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Grazie, Genova

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
330 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am30.05.20151. Auflage
Sonne, Dolce Vita und eine Menge Katastrophen Alle beneiden Sonja, als ihr Traum plötzlich wahr wird: Sie bekommt eine Stellenzusage aus Genua! Hals über Kopf und mit nur zwei Koffern reist sie nach Italien. Doch schnell ist der Traum vom Dolce Vita ausgeträumt: Der Job in der Sprachschule ist nicht nur anstrengend, sondern auch schlecht bezahlt, die Wohnung überteuert und verschimmelt, und die italienischen Behörden sind ein einziges undurchschaubares Labyrinth. Als endlich amore und passione in Sonjas Leben einziehen, muss sie sich entscheiden: für die Liebe - oder für ihr geliebtes Genua?

Die Globetrotterin Bernadette Olderdissen wurde 1981 geboren. Sie lebt in Toulouse, wo sie am Goethe-Institut Deutsch unterrichtet. Reich an Eindrücken, Bildern und neu geschlossenen Freundschaften von ihren zahlreichen Reisen verarbeitet sie ihre Erfahrungen in Artikeln und Büchern. Ihre Reisereportagen veröffentlicht sie u.a. bei Spiegel Online und dem Schweizer Globetrotter-Magazin.
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Produkt

KlappentextSonne, Dolce Vita und eine Menge Katastrophen Alle beneiden Sonja, als ihr Traum plötzlich wahr wird: Sie bekommt eine Stellenzusage aus Genua! Hals über Kopf und mit nur zwei Koffern reist sie nach Italien. Doch schnell ist der Traum vom Dolce Vita ausgeträumt: Der Job in der Sprachschule ist nicht nur anstrengend, sondern auch schlecht bezahlt, die Wohnung überteuert und verschimmelt, und die italienischen Behörden sind ein einziges undurchschaubares Labyrinth. Als endlich amore und passione in Sonjas Leben einziehen, muss sie sich entscheiden: für die Liebe - oder für ihr geliebtes Genua?

Die Globetrotterin Bernadette Olderdissen wurde 1981 geboren. Sie lebt in Toulouse, wo sie am Goethe-Institut Deutsch unterrichtet. Reich an Eindrücken, Bildern und neu geschlossenen Freundschaften von ihren zahlreichen Reisen verarbeitet sie ihre Erfahrungen in Artikeln und Büchern. Ihre Reisereportagen veröffentlicht sie u.a. bei Spiegel Online und dem Schweizer Globetrotter-Magazin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644549616
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum30.05.2015
Auflage1. Auflage
Seiten330 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse713 Kbytes
Artikel-Nr.1695921
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Teil II Ein italienischer (Alb-)Traum

Die kalte Luft dringt durch die Öffnung des Motorradhelms, der auf meinem Kopf wackelt; der Fahrtwind schleudert meine Haare nach hinten. Wie ein glühender Teppich breiten sich die Lichter Genuas neben mir aus, während Antonio auf seiner weißen Vespa Kurve um Kurve in die Hügel über Castelletto hinauffährt. Mit zusammengefrorenen Fingern umklammere ich seinen Bauch.

Neunzig Minuten lang habe ich mich durch unseren Deutschkurs gekämpft, ohne Antonio zu oft anzusehen oder meinen Lippen das Grinsen zu erlauben, das mir seit Tagen aufs Gesicht gemalt ist. Meine Gedanken spulen langsam zurück:

«Nicht einmal Luca hat´s gemerkt», lachte Antonio nach dem Unterricht, als er mich in der Via Balbi zu einem Kuss heranzog. «Mi piace, dieses Gefühl, etwas Verbotenes zu tun!»

Ich gluckste und erzählte ihm von Giulias Reaktion, als sie im Lehrerzimmer mein seit drei Tagen abgeschabtes Kinn bemerkt hatte.

«Sonja, hast du einen Mann kennengelernt?», imitierte ich Giulias plärrende Stimme.

«E?»

«Ich habe gesagt, dass ich jemanden getroffen habe. Giulia meinte, der solle sich besser rasieren!»

Wir prusteten los.

«Möchtest du, dass ich mich rasiere?»

«Per niente!»

Ich liebkoste Antonios Bartstoppeln - seit unserer ersten Nacht hatte er sich nicht mehr rasiert. Der Bart ließ ihn auch reifer wirken; niemandem würde auffallen, dass zwischen uns ein Altersunterschied von sechs Jahren bestand.

«Giulia ist froh, dass ich jemanden kennengelernt habe. Sie glaubt wohl, dass ich für immer in Genua bleibe, wenn ich mich verliebe - wie Hannah und Audrey.»

«Und wenn sie wüsste, dass dein geheimer Liebhaber einer deiner Schüler ist?»

Ich grinste. «Davon wäre sie nicht begeistert. Oder doch! Sie würde sagen, dass ich es ihr zu verdanken habe, weil sie dich in meinen Kurs eingeschrieben hat.»

Antonio schüttelte den Kopf. «Dai, fahren wir los, ich will dir was zeigen!»

Ich grinse unter dem Motorradhelm vor mich hin. Die letzten drei Tage habe ich mit Antonio verbracht und fühle mich an seiner Seite so behaglich wie an einer offenen Feuerstelle, in der Flammen züngeln. Mit ihm kann ich reden, mich fallen lassen.

Plötzlich biegt Antonio scharf nach links und hält neben einer Aussichtsplattform. Er stellt den Motor der Vespa ab und hilft mir, den zwickenden Riemen unter meinem Kinn zu öffnen; ich beuge mich vor und schüttele meine Haare, die sich vom Helm wie frisch gebügelt anfühlen. Antonio grinst.

«Mach dir keine Sorgen, sei sempre bellissima!»

Er nimmt mich bei der Hand und zieht mich zum Geländer - ich bin sprachlos: Zu meinen Füßen entfalten sich die Hügel rund um Genua, durchsetzt von den unzähligen Lichtern der Häuser und Straßenlaternen, bis hin zur strahlend erleuchteten Innenstadt und dem Hafen. Antonio schlingt von hinten seine Arme um mich.

«Vedi, dort rechts!» Er deutet auf den Leuchtturm, der in der Mitte des Hafens prunkt: «Das ist das Wahrzeichen von Genua, il faro - wir sind superstolz darauf.»

Ich bin noch geblendet von der nächtlichen Schönheit der Stadt und glaube, auf dem Meer helle Punkte auszumachen, die Fischerboote oder Fähren sein müssen.

«Kennst du den Mailänder Dom?», fährt Antonio fort. Ich nicke. «Neulich war Berlusconi in Mailand, und ein Mann hat ihm eine Miniaturfigur des Mailänder Doms ins Gesicht geschlagen.» Er prustet. «Stell dir vor, Berlusconi kommt nach Genua ...»

Ich drehe mich fragend um.

«Allora, unser Symbol ist der Leuchtturm. Wo könnte man ihm den besser hinstecken als in den Hintern? Wir sagen Milano - duomo in faccia, Genova - faro nel culo.»

Auch ich muss lachen. Ich mag Antonios Humor - dank ihm perfektioniere ich das von meinen Nachbarn gelernte Alltagsitalienisch und kenne schon viele Ausdrücke für männliche und weibliche Geschlechtsorgane sowie für Ausscheidungen aller Art.

«Genua nennt sich La Superba , die Hochmütige», erklärt Antonio weiter, während meine Augen sich wieder in dem Lichtermeer verlieren. «Sie ist eine schöne Stadt - schade, dass sie so ein casino, so ein Chaos, ist.»

Kurze Zeit schweigen wir. Es ist still, abgesehen vom Klirren einer leeren Bierflasche, die bei jedem Windstoß von einer Ecke zur nächsten gerollt wird. Die kalte Luft schneidet an meinem Gesicht, doch meine eisigen Finger erwachen unter Antonios warmen Händen zu neuem Leben; fest liegen seine Arme um meinen Körper, und ich lehne mich zurück, schmiege meinen Rücken an seine Brust, meinen Kopf an seinen.

«Ich muss dir was sagen», unterbricht Antonio die Stille.

«Mmm?»

«Am Sonntag habe ich bei dir übernachtet.»

«Und?»

«Und ich hatte eine Freundin!»

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Also doch! Cazzo! Langsam drehe ich mich zu ihm.

«Wir waren seit über einem Jahr zusammen und ich ... Ich habe meine Freundin mit dir betrogen!» Er flüstert und senkt den Blick, um meinen Augen auszuweichen. «Am Montag, nachdem ich von dir weg bin, habe ich mit ihr Schluss gemacht.»

Was sagt er da? Antonio hat mit mir geschlafen, obwohl er liiert war - und hat erst danach mit seiner Freundin Schluss gemacht? Was soll ich dazu sagen? Da mir nichts einfällt, wende ich mich von Antonio ab und betrachte wieder den Lichterteppich unter mir. Oder ist das ein gutes Zeichen? Er hat eine andere für mich verlassen! Das heißt, dass er mich wirklich mag, oder?

«Ich habe sofort mit ihr Schluss gemacht, capisci? Per te! Ich möchte mit dir zusammen sein!», untermauert Antonio von hinten meinen Gedankenfluss.

Trotzdem breitet sich ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend aus. Ich fühle mich eingetauscht - als hätte seine alte Freundin ausgedient, und ein neues Spielzeug müsste her! Ich werfe Antonio einen hastigen Blick von der Seite zu, aber seine braunen Augen verwirren mich noch mehr. Ich wünschte, er hätte einfach den Mund gehalten! Jetzt, wo er das Thema angesprochen hat, wirbelt es in meinem Kopf herum. Was, wenn Antonio auch mich wegwirft, sobald er eine Neue kennenlernt? Andererseits habe ich bisher keinen Gedanken daran verschwendet, ob Antonio überhaupt Single ist oder nicht - noch habe ich darüber nachgedacht, wie es mit uns weitergehen würde. Es spielte bisher keine Rolle.

Antonio scharrt mit seinen abgewetzten Schuhen auf dem Boden. Der Wind braust auf, und die Bierflasche wird hin und her geworfen; irgendwo miaut eine Katze, und ein Fenster knallt zu. Ich höre, wie ein Mofa näher kommt, und beobachte, wie es vorbeirast.

«Sonja!»

Die Worte arbeiten sich langsam von meinem Hirn zu meiner Zunge vor: «Nach der ersten Nacht hatte ich keine Ahnung, ob wir zusammen waren oder ob es ein One-Night-Stand war - es war mir egal! Aber ich fühle mich wohl mit dir ...»

Anstatt zu antworten, zieht Antonio mich enger an sich und küsst mich, zuerst langsam, dann mit filmreifer passione.

«Bist du echt oder ein Traum?», fragt er, als er kurz von mir ablässt.

«Che?»

«Die meisten Italienerinnen wollen gleich sicher sein, dass du ihnen gehörst - sie sind besitzergreifend.»

Wir schweigen; ich ziehe Antonio wieder um mich. Nein, ich werde mir nicht mit Grübeleien das Leben schwermachen! Ich will genießen, mich lebendig fühlen - nach dem überstürzten Neuanfang in Italien habe ich mir das verdient. Lange war ich nicht mehr so glücklich wie mit Antonio, und wir können noch so viel zusammen erleben. Was interessiert mich seine Exfreundin? Wenn er mich gewählt hat, dann nur deshalb, weil er mit mir zusammen sein will! Basta!

«Sag mal!» Mir kommt plötzlich eine Idee, die sämtlichen Zweifeln, die kurz zuvor an mir genagt haben, trotzt: «Hättest du Lust, Weihnachten mit nach Deutschland zu fliegen?»

Antonio reißt die Augen auf, und ich bereue sofort, gefragt zu haben. Wahrscheinlich ist es für diesen Vorschlag zu früh, und er bekommt nun den Eindruck, dass ich doch klammere wie eine Italienerin.

«Scusa, die Idee ist verrückt! Ich will unbedingt nach Deutschland! Aber ich weiß nicht, ob ich genug Geld habe.»

Ich biete ihm an, seinen Flug von dem Weihnachtsgeld zu zahlen, das ich vom Sprachinstitut bekomme. Heftig schüttelt Antonio den Kopf.

«Entweder ich zahle meinen Flug selbst, oder ich bleibe hier!»

Ich lächle zufrieden - er ist also ein selbständiger Mann, und das, obwohl er bei Mamma wohnt!

«Überleg es dir, zwei Wochen haben wir noch.»

Antonio grinst, als ich ihn in ein paar Familiengeheimnisse einweihe. Falls er mitkommt, soll er wissen, worauf er sich einlässt!

«Weihnachten bei uns ist casino pur, und manchmal schmeißt die Oma das Essen in den Baum! Wenn dir das nichts ausmacht: benvenuto!»

Antonio legt die Arme auf meine Schultern, und sein Atem umspielt warm mein Ohr. «Wenn Weihnachten für dich erträglicher ist, wenn ich da bin, komme ich mit. Ich werde das Geld auftreiben!»

Der Augenblick gräbt sich in meiner Erinnerung ein wie ein Tattoo auf der Haut; ich bin sicher, dass ich mich nicht einmal in den schönsten Minuten am Meer glücklicher fühlen könnte. Und das, obwohl mein Körper unter dem zu dünnen Mantel vor Kälte zittert. Antonio spürt mein Beben und zieht mich zurück zur Vespa.

«Andiamo! Zu dir?»

 

Più bella cosa non c´è ... Der Hit brüllt aus meinen Ohrstöpseln, und ich strahle alle Passanten an, während ich zur Arbeit tänzele. Was ich von dem Liedtext verstehe, könnte von mir...
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Autor

Die Globetrotterin Bernadette Olderdissen wurde 1981 geboren. Sie lebt in Toulouse, wo sie am Goethe-Institut Deutsch unterrichtet. Reich an Eindrücken, Bildern und neu geschlossenen Freundschaften von ihren zahlreichen Reisen verarbeitet sie ihre Erfahrungen in Artikeln und Büchern. Ihre Reisereportagen veröffentlicht sie u.a. bei Spiegel Online und dem Schweizer Globetrotter-Magazin.