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Schuld war Elvis

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am09.03.2015
Ein Eifeldorf, ein Fachwerkhaus und eine kunterbunte Großfamilie
Inmitten einer Großfamilie, deren Mitglieder ebenso stur wie lebenslustig sind, wird in den Siebzigerjahren das Mädchen Hebron geboren.
Den eigenwilligen Namen verdankt sie ihrem Vater, der sich nach der Zeugung in seine Heimat Israel abgesetzt hat. Überhaupt hatte ihre Mutter Meggy Pech mit den Männern: Vom örtlichen Friseur bekommt sie Zwillinge. Der hätte sie gern geheiratet - wäre er nicht bei einem Autorennen ums Leben gekommen. Der Vater ihres Sohnes Francis ist ein katholischer Mönch, und Ben Omars Erzeuger Hadschi ist ein Rastafari mit Hundehaufenfrisur, dem seine Haschplantage wichtiger ist als die Kindererziehung, während Meggy die Familie ernährt. Die bunte Schar bewohnt ein windschiefes Fachwerkhaus in einem biederen Eifeldorf.
Da Hadschi verschwunden ist, muss Hebron sich um die kleinen Geschwister kümmern. Als sie daran fast zerbricht, reist sie nach Israel, um ihren Vater zu finden ...

Rebecca Maria Salentin, geboren 1979 in Eschweiler, aufgewachsen in der Eifel, lebt in Leipzig. Sie hat selbst jüdische und katholische Wurzeln und stammt aus einer Großfamilie. Die Autorin las beim Open Mike und nahm am Klagenfurther Literaturkurs teil. Ihr erster Roman 'Hintergrundwissen eines Klavierstimmers' ist bei Schöffling erschienen und erregte große Aufmerksamkeit. In Leipzig betreibt sie in einem alten Zirkuswagen das Sommercafé ZierlichManierlich.
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Produkt

KlappentextEin Eifeldorf, ein Fachwerkhaus und eine kunterbunte Großfamilie
Inmitten einer Großfamilie, deren Mitglieder ebenso stur wie lebenslustig sind, wird in den Siebzigerjahren das Mädchen Hebron geboren.
Den eigenwilligen Namen verdankt sie ihrem Vater, der sich nach der Zeugung in seine Heimat Israel abgesetzt hat. Überhaupt hatte ihre Mutter Meggy Pech mit den Männern: Vom örtlichen Friseur bekommt sie Zwillinge. Der hätte sie gern geheiratet - wäre er nicht bei einem Autorennen ums Leben gekommen. Der Vater ihres Sohnes Francis ist ein katholischer Mönch, und Ben Omars Erzeuger Hadschi ist ein Rastafari mit Hundehaufenfrisur, dem seine Haschplantage wichtiger ist als die Kindererziehung, während Meggy die Familie ernährt. Die bunte Schar bewohnt ein windschiefes Fachwerkhaus in einem biederen Eifeldorf.
Da Hadschi verschwunden ist, muss Hebron sich um die kleinen Geschwister kümmern. Als sie daran fast zerbricht, reist sie nach Israel, um ihren Vater zu finden ...

Rebecca Maria Salentin, geboren 1979 in Eschweiler, aufgewachsen in der Eifel, lebt in Leipzig. Sie hat selbst jüdische und katholische Wurzeln und stammt aus einer Großfamilie. Die Autorin las beim Open Mike und nahm am Klagenfurther Literaturkurs teil. Ihr erster Roman 'Hintergrundwissen eines Klavierstimmers' ist bei Schöffling erschienen und erregte große Aufmerksamkeit. In Leipzig betreibt sie in einem alten Zirkuswagen das Sommercafé ZierlichManierlich.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641137625
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum09.03.2015
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1007 Kbytes
Artikel-Nr.1560601
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Heiliger Josef

Als Hebron aufhörte zu schreien, im Kinderwagen saß und endlich einen Blick auf die hässlichen Fünfzigerjahre-Klinkerfassaden in der Dürener Fußgängerzone oder die schon fast blattlosen Baumkronen des Hürtgenwalds warf, dabei immer einen Keks in der Hand, fand Meggy einen Verehrer.

Der Verehrer hieß Willy und fuhr einen apfelgrünen VW Scirocco. Willy befreite Meggy aus einer misslichen Lage: Sie machte mit Hebron den üblichen Spaziergang durch den herbstlichen Hürtgenwald, als sich ein Rad des Kinderwagens löste. Meggy steckte das Rad wieder auf, aber alle paar Meter fiel es erneut ab, und als sie endlich die schmale Straße erreichte, die in ihr Dorf zurückführte, war Meggy mit den Nerven am Ende.

Willy, der die Abkürzung nahm, die diese Straße bot - deklariert war die Straße als Forstweg, aber so was hat die Eifeler noch nie beeindruckt -, nahm die Kurven mit Höchstgeschwindigkeit und hätte Mutter, Wagen und Kind beinahe überfahren, wäre er im Rasen nicht so geübt gewesen, denn Willy war Schrauber, Fahrer und Friseur beim 1. Eifeler Scirocco-Team.

Er bremste also scharf, kam gleich neben Meggy zum Stehen, sah das lose Rad in ihrer Hand und wusste, dass hier ein Mann gebraucht wurde. Mit einer geschickten Bewegung riss er das Foto seiner Exfreundin von der Innenseite der Frontscheibe und ließ es im Schaft seines Stiefels verschwinden, bevor er aus dem Wagen stieg.

Und obwohl Meggy nicht auf Oberlippenbärte und künstliche Sonnenbräune stand, gefielen ihr seine dunklen Locken und die resolute Art, in der er Mutter, Kind und Wagen in sein - für solche Zwecke eigentlich nicht gedachtes - Auto packte.

Als Willy die quengelnde Hebron dann noch mit ein paar Grimassen zum Lachen brachte, lud Meggy ihn zu einem Stück versenkten Apfelkuchen mit Schlagsahne ein, das er aß, während er den Kinderwagen reparierte.

Und Willy, der eine Schwäche für Äpfel hatte, parkte seinen leuchtend grünen Wagen von diesem Tag an fast täglich in der steilen Gasse vor Meggys Haus am Ochsenhügel.

Willy war mit seinem Scirocco in Meggys Leben gerast, und ebenso rasant preschte er in die Herzen ihrer Familie.

Meggys Brüder, die Zwillinge Fred und Franz, reagierten auf das Motorengeknatter und die scharfe Bremsung, mit der Willy in den Hof der Schreinerei einbog, mit Skepsis, aber dann war sein Handschlag fest, sein Interesse an der Schreinerei echt und die Bewegung, mit der er ihnen den Schlüssel über die Kreissäge zuwarf, beeindruckend locker. Noch beeindruckender waren allerdings die Worte dazu: »Fahrt ein Ründchen, wenn ihr wollt, aber passt auf, dass mein grünes Liebchen nicht allzu dreckig wird!«

Die Schwestern waren begeistert - und auch ein wenig erleichtert, denn sie hatten befürchtet, Meggy fände aufgrund der unehelichen Vermehrung keinen Mann mehr.

Auch Meggys Eltern Clementine und Josef mochten Willy gleich. Clementine hatte einen Sonntagsbraten in den Ofen geschoben, zu dem es Dosenerbsen, Kartoffeln und braune Soße gab; sie war froh, dass Meggy ihnen einen Mann vorstellte, denn dass keiner von ihnen Hebrons Vater auch nur einmal zu Gesicht bekommen hatte, missfiel ihr sehr. Das Wenige, was ihr über diesen Apelstejn bekannt war, missfiel ihr noch mehr, wer wusste schon, ob man einem Juden trauen konnte, der sich ausgerechnet Deutschland für seine Karriere ausgesucht hatte.

Aber Willy war nett, schien unkompliziert und bot an, der Hunger´schen Truppe das Haar umsonst zu schneiden. Er versprach, Clementine eine Frisur zu zaubern, die ihr mit jeder Geburt spärlicher gewordenes Haar in etwas verwandeln würde, für das das Wort Volumen eine pure Untertreibung wäre.

Nach dem Kaffee ließ er sich von Meggys Vater Josef über das Grundstück führen, auf dem Josef neben der Schreinerei in den Fünfzigerjahren einen Bungalow für seine Familie gebaut hatte. Und auch diese Prüfung meisterte Willy mit Bravour, Josef fand an Willy nichts ernsthaft zu Bemängelndes, von den Schuhen und dem Auto abgesehen, aber so waren die jungen Leute nun mal.

Während des Rundgangs über das Grundstück erzählte Josef Hunger dem Schwiegersohn in spe, wie er es nach dem Krieg trotz seines steifen Beins noch zum Schreinermeister gebracht hatte.

»Ich bin gläubig, mein Junge. Und ich trage den Namen des Schutzpatrons unseres Handwerks. Das war für mich ein Zeichen, durchzuhalten, gerade nach dem Krieg, wo hier alles wiederaufgebaut werden musste. Josef , hab ich mir gesagt, du wolltest Schreinermeister werden, und das wirste jetzt auch. Schließlich hat der Russe dir im Gefecht nur das Bein zerschossen und nicht deine Hände! «

Er deutete Willy an, sich auf einen Holzstapel zu setzen.

»Ich erzähl dir mal, wie das war mit meinem Bein. Wir standen Mann gegen Mann im dichten russischen Birkenwald, und plötzlich richtet so ein Iwan sein Gewehr gegen mich. Im Angesicht des Todes zu stehen, das ist nicht schön, mein Junge. Mir rutscht ein Vaterunser von den Lippen, ich schließe schon die Augen, da plötzlich: kawumm! und der Iwan fällt mir entgegen! Aber noch im Fallen zieht die Ratte den Abzug durch und schießt mir ins Bein. So ist der Russe, mein Junge, selber halb tot, aber immer noch eine gefühllose Tötungsmaschine. Seitdem ist mein Bein steif. Muss man eben durch. Aber hör mir zu, Willy. Ich darf doch Willy sagen?«

Und dann forderte Josef Willy auf, ihm zu folgen.

»Schau mal her, mein Junge, ich möchte dir was zeigen.« Er führte Willy durch Clementines Garten, in dem die Beete im winterlichen Schlaf der vereisten Erde lagen, vorbei an kahlen Johannisbeersträuchern bis zum Rand des Grundstücks, das von einer Reihe stattlicher Nussbäume begrenzt wurde. Unter einem dieser Bäume stand das Objekt.

»Schau nur den heiligen Josef an, ist er nicht schön?«

An der Ecke des Grundstücks hatte Josef ein Heiligenhäuschen errichtet, in dem eine kunstvoll geschnitzte Figur des Schutzpatrons stand.

»Hier kommen in der Pfingstzeit immer die Pilger von der Matthiasbruderschaft auf ihrem Weg nach Trier vorbei. Meine Clementine und ich halten Erfrischungen bereit, und meist laufe ich ein Stück mit, aber bis nach Trier mit dem steifen Bein, das geht leider nicht.«

Und während er den Rennfahrer weiter über das Gelände führte, erzählte Josef ihm, wie ernsthaft er seine Ausbildung bis hin zum Meister betrieben hatte. Mit derselben Ernsthaftigkeit habe er auch um die Hand der Sekretärin Clementine Breuer angehalten, ja, er hatte sich in dieser Angelegenheit sogar gegen seine Mutter durchgesetzt, die Clementine nicht mochte, wie sie überhaupt keine Frau mochte, um die ihr einziger überlebender Sohn warb. Sie mochte allerdings auch keinen Mann, der ihre Töchter freite. Diese Abneigung zum Ausdruck zu bringen, hatte sie derart perfektioniert, dass ihre vier Töchter als alte Jungfern endeten, jedoch mit gutem Auskommen, denn sie wurden Köchinnen und Zimmermädchen und eröffneten nach dem Krieg ein kleines Hotel in Heimbach. Es war ein Hotel für allein reisende Damen, die die Eifel genießen wollten, ohne dabei von einem Kurschatten belästigt zu werden.

»Ich traf meine Clementine das erste Mal, als ich mich nach Kriegsende nach einer Schreinerei umsah, die den Betrieb schon wieder aufgenommen hatte. Und dort saß sie, jung und schön und kümmerte sich um die Büroarbeit.«

Damals hatte er seinen Stock an ihren Schreibtisch in dem provisorischen Büro gelehnt, sich die Schweißperlen mit einem Taschentuch von der Stirn gewischt und dabei unauffällig Clementines schlanke Figur beäugt.

»Sie trug ein taubenblaues Kostüm, daran erinnere ich mich genau. Und um die Taille einen zierlichen Gürtel, so schmal wie ein kleiner Finger und in einem äußerst frechen Rot! Und ich sage dir, was für eine Taille! Konnt´ ich mit beiden Händen drumfassen, so schlank war sie damals!«

Den gleichen Rotton fand er auf ihren Lippen wieder, ihre Augen - eigentlich von einem trüben Grau - schimmerten im Licht des Raums blau wie das Kostüm, und obwohl ihr Gesicht etwas ausgezehrt wirkte, begann er - ebenso hartnäckig wie jetzt Willy um seine Tochter Meggy - um Clementine zu werben.

Und Meggy war unbestritten seine Lieblingstochter, denn sie glich ihm äußerlich von all seinen Kindern am meisten. Nicht nur den kantigen Schädel mit dem runden Gesicht hatte sie von ihrem Vater, auch waren ihre Arme kräftiger und ihre Schultern breiter als bei ihren Schwestern. Alle Hungerstöchter hatten von ihrer Mutter Clementine den schmalen Oberkörper geerbt, aber taillenabwärts entsprach ihr Körperbau dem des kräftigen Josefs, was aussah, als hätte die genetische Mischung von Josef und Clementine beim Aufeinandertreffen entschieden, ganz fair fifty-fifty zu machen. Zum Glück hatte die Mischung bei den Söhnen zwar wieder im Sinne von fiftyfifty, aber wenigstens wirklich fair entschieden, sodass Fred aussah wie sein stattlicher Vater, während Franz ein schmaler Hering war wie seine Mutter. Die Töchter jedoch waren ausgestattet mit imposant gerundeten Hinterteilen, die so gar nicht zu den eher schmalen Schultern passen wollten. Und an ihren ausladenden Hinterteilen sah man ihnen ihre Schwangerschaften an, bevor ihr Bauch sich überhaupt wölben konnte, denn unmittelbar nach dem Ausbleiben der Periode wurde der Hunger´sche Hintern gigantisch prall. »Ein Arsch und ein Gesicht!«, sagten die Dorfbewohner, wenn sie die Ähnlichkeit in dieser Familie kommentierten.

Aber Meggy war nicht nur Josefs Lieblingstochter, sie war auch sein Sorgenkind, stur...


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Rebecca Maria Salentin, geboren 1979 in Eschweiler, aufgewachsen in der Eifel, lebt in Leipzig. Sie hat selbst jüdische und katholische Wurzeln und stammt aus einer Großfamilie. Die Autorin las beim Open Mike und nahm am Klagenfurther Literaturkurs teil. Ihr erster Roman "Hintergrundwissen eines Klavierstimmers" ist bei Schöffling erschienen und erregte große Aufmerksamkeit. In Leipzig betreibt sie in einem alten Zirkuswagen das Sommercafé ZierlichManierlich.
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