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Rosmarintage

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am25.02.20161. Auflage
An seinem 76. Geburtstag findet Max Engel im Internet die Liebe seines Lebens wieder, die Französin Rosalie. Also überredet er die unkonventionelle Altenpflegerin Tamara Finke, die in seinem Seniorenheim jobbt, mit ihm nach Südfrankreich zu fahren, um Rosalie zurückzugewinnen. Für beide beginnt eine Reise, auf der sie lernen, dass die Tage im Leben am schönsten sind, die nach Rosmarin duften.

Silke Schütze, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg. Nach ihrem Studium der Philologie war sie Pressechefin bei einem Filmverleih und Chefredakteurin der Zeitschrift CINEMA. Sie hat bereits zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht und hält Schreiben für die zweitschönste Sache der Welt. 2008 wurde Silke Schütze vom RBB und dem Literaturhaus Berlin mit dem renommierten Walter-Serner-Preis ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextAn seinem 76. Geburtstag findet Max Engel im Internet die Liebe seines Lebens wieder, die Französin Rosalie. Also überredet er die unkonventionelle Altenpflegerin Tamara Finke, die in seinem Seniorenheim jobbt, mit ihm nach Südfrankreich zu fahren, um Rosalie zurückzugewinnen. Für beide beginnt eine Reise, auf der sie lernen, dass die Tage im Leben am schönsten sind, die nach Rosmarin duften.

Silke Schütze, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg. Nach ihrem Studium der Philologie war sie Pressechefin bei einem Filmverleih und Chefredakteurin der Zeitschrift CINEMA. Sie hat bereits zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht und hält Schreiben für die zweitschönste Sache der Welt. 2008 wurde Silke Schütze vom RBB und dem Literaturhaus Berlin mit dem renommierten Walter-Serner-Preis ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426425534
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum25.02.2016
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse894 Kbytes
Artikel-Nr.1694961
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

Max Engel wusste, dass die Zeit gekommen war. Jetzt musste es schnell gehen. Er war seit Wochen auf diesen Tag vorbereitet. Bereits am Ostersonntag war ihm klargeworden, dass er fliehen musste. Er hatte im großen Speisesaal gesessen und erkannt, dass kein einziger Mensch in diesem Raum in dieser Minute dort sein wollte. Die Alten saßen erschrocken auf ihren Stühlen und konnten den vielen durcheinandersprechenden Stimmen nicht folgen. Ihre Besucher versuchten, durch lautes Gelächter, viele Worte und ausladende Gesten die lähmende Atmosphäre des Seniorenheims zu bekämpfen. Sie waren so wichtig! Und, so hatte Max Engel damals gedacht, sie waren voller Angst, auch einmal so alt, so schwach, so uninteressant zu werden. Sie wollten den Pflichtbesuch hinter sich bringen und in ihre schnelle, bunte, lebendige Welt zurückkehren und den Nachmittag rasch vergessen.

Innenarchitekten hatten versucht, dem Speisesaal des Seniorenheims die Anmutung eines Hotelrestaurants zu verleihen. Aber Max ließ sich keinen Sand in die Augen streuen: die Rollatoren und Krücken, die Handläufe an den Wänden, der belehrende Tonfall der Pfleger und Pflegerinnen, die nicht mehr merkten, dass sie mit den alten Menschen sprachen wie mit kleinen Kindern ...

»JVA Abendsonne« nannte Max das Heim bei sich, das unter »Seniorenresidenz am Park« firmierte und dessen Leitung das Personal anhielt, von den Bewohnern als »Gästen« zu sprechen. Schon wieder eine Lüge, dachte Max Engel an diesem hellen Junimorgen, während er sich für das wahrscheinlich letzte Abenteuer seines Lebens bereitmachte. Gäste waren nicht, wie er und seine bedauernswerten Schicksalsgenossen, gezwungen zu bleiben. Bis zur Verlegung auf die Pflegestation, bis zum letzten Atemzug. Gäste durften gehen. Und genau das tue ich jetzt, dachte Max Engel und merkte, wie sein Herz schneller schlug. Er hörte die aufgeregten Frauenstimmen im Büro von Dr. Maier-Schmidt und ging, so schnell es ihm mit seinem lästigen Stock möglich war, zum hinteren Aufzug. Im Erdgeschoss stieg er aus und sah zufrieden, dass die Rezeption belagert war, wie immer nach dem Frühstück, weil die Heimbewohner Briefmarken kaufen, Tickets für die Veranstaltungen der Residenz bestellen, Fragen loswerden wollten oder einfach nicht wussten, was sie mit dem Vormittag anfangen sollten. Er drückte sich mit einem freundlichen Lächeln an ihnen vorbei und ließ unauffällig seinen Umschlag in das Postfach »Allgemeine Anfragen« gleiten. Er wusste, dass dieses Fach erst am Abend geleert wurde. So hatte er fast einen Tag Vorsprung.

Jovial nickend erwiderte er den Gruß eines Pflegers und bestieg den Aufzug, der ihn in die Tiefgarage bringen würde. Dort hatte er schon vor Wochen einen kleinen Koffer in der Abseite zum Heizungskeller versteckt.

Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und die Stimme im Lautsprecher tönte unangenehm laut: »Untergeschoss!«

Max sah sich um, er war allein. Er holte seinen Koffer und zog ihn hinüber zu dem verdreckten Fiat Punto in der hintersten Ecke der Parkfläche. Der Kofferraum war erwartungsgemäß nicht abgeschlossen, und Max wusste auch, dass das Schloss der Beifahrertür defekt war. Er öffnete den Kofferraum und stellte fest, dass er vollgestopft war mit irgendwelchen Säcken, einer Reisetasche und zwei Paar Stiefeln.

»Was will sie nur mit all dem Kram?«, murmelte er halblaut und taxierte seinen Koffer. So, wie es aussah, musste er ihn auf der Rückbank verstauen. Er spähte ins Wageninnere. Ja, das würde passen. Auf den Sitzen lagen eine Wolljacke, eine Packung Tempotücher und ein Netz mit Äpfeln. Noch Platz genug für sein Gepäck. Er musste ja auch den Stock unterbringen. Seine Reiseunterlagen befanden sich in seiner alten Lufthansa-Umhängetasche. In den späten siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte sie als todschick gegolten und ihm seitdem auf den meisten seiner Reisen gute Dienste geleistet. Die Tasche würde er mit nach vorn nehmen.

Entschlossen zog er die Beifahrertür auf und kippte den Sitz vor. Er schob den Koffer mit Mühe hinter die Lehne, legte den Stock in den Fußraum und klappte den Sitz wieder zurück. Obwohl er das starke Bedürfnis verspürte, für einen Moment zu verschnaufen und Atmung und Herz zu beruhigen, wusste er, dass er erst einmal einsteigen musste, was nicht einfach war. Er setzte sich langsam auf den Beifahrersitz - schnell hätte er es sowieso nicht tun können - und hob zunächst das linke und dann das rechte Bein in den Wagen. Dann nahm er sich die Zeit, auszuatmen. Er kontrollierte noch einmal alles. Der Koffer hinten, der Stock auf dem Boden, er selbst auf dem Beifahrersitz, seine Lufthansa-Tasche auf dem Schoß. Ächzend suchte er nach dem Verschluss des Gurtes. Wo war das dumme Ding nur? Er fingerte rechts oberhalb des Sitzes, bekam irgendetwas Hartes zu fassen und zog vorsichtig daran. Es war tatsächlich der Verschluss, und er wollte den Gurt gerade mit einem leichten Ruck über sich ziehen, als die Fahrertür aufgerissen wurde. Max Engel schrie überrascht auf und ließ den Gurt los.

Tamara Finke, die Besitzerin des Autos und Pflegekraft in der Seniorenresidenz am Park, schrie ebenfalls auf. Die hagere, sommersprossige Mitvierzigerin mit der feuerroten Kurzhaarfrisur fand als Erste ihre Stimme wieder.

»Herr Engel! Was machen Sie denn hier?« Denn natürlich kannten sie einander.

»Sie sind einfach wie immer zu schnell, Frau Finke«, knurrte Max Engel verärgert. Sie schüttelte offensichtlich ebenso verärgert den Kopf und blickte sich gehetzt auf der Parketage um. Engel fiel auf, dass sie eine elegante, schmale Unterarmtasche in der Hand hielt, die nicht zu ihrem burschikosen Outfit aus Jeans und Karohemd passte. Sie ließ sich auf den Fahrersitz fallen, stopfte nach einem Seitenblick auf Max Engel die Tasche in das Handschuhfach, klappte es mit einem lauten Knall zu, drehte den Autoschlüssel im Schloss und fuhr los, als hätte sie einen Startschuss gehört. Max Engel stieß einen erstaunten Seufzer aus.

»Herr Engel, ich habe jetzt für gar nichts Zeit! Ich kann Sie nicht wieder ausladen und in Ihr Zimmer bringen. Wir sprechen, wenn wir draußen sind«, beschied Tamara Finke ihrem Beifahrer und lenkte das Auto Richtung Ausgang. »Und schnallen Sie sich gefälligst an!« Sie beugte sich über ihn, während sie den Wagen die Schräge hoch zur elektronischen Schranke lenkte, und zerrte mit beiläufiger Routine an dem Gurt. »Hier!« Max Engel schloss mit zitternden Fingern das Schloss und verschränkte seine Hände auf der Lufthansa-Tasche.

Tamara Finke fixierte die elektronische Schranke und murmelte: »Jetzt kommt der Moment, wo der Elefant das Wasser lässt.« Sie drückte auf den Knopf an der Gegensprechanlage und wartete, bis sich der Empfang der Residenz meldete. Sie rief »Finke!« und knabberte dabei nervös an ihrer Unterlippe.

Max Engel beobachtete sie. Er wusste, dass sich die Finke mit der Heimleiterin Frau Dr. Maier-Schmidt gestritten hatte. Aber vor allem wusste er, dass das hier seine einzige Chance war. Er hielt den Atem an.

Aus dem Lautsprecher quäkte es: »Alles klar. Schönen Feierabend!«

»Darauf kannst du wetten«, knurrte Tamara Finke mit dem für sie typischen Berliner Akzent. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie zu, wie sich die Schranke hob. Sie fuhr an, legte den zweiten Gang ein und lenkte den Wagen aus der Einfahrt auf die Straße. Max Engel atmete aus, hob die geballten Fäuste und flüsterte: »Halleluja!« In dieser Sekunde hörte er Tamara Finke neben ihm ebenfalls »Halleluja!« flüstern. Sie wechselten erneut einen verwirrten Blick, dann konzentrierte sich Tamara auf den Straßenverkehr und Max betrachtete eingehend den Reißverschluss seiner Tasche.

Eine Weile fuhren sie schweigend, aber als die Seniorenresidenz schon lange hinter ihnen verschwunden war, steuerte Tamara Finke den Parkplatz eines Supermarktes an. Dort hielt sie in einer Parkbucht an und drehte sich zu ihm um. »Jetzt mal raus mit der Sprache, Herr Engel, was zur Hölle machen Sie in meinem Wagen?«

Max Engel nickte. Es war nur verständlich, dass die Finke Aufklärung verlangte. Er besann sich für einen Moment, da ihm klar war, dass er jetzt überzeugend sein musste. Er durfte das hier nicht versauen.

Er holte Luft und sah Tamara Finke direkt in die Augen. »Frau Finke, ich will nicht lange herumreden. Ich weiß, dass Sie sich mit Frau Dr. Maier-Schmidt gestritten haben, weil sie wollte, dass Sie Ihren Urlaub verschieben.«

Mit dieser Antwort hatte Tamara Finke nicht gerechnet, aber das erlittene Unrecht brodelte noch in ihr, und obwohl sie sich fragte, was dieser Engel mit ihrem Ärger und vor allem in ihrem Auto zu tun hatte, platzte sie heraus: »Das stimmt allerdings. Und zwar zum dritten Mal! Diesmal übrigens, weil sich die olle Matuschke gestern beim Frauenfußball das Wadenbein gebrochen hat. Ich soll für sie einspringen! Mann, mit über sechzig noch aufm Bolzplatz, die hat doch ´nen Knall!«

Dass die Chefin ihr zusätzlich klargemacht hatte, dass sie gern kündigen könne, wenn sie wolle, behielt Tamara Finke für sich. Es wäre zu demütigend gewesen, die Aussagen der Maier-Schmidt zu wiederholen.

»Frau Finke, so jemanden wie Sie kriege ich an jeder Straßenecke. Das Arbeitsamt hat mir heute wieder drei Alternativen angeboten. Wenn Sie den Halbtagsjob nicht brauchen, meinetwegen!«

In Tamaras Kopf hatten sich die Gedanken überschlagen. Wie sollte sie ohne die Arbeit in der Residenz die Miete zahlen und Finn Geld schicken? Er war ein begabter Footballspieler und brauchte alle naselang Zuschüsse für Klamotten oder Schuhe. Natürlich würde sie irgendeine andere Arbeit finden, aber wenn sie auch noch den Job im Tierheim machten wollte, würde das sehr...
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Silke Schütze, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg. Nach ihrem Studium der Philologie war sie Pressechefin bei einem Filmverleih und Chefredakteurin der Zeitschrift CINEMA. Sie hat bereits zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht und hält Schreiben für die zweitschönste Sache der Welt. 2008 wurde Silke Schütze vom RBB und dem Literaturhaus Berlin mit dem renommierten Walter-Serner-Preis ausgezeichnet.