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Helenens gestörte Ruhe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
96 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.04.20151. Auflage
Helene, klug, blond und elegant, hat sich ihr Leben prächtig eingerichtet: Sie verdient gut mit dem Schreiben von Pornos und genießt es, allein zu wohnen. Helene will vor allem ihre Ruhe. Nur hin und wieder langweilt sie sich, und so beschließt sie, Privatdetektivin zu werden. Gleich bei ihrem ersten Auftrag muß die kluge Blondine feststellen, daß es lebensgefährlich sein kann, andere Blondinen zu unterschätzen ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Ulla Lessmann, Journalistin und Diplom-Volkswirtin, wurde 1952 geboren. Sie arbeitete lange als Chefredakteurin einer politischen Monatszeitschrift in Bonn. Mehrere literarische Veröffentlichungen. Für ihre Satiren wurde sie u. a. mit dem EMMA-Journalistinnen-Preis und dem Satire-Preis der Stadt Herne ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextHelene, klug, blond und elegant, hat sich ihr Leben prächtig eingerichtet: Sie verdient gut mit dem Schreiben von Pornos und genießt es, allein zu wohnen. Helene will vor allem ihre Ruhe. Nur hin und wieder langweilt sie sich, und so beschließt sie, Privatdetektivin zu werden. Gleich bei ihrem ersten Auftrag muß die kluge Blondine feststellen, daß es lebensgefährlich sein kann, andere Blondinen zu unterschätzen ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Ulla Lessmann, Journalistin und Diplom-Volkswirtin, wurde 1952 geboren. Sie arbeitete lange als Chefredakteurin einer politischen Monatszeitschrift in Bonn. Mehrere literarische Veröffentlichungen. Für ihre Satiren wurde sie u. a. mit dem EMMA-Journalistinnen-Preis und dem Satire-Preis der Stadt Herne ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105601693
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.04.2015
Auflage1. Auflage
Seiten96 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1692825
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Die Blondine kann kommen.

Helene Breitter rechnet ernsthaft mit einer Blondine. Als notorische Krimileserin ist sie fest davon überzeugt, daß auch ihr eigener erster Fall mit einer Blondine beginnen muß. Einer Blondine mit meergrünen Augen und einer geheimnisvollen Aura.

Da Helene beschlossen hat, ab sofort Privatdetektivin zu sein, und gerne in Klischees denkt, muß die Blondine sein.

Eigentlich will Helene seit Jahren einen Krimi schreiben. Alle Frauen schreiben Krimis. Helene neigt zu starken Verallgemeinerungen.

Helenens Problem ist: Diese schreibenden Frauen haben offenbar zuvor aufwendige Recherchen betrieben. Sie wissen, was ein Colt ist, wann eine Leiche erstarrt, welche Hierarchien in der Polizeiverwaltung herrschen, kennen sich mit Blut- und Faseranalysen aus.

Helene findet allein die Vorstellung, sich in die Stadtbibliothek zu begeben und einschlägige Werke zu studieren, ermüdend.

Eigentlich hat Helene denkbar ungünstige Voraussetzungen für ihren neuen Beruf. Sie haßt körperliche Gewalt und würde jedem Nahkampf schreiend entfliehen. Laufen kann sie. Aber da sie Wert auf elegante Kleidung sowie Schuhe mit Absätzen legt, wäre sie bei Verfolgungsjagden eine peinliche Erscheinung.

In unpassenden Momenten ihres Lebens muß sie zudem dringend zum Klo, was stundenlange Observierungen nahezu unmöglich macht. Wenn Helene aufs Klo muß, ist meist keines in der Nähe. Dies hat ihr freilich schon die merkwürdigsten menschlichen Begegnungen beschert, wenn sie erhobenen Hauptes der Öffentlichkeit eigentlich nicht zugängliche Einrichtungen betreten hat, um nach der Tür mit der Aufschrift »Damen« zu suchen.

Dies ist immerhin eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit, so auszusehen, als ob sie genau dahin gehöre, wo sie gerade ist.

Helene sucht seit einigen Monaten dringend Abwechslung. Das hat sie selbst am meisten überrascht, weil es ihr bislang selten widerfahren ist. Recht hastig sogar für ihre Verhältnisse hat sie ihren Entschluß, den Beruf der Privatdetektivin ernsthaft zu betreiben, praktisch und vernünftig umgesetzt. Dabei hat sie bewußt vieles vermieden, was laut Krimiliteratur dazugehört: Sie hat ein kleines Büro gemietet und es nicht schäbig, sondern recht edel eingerichtet. Glastisch, schwarze Ledersessel, zwei, drei Grafiken an den Wänden, beige Vorhänge. Nicht zu teuer, um niemanden abzuschrecken. Es sieht auch nicht so aus, als ob sie darin ihre Nächte verbringen würde. Ein gebrauchter PC verkörpert Professionalität auf technisch hohem Niveau, desgleichen Anrufbeantworter und Fax.

Nur die Sekretärin fehlt. Sollte die Atmosphäre bei einem Klientengespräch es nahelegen, kann Helene durchaus so wirken, als hätte sie mindestens drei Sekretärinnen im Nebenzimmer, die nur zufällig gerade zu Tisch sind.

Sie hat ein kleines Schild für die Tür machen lassen, eine Anzeige aufgegeben und sich einen Gewerbeschein besorgt. Selbst beim Verband der Privatdetektive hat sie sich ordnungsgemäß angemeldet. Mit den notwendigen Formalien des Lebens kann Helene gut umgehen, wenn es sein muß.

Was nun noch fehlt, außer der Blondine, ist ein moralisches Anliegen.

Helene weiß, daß sie, um sich im Genre richtig zu bewegen, ein Anliegen braucht, das über das hinausgeht, was sie hat: nämlich diese neue Langeweile zu vertreiben, ohne daß ihr Bedürfnis nach Ruhe empfindlich gestört wird, und ihre Neugier auf das chaotische Leben anderer Leute zu befriedigen. Darüber hinaus kann sie bei sich keine hehren Motive entdecken.

 

Die Blondine kommt.

Helene ist nun doch überrascht. Die Frau, die vor einer Stunde am Telefon die Verabredung getroffen hat (»Ich habe Ihre Anzeige gelesen«), ist ohne Zweifel sehr blond. Allerdings entspricht sie nicht ganz dem, was Helene von einer Blondine, die einen Privatdetektiv aufsucht, glaubt, erwarten zu dürfen.

Diese Frau hat die Fünfzig überschritten, und sie ist für eine richtige Blondine zu dünn. Das Blond ist, wie Helene registriert, nicht echt. Helene sieht das mit dem unbarmherzigen Blick, den sie auf andere Menschen wirft. Außerdem ist die blonde Frau sehr gebräunt, was ihre scharfen Züge ungünstig betont.

Helene würde ihr gerne sagen, daß sie zu blond sei und zu dünn, daß sie blasser besser aussehen würde ... Ihre Lieblingsrubrik in Frauenzeitschriften ist »Machen Sie das Beste aus Ihrem Typ«.

Was der blonden Frau außerdem enttäuschenderweise fehlt, ist eine geheimnisvolle oder tragische Aura. Die Frau sieht zwar ein wenig bedrückt, aber beherrscht, durchaus selbstbewußt und klug aus. Außerdem sind ihre Augen blau und nicht meergrün, weder kalt noch verhangen.

Helene, die merkt, daß sie ob der immerhin fast erfüllten Erwartungen zu lange geguckt und zu sichtbar gedacht hat, findet ihre Contenance nun rasch wieder. Sie bittet die Frau, sich auf den Besuchersessel vor dem Schreibtisch zu setzen, und macht ein kompetentes Gesicht. Das fällt ihr leicht, denn Helene trägt nicht nur ein für ihren neuen Beruf vermutlich untypisch elegantes Seidenkostüm. Sie ist auch eine gutaussehende, liebenswürdige Verbindlichkeit ausstrahlende Person, wenn es die Situation erforderlich macht.

Der Frau ist die Musterung tatsächlich nicht entgangen. Ihrerseits hat sie, durchaus gelassen, wie Helene merkt, die Privatdetektivin und das Ambiente aufmerksam betrachtet und offensichtlich gebilligt.

Sie setzt sich, schlägt die schlanken Beine übereinander und legt ihre Handtasche auf den Schreibtisch. Würde auch nicht zu ihr passen, denkt Helene, die Menschen gerne einordnet, wenn sie die am Henkel auf dem Schoß hielte.

»Womit kann ich Ihnen helfen?« fragt Helene, die sich diesen Satz vorher sorgfältig überlegt hat. Sie schwankte zunächst zwischen »Ihnen dienen« und »Ihnen helfen«. Entschied sich aber bald für »helfen«, denn Hilfe klingt einerseits selbstloser, andererseits wollen Menschen, die einen Privatdetektiv aufsuchen, zweifellos Hilfe, wobei auch immer.

Die Frau seufzt. »Ich war noch nie bei einem Privatdetektiv«, gibt sie zu.

Helene nickt aufmunternd und verschluckt den Satz, daß es ihr genauso gehe.

Die Frau öffnet ihre verschränkten Arme und sagt: »Mein Mann betrügt mich.«

O Gott, denkt Helene. Aber was willst du? Genau das. Also, nimm dich zusammen und antworte nicht: »Schmeißen Sie ihn raus.«

Helene ist nicht eifersüchtig und war immer der Meinung, wer mit ihr nicht zufrieden sei, habe selber schuld und könne gehen. Am meisten hatten Helenens Liebhaber darunter gelitten, daß sie keine kreischende Furie wurde, keine Anschläge auf die vorgebliche Rivalin plante, nicht hysterisch weinend zusammenbrach, nicht schluchzend flehte: »Verlaß mich nicht!«

Mordpläne entwickelt Helene mit Vergnügen nur für Menschen, die »Lenchen« zu ihr sagen.

Helene hat nie verstanden, warum männliche Detektive in Krimis meistens keine »schmutzigen Scheidungsgeschichten« übernehmen. Schließlich versprechen Eifersucht, heimliche Liebschaften, schrille Auseinandersetzungen, dunkle Stundenhotels, kompromittierende Fotos und derart einschlägige Dinge doch den meisten Spaß. Helene ist entschlossen, gerade diese Fälle zu übernehmen. Wenn sie ehrlich ist, und das ist sie sich selbst gegenüber durchaus, ist tatsächlich nur Spaß ihr Anliegen. Es wird ja niemand erfahren, daß kein tiefer Gerechtigkeitssinn, nicht die Befreiung der Frau oder die allgemeine Weltlage sie umtreibt. Helene ist schon lange frei und glaubt nicht, daß es irgendwo gerecht zugeht.

Sie nickt noch einmal aufmunternd, denn die blonde Frau hat nach ihrem Satz gestockt und vielleicht gemerkt, daß Helene nicht mitleidig geguckt hat.

Also blickt Helene mitfühlend und warm, und die Frau fährt fort: »Ich weiß, daß dies nichts Besonderes ist, heutzutage. Und ich bin eigentlich auch nicht eifersüchtig. Ich mag meinen Mann sowieso nicht mehr, wenn ich ganz offen sein soll.«

Jetzt wird Helene wirklich aufmerksam. Wenn jemand ganz offen sein will, fängt er an zu lügen. Das weiß Helene nicht nur durch eigenes Tun, sondern auch aus der Politik. Wenn Politiker »ganz offen« sein wollen oder in »aller Deutlichkeit« etwas ausdrücken, lügen sie mehr als sonst und werden vollkommen undeutlich.

Helene beherrscht diese Technik, die sie während ihrer Bonner Jahre intensiv studiert hat, selbst ganz ausgezeichnet.

Frau Fünfmann also lügt, vielleicht nur, weil sie nicht zugeben mag, daß sie unter der Untreue ihres Mannes leidet. Frau Fünfmann macht einen beherrschten Eindruck und wirkt nicht so, als neige sie zu Gefühlsausbrüchen. Sie beißt allerdings häufig die Zähne zusammen, wie an ihren scharf eingezogenen Wangen sichtbar wird, nicht reizlos freilich. Das kann außer zu Herzinfarkten auch zu Magengeschwüren führen, denkt Helene.

»Gut«, sagt sie, »und was ist nun Ihr Anliegen, Frau Fünfmann?«

»Ich möchte, daß Sie mir eindeutige Beweise für die Affären meines Mannes liefern. Fotos wären natürlich am besten.« Frau Fünfmann ist also offenbar anstandslos bereit, ihre Klientin zu werden. Helene ist von sich selbst beeindruckt.

Helene konnte noch nie fotografieren und hat es seit Kindertagen auch nicht mehr versucht. Was Helene tut, macht sie gut, sonst läßt sie es lieber. Doch sie verschweigt selbstverständlich diese für ihren Job lächerliche Unfähigkeit und nickt.

»Routine«, sagt sie freundlich, aber nicht herablassend.

»Ich hätte natürlich gerne genaue Daten, Name und Adresse der Dame oder Damen, Umstände, Treffpunkte und so weiter. Ich brauche etwas sehr Konkretes, damit ich meinem Mann keine Möglichkeit des Ableugnens gebe.«

Helene ist begeistert von Frau Fünfmanns korrektem...
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