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Liebe ist Quatsch

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am12.11.2014
'Du bist einer meiner großen Schätze.' Hans Henny Jahnn gehört zu den wichtigsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts und sicher auch zu den eigensinnigsten. 1926 heiratet er Ellinor Philips, eine Verbindung, die von tiefer Zuneigung getragen ist. Zeitweise treten andere Geliebte hinzu, doch die Nähe zueinander wird eine der wenigen Konstanten im turbulenten Leben der beiden. Durch die bislang unbekannten Briefe aus dem Nachlass kann diese ungewöhnliche Ehe erstmals in all ihren Facetten nachvollzogen werden. Für dieses Paar scheint fast alles möglich: symbiotische Nähe genauso wie extreme Distanz und Beziehung zu Dritten, tabulose Freizügigkeit genauso wie Treue und Fürsorge. In den vielen Jahren bis zu Jahnns Tod im November 1959 verkommt die Beziehung mit ihren Höhen und Tiefen niemals zum Zweckbündnis: Ellinor und Hans Henny Jahnn bleiben einander ungeheuer wichtig, in den wilden und krisengeschüttelten Spätzeit der Weimarer Republik, auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus, in der dänischen Emigration, den Wirren des Zweiten Weltkriegs und auch nach der gemeinsamen Rückkehr in die nordddeutsche Heimat.

Hans Henny Jahnn gehört zu den wichtigsten Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts. Geboren 1894 in Hamburg, emigrierte er 1915-18 nach Norwegen, wo sein erstes Drama Pastor Ephraim Magnus entstand, für das er 1920 den Kleist-Preis erhielt. Wegen seiner politischen Einstellung und seines Bekenntnisses zur Bisexualität sah sich Jahnn Repressalien durch die Nationalsozialisten ausgesetzt und lebte von 1934 bis 1945 auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm. Ab 1950 amtierte er als Präsident der Hamburger Freien Akademie der Künste und galt wegen seines Engagements gegen die atomare Rüstung und die Wiederbewaffnung Westdeutschlands als unbequemer Kritiker der Nachkriegsentwicklung. Er starb 1959. Im Hoffmann und Campe Verlag erschienen 2014 eine Neuausgabe seiner berühmte Romantrilogie Fluss ohne Ufer und Liebe ist Quatsch. Briefe an Ellinor.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

Klappentext'Du bist einer meiner großen Schätze.' Hans Henny Jahnn gehört zu den wichtigsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts und sicher auch zu den eigensinnigsten. 1926 heiratet er Ellinor Philips, eine Verbindung, die von tiefer Zuneigung getragen ist. Zeitweise treten andere Geliebte hinzu, doch die Nähe zueinander wird eine der wenigen Konstanten im turbulenten Leben der beiden. Durch die bislang unbekannten Briefe aus dem Nachlass kann diese ungewöhnliche Ehe erstmals in all ihren Facetten nachvollzogen werden. Für dieses Paar scheint fast alles möglich: symbiotische Nähe genauso wie extreme Distanz und Beziehung zu Dritten, tabulose Freizügigkeit genauso wie Treue und Fürsorge. In den vielen Jahren bis zu Jahnns Tod im November 1959 verkommt die Beziehung mit ihren Höhen und Tiefen niemals zum Zweckbündnis: Ellinor und Hans Henny Jahnn bleiben einander ungeheuer wichtig, in den wilden und krisengeschüttelten Spätzeit der Weimarer Republik, auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus, in der dänischen Emigration, den Wirren des Zweiten Weltkriegs und auch nach der gemeinsamen Rückkehr in die nordddeutsche Heimat.

Hans Henny Jahnn gehört zu den wichtigsten Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts. Geboren 1894 in Hamburg, emigrierte er 1915-18 nach Norwegen, wo sein erstes Drama Pastor Ephraim Magnus entstand, für das er 1920 den Kleist-Preis erhielt. Wegen seiner politischen Einstellung und seines Bekenntnisses zur Bisexualität sah sich Jahnn Repressalien durch die Nationalsozialisten ausgesetzt und lebte von 1934 bis 1945 auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm. Ab 1950 amtierte er als Präsident der Hamburger Freien Akademie der Künste und galt wegen seines Engagements gegen die atomare Rüstung und die Wiederbewaffnung Westdeutschlands als unbequemer Kritiker der Nachkriegsentwicklung. Er starb 1959. Im Hoffmann und Campe Verlag erschienen 2014 eine Neuausgabe seiner berühmte Romantrilogie Fluss ohne Ufer und Liebe ist Quatsch. Briefe an Ellinor.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455813388
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum12.11.2014
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1573861
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

14. Aus Bad Harzburg nach Bornholm


11. Mai 1935[92]

Liebe Ellinor,

das Devisenamt hat mir gestern einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht. - Mich nach Kiel verwiesen. Ich bin ziemlich ratlos. Jedenfalls werde ich zu handeln versuchen.

Ich war bei meinem Vater.[93] Seine Krankheit scheint mir nicht so schlimm wie den anderen. Die Herrschaft des Alters ist da. Man kann keine moralische Stellung dazu nehmen. Man beobachtet die Sym[p]tome und findet dieses Leben um noch einige Grade jämmerlicher als zuvor. Was die anderen seine geistige Verwirrung nennen, ist nichts weiter als ein Aufflackern seiner Denkfähigkeit, ein Aufbrechen der Erinnerungsspeicher. Und dabei erweist es sich, daß seine Umgebung ihm geistig nicht gewachsen ist. Sie erschrecken vor der Fülle der Gedankenflucht. Sie können gewisse Beharrlichkeiten nicht verstehen. Er sagt, z.B. »Mein Geld auf der Bank ist verschollen. Es ist doch alles weg. Warum habe ich mich gemüht? Ich muß doch wenigstens einmal auch ein Ausnahmemensch sein. Ich habe mir ein Los gekauft. Darauf wird das große Los fallen. Die Summen müssen darauf zurückgerechnet werden. Es ist mein Geld. Wenn ich nur wüßte, was damit anfangen. Du und Ludwig,[94] ihr bekommt erst mal 20000.- Die Regierung will, jeder soll ein Automobil haben. Ich stelle mir einen Schimmel in den Stall. Ich habe zwei Ställe.« - Das ist das, was sie Spintisieren nennen. Die Aneinanderreihung von Tatsachen, Gefühlen, Vergangenheiten. Es ist ersichtlich, er denkt unendlich viel schneller als er sprechen kann. Ein anderes Beispiel: »Sie sollen die Wale nicht mehr torpedieren. Wozu ist die Wissenschaft da? Da bauen sie Inseln im Ozean. Da sollen die Wale heran kommen. Mit elektrischen Strömen brüten sie ihnen das Fett aus. Dann können sie weiterschwimmen. Man könnte auch Schinken auf den Feldern wachsen lassen. Man muß nur hinter die Natur kommen. Ich hätte übrigens der Tante Doris das Lied von der schönen Anita nicht vorsingen sollen; aber wir hatten soviel Sekt getrunken. Das ist der Sekt, der Sekt.« Ihm fällt der Text von Gedichten und Liedern ein. Er sagt: »Das war vor 50 Jahren.« Er sagt: »Diese hier verstehen mich nicht. Sie meinen, ich wüsste nicht was ich anstelle.« Er fühlt, dass er krank ist. Er sucht nach der Ursache. Alles in allem das schreckliche Bild des Vergehens. Er ist ruhelos. Er wandert in den Nächten umher. Für mich kommt die Frage allmählich dringlicher, was ich tun soll oder darf, um unserem Leben eine äußere Form zu geben. Ringsum sehe ich Verfall, zusammenbrechende Illusionen. Die Freundschaften gehen ein wie Pflanzen ohne Wasser. Mit Addi [Harms] bin ich häufiger zusammen gewesen. Er ist tief ins Unglück geraten. Er hat Geld genommen, daß der Erbengemeinschaft gehörte.[95] Natürlich kein gewöhnlicher Diebstahl. Eine Kette. Jemand schuldete ihm 15000.- Einer Riesenfirma gab er eine Bankbürgschaft über 10000.- Einen Monat später war die Firma pleite. Die Bürgschaft wurde in Anspruch genommen. Vergebliche Verhandlungen mit dem Schuldner. Addi bot die 15000.- für 12, 10, 8, zuletzt für 3500.- aus. Und erhielt keinen Pfennig. Mußte aber 10000.- zahlen, die er zur Verrechnung dem Gemeinschaftskonto entnahm in der Hoffnung, es auffüllen zu können. Aber es kam schlimmer. Das Jahr 1934 brachte weitere Verluste. An die 5000.-. Da gab er es auf, wollte sich erschießen, ließ die Sache sausen. Der durch ihn entstandene Schaden beträgt etwa 10-15000.- aber die Brüder wollen, sozusagen bei guter Gelegenheit, 40-50000.- von ihm. Der Rest ist Drohen. Die menschliche Gemeinheit feiert Triumpfe.

Ernst [Eggers] ist beim Auf- und Umbruch. Er weiß nicht was er will; aber er will das Bisherige nicht mehr. In Harzburg hat er die eine oder andere Erkenntnis gewonnen. Also das Leben ist nur einmal, und wenn man älter wird, muß man wissen, wo man gestanden hat. Er weiß nicht, wo er steht. Er hält sein Leben keineswegs für verpfuschter als das Leben anderer Leute. Im Gegenteil[96]. Aber er sieht wie eine Krankheit den Verfall, der sich auf unsere Jahrgänge senkt. Er fragt viel nach Dir. Er sieht, ohne daß wir darüber gesprochen hätten, die Dinge auf Bornholm sehr klar. Keineswegs Vorwürfe gegen Monna. Nur eben ein verflucht ungünstiger Augenblick. Er meint, Wenzel müßte dort bleiben bis sich die Sache auseinander gelebt hat, nicht auseinander diskutiert. Schließlich läßt sich eine Lösung finden, selbst wenn die Verbindung zwischen ihm und Monna enger werden sollte. Unser Urteil ist bei euch in ein schiefes Licht gekommen. Er sieht im Wesentlichen für mich keine Hoffnungen. Nicht etwa Monnas wegen, vielmehr auf Grund all der Verfeinerungen, die sich in der gegenseitigen Beurteilung herausgebildet haben. Er möchte Monna einen ganz herzlichen, einen Liebesbrief schreiben. Es kommt natürlich nicht dazu. Ich habe die Lage des Hofes ungeschminkt geschildert. Zahlen haben hier gar kein Gewicht mehr. Der Hof muß gehalten werden. Darüber ist man sich einig. Das Wie überläßt man mir. Ernst meint, ohne den Kauf des Häuschens würde das Verhältnis zwischen Dir und mir in Trümmer gehen und damit das Ende unserer einstweiligen Erdenlaufbahn erreicht sein. Bei all den charakterlichen Spannungen ist die dauernde Verkettung mit dem Hof mehr als schädlich. Kein Zurückziehen, kein Gespräch, das nicht auf die Wände übergreift. Und dann unser Alter. Zuneigung, die in diesen Jahren auseinander gezerrt wird, hat physische Folgen. Die gegenseitige Liebe könne nicht bezweifelt werden. Aber die Lebenspraxis sei reformbedürftig. Du könntest vermuten, ich hätte mit Ernst gesprochen. Glaub es oder glaub es nicht: Er hat mit mir gesprochen. Ich habe nichts verlauten lassen. Ich hätte auch nicht gewußt, wie ich mein Verhältnis zu Dir hätte schildern sollen. Ich wäre niemals darauf zurückgekommen, daß er meine Eifersucht geweckt hat. Er erzählt jetzt davon. Von der Torheit, solche Dinge ohne innere Nötigung zu provozieren. Zu spielen, während der andere bereits sein Weltbild versetzt. Hier werden ernste Gespräche in einem beispiellos frivolen Aufputz zum Besten gegeben. Ich erkenne daran, welchen äußersten Punkt der Lebensbahn wir erreicht haben. Das Stürzende können wir nicht mehr halten. Wir finden es geradezu zeitgemäß, eine Erholung, in einer schäbigen 2-Zimmerwohnung uns niederzulassen. Wir sind ganz ohne Komfort. Wir sind beim Ausverkauf des Geistes angelangt. Vielleicht verstehst Du hinterher meine Erregung über Wenzel, die daran entstand, daß er freimütig geäußert hatte, meine geistige Befassung sei zweck- und wertlos. Mich verletzte das in den ersten Tagen meines Hierseins. Jetzt bin ich dieses Komforts entkleidet, und die Verhandlungen können wieder beginnen. Ich konnte mich nicht dareinfinden, so gänzlich unterlegen zu sein. Ich sehe hier, alle meine Freunde sind es. Addi. Stegemann ist wie ein Nichts.[97] Man hält die Armut nicht durch. Man hält das Alleinstehen nicht durch. Keine Angriffe. Keine Verteidigung. Keine Exzesse. Kunst um der Kunst willen. Denken um des Denkens willen. Keine Wirkungen.

Der Antrag an das Institut für harmonikale Forschung brachte eine Hoffnung.[98] Ein Strohhalm. Es gibt mehrere Strohhalme. Schließlich, ich lebe ohne Aufhebens. Ich beneide niemand, außer die jungen Leute, die es verstehen, den Mädchen unter die Röcke zu greifen ohne geohrfeigt zu werden. Das habe ich nicht rechtzeitig gelernt. Ich sehe, Ernst versteht sich darauf (übertragen); diese Komödien des Fleisches kommen mir dadurch soweit ins Blickfeld, daß mein Neid sehr bescheiden wird, geradezu winzig. Ich bin also ein Mensch, der mit seinem Schicksal fast zufrieden ist. Ich höre, im Gegensatz zu früher, nur Gutes über Dich. Plötzlich erscheinst Du allen als die Frau von Format. Man kann das nicht genau ausdrücken. Man stellt fest, Du bist noch an meiner Seite. Und man findet, ich wäre sonst noch ärmer.

Der Hirschpark ist einer psychoanalytischen Untersuchung wert. Die Mama erträgt nur optimistische Berichte. Die Schrecken dieser Welt sind ihr peinlich und deshalb, ein Tuch darüber. Nein, sie will nichts davon hören, nichts vom persönlichen Schicksal der Menschen, nichts von unvorteilhaften Zusammenhängen. Sie hat ihre bescheidene Pension, und Menschen, die das nicht haben, sollen mit ihrem Unglück die Geschichte nicht belasten. Das erträgt man nicht. Mieze ist krank. M.E. auf eine besondere Art mit den Nerven durcheinander. Sie reagiert nicht mit Erkenntnissen, mit einer Karakterveränderung, sondern durch Krankheiten ab. Sie erreicht ihre bescheidenen Ziele durch das Mittel der Krankheit. Sie bezwingt damit das Schicksal. Die Tante scheint sich darauf zu besinnen, daß sie die Mama haßt.[99] Daß da eine unausgetragene Eifersucht besteht. - Man kann nichts dabei tun, keine Klärung herbeiführen. Sie sind alle gute Menschen. Sie wissen davon nichts.

Auffallend ist, daß alle Menschen es scheuen, zu diskutieren. Nicht etwa auf den unbequemen Wegen der Politik allein, nein, auch sie selbst, das Menschliche erscheint so fragwürdig, daß man das Für und Wider nicht gerne anlegt. Ich frage mich, in welchem Winde ich stehe, ob der Weg bergauf oder bergab geht. Ich erkenne es nicht. Manchmal Leide ich unter der...
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Hans Henny Jahnn gehört zu den wichtigsten Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts. Geboren 1894 in Hamburg, emigrierte er 1915-18 nach Norwegen, wo sein erstes Drama Pastor Ephraim Magnus entstand, für das er 1920 den Kleist-Preis erhielt. Wegen seiner politischen Einstellung und seines Bekenntnisses zur Bisexualität sah sich Jahnn Repressalien durch die Nationalsozialisten ausgesetzt und lebte von 1934 bis 1945 auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm. Ab 1950 amtierte er als Präsident der Hamburger Freien Akademie der Künste und galt wegen seines Engagements gegen die atomare Rüstung und die Wiederbewaffnung Westdeutschlands als unbequemer Kritiker der Nachkriegsentwicklung. Er starb 1959. Im Hoffmann und Campe Verlag erschienen 2014 eine Neuausgabe seiner berühmte Romantrilogie Fluss ohne Ufer und Liebe ist Quatsch. Briefe an Ellinor.