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In einer kalten Winternacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.07.2015
Manchmal ist der Preis tödlich, den du zahlen musst.
In einer kalten Winternacht wird in Reykjavik eine junge Frau mit elf Messerstichen brutal niedergemetzelt. Das Opfer ist die Jurastudentin Erla, die bei der »Kochtopf-Revolution« nach der Staatspleite Islands stets an vorderster Front war. Inzwischen sind die Proteste verebbt, aber Erla hat ihren Kampf weitergekämpft. Musste sie deshalb sterben? Für Katrin, Kommissar Árnis Kollegin, ist es ihr schwerster Fall: Sie kannte das Opfer und setzt alles daran, den Mörder zu finden. Befindet er sich gar in den eigenen Reihen?

Ævar Örn Jósepsson, Jahrgang 1963, studierte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg Philosophie und Englische Literatur. Seit 1994 arbeitet er als freiberuflicher Übersetzer und ist als Journalist für zahlreiche isländische Zeitungen und Magazine tätig. Jósepsson lebt in Reykjavík.
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Produkt

KlappentextManchmal ist der Preis tödlich, den du zahlen musst.
In einer kalten Winternacht wird in Reykjavik eine junge Frau mit elf Messerstichen brutal niedergemetzelt. Das Opfer ist die Jurastudentin Erla, die bei der »Kochtopf-Revolution« nach der Staatspleite Islands stets an vorderster Front war. Inzwischen sind die Proteste verebbt, aber Erla hat ihren Kampf weitergekämpft. Musste sie deshalb sterben? Für Katrin, Kommissar Árnis Kollegin, ist es ihr schwerster Fall: Sie kannte das Opfer und setzt alles daran, den Mörder zu finden. Befindet er sich gar in den eigenen Reihen?

Ævar Örn Jósepsson, Jahrgang 1963, studierte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg Philosophie und Englische Literatur. Seit 1994 arbeitet er als freiberuflicher Übersetzer und ist als Journalist für zahlreiche isländische Zeitungen und Magazine tätig. Jósepsson lebt in Reykjavík.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641155674
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum13.07.2015
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1930 Kbytes
Artikel-Nr.1560622
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Mittwoch

Heute Nacht ist es zwei Monate her, dass Erla Líf verschwand, dachte Katrín, als sie sich nach ihren Trainingsschuhen bückte. Das wussten sie inzwischen, auch wenn die Leute erst drei Tage später begriffen hatten, dass sie verschwunden war. Als sie am Morgen des Ostersonntags gefunden wurde.

Ihr Freund Marteinn hatte sich am Gründonnerstagmorgen von ihr verabschiedet und war zu seinem alljährlichen Osterabenteuer im Hochland aufgebrochen: allein, nur er und sein Zelt.

Mit ihrer Mutter Þyrí hatte Erla noch am Nachmittag des Gründonnerstags telefoniert, auf dem Weg zu einem Café, wo sie sich mit ihren Freundinnen treffen wollte. Angeblich hatte sie keine konkreten Pläne für das lange Wochenende, und eigentlich wollte sie es am liebsten ganz ruhig verbringen. Sie würde vielleicht morgen zum Kaffee oder zum Abendessen vorbeischauen, vielleicht auch nicht, hatte sie gesagt. Ihre Mutter hatte sie gebeten anzurufen, falls sie tatsächlich kommen wollte. Sie war nämlich über das lange Wochenende zu Freunden in einem Ferienhaus eingeladen, sie überlegte zwar noch, war aber so gut wie entschlossen, die Einladung anzunehmen.

Gegen neun hatte sich Erla von ihrer besten Freundin Oddrún verabschiedet. Auf die Frage, ob sie eventuell am späteren Abend mit auf eine Party gehen würde, hatte Erla ausweichend geantwortet, sie sei irgendwie ein bisschen neben der Spur. Vielleicht würde sie einfach nur zu Mutter im Hvassaleiti-Viertel fahren, um dort faul und gemütlich die Ostertage zu verbringen, während ihr Marteinn sich in den Bergen herumtrieb.

Alle drei, Marteinn, Þyrí und Oddrún, hatten in den darauffolgenden Tagen zwischendurch immer mal wieder versucht, Erla telefonisch zu erreichen, aber genau wie andere Anrufer erhielten sie nur die automatische Ansage, ihr Handy sei im Augenblick nicht zu erreichen. Keiner von ihnen hatte sich irgendwelche Gedanken gemacht, denn für alle war es vollkommen normal, dass Erla Líf vergaß, den Akku ihres Handys zu laden. Und keiner von ihnen hatte ein so dringendes Bedürfnis, mit ihr zu sprechen, dass er sich deswegen mit anderen aus ihrem Bekanntenkreis in Verbindung gesetzt hätte.

Katrín schlüpfte in ihre Trainingsschuhe. Am Freitag ist es zwei Monate her, dass Erla Líf gefunden wurde, dachte sie. Im Gegensatz zu ihrem Verschwinden war das niemandem entgangen. Und am Montag ...

Katrín schnürte die Senkel und versuchte, den Gedanken an diesen Montag zu verdrängen. Sie machte ein paar hüpfende Sprünge, bevor sie nach der Türklinke griff.

»Mama?«

Íris streckte den Kopf aus ihrer Zimmertür, und Katrín hielt inne. »Bist du schon wieder gleich weg?« Verwunderung und Vorwürfe mischten sich in dieser Frage ihrer schon fast sechzehnjährigen Erstgeborenen.

»Was meinst du mit gleich?«, war Katríns Gegenfrage. »Es ist bald halb neun. Worauf soll ich denn warten?«

»Ja, ach, du wolltest uns doch mit der Homepage helfen. Oder?«

Katrín seufzte so auf, dass auch Íris es mitbekam. Was immer Sache war, die Erziehung durfte nicht darunter leiden.

»Ich war um halb sechs zu Hause, meine liebe Íris. Und ich hab euch sofort meine Hilfe angeboten, noch bevor ich mit dem Kochen angefangen habe, aber du hast gesagt, ihr müsstet erst was anderes erledigen. Seitdem hab ich dreimal angeboten, mir eure Website anzusehen. Aber immer wieder musstet ihr was anderes machen. Und zwar so viel, dass Eiður und ich uns auch noch um den Abwasch kümmern mussten.«

»Ich weiß«, sagte das erstgeborene Kind. »Sorry, Mams. Aber du weißt doch ...«

»Jaja, schon in Ordnung«, sagte sie und war bereits im Begriff, die Schuhe wieder auszuziehen. »Ich hab noch ein bisschen Zeit, aber wirklich nicht viel. Wollen wir uns das jetzt mal kurz anschauen?«

»Einen Moment, bitte«, sagte Íris und lehnte die Tür zu ihrem Zimmer an. Durch die Ritze hörte Kartín heftiges Getuschel, dann steckte Íris wieder ihren Kopf durch den Spalt und lächelte entschuldigend: »Also, ey, wir müssen erst noch ... Ist es okay in einer Viertelstunde?«

»Nein«, erklärte Katrín, »ich bin weg. Wir sehen uns in einer Stunde, oder anderthalb. Du passt auf deinen Bruder auf.«

Sie hatte die Wohnungstür hinter sich zugezogen und war im Treppenhaus, noch bevor Íris den Mund zum Meckern öffnen konnte. Íris und ihre Freundin Signý waren seit der zweiten Schulklasse unzertrennlich, und beide hatten sich riesig gefreut, als Íris nach einem Jahr Exil in einem Reihenhaus im Grafarvogur-Viertel mit Mutter und Bruder wieder in ihr altes Zuhause in einem Wohnblock im Hvassaleiti-Viertel zurückkehrte.

Katrín fühlte sich ebenfalls wohl in ihrem früheren Viertel. Das Reihenhaus war sie los, und auch das an den jeweiligen Tageskurs geknüpfte Bankdarlehen in einem Devisenkorb. Ebenso ihren Ehemann Sveinn, mit dem sie sechzehn Jahre lang verheiratet gewesen war. Oder besser gesagt, sie hatte sich wohlgefühlt bis zu dem Tag, als Erla Líf gefunden wurde.

Sie sprang die Treppe hinunter, doch draußen auf dem Gehsteig hielt sie inne und zog ihr Handy aus der Jackentasche. Tippte eine SMS: Ich laufe gerade los, wir sehen uns in einer halben Stunde. K., und schickte sie an Árni. Außer dem K am Ende kürzte sie nichts ab, wie die meisten ihrer Generation schrieb sie alles voll aus.

Sie steckte das Handy wieder in die innere Seitentasche ihrer dünnen Windjacke, zog aus einer anderen Tasche ihren mp3-Player und fummelte sich die Knopfhörer in die Ohren. Sie schaltete an, und mit dem ersten Programm des isländischen Rundfunks rannte sie in der milden Sommerbrise los. Wie immer ließ sie es anfangs in der Sackgasse und an der Hauptstraße entlang gemächlich angehen. Ein Auto kam ihr entgegen, und ein anderes überholte sie, bevor es in die nächste Sackgasse einbog. Abgesehen davon war sie allein unterwegs.

In diesem Jahr hatte der Frühling mit aller Macht Einzug in die Gärten gehalten, wie zum Beweis für das Bild, das irgendein Journalist von der Hvassaleiti-Straße entworfen hatte: ein ruhiger Vorort im Herzen der Stadt. Katrín fand die Beschreibung eigentlich gar nicht so schlecht. Ein anderer hatte die Straße als Reykjavík in a nutshell bezeichnet, was ebenfalls ziemlich gut zutraf. In gerader Linie aufgereihte Wohnblocks, größere und kleinere Reihenhäuser in einigen Sackgassen, ein Seniorencenter in einer kleinen windgeschützten Mulde, Doppel- und Mehrfamilienhäuser entlang der Hauptstraße, und auch einige unterkellerte Bungalows, die zu den Zeiten des Booms noch von zwei Parteien bewohnt wurden. Zwar fehlten übertriebene Protzvillen in dieser Miniatur-Ausgabe der Hauptstadt, aber das größte dreistöckige Haus kam dem schon recht nahe; früher hatten drei Parteien dort gewohnt, es hatte eine Doppelgarage, und die Quadratmeter beliefen sich insgesamt auf mindestens fünfhundert.

In beiden Zeitungsartikeln gab es Fotos von genau diesem Haus und seinem Besitzer. Die Aufnahmen waren ein Jahr vorher entstanden, als die weißen Wände mit roter Farbe beschmiert worden waren. Auch Hvassaleiti hatte seine Vertreter in der Liga der verfemten und verschrienen Spekulanten von Boomtown Reykjavík. Sonst wäre es wohl auch kein richtiger Querschnitt dieser Stadt, fiel Katrín ein, während sie an dem Haus vorbeijoggte. Alle Anzeichen von äußerlichen Beschädigungen waren längst verschwunden, und der Porsche Cayenne in Gold metallic stand wieder an seinem Platz in der Einfahrt, hochglanzpoliert und hochgradig unschuldig.

Katrín spurtete über die Listabraut, lief an Efstaleiti entlang und überquerte den Bústaðavegur, und vorbei an den Seniorenwohnheimen bis unten ins Tal. Lúlli, der lustige Polizeibär, hatte es sicher missbilligt, wie sie über die Straßen lief, aber damit musste er sich abfinden.

Manchmal lief sie geradeaus über die Fußgängerbrücke (was Lúlli natürlich gut gefunden hätte) und dann in westlicher Richtung am Strand entlang, je nachdem wozu sie und ihr Körper sich aufgelegt fühlten. Die längste Strecke, die sie je gelaufen war, hatte sie bis zur westlichsten Landzunge Seltjarnarnes geführt, und von da aus in östlicher Richtung zur Bucht, wo die beiden Arme der Elliðaá mündeten, und zurück zum Fossvogur-Tal und nach Hause. Meistens beließ sie es aber bei einer kleineren Runde nach Nauthólsvík und zum Wald an dem Hügel, auf dem die Perle thronte. Und an diesem Abend wählte sie eine noch kürzere Strecke.

Sie missachtete das Schild, das Unbefugten den Zutritt zum Forstschutzgebiet untersagte, und schwang sich mühelos über das verschlossene Gatter. Hier war das Joggen zu jeder Jahreszeit, Winter, Sommer, Frühling und Herbst ein Genuss. Die Bäume verliehen Windschutz, die Luft war immer angenehm feucht, der Wald und das fruchtbare Erdreich verströmten ihren Duft. Und hier war es still.

Nach ein paar scharfen Sprints hielt sie kurz bei einer altehrwürdigen Fichte an, um sich nach Joggerart zu recken und zu strecken. Anschließend schwang sie sich wieder über das Gatter und lief ihre Lieblingsstraße Fossvogsvegur hoch. Genau in dem Augenblick, als sie über die Ampel wollte, begann es zu regnen. Katrín wartete deswegen nicht auf die Erlaubnis des grünen Männchens, sondern schoss über den Bústaðavegur, ohne dass das rote Männchen etwas ausrichten konnte. Nach einigen Minuten Zickzacklauf durch das Labyrinth der Gehwege in Reykjavík war sie an ihrem Ziel angelangt, der Kirche von Grensás.

Auf der Kirchentreppe machte Katrín noch ein paar Streckübungen. Es war fünf nach neun. Kein Árni. Typisch. Ihr Handy meldete sich, und während sie ihr...


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Autor

Ævar Örn Jósepsson, Jahrgang 1963, studierte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg Philosophie und Englische Literatur. Seit 1994 arbeitet er als freiberuflicher Übersetzer und ist als Journalist für zahlreiche isländische Zeitungen und Magazine tätig. Jósepsson lebt in Reykjavík.