheiratet! Nicht mal einen Verehrer hatte sie bisher! Dann passiert etwas, das ihr Leben radikal verändert. Und Valancy fasst sich ein Herz. Sie wird sich nicht mehr an die beengenden Konventionen halten, nicht mehr zu den ermüdenden Familientreffen gehen und sich nicht mehr von Onkel Benjamin triezen lassen. Stattdessen spricht sie die Wahrheit aus. Verlässt das Haus. Sucht sich eine Anstellung. Verliebt sich. Und findet das blaue Schloss, den Zufluchtsort ihrer Tagträume, endlich im richtigen Leben. Eine mitreißende Entwicklungs- und Liebesgeschichte vor der wilden Schönheit des kanadischen Ostens.

Lucy Maud Montgomery wurde 1874 auf Prince Edward Island in Kanada geboren. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wuchs sie bei den Großeltern auf. 1908 erschien ihr erstes Buch, »Anne auf Green Gables«. Die Reihe wurde zu einem weltweiten Erfolg. L.M. Montgomery schrieb zahlreiche weitere Bücher, auch für Erwachsene, und gilt als eine der wichtigsten Autorinnen Kanadas.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646927542
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum24.04.2015
AuflageAuflage
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1953 Kbytes
Artikel-Nr.1552753
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins

Hätte es an jenem Morgen im Mai nicht geregnet, hätte Valancy Stirlings Leben einen völlig anderen Verlauf genommen. Sie wäre zu Tante Wellingtons Verlobungspicknick gegangen, und Dr. Trent hätte sich nach Montreal aufgemacht. Doch es regnete, und was ihr deshalb widerfuhr, will ich nun erzählen.

Valancy wurde früh wach, in der bleiernen, hoffnungslosen Stunde vor dem Morgengrauen. Sie hatte nicht gut geschlafen. Man schläft nicht unbedingt gut, wenn man am nächsten Tag neunundzwanzig wird und unverheiratet ist und dieser Umstand im ganzen Ort und in der eigenen Familie schlicht bedeutet, dass man es nicht geschafft hat, sich einen Mann zu angeln.

Deerwood und die Stirlings hatten Valancy schon lange als alte Jungfer abgeschrieben. Nur Valancy selbst hatte das armselige, verschämte Fünkchen Hoffnung, dass ihr Prinz noch kommen könnte, nie aufgegeben - bis zu jenem nassen, schrecklichen Morgen, als sie beim Aufwachen der Tatsache ins Auge sah, dass sie neunundzwanzig war und kein Mann sie haben wollte.

Ja, das war das Bittere daran. An sich fand Valancy es gar nicht so schlimm, eine alte Jungfer zu sein. Viel grässlicher wäre es, dachte sie, mit einem Onkel Wellington, einem Onkel Benjamin oder auch nur Onkel Herbert verheiratet zu sein. Aber dass sie nie die Aussicht gehabt hatte, etwas anderes zu sein als eine alte Jungfer, das tat weh. Sie hatte keinen einzigen Verehrer gehabt.

Während sie so allein in der sich langsam grau färbenden Dunkelheit lag, wurden ihr die Augen feucht. Doch sie wagte es nicht, ihren Tränen freien Lauf zu lassen, aus zwei Gründen. Wenn sie weinte, würde das womöglich wieder diese krampfartigen Schmerzen in der Herzgegend auslösen. Als sie zu Bett gegangen war, hatte sie einen solchen Anfall gehabt - den schlimmsten bislang. Und sie befürchtete, dass ihre Mutter beim Frühstück ihre geröteten Augen bemerken und sie mit bohrenden, hartnäckigen Fragen nach der Ursache piesacken würde.

Mal angenommen, dachte Valancy und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, ich sage ihr einfach die Wahrheit: »Ich habe geweint, weil ich nicht verheiratet bin.« Wie entsetzt Mutter wäre! Dabei schämt sie sich tagtäglich für ihre ledige Tochter in Grund und Boden.

Doch natürlich musste der Schein gewahrt werden. »Es gehört sich nicht«, konnte Valancy ihre Mutter in ihrem steifen, gebieterischen Ton sagen hören, »es gehört sich nicht für eine junge Dame, an Männer zu denken.«

Der Gedanke an den Tadel ihrer Mutter reizte Valancy zum Lachen. Sie hatte einen Sinn für Humor, von dem niemand in ihrer Familie etwas ahnte - was im Übrigen auch für manch andere ihrer Eigenschaften galt. Aber das Lachen verging ihr gleich wieder, und so lag sie im Bett, ein nichtiges Häuflein Elend, lauschte dem Prasseln des Regens und beobachtete mit verdrossenem Widerwillen, wie das kalte, gnadenlose Licht in ihre hässliche, schäbige Kammer kroch.

Sie kannte die Hässlichkeit dieses Zimmers in- und auswendig - kannte und hasste sie. Der gelb gestrichene Fußboden mit dem scheußlichen gehäkelten Bettvorleger, von dem ein grotesker gehäkelter Hund sie jeden Morgen beim Aufwachen angrinste; die von alten Wasserflecken und Rissen übersäte Zimmerdecke; der niedrige, wackelige Waschtisch; der Quervorhang aus Paraffinpapier mit lila Rosenmuster; der fleckige, in der Mitte gesprungene alte Spiegel auf der Schminkkommode, die diesen Namen fürwahr nicht verdiente; das Gefäß mit dem uralten Potpourri, das ihre Mutter während ihrer sagenumwobenen Flitterwochen angesetzt hatte; die an einer Ecke abgesplitterte Muschelschatulle, die Tante Stickles in ihrer ebenso sagenumwobenen Mädchenzeit gebastelt hatte; das perlenbesetzte Nadelkissen, an dem die Hälfte der Perlen fehlte; der eine harte, gelbe Stuhl; der verblichene alte Spruch »In unserem Herzen lebst du fort«, der in buntem Garn um Urgroßmutter Stirlings grimmiges altes Gesicht gestickt war; die alten Fotografien längst verstorbener Verwandter, die schon seit Ewigkeiten aus den Zimmern im Erdgeschoss verbannt worden waren. Es gab nur zwei Bilder, die keine Verwandten zeigten. Eins war eine alte handkolorierte Aufnahme eines Welpen, der im Regen vor einer Tür hockte. Das Bild betrübte Valancy immer wieder. Dieser traurige kleine Hund, der sich im strömenden Regen an der Türschwelle zusammenkauerte! Warum erbarmte sich denn niemand und ließ ihn ein? Das andere Bild war ein verblasster, mit Passepartout gerahmter Stich von Königin Luise auf einer Treppe, ein überaus großzügiges Geschenk von Tante Wellington zu Valancys zehntem Geburtstag. Seit neunzehn Jahren flößte es ihr Abscheu ein; schöne, eingebildete, selbstzufriedene Königin Luise. Doch sie hatte nie gewagt es zu zerstören oder abzuhängen. Mutter und Tante Stickles wären entgeistert gewesen oder, wie Valancy es in Gedanken respektloser formulierte, hysterisch geworden.

Hässlich war natürlich jedes Zimmer im Haus, aber das Erdgeschoss war leidlich herausgeputzt. Für Zimmer, in die kein Fremder je einen Fuß setzte, war kein Geld da. Manchmal dachte Valancy, dass sie selbst ihr Zimmer etwas hübscher machen könnte, auch ohne Geld, wenn man sie nur ließe. Doch ihre Mutter hatte jeden noch so schüchternen Vorschlag abgeschmettert und Valancy beharrte nicht darauf. Valancy beharrte nie auf irgendetwas. Sie traute sich nicht. Ihre Mutter ertrug keinen Widerspruch. Wenn sie gekränkt war, gebärdete sich Mrs Stirling tagelang wie eine beleidigte Majestät.

Es gab nur eines, was Valancy an ihrem Zimmer mochte: Sie konnte sich dort, wenn ihr danach war, nachts allein in den Schlaf weinen.

Doch war es im Grunde nicht gleichgültig, ob ein Zimmer, das man nur zum Schlafen und Ankleiden benutzte, hässlich war oder nicht? Zu anderen Zwecken durfte sich Valancy ohnehin nie allein in ihrem Zimmer aufhalten. Wer allein sein wollte, davon waren Mrs Frederick Stirling und Tante Stickles überzeugt, konnte nur finstere Absichten hegen. Valancys Zimmer im Blauen Schloss aber war genau so, wie ein Zimmer sein sollte.

So scheu und verschüchtert Valancy im wahren Leben war, so geringschätzig behandelt und beharrlich übersehen, so prächtig lebte sie in ihren Träumen. Niemand in der weitverzweigten Stirling-Sippe ahnte etwas davon, am wenigsten ihre Mutter und Tante Stickles. Sie hatten nie mitbekommen, dass Valancy an zwei Orten zu Hause war, in dem hässlichen roten Backsteinkasten in der Elm Street und in ihrem Blauen Schloss in den Wolken. Seit sie denken konnte, hatte Valancy im Geiste im Blauen Schloss gewohnt. Eines Tages, sie war noch ein ganz kleines Kind gewesen, hatte sie auf einmal festgestellt, dass sie es in sich trug. Sie brauchte nur die Augen zu schließen und schon sah sie es klar und deutlich vor sich, mit seinen Türmchen und Fahnen thronte es auf einem bewaldeten Berg, in seiner blau schimmernden Anmut, beschienen vom leuchtenden Abendhimmel eines schönen, fremden Landes. Alles Wunderbare und Herrliche gab es in diesem Schloss. Geschmeide, die einer Königin würdig waren; Gewänder von Mondenschein und Feuer; Diwane aus Rosen und Gold; prachtvolle weiße Vasen an langen, geschwungenen Marmortreppen, auf denen zarte, in Nebelschwaden gehüllte Jungfrauen wandelten; von Marmorsäulen umfasste Innenhöfe, auf denen glitzernde Springbrunnen plätscherten und Nachtigallen in Myrtenbäumen sangen; Säle mit verspiegelten Wänden, die nur das Bild stattlicher Ritter und liebreizender Frauen zurückwarfen - sie selbst die liebreizendste von allen, für deren Augenaufschlag Männer ihr Leben gaben. Das Einzige, was ihr die Eintönigkeit ihrer Tage ertragen half, war die Aussicht, sich nachts in ihr Schloss träumen zu können. Die meisten, wenn nicht alle Stirlings wären vor Entsetzen tot umgefallen, hätten sie auch nur im Entferntesten geahnt, was Valancy in ihrem Blauen Schloss alles tat.

Zum Beispiel hatte sie eine ganze Reihe von Liebhabern. Oh, natürlich immer nur einen auf einmal. Einen, der sie mit aller romantischen Inbrunst der Ritterzeit umwarb und nach langem, aufopferungsvollem Warten und vielen Heldentaten ihr Herz eroberte, worauf er sie in der prächtigen, mit Bannern geschmückten Kapelle des Blauen Schlosses mit Glanz und Gloria zur Frau nahm.

Als sie zwölf war, war dieser Liebhaber ein schmucker Bursche mit blonden Locken und Augen so blau wie der Himmel. Als sie fünfzehn war, war er hochgewachsen, dunkel und blass, aber natürlich trotzdem ein schöner Mann. Als sie zwanzig war, war er verträumt, asketisch, vergeistigt. Als sie fünfundzwanzig war, hatte er markante Wangenknochen und ein entschlossenes Gesicht, das eher charaktervoll und kantig war als schön. Älter als fünfundzwanzig wurde Valancy in ihrem Blauen Schloss nie, doch seit kurzem hatte ihr Held rostrot schimmerndes Haar, ein vieldeutiges Lächeln und eine geheimnisvolle Vergangenheit.

Ich sage nicht, dass Valancy diese Liebhaber vorsätzlich umbrachte, wenn sie ihnen entwuchs. Sobald ein neuer kam, verzog sich sein Vorgänger einfach. In dieser Hinsicht ist das Leben in Blauen Schlössern wirklich sehr praktisch.

Doch an jenem schicksalhaften Morgen konnte Valancy den Schlüssel zu ihrem Blauen Schloss nicht finden. Zu hartnäckig sprang die Realität sie an, kläffend wie ein lästiger kleiner Hund. Sie war neunundzwanzig, einsam, unbegehrt, unscheinbar - das einzige Heimchen in einer Familie hübscher Frauen, ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. So weit sie zurückblicken konnte, war ihr Leben immer trüb und grau gewesen, ohne ein einziges rotes oder violettes Pünktchen. So weit sie vorausblicken konnte, schien alles dazu bestimmt, so zu bleiben, bis sie nur mehr ein vereinzeltes, verwelktes...


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Autor

Lucy Maud Montgomery wurde 1874 auf Prince Edward Island in Kanada geboren. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wuchs sie bei den Großeltern auf. 1908 erschien ihr erstes Buch, »Anne auf Green Gables«. Die Reihe wurde zu einem weltweiten Erfolg. L.M. Montgomery schrieb zahlreiche weitere Bücher, auch für Erwachsene, und gilt als eine der wichtigsten Autorinnen Kanadas.