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Siegfried Lenz und sein Verlag

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
96 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am15.05.2015
Die außergewöhnliche Beziehung zwischen einem Autor und seinem Verlag 1951 erschien das Debüt eines jungen Autors namens Siegfried Lenz im Hoffmann und Campe Verlag: »Es waren Habichte in der Luft«. Die Auflage belief sich auf 3000 Exemplare, von denen nach einem Jahr 1300 verkauft waren; Autor und Verlag waren zufrieden. Mit diesem Roman begann nicht nur die literarische Karriere von Siegfried Lenz, sondern auch die Beziehung zwischen einem Autor und einem Verlag, die in ihrer Langlebigkeit und freundschaftlichen Verbundenheit im Literaturbetrieb ihresgleichen sucht.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR4,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR3,99

Produkt

KlappentextDie außergewöhnliche Beziehung zwischen einem Autor und seinem Verlag 1951 erschien das Debüt eines jungen Autors namens Siegfried Lenz im Hoffmann und Campe Verlag: »Es waren Habichte in der Luft«. Die Auflage belief sich auf 3000 Exemplare, von denen nach einem Jahr 1300 verkauft waren; Autor und Verlag waren zufrieden. Mit diesem Roman begann nicht nur die literarische Karriere von Siegfried Lenz, sondern auch die Beziehung zwischen einem Autor und einem Verlag, die in ihrer Langlebigkeit und freundschaftlichen Verbundenheit im Literaturbetrieb ihresgleichen sucht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455813593
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.05.2015
Seiten96 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1573859
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe




(Jochen Hein: Siegfried Lenz, 2014, Acryl auf Jute)




»Mein Verlag, ich möchte sagen: Mein geliebter Verlag  â¦«

Siegfried Lenz in einem Interview, 2004


Siegfried Lenz, im Sternzeichen der Fische geboren, wollte eigentlich Angler werden, wurde dann aber mit siebzehn in den Krieg eingezogen, den er auf einem Panzerschiff erlebte und durch Desertion einige Tage vor der offiziellen Kapitulation für sich verkürzte. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft kam er 1945 nach Hamburg, verdiente eine Weile sein Geld auf dem Schwarzmarkt, fing ein Studium der Philosophie, Anglistik und Literaturwissenschaft an, um es bald wieder abzubrechen, und machte schließlich das Erzählen zu seinem Beruf. Das Angeln blieb zeitlebens seine Leidenschaft. In Hohenhaus, beim Landhaus seines Verlegers Kurt Ganske, zog er den zweitgrößten Fisch seines Lebens an Land: einen zwölf Pfund schweren Karpfen. Ehe sie den Fang in den Kochtopf legte, löste Gerda Ganske zum Andenken eine Schuppe, die Siegfried Lenz jahrzehntelang in seinem Portemonnaie trug, als Talisman.

 

Als Glückstag für den Hoffmann und Campe Verlag erwies sich der 17. Oktober 1950, an dem der 24-jährige Siegfried Lenz einen Vertrag unterschrieb, mit dem er seinen Debütroman Es waren Habichte in der Luft dem Hamburger Verlag anvertraute. Wie kommt ein Verlag zu einem Autor - oder umgekehrt, ein Autor zu einem Verlag? Wie immer spielte der Zufall eine Rolle und eine glückliche Fügung. Anfang der 1950er Jahre war das Telefonieren teuer, Briefe und Manuskriptpakete länger unterwegs als heute. »Seinen« Verlag in Gehdistanz zu haben, war praktisch. »Bei Hoffmann und Campe habe ich einfach deshalb begonnen, weil dieser Verlag vor meiner Türe lag. Ich brauchte nur um die Ecke zu gehen und war schon dort. Das erleichtert einem Schriftsteller natürlich die Arbeit wesentlich«, erklärte Siegfried Lenz in einem Interview 1975. Aber es gab wohl noch einen anderen Grund: Hoffmann und Campe war einfach der erste Verlag, der, um es im Anglerjargon zu sagen, »zuschnappte«. An anderer Stelle erzählte Lenz: »Ich schickte das Manuskript sicherheitshalber an den S. Fischer Verlag und an Hoffmann und Campe in Hamburg. Hoffmann und Campe meldete sich und sagte: Wir bieten dir einen Vertrag an.«

Geschrieben hatte Siegfried Lenz seinen Roman handschriftlich, in ein leeres Kontobuch. Seine Frau Lilo transkribierte den Text anschließend auf einer aus Wehrmachtsbeständen geborgenen Schreibmaschine. Das Debüt, das im Manuskript noch den Titel Große und kleine Vögel trug, erschien im Oktober 1951 als Buch. In seinem Essay Wie ich begann erinnert sich Siegfried Lenz: »Hoffmann und Campe bot mir einen Vertrag an, den ich sehr schnell unterschrieb. Er verpflichtete sich, das Buch angemessen auszustatten und es zu Ostern 1951 herauszubringen, mit einer Startauflage von 3000 Exemplaren, zum kulanten Preis von 9,80 DM. Der Verlag hielt Wort; kurz vor Ostern kreuzte der Vertriebschef bei uns auf, spielte uns Feierlichkeit vor, versteifte ordentlich und benutzte Wörter, die mit Bedeutung befrachtet waren: Da man sein erstes Buch nur einmal überreicht bekäme, meinte er, gelte es, dieses Augenblicks innezuwerden. Natürlich nahm ich das erste Exemplar stehend in Empfang. Mich störten weder das miese Papier noch der amateurhafte Schutzumschlag, ich hielt mein erstes Buch in der Hand, und um dem Augenblick gewachsen zu sein, entkorkte ich eine Flasche Samos, schweren Süßwein. Wenn nicht das zweite, das dritte Glas wirkte wie ein verlässlicher Hammerschlag. Die Dauer meiner damaligen Ohnmacht kann ich mir nur so erklären, daß meine Frau zu bestimmter Zeit eine zweite Flasche geholt haben muß.«

Das Honorar wurde in eine Bettcouch und eine Afrikareise auf einem der ersten Bananendampfer nach dem Krieg investiert: »Selbstverständlich erhielt der erstaunte Kapitän als Gastgeschenk Es waren Habichte in der Luft. Während wir durch die kabbeligen Wellen der Biskaya dampften, wurde mein erstes Buch offiziell zur Kenntnis genommen.« Der Rezensent der Zeit fand im Roman »Sätze von wunderbarer Schönheit«, die Frankfurter Allgemeine Zeitung prophezeite, dass man dem »jungen Autor Siegfried Lenz einen Platz unter den Hoffnungen unserer jungen erzählenden Literatur einräumen muss«. Siegfried Lenz amüsierte noch Jahrzehnte später, dass seine Habichte nicht nur vom klassischen Feuilleton zur Kenntnis genommen wurden, sondern auch von einem Ärztejournal, dem Mitteilungsblatt der Hamburger Gaswerke und einem Fleischereifachblatt.

*

Die wohlwollenden Besprechungen hatten jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf den Verkauf: Nach einem Jahr waren nur dreizehnhundert Exemplare verkauft, und erst 15 Jahre später konnte der Verlag eine zweite Auflage wagen. Aber aus den dreizehnhundert Exemplaren sollten im Laufe der Jahre und der Bücher Millionen verkaufte Exemplare in der ganzen Welt werden. Schon 1955, mit seinem dritten Buch, den masurischen Geschichten So zärtlich war Suleyken, wurde Siegfried Lenz zum Bestsellerautor, 1969 gelang ihm mit der Deutschstunde ein Welterfolg. 63 Jahre lang erschien jedes seiner Bücher bei Hoffmann und Campe, insgesamt 14 Romane, über 120 Erzählungen, Essays und Theaterstücke, in unzähligen Ausgaben, Auflagen und Ausstattungen, und 1999 dann eine 20-bändige Werkausgabe, 2006 die gesammelten Erzählungen in einem Band.

 

Die Verbindung zwischen Siegfried Lenz und dem Hoffmann und Campe Verlag sucht in ihrer Langlebigkeit und freundschaftlichen Verbundenheit ihresgleichen, was Lenz aber nicht zum Pathos verleitete. Als ein Interviewer einmal weihevoll bemerkte: »Das ist ja fast ein einmaliger Fall, dass ein so wichtiger und bekannter Autor von seiner ersten bis zu seiner letzten Veröffentlichung nur mit einem Verlag zusammengearbeitet hat«, antwortete er ironisch: »Vielleicht können Sie das meiner Trägheit oder meiner masurischen Anhänglichkeit zuschreiben.«

 

Aus Anhänglichkeit wurde Freundschaft, erst zu seinem Verleger Kurt Ganske und nach dessen Tod zu seinem Sohn Thomas. Und diese Freundschaft nährte sich aus Vertrauen und Dankbarkeit. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau bekannte Siegfried Lenz: »Ich war bereits mit dem Vater des jetzigen Verlegers befreundet, sehr eng befreundet. Er hat mir, als ich noch ein armer Student war, die Möglichkeit verschafft, weiter zu schreiben, weiter zu arbeiten, das habe ich nicht vergessen.« Er konnte sich auf seinen Verleger verlassen, wenn einmal Not am Mann war. Als Siegfried Lenz mit seiner ersten Frau ein Haus in Hamburg kaufen wollte, half Kurt Ganske mit einem Darlehen aus, das Lenz so schnell wie möglich zurückzahlte. Er wollte keine Schulden haben und wehrte lange Zeit sogar Vorschusszahlungen für seine Bücher ab. Und auch später, nachdem der Verlag Vorschusszahlungen durchgesetzt hatte, weigerte sich Lenz, über finanzielle Dinge zu sprechen. So wurde es Tradition, dass Kurt Ganske und später sein Sohn Thomas einfach einen Betrag festlegten und in den Vertrag hineinschrieben.

»Wir haben uns nicht sehr häufig gesehen«, erzählte Siegfried Lenz über seine Beziehung zu Kurt Gankse, »aber wenn wir uns sahen, haben wir uns immer sehr gründlich ausgetauscht. Er war eine Gründernatur. Aber ihm war auch immer sehr daran gelegen, dass seine Autoren sich gut betreut fühlten.« In einem Gespräch mit Helmut Schmidt verriet Lenz in gewohnt selbstironischer Manier: »Ich besitze sogar einen echten Nolde, den mein Verleger Kurt Ganske mir geschenkt hat, nachdem sich die Deutschstunde als lesbar herausgestellt hat.« Es dürfte keine Überraschung sein, dass das Nolde-Aquarell Fische zeigt.

 

Nach dem Tod des Patriarchen übernahm Thomas Ganske die Rolle als Verleger und Vertrauensmann für Siegfried Lenz. »Meine Geschichte mit Siegfried Lenz begann nicht im Verlag, sie begann in einem Auto, auf der Fahrt von Hamburg nach Hohenhaus, einem abgelegenen kleinen Ort auf dem Lande. Rückblickend kann ich feststellen: Zwischen uns entstand augenblicklich ein Vertrauensverhältnis. Denn Siegfried Lenz vertraute sich vorbehaltlos meinen Künsten als Chauffeur an - ich war jung und mein Führerschein neu. Und ich, ich fühlte, dass ich ihm auch bei höherer Geschwindigkeit gefahrlos meine ausgereifte Meinung über Gabriel García Márquez anvertrauen konnte, ohne eine relativierende oder mäßigende Bemerkung zu hören. Bis dahin hatte ich Siegfried Lenz als Gast meiner Eltern auf Hohenhaus erlebt, immer aus der Distanz, und ich wusste allenfalls von ihm, wie zärtlich Suleyken war. Aber nach dieser Autotour war alles anders: Zum einen wurde mir klar, dass ich mit der Erfüllung des Auftrags meines Vaters, Siegfried Lenz, ein Mitglied der Gruppe 47, wohlbehalten nach Hohenhaus zu bringen, einen wesentlichen Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte geleistet hatte. Zum anderen fühlte ich, dass der Gast und der Freund meiner Eltern eines Tages auch mein Gast und mein Freund werden könnte. Noch am selben Tag überprüften wir die zweite Gemeinsamkeit, die sich nach Gabriel García Márquez unterwegs ergeben hatte - zum Ausgleich gingen wir fischen. Wir liefen mit der Rute in der Hand zu einem Talgrund,...
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