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Superposition

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am15.08.2015
'Sei ekelhaft, divergent, zieh dich aus im Restaurant. Die, die dann bleiben und dir noch einen Drink bestellen, als wäre nichts, sind gut, die darfst du als Freunde behalten.' Alles Schöne birgt Brutales. Jeder Schmerz Poesie. SUPERPOSITION seziert die Grundlagen einer Gesellschaft, in der ein herrenloser Hund zum aggressiven Wolf wird, der sich sein Rudel sucht. SUPERPOSITION ist die Geschichte der 26-jährigen Jazzpianistin Izy Lewin. Sie taumelt durch die Tage und die Nächte, während Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Wirklichkeit ineinandergleiten. Izy steckt fest zwischen den erniedrigenden Hotel-Gigs, den Avancen des Regisseurs Marc und der Beschissenheit der Dinge an sich. Das große Sterben wird mit Babuschka Ella beginnen und nicht mehr aufhören. Was bleibt ihr noch, als mit einem Wolf den Mond anzujaulen? Bei einer Flasche Nastoy, zu alten Jazzplatten, Arm in Arm unter dem Tisch oder im Morgengrauen im Park. Mit Timur. Wo Timur ist, da ist die Tundra und die Steppe, da schmeckt und riecht es nach Zuhause. Ein Zuhause, das Izy nicht gehört, eines, das sie sich nur borgen darf. Und vielleicht ist das, was einen halten kann, ja überhaupt nicht in der Welt zu finden. Sondern im Kosmos. Und vielleicht gibt es einen Weg - um nicht wie die Welt an sich selbst zu zerbrechen - dort unterzutauchen. Vorübergehend ...

Kat Kaufmann, geboren in St. Petersburg, lebt als Schriftstellerin, Komponistin und Fotografin in Berlin. Für ihren Roman Superposition erhielt sie 2015 den ZDF-aspekte-Literaturpreis für das beste literarische Debüt des Jahres.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext'Sei ekelhaft, divergent, zieh dich aus im Restaurant. Die, die dann bleiben und dir noch einen Drink bestellen, als wäre nichts, sind gut, die darfst du als Freunde behalten.' Alles Schöne birgt Brutales. Jeder Schmerz Poesie. SUPERPOSITION seziert die Grundlagen einer Gesellschaft, in der ein herrenloser Hund zum aggressiven Wolf wird, der sich sein Rudel sucht. SUPERPOSITION ist die Geschichte der 26-jährigen Jazzpianistin Izy Lewin. Sie taumelt durch die Tage und die Nächte, während Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Wirklichkeit ineinandergleiten. Izy steckt fest zwischen den erniedrigenden Hotel-Gigs, den Avancen des Regisseurs Marc und der Beschissenheit der Dinge an sich. Das große Sterben wird mit Babuschka Ella beginnen und nicht mehr aufhören. Was bleibt ihr noch, als mit einem Wolf den Mond anzujaulen? Bei einer Flasche Nastoy, zu alten Jazzplatten, Arm in Arm unter dem Tisch oder im Morgengrauen im Park. Mit Timur. Wo Timur ist, da ist die Tundra und die Steppe, da schmeckt und riecht es nach Zuhause. Ein Zuhause, das Izy nicht gehört, eines, das sie sich nur borgen darf. Und vielleicht ist das, was einen halten kann, ja überhaupt nicht in der Welt zu finden. Sondern im Kosmos. Und vielleicht gibt es einen Weg - um nicht wie die Welt an sich selbst zu zerbrechen - dort unterzutauchen. Vorübergehend ...

Kat Kaufmann, geboren in St. Petersburg, lebt als Schriftstellerin, Komponistin und Fotografin in Berlin. Für ihren Roman Superposition erhielt sie 2015 den ZDF-aspekte-Literaturpreis für das beste literarische Debüt des Jahres.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455813524
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.08.2015
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1703488
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteGewidmet euch, die ich [...]Alle Personen in diesem [...]1 (Feierabend)2 (Jazz)3 (Huhn und Affe)4 (Be One)5 (Du bist)6 (Schalom, Baby)7 (Ari & Mira)8 (Ganz in Weiß mit einem Neurosenstrauß)9 (How high the moon/how high am I)10 (... The Garden)11 (Auf die Plätze, fertig und Gorilla)EpilogÜbersetzung von S. 195-197:Übersetzung von S. 235:Über Kat KaufmannImpressummehr
Leseprobe
1 (Feierabend)

»Russisches Gedeck. Bitte.«

»Was soll das sein, bitte?«

Wie schafft er das nur, so freundlich zu fragen. Als hätte er nicht die Schnauze längst voll, als wäre ich nicht sein letzter Gast hier mitten in der Nacht.

»Ach so, ja. Das ist Wodka und ein Kaffee.«

Er trägt eine bordeauxfarbene Schürze, schwarzes Arbeitshemd, schwarze Arbeitskrawatte. Er sieht ganz freundlich aus und sauber, lächelt mich an. Und ich sehe aus wie Scheiße. Ich starre wieder in die Karte. Er wird Mitleid haben. Brauch ich nicht, sein Mitleid. Aber eine Decke wär gut. Kalt ist es, ich bin durchnässt wie ein Straßenköter. Um sich zu finden, muss man sich verlieren, hat der alte Obdachlose vorhin gesagt und seine Regenschutz-Plastiktüte über mich gelegt. Einfach drübergelegt über mich. Gestern hat er noch nach Geld gefragt, heute erkannte er mich schon nicht wieder und teilte seine aufgeschnittene Plastiktüte mit mir.

Ich will mein Innerstes herausnehmen können und waschen.

Ich könnte nach Hause gehen, aber ich gehe nicht. Nach Hause - eine winzige Wohnung, ein Quadrat Miet-Intimität. Was ist da schon? Ein Fernseher, ein Bett, ein Tisch, ein Klavier. Sechzig Bücher vielleicht. Und manchmal du. Und ich. Ein Hund und ein Wolf, die sich Arm in Arm unter dem Tisch besaufen. Ich wünschte, du wärst jetzt hier, würdest dich wegtrinken mit mir. Aber du kannst nicht. Kannst so oft nicht.

Die S-Bahn zieht auf der Brücke von links nach rechts, verschwindet aus dem Sichtfeld in das Dunkel. Im zerfetzten Durchbruch der Markise des Brel steht bac, von Tabac. Es leuchtet in der Dunkelheit, alles leuchtet. Gelb, blau, rot. Und ich bin taub, sehe mich von außen, sehe, wie ich sehe, dass ich ganz taub bin. Sie ist bei dir. Ich falle zurück. Dahin, wo die Erinnerung die Fakten verdreht. Vielleicht sind meine Wahrheiten allesamt zu Lügen geworden. Vielleicht waren sie nie wahr. Vielleicht bin ich ja gar nicht da. Und dich, mein Wolf, gibt es auch nicht.

Ich starre auf den Boden, zwei Steine fehlen im Pflaster, daneben meine Tasche.

Ich höre sie es sagen: Nimm deine Tasche da weg, um Himmels willen. Diese alte dicke Russin, die Wilmersdorfer Sozialbau-Kaffeesatzleserin. In meinen Gedanken schreit sie vor Entrüstung. Alles, was dir verwehrt bleibt, Mädchen - Geld, Erfolg, Liebesglück - kriegste alles nich! Weil nämlich du, du dummes Mädchen, deine Tasche immer so auf den Boden stellst! , sagte sie, während sie meine Jacke an ihre Garderobe hängte, dahin, wo wohl schon so einige Jacken meiner Landsleute hingehangen worden sind. Mit Fragen kommen sie, ob denn die Tochter endlich einen reichen Mann finden wird oder ob dieser komische Ausschlag, der langsam in Gicht übergeht, auch ohne Arztbesuch ausheilt, und man nur noch ein bisschen länger warten sollte und jeweils ein Tütchen mit Heilkraut unter allen Sitzmöbeln verstauen. So Kram.

Und ich hänge meine Tasche über die Stuhllehne.

Zu einer alten dicken Russin, aus dem Kaffeesatz lesen lassen - tolle Idee. Als gäbe es nichts Sinnvolleres zu tun auf der Welt. Hätte ja mal Dinge erledigen können heute, vor denen man reelle Ängste haben darf. Steuererklärung vielleicht.

Ich hätte wissen müssen, mit welch Weisheiten bepackt ich ihren Wilmersdorfer Sozialwohnungs-Spritualistik-Tempel wieder verlasse. Erst klagte sie über Kopfschmerzen, dann über ihren Sohn, den Tunichtgut, der im Gefängnis sitzt. Gleich anschließend fragte sie, ob ich ihn nicht kennenlernen wolle, er sei ein guter jüdischer Junge, und ich - Iiiiizy Lächwihn , sagte sie, so heißt du doch, Mädchen?  - sei ja wohl auch eine von den Unseren . Heiratsmaterial sozusagen.

Dann schimpfte sie über ihre Kosmetikerin. Der Teufel soll sie holen! , sagte sie, Seit zwanzig Jahren! Seit zwan-zig Jah-ren kommt die her!!! , sagte sie. Während die Kosmetikerin nämlich, die Unglücksselige, wie immer einhändig mit der Verwandtschaft in Odessa telefonierte, habe sie ihr, begleitet von dem lauten Aufschrei Ist-nicht-dein-Ernst-doch-nicht-mit-dem-Gurowitsch-dem-Hurenbock! , bei der Pediküre mit dem scharfen Hornhautschaber einen tiefen Krater in den Fuß geschnitten. Und sie könne ja eh schon kaum laufen, jetzt aber erst recht nicht mehr. Und nun, oy wej, oy wej, komme sie da selber nicht ran, um die Salbe draufzutun. Weil die Arthrose quält nämlich auch noch das letzte bisschen Leben aus ihr raus.

Einsamkeitsbekenntnisse. Natürlich fragt man da, ob denn Hilfe gebraucht wird, ob man denn ihr, der riesigen, alten, unter einer dicken Fettschicht sicher von der Realität isolierten Dame, die man da in all ihrem ihr widerfahrenen Unglück zum ersten Mal sieht, den Fuß eincremen und verbinden soll. Komische Sekunden waren das, als sie sich Zeit ließ für ihre Antwort und ich mich schon auf dem Boden zu ihren geschwollenen Füßen hocken sah. War ich hier, um einen Rucksack mit ihren Problemen abzuholen?

Nein! , entgegnete sie dann endlich. Setz dich jetzt hin, Mädchen, und hör zu! , sagte sie. Siehst du den Bären? Hier? Guck in die Tasse jetzt!

Ich sah den Bären nicht, nickte aber dennoch. Sie war trotz all ihrer beklagten Gebrechen ziemlich einschüchternd. Obwohl, doch, ich sah den Bären. Er saß haarig und dick direkt vor mir und las aus meiner Tasse.

Und hier! Siehst du? Die Sterne und ein riiiesiger Mond! Das heißt Glück! Groooßes Glück in der Liebe!

Das sind Sterne? Für mich sah das aus wie Fliegenschiss, einfach ein paar Krümel Kaffee, die am Tassenrand klebten, und der Mond war ein traurig heruntergeflossener Tropfen, der entstanden war an der Stelle, wo ich meinen Mund an der Tasse angesetzt hatte. Das ist kein Liebesglück, Madame Zukunftsvision, das ist verschmierter Dreck.

Niemals Uhren verschenken! Oder Schuhe! Oder Messer fallen lassen! ⦠Und auch nicht in den Haaren rumspielen! Ihr Mädchen spielt euch doch immer so in den Haaren rum , und der Bär demonstrierte mir ein kokettes Hihihi mit verstellter Stimme, zwirbelte dabei eine seiner grauen Strähnen zwischen den Fingern und fuchtelte sich damit an der Wange herum. Dann fiel das verschämte Lächeln in einem Sekundenbruchteil wieder aus des Bären Gesicht.

So , sagte sie, okay , und reichte mir meine Jacke. Bringt alles Unglück! , sagte sie. So zum Abschied.

Super, vielen Dank , sagte ich und nahm meine Jacke aus ihrer riesigen Hand, werde ich alles beachten, ich bin immer fasziniert von Menschen wie Ihnen, mit so feinen, besonderen Begabungen , sagte ich.

Sie wollte ja nicht einmal Geld. Gib, was du geben magst. Und wenn es nichts ist, ist auch gut â¦

Gute Strategie. Die Welt um einen herum spricht dieses Doitsch, das man nicht versteht, und Madame lässt sie, all die gleichsprachigen, nach Trost suchenden Seelen, einfach bei sich antreten. Braucht nicht einmal den schmerzenden Fuß vor die Tür setzen. Ein bisschen plaudern, während der Mokka auf dem Herd kocht, dies das â¦

»Ihr Kaffee.«

Der Kellner steht stramm neben meinem Tisch und wartet auf eine Geste, um die Tasse abstellen zu dürfen.

»Danke schön.«

»Ich habe Ihnen eine Decke mitgebracht. Ist aber auch kalt geworden ⦠Und der Wodka ist hier. Der geht aufs Haus. Ganz blass sind sie ⦠Ich hab auch Feierabend jetzt. Darf ich mich setzen?«

Außer uns ist niemand zu sehen. Alle schon zu Hause oder in den Amüsierbuden oder sonst wo. Aber hier nicht. Hier ist die Straße leer, und der regennasse Boden spiegelt die Laternen. Er hält die Lehne des Stuhls bereits in der Hand. Hat er klug gespielt. Erst machen, dann fragen.

»Ja, natürlich. Setzen Sie sich. Sie haben sich auch einen â¦?«

Er stellt die Wodkagläser auf den Tisch. In den Kaffee hat er sogar ein Herzchen reingemalt, in den Schaum. Jung ist er, nicht deutsch, dunkelhaarig. Türke vielleicht. Iraner vielleicht.

»Auf die Nacht!«, sagt er.

»Ja. Auf die Nacht.« Er trinkt seinen Wodka, ich meinen. Was er denkt, weiß ich nicht. Ich denke an einen schönen Tod für Babuschka Ella.

»Was machen Sie denn draußen so spät? Ist ja kein Mensch mehr auf den Straßen hier«, sagt der Iranertürke.

»Ich bin eingeschlafen.«

»Eingeschlafen?! Wo?«

»Dort. Auf der Bank.«

»Warum?!«, er sieht mich verwundert an. Große Augen. Schöne Augen.

»Weil ich müde war. Und die Luft so gut.«

»Ausgeruht sieht anders aus«, sagt er.

»Mache ich normalerweise nicht«, sage ich. »Also Parkbänke. Ist neu.«

Er lächelt.

»Und warum heute? Was ist denn passiert?!«

Seine hübschen Augen sind weit geöffnet, und er wartet darauf, dass ich ihm gleich eine abgefahrene Gute-Nacht-Geschichte erzähle. Aber ich habe keine Lust.

»Das Übliche«, sage ich, trinke aus und nehme meine Tasche von der Stuhllehne.

»Bist du auch Gastro?«, fragt er.

Ich bin still.

»Ha â¦«, sagt er enttäuscht.

»Wie spät ist das?«, sage ich enttäuscht.

Er sieht auf seine Uhr. »Fünf«, sagt er.

»Verstehe. Was bin ich schuldig?«

»Nichts. Ich sagte doch, ich mach, Parkbankmädchen.«

»Ich muss. Guten Feierabend. Danke«, und der Stuhl krächzt, als ich ihn wieder in Position schiebe.

»Pass auf dich auf. Is nich immer so ungefährlich, weeßte?«

Er hat du gesagt. Seit er weiß, dass ich auf einer Parkbank eingeschlafen bin, sagt er du. Jetzt glaubt er, wir wären Verbündete - in gebückter...
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