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Spannung - der Unterleib der Literatur

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
232 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am23.12.20142. Auflage
Spannend möchten alle Autoren schreiben. Die Leser sollen im Buch versinken und erst wieder auftauchen, wenn das Wort ENDE erreicht ist. Doch wie schreibt man spannend? In diesem Buch finden Sie: - welche Spannungstechniken Erfolgsautoren wie Zoé Beck, Rebecca Gablé oder Nika Lubitsch verwenden - wie Sie die Spannung steigern können - Checklisten, um Ihre Texte auf Spannung zu prüfen - Interviews mit Bestsellerautoren wie Andreas Eschbach - ein Lexikon mit Fachbegriffen, die Autoren kennen sollten - Techniken, die die Spannung erhöhen - welche Fallen Sie im Text vermeiden sollten

Hans Peter Roentgen hat mit »Vier Seiten für ein Halleluja« und »Drei Seiten für ein Exposé« Standardwerke über das Schreiben veröffentlicht, coacht seit vielen Jahren Autorinnen und Autoren und ist Koordinator der AG Selfpublishing im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL).
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR5,99

Produkt

KlappentextSpannend möchten alle Autoren schreiben. Die Leser sollen im Buch versinken und erst wieder auftauchen, wenn das Wort ENDE erreicht ist. Doch wie schreibt man spannend? In diesem Buch finden Sie: - welche Spannungstechniken Erfolgsautoren wie Zoé Beck, Rebecca Gablé oder Nika Lubitsch verwenden - wie Sie die Spannung steigern können - Checklisten, um Ihre Texte auf Spannung zu prüfen - Interviews mit Bestsellerautoren wie Andreas Eschbach - ein Lexikon mit Fachbegriffen, die Autoren kennen sollten - Techniken, die die Spannung erhöhen - welche Fallen Sie im Text vermeiden sollten

Hans Peter Roentgen hat mit »Vier Seiten für ein Halleluja« und »Drei Seiten für ein Exposé« Standardwerke über das Schreiben veröffentlicht, coacht seit vielen Jahren Autorinnen und Autoren und ist Koordinator der AG Selfpublishing im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783738668964
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum23.12.2014
Auflage2. Auflage
Seiten232 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1562108
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
II. Beispiele

In diesem Kapitel stelle ich Ihnen Beispielszenen vor, kommentiere sie und schlage Verbesserungen vor.

Dazwischen finden Sie theoretische Überlegungen zu Spannung und Techniken der Spannungssteigerung. Damit möchte ich sicherstellen, dass meine Techniken immer mit Beispielen untermauert werden, und Sie nicht mit abstrakten Theorien langweilen.

Die meisten Texte sind nicht veröffentlicht. Ihre Autoren haben sie mir zugemailt, weil sie unsicher waren, ob ihre Szene spannend ist. Und weil sie nicht wussten, wie sie sie spannender gestalten konnten. Dafür möchte ich mich bei allen Verfassern bedanken.

Sehen wir uns einmal ein Beispiel an.

 
Beispiel: Spuckattacke

Es war kurz vor acht, die zweite Woche nach dem Ende der Sommerferien, und ich war auf dem Weg in die Schule. Das Petersbergsken hatte ich schon hinter mir, ein kurzes Stück steile Straße entlang einer Mauer mit bröckeligem Putz, daran eine runde Stange zum Festhalten für die alten Leute, direkt hinter dem Mietshaus, in dem ich bei meinen Eltern wohnte. Hier, aber vor allem auf dem kleinen unbefestigten Platz oben am Ende der Straße, spielten wir immer nach der Schule, meine Freunde und ich: Fußball, Cowboy und Indianer, Rollerrennen fahren. Mädchen waren keine dabei.

Wenn alles langweilig war, erfanden wir Spiele. Zum Beispiel trocken unter Frehsmanns Wohnzimmerfenster, das ebenerdig am oberen Ende vom Petersbergsken lag, durchkommen, während Heinz auf dem Fenstersims hockte und seine Spucke von da oben ziemlich zielsicher verschoss. Unter allgemein kreischendem Gelächter, wenn wieder jemand es nicht geschafft hatte.

Oder einfach die Zeit vergehen lassen, während wir auf behauenen Steinen in irgendwelchen Hauseingängen saßen oder auf einem der vielen Mäuerchen hier in der Gegend.

Der Krieg war noch so nah, dass die Erwachsenen fast jeden Tag davon sprachen. Ich war noch nicht zehn.

»Hör auf zu spucken«, fuhr meine Mutter mich immer an, wenn ich mit ihr zum Einkaufen ging, um beim Tragen zu helfen; die billigen Preise im Diskontladen zogen schwere Taschen nach sich, da musste ich mit ran. Wenn sie wütend war, kriegte sie immer so große Augen, damit ich mich fürchtete, und das tat ich auch. Spucken war nicht beliebt, nicht bei meiner Mutter und nicht bei meinem Vater, überhaupt bei Erwachsenen nicht, aber wir Jungs untereinander waren uns ohne viele Worte einig, dass Erwachsene in dem Punkt völlig ahnungslos waren. Am Spucken zeigte sich nämlich, dass wir schon viel größer waren, als sie wahrhaben wollten. Ich auch, ich gehörte dazu.

Morgens, je nachdem, wie es sich ergab, trabten wir zusammen Richtung Schule: ich mit Klaus Heydermann, ich mit Bruno Hoff, ich mit Christian Hahn. Heinz Frehsmann wohnte zwar im selben Haus wie ich, ging aber in eine andere Schule, eine schlechtere, behauptete meine Mutter.

Heute nieselte es warm, und ich ging allein.

Ich hatte es nicht mehr weit bis zur Eisenbahnunterführung, als ich nach links Richtung Straße spuckte, ohne hinzugucken. Das war ein ganz schlechter Augenblick, der schlechteste Augenblick, seit ich denken konnte, wie sich schon einen Schritt später zeigen sollte. Denn genau in diesem Moment fuhr ein Auto vorbei. Nicht so wichtig, was für eine Marke, für die interessierte ich mich nicht, Hauptsache, ein Auto. Eines dieser ganz wenigen motorisierten Gefährte in dieser Zeit, eine der mächtigen Kutschen aus wuchtig rundlich geformtem Eisenblech, reserviert für die Männer und Frauen aus den unerreichbar hohen Sphären, vor denen ich in den seltenen Augenblicken, als ich mal einem von ihnen Auge in Auge gegenübergestanden hatte, einen besonders ordentlichen Diener machen musste. Und der Fahrer war ebenfalls einer von denen, die nicht mochten, wenn man spuckte.

Der Wagen stand sofort, anscheinend war der Fahrer voll auf die Bremse gestiegen, die Tür flog auf, ein vor Wut verzerrtes Gesicht sprang auf die Straße und brüllte in meine Richtung. Ich hörte ihn schreien, aber seine Worte kamen in meinem Kopf nicht an, trotzdem hatte ich sofort begriffen, dass es jetzt nur eines für mich gab, ich rannte los, ich musste in die Schule, jetzt schneller als jemals zuvor. Einfach immer geradeaus. Zeit für eine Kehrwende, um nach Hause zu laufen, hatte ich keine mehr. Aus den Augenwinkeln sah ich die Autotür noch offen bis zum Anschlag, und ein bulliger Körper stampfte hinter dem Auto hervor und auf mich zu.

Schon nach wenigen Metern hatte ich den Tunnel erreicht. Dunkel war es da drin, auch schon an sonnigen Tagen, heute nahm der nieselige Himmel noch mehr Licht weg. Dass von den Wänden immer Wasser tropfte, egal bei welchem Wetter, und ein Muster aus hellen und dunkleren Stellen gemalt hatte, das wusste ich, aber jetzt sah ich nur das verregnete Ende des Tunnels vor mir.

Jetzt, in diesem Augenblick sollte ich mindestens so schnell sein wie auf der 50-Meter-Bahn. Da war ich der Schnellste in meiner Klasse. Und bis zum Licht am anderen Ende war es in etwa so weit. Wenn ich den Mann hinter mir lassen könnte. Nur Sekunden trennten ihn von mir.

Bücher und die anderen Schulutensilien polterten auf meinem Rücken im Schulranzen, den ich ziemlich streng angezogen hatte; das machte ich immer so, genauso wie mit den Schnürsenkeln, alles immer straff und fest, ordentlich und zuchtvoll, wie meine Mutter mich wollte. Gut so in diesem Augenblick, denn der Schulranzen musste jetzt auch ohne meine Hände halten, die Arme brauchte ich zum Rudern.

Hinter mir hörte ich die stampfenden Schritte. Von überall her der Widerhall unserer Schuhsohlen. Währenddessen aber berührten meine Füße von Meter zu Meter scheinbar immer weniger den Boden, um mich herum wurde alles weiter, gedehnter. In diesem sich auftuenden Raum wurde es unmöglich, dass sich die Dinge berührten, Zusammenstöße gehörten nicht zu dieser Welt. Mein Schulranzen löste sich von meinem Rücken und begann, spielerisch mit mir zu tanzen. Er und ich hielten eine perfekte Balance zueinander, weil wir uns nur so lange anzogen, bis die Kräfte der Abstoßung größer wurden. Gleichzeitig halfen meinem Verfolger all seine Kraft und sein Wille und sein Hass nicht, sich mir auch nur zu nähern. Alles, uns beide eingeschlossen, nahm den Platz ein, den eine lichte Macht, größer als mein Verfolger und ich, ihm zuwies. Während der bullige Mann im Tunnel hinter mir her hetzte, nahm die Kraft uns beide auf ihre Flügel und umhüllte uns mehr und mehr.

Solche inneren Bilder und Gefühle, die meiner Flucht einen bisher nicht gekannten Geschmack gaben, überstiegen vollkommen meinen Horizont. Aber ich spürte, wie die Macht uns verband, wie sie uns beiden diente, jedem nach seinem Maß, und wie sie mich trug.

Alles, was sie dafür verlangte, war mein Vertrauen. Gelänge es mir zu vertrauen, dann wäre ich gerettet für diese und alle künftigen Ewigkeiten. Das war ein Versprechen. Dann würde keine Zeit der Welt je für mich eine Rolle spielen, niemals. Ich war auf einem guten Weg.

Könnte ich aber nicht vertrauen, dann wäre ich verloren, ganz egal, ob ich meinen Vorsprung vor dem Verfolger in die Schule rettete oder nicht.

Am Ende des Tunnels warf ich mich nach rechts in die vertraute winzige Gasse, fast ohne mein Tempo zu verlangsamen, und stieß mich an der entgegenkommenden Wand nach vorn ab. Links die Hauswand, rechts der Bahndamm. Schon nach weniger als zehn Schritten machte die Gasse einen scharfen Knick nach links. Links Fenster und Türen, rechts Türen und Fenster. Der Verfolger hinter mir wurde lauter durch die eng stehenden Mauern.

Noch dreißig Meter, und die Häuser des Gässchens blieben zurück. Vor mir öffnete sich das letzte starke Stück des Weges, offen, breit und so kurz vor Schulbeginn bevölkert mit Einzelgängern und Grüppchen auf dem Weg zu ihrer täglichen Pflicht. Von nun an ging es steil bergauf, hinauf zur Königshöhe, zu meiner Schule auf der Königshöhe. Die letzten vielleicht hundertzwanzig Meter bis zur Erlösung.

Inzwischen raste mein Atem. Bis jetzt hatte ich mich kein einziges Mal umgesehen. Keine Zeit. Ich war auf einem guten Weg gewesen. Aber jetzt spürte ich, wie die Flügel der lichten Macht anfingen zu lahmen. Mein Hals wurde enger, immer enger, und die Augen größer. Ich bekam kaum noch Luft. Ich würde es nicht schaffen. Meine Knie wurden weich. Schwindelig war mir auch. Und jetzt kam erst das schwerste Stück. Ich konnte gar nichts anderes mehr denken, außer, dass er mich kriegen würde.

Ich suchte Hilfe in den Augen meiner Schulkameraden, die sich an diesem Hang vor dem Schulhaus stauten und die sich zuerst mir zuwandten, dann durch mich durch sahen, hinter mich.

Ich kannte jeden von ihnen. Gary und Edgar stießen gerade zu den Übrigen, sie wohnten in diesen schäbigen Häusern am Fuß des Hanges und kamen meist auf den letzten Drücker. Auch Klaus und Bruno waren schon da, Christian und die anderen waren schon ein Stück höher. Die ganze Welt sah meinem Kampf zu, alle nahmen teil.

Was war schlimmer? Dass meine Freunde zusahen, wie ich den Kampf gegen den übermächtigen Gegner verlor? Oder, dass ich mich selbst aufgab? Den halben Hang hatte ich schon geschafft. Ich war nass geschwitzt. Schon allein, dass er mir bis hierher auf den Fersen geblieben war, nahm mir so kurz vor dem Ende den Mut.

Aber vielleicht war ja der Weg durch sie hindurch für mich leichter als für ihn. Es könnte ja sein, dass mal einer von ihnen ausgerechnet in seinem Weg stand. Vielleicht würde ich ja deshalb am Ende doch noch siegen. Obwohl ich eigentlich keine Chance hatte.

In den Augen meiner Freunde sah ich die Angst, dass ich es nicht schaffen könnte, aber ich sah auch, wie sie...
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Hans Peter Roentgen hat mit »Vier Seiten für ein Halleluja« und »Drei Seiten für ein Exposé« Standardwerke über das Schreiben veröffentlicht, coacht seit vielen Jahren Autorinnen und Autoren und ist Koordinator der AG Selfpublishing im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL).