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Astronauten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
199 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am20.01.20151. Auflage
Wie Astronauten, nur über ein dünnes inneres Kabel verbunden mit dem Mutterschiff Erde, bewegen sie sich einen Sommer lang durch ihre Stadt: die Schulfreunde Darko und Zeno, das Mädchen Mara, der Taxifahrer und heimliche Schriftsteller Alen, sein Freund, der Polizist Niko, und der Kleinkriminelle Alex, ein Sohn aus gutem Haus, der von seiner Drogensucht loszukommen versucht.
Sehnsüchtig nach Wärme und Nähe begegnen sie einander und verstricken sich doch immer wieder in ihre Geheimnisse, ihre kleinen und größeren Lügen: Es ist ein Sommer der Begegnung mit sich selbst und den anderen, ein Sommer der Liebe und des Verlierens, eine Zeit allmählichen Erkennens.
Sechs sehr unterschiedliche Menschen erzählen im Debütroman von Sandra Gugiæ von sich selbst, und allmählich enthüllt sich, wie ihre Wege sich überschneiden, wie sie Vertrauen fassen, es enttäuschen und doch aneinander hängen - wie sie ihre Maßnahmen gegen die Kälte der Welt treffen. In Sandra Gugiæs klarer, poetischer Sprache entfaltet sich ein Kosmos des alltäglichen Lebens, der uns zunehmend fremd und vertraut zugleich erscheint: Jeder Einzelne behauptet sein Recht auf ein eigenes Leben, alle zusammen aber entwerfen ein Bild unserer gefährdeten Zusammengehörigkeit.



Sandra Gugic, 1976 in Wien geboren, lebt als freie Autorin in Berlin und Wien. Studium der Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst Wien, Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2010/11 Staatsstipendium für Literatur des bm:ukk, 2012 Open Mike Preisträgerin, 2012 Preis der Akademie Graz, 2013 Autorenstipendium der Stadt Wien. Publikationen in Zeitschriften und Anthologien.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextWie Astronauten, nur über ein dünnes inneres Kabel verbunden mit dem Mutterschiff Erde, bewegen sie sich einen Sommer lang durch ihre Stadt: die Schulfreunde Darko und Zeno, das Mädchen Mara, der Taxifahrer und heimliche Schriftsteller Alen, sein Freund, der Polizist Niko, und der Kleinkriminelle Alex, ein Sohn aus gutem Haus, der von seiner Drogensucht loszukommen versucht.
Sehnsüchtig nach Wärme und Nähe begegnen sie einander und verstricken sich doch immer wieder in ihre Geheimnisse, ihre kleinen und größeren Lügen: Es ist ein Sommer der Begegnung mit sich selbst und den anderen, ein Sommer der Liebe und des Verlierens, eine Zeit allmählichen Erkennens.
Sechs sehr unterschiedliche Menschen erzählen im Debütroman von Sandra Gugiæ von sich selbst, und allmählich enthüllt sich, wie ihre Wege sich überschneiden, wie sie Vertrauen fassen, es enttäuschen und doch aneinander hängen - wie sie ihre Maßnahmen gegen die Kälte der Welt treffen. In Sandra Gugiæs klarer, poetischer Sprache entfaltet sich ein Kosmos des alltäglichen Lebens, der uns zunehmend fremd und vertraut zugleich erscheint: Jeder Einzelne behauptet sein Recht auf ein eigenes Leben, alle zusammen aber entwerfen ein Bild unserer gefährdeten Zusammengehörigkeit.



Sandra Gugic, 1976 in Wien geboren, lebt als freie Autorin in Berlin und Wien. Studium der Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst Wien, Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2010/11 Staatsstipendium für Literatur des bm:ukk, 2012 Open Mike Preisträgerin, 2012 Preis der Akademie Graz, 2013 Autorenstipendium der Stadt Wien. Publikationen in Zeitschriften und Anthologien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406673719
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum20.01.2015
Auflage1. Auflage
Seiten199 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1571617
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
I. DARKO

«Gott ist ein Astronaut», sagt Zeno und tritt seine Zigarette aus. Wir stehen vor der roten Ziegelmauer, die den Park zur Straße hin begrenzt, und betrachten eine Weile schweigend das noch unbeschriebene Stück Mauer vor uns. Die Stadt gehört uns steht rechts davon, links Meine Mutter nennt mich Hurensohn. Beides Werke von Zeno, auch wenn er darauf besteht, dass er nur den Hurensohn gesprayt hat, weil ihm das mit der Stadt mittlerweile peinlich und abgegriffen vorkommt, sprayt doch jeder, außerdem gehört uns die Stadt nicht. Wenn sie einem gehört, dann nicht uns, nur der Park, der Park ist unser.

Der Park liegt nur dreihundert Meter vom Casino entfernt hinter dem lang gezogenen Gebäudekomplex des Theaters. Also auf der einen Seite, Schulter an Schulter, Theater und Casino mit dem verschnörkelten Springbrunnen und dem akkurat gemähten Rasen davor und auf der anderen der Park. Im Festsaal des Casinos finden die Partys und Abschlussbälle der Privatschulen statt, Unterrichtssprachen Französisch und Englisch, dort sitzen abends die Mädchen kichernd auf den Treppen, in Cocktail- oder Ballkleidern, je nachdem, ein Martiniglas in der Rechten, Zigarette in der Linken, nein, andersrum, nur das Kleid nicht ansengen, also die Zigarettenhand weit weghalten, ein leichtes Schwanken und Tänzeln auf den zu hohen Absätzen, Frisur und Make-up gegen Ende des Abends, wie alles, an der Grenze zur Auflösung. Die Jungs in Anzügen, die Haare mit Gel nach hinten gekämmt oder kunstvoll verstrubbelt, die älteren fahren in den Autos der Väter vor, der Lack glänzend, die Wagen frisch aus der Waschanlage, Fenster heruntergekurbelt, Zigarette im Mundwinkel. Die Mädchen zücken ihre Kameras, schürzen die Lippen und posen angestrengt sexy für das perfekte Bild, quetschen sich zu dritt vor die Linse, fallen lachend auf den Rasen, nur das Kleid und die Schuhe nicht ruinieren, Zeno sagt, dabei sollten sie, sowieso und erst recht. Minuten, Stunden später wird das Geknutsche und Gefummel vor dem Springbrunnen losgehen, auf dem Parkplatz und zwischen den Säulen. Von drinnen dringen Fetzen von Paartanz-Musik nach draußen, sittsamer Ausgleich zum allgemeinen Treiben bleibt die Verwendung von Französisch und Englisch als Partykonversationssprachen, und immer neue Erinnerungsfotos vom Abheben und Abstürzen und den Aggregatzuständen dazwischen, an die sich keiner erinnern wird. Dazwischen liegt die steinerne Grenze zwischen Casino und Park, der Gebäudekomplex des Theaters, das Zeno nur einmal von innen gesehen hat. Eine Aufführung der Räuber, in die uns eine Jugendarbeiterin mitgenommen hatte, der alte Schinken aufgepimpt als Gangballade, mit Rap und Breakdance, und Zeno und ich, als alberner Gegensatz dazu, aufgebrezelt in Hemd und Krawatte im Parkett.

Zum Haupteingang des Theaters führen etliche Stufen, über die sich ein Dach aus Arkaden spannt, flankiert von Säulen, in Stein gehauenen Gesichtern und Figuren aus vergessener Zeit, und auf der Rückseite, dort, wo der Bühneneingang liegt, beginnt der Park. Unser Park. Jeden Tag sind wir hier draußen, an den Wochenenden, vor allem im Sommer, manchmal bis spät in die Nacht. Zeno, die anderen und ich.

Die Mitte des Parks markiert ein kreisrunder, künstlich angelegter See, in dessen leicht nach rechts verschobenem Zentrum thront ein überdimensional großer, hässlicher Frosch aus Beton, von unzähligen Schichten Taubenscheiße bedeckt und marmoriert. Im brackigen Wasser des Sees baden Enten und andere Vögel, rote und graue Eichhörnchen flitzen an Ästen entlang, jagen einander, manchmal huscht eine Ratte durchs Gebüsch. Stadtkonservennatur, sagt Zeno. Kieswege laufen kreisförmig um den See und verzweigen sich nach außen, an die Ränder. Die große Wiese, unser Treffpunkt, wird flankiert von dicken alten Bäumen, der Fußballkäfig liegt ganz vorne, zur Straße hin dann noch ein winziger Kinderspielplatz mit Sandkisten und rostigen Wippen. Angrenzend der städtische Sportplatz, auf dem Jahr für Jahr Schüler in allen Größen und Gewichtsklassen scheinbar endlose Runden drehen. Schüler der öffentlichen Schulen, die, weit weg von Französisch und Englisch, in ihrem eigenen Sprachgewirr kreisen, ständig kommen neue Sprachen dazu, verweben sich zu einem Rauschen, das immer wieder von den Pfiffen des Sportlehrers unterbrochen wird. In jedem echten Spiel regt sich eine ganze Welt steht in gebrochener Schrift über dem Vordach der Tribüne, unter diesem Motto ziehen wir jeden Mittwoch unsere Runden, schwitzen, keuchen, spucken und verstecken uns zwischendurch in den umliegenden Büschen, um mit nervösen Fingern SMS zu tippen oder einfach in Ruhe eine zu rauchen. Die rote Backsteinmauer, vor der Zeno und ich stehen, ist die Grenze des Parks zur Stadt hin. «Gott ist ein Astronaut, das sollte ich sprayen», sagt er, wartet auf eine Reaktion von mir. Ich zucke mit den Schultern.

Ob einer was zu rauchen hat. Einer hat immer. Die gewohnten Gesichter haben sich heute Abend zusammengefunden, und Zeno erzählt die üblichen Geschichten, ich kenne schon alle auswendig, höre nicht mehr zu, beobachte stattdessen zwei Pitbulls, die ungeduldig darauf warten, abgeleint zu werden, und sofort losrennen, als das Halsband sich mit einem sanften Klicken löst, im Zickzack über die Wiese, quiekend und keuchend miteinander rangeln, mit den Zähnen den Hals des Kontrahenten suchen, bis einer von ihnen nachgibt. Ein Spiel, das sie nicht müde werden zu wiederholen, während der Park langsam in der Dämmerung versinkt und schließlich ganz von der Dunkelheit geschluckt wird, bis die trüben Parklaternen das einzige Licht sind. Über die Wiese legt sich Musikwummern wie ein Teppich, wir sind die Schemen im Laternenlicht, Schattenrisse gegen die Bäume. Gekicher breitet sich aus wie ein Virus, hoch ansteckend, gefolgt von einem Zusammenrücken, näher an fremde Haut und Gesichter, das gemeinsame Lachen macht uns stark, überlegen, unser Wir ist ein Körper, der zu viele Arme, Beine und Münder hat. Macht nichts, dass irgendwann bald Schluss sein wird mit der Musik, weil der Akku beinahe leer ist, heute ist der erste Abend der Ferien, der gefeiert werden will oder muss oder soll. Macht nichts, dass wir längst aus dem Park herausgewachsen sind, aber immer noch jeden Abend hier, am Ausgangspunkt, anfangen. Ein neuer, alter Sommer, der mich daran erinnert, dass wir in diesem Jahr nicht mehr gemeinsam nach Hause fahren, wie wir es früher jeden Sommer gemacht haben. Wir, das sind meine Großeltern, bei denen ich aufgewachsen bin, und ich. Wir werden uns nicht mehr eine endlose Autofahrt lang anschweigen, weil es dieses zu Hause für mich nicht mehr gibt, eigentlich niemals gab. Weil ich mich durchgesetzt habe, weil ich alt genug bin, selbst zu entscheiden, und diesen Sommer bei meinem Vater, hier in der Stadt, verbringen will. Zeno hat gefragt, ob es mir wirklich darum geht, bei meinem Vater zu sein, den er für zu weich hält, oder ob ich den strengen Regeln meiner Großeltern, bei denen Zeno Hausverbot hat, entkommen will, wenn auch nur auf Zeit, oder darum, in diesem Jahr einmal nicht die Seiten wechseln zu müssen, der Fremde zu sein, auf den die Kinder im Heimatdorf meines Großvaters kichernd zeigen, und meinen Verwandten in holprigen Touristensprachfetzen zu antworten:

«Was hast du mit deiner Muttersprache gemacht?»

«Der Sommer ist ein Arschloch», sagt Zeno, er langweilt sich schnell, und diese Ferien bedeuten eigentlich nichts weiter, als dass wir im Park die Dinge, die Abende, wiederholen, die wir schon kennen, jeder Tag nur ein neuer Tag, wieder ein Tag und nichts zu tun. Nichts, was Sinn macht, in Gegenwart der müden, der enttäuschten, der zweifelnden Gesichter der Erziehungsberechtigten, die sich Tag für Tag abrackern, für uns, für unsere Zukunft, die kommen wird. Ich versuche, die Dinge richtig zu machen, für meine Großeltern, aber ich habe kein Talent dafür, dankbar zu sein.

Die Sommerferien werden mir lang, bevor sie richtig begonnen haben. Auch die Jugendarbeiter, die den Sommer über hierbleiben und jeden Tag missionarisch durch den Park pflügen, alle Grüppchen abklappern, uns in ihr Büro, in den Jugendtreff einladen, selbst die sehen müde aus. Zeno und ich sind eigentlich zu alt, um hier rumzuhängen, uns vor den ausgedienten Rechnern im Gemeinschaftsraum zu langweilen, den die Jugendarbeiter Begegnungsraum nennen. Aber wir bleiben ohnehin unter uns. Zeno sitzt vor dem Computer und klickt die Stellenanzeigen weg, sucht nach Partyfotos vom letzten Wochenende, wichtig ist, ob der Club-Fotograf uns auch wirklich, wie versprochen, ins Netz gestellt hat, mit wem wir abgelichtet worden sind, ob wir auf den Bildern nach Spaß aussehen, ob wir noch da, noch vorhanden sind.

Ein Polizeiwagen zieht ab und an träge Runden um den Park, immer ist ein wachsames Auge auf uns gerichtet. Ausweiskontrollen gibt es nur, wenn ihnen langweilig wird oder wenn Neue im Dienst sind. Die Neuen, die von der Stadt eingestellt werden, sehen aus wie aus dem Katalog, Gardemaße, Barbie-und-Ken-Bullen, übermotiviert und verbissen. Ich halte Ausschau, ob Niko im Wagen sitzt, Niko, der einer von diesen Neuen ist und der beste Freund meines Vaters. Obwohl ich nicht verstehe, warum sie Freunde sind,...
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