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Patenkuh Polly

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am24.08.2015
Cow or Never!
Polly soll weg? Scheidungskind Johann, 10, ist entsetzt. Denn Polly ist seine Patenkuh, und er muss sie natürlich unbedingt vor der ultimativen Verwurstung retten! Hilfe bekommt Johann überraschend von seinem sonst wenig anwesenden Vater, der Indien liebt und Kühe für heilig hält. Kurzerhand kauft Vater Armin dem Bauern die Kuh ab, um sie im Anhänger mit seinem alten Benz auf einen Gnadenhof nach Norddeutschland zu bringen. Neben Johann sitzt im Auto noch Samantha, Armins Stieftochter in spe, die allerdings »PDHS« hat - Pessimismusdefizit und Hypergutelaune-Störung. Klar, dass das Abenteuer, das dieses verrückte Gespann auf seiner Reise quer durch Deutschland erlebt, auf keine Kuhhaut geht ...

Der Fotograf und Kinderbuchautor Bernhard Hagemann erblickte 1956 in Bad Reichenhall das Licht der Welt und ist im Chiemgau aufgewachsen. Seit seinem 13. Lebensjahr befindet sich zwischen ihm und dem Licht der Welt ein Fotoapparat. Zunächst machte er seine Leidenschaft Fotografie zum Beruf, entdeckte dann aber das Geschichtenerzählen. Seither schreibt er für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er lebt am Staffelsee und am Alpenrand, wo er ein Gästehaus betreibt, Berge beim Namen nennt und sehr früh aufstehen muss.
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Produkt

KlappentextCow or Never!
Polly soll weg? Scheidungskind Johann, 10, ist entsetzt. Denn Polly ist seine Patenkuh, und er muss sie natürlich unbedingt vor der ultimativen Verwurstung retten! Hilfe bekommt Johann überraschend von seinem sonst wenig anwesenden Vater, der Indien liebt und Kühe für heilig hält. Kurzerhand kauft Vater Armin dem Bauern die Kuh ab, um sie im Anhänger mit seinem alten Benz auf einen Gnadenhof nach Norddeutschland zu bringen. Neben Johann sitzt im Auto noch Samantha, Armins Stieftochter in spe, die allerdings »PDHS« hat - Pessimismusdefizit und Hypergutelaune-Störung. Klar, dass das Abenteuer, das dieses verrückte Gespann auf seiner Reise quer durch Deutschland erlebt, auf keine Kuhhaut geht ...

Der Fotograf und Kinderbuchautor Bernhard Hagemann erblickte 1956 in Bad Reichenhall das Licht der Welt und ist im Chiemgau aufgewachsen. Seit seinem 13. Lebensjahr befindet sich zwischen ihm und dem Licht der Welt ein Fotoapparat. Zunächst machte er seine Leidenschaft Fotografie zum Beruf, entdeckte dann aber das Geschichtenerzählen. Seither schreibt er für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er lebt am Staffelsee und am Alpenrand, wo er ein Gästehaus betreibt, Berge beim Namen nennt und sehr früh aufstehen muss.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641147990
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum24.08.2015
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3085 Kbytes
IllustrationenMit s/w Illustrationen
Artikel-Nr.1704607
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2

Er war gegen eine Enttäuschung gewappnet.

Johann kennt seinen Vater ja auch aus den Sorgenfalten seiner Mutter, die seine Erwartungen immer gebremst hat.

Umso größer die Überraschung. Nicht nur, dass die Stimme von seinem Trennungsvater wie ein warmer Wortwasserfall durchs Ohr in sein Inneres dringt, sondern mit den Worten das Glück mitten in sein Herz. Ein warmes Gefühl macht sich in Johann breit, während er lauscht.

»Deine Patenkuh schlachten? Das geht ja gar nicht.«

Johann staunt, dass sein Vater von der Patenkuh überhaupt weiß. Aber klar, seine Großeltern, die Eltern seines Vaters, haben ihm die Patenschaft ja geschenkt.

Und dann zeigt es sich, was für ein Segen es ist, dass sein Vater viel in Indien lebt.

»In Indien sind Kühe heilig, weißt du das?«

Nein, das weiß Johann nicht. Aber als er das jetzt hört, ist es, als hätte er das schon immer im Geheimen gewusst. Wundern tut ihn das nicht. Eine Kuh ist ein besonderes Wesen. Sanftmut fließt aus den großen, runden Augen wie unsichtbarer warmer Regen.

Und dann geht alles ganz schnell. Noch mehr Glück! Sein Vater ist tatsächlich gerade in Deutschland, um einen Swami auf seiner Reise durch Europa zu begleiten.

»Einen was?«, fragt Johann.

»Einen Swami«, antwortet sein Vater. »Das ist ein heiliger indischer Mann. Der Swami Abrami Sadrama ist berühmt für sein heilsames Handauflegen und Über-den-Kopf-Streichen. Er bringt den Menschen Glück.«

»Wenn er ihnen über den Kopf streicht?«, fragt Johann ungläubig nach.

»Ja«, sagt sein Vater. »Er macht das in großen Hallen. Dort sitzt er auf einem großen, weißen Stuhl. Die Menschen strömen herbei, und er streicht jedem Einzelnen über den Kopf.«

»Wirklich?«

»Ja. Es hilft den Menschen.«

»Wie hilft er den Menschen denn dabei?«

»Mit seiner Energie«, sagt sein Vater.

»Steht er unter Strom?«, fragt Johann.

Sein Vater lacht. »So ähnlich. Ja. Strom der Weisheit.«

Johann versteht nicht, wie das gehen soll, aber egal. Er will das jetzt nicht verstehen. Es geht ja um Polly und nicht um einen heiligen Inder. Aber er mag diesen Inder, denn wegen ihm ist sein Vater in Deutschland. Und außerdem ist sein Vater so, wie es sich Johann nicht zu erträumen gewagt hätte. Entschlossen und gut gestimmt, was die Zukunft bringt. Optimistisch heißt das, das weiß Johann. Er spricht noch eine Zeit lang mit seinem Vater, und bekommt das Gefühl, dass er jetzt vom Schicksal geschickt worden ist. Oder vom lieben Gott persönlich oder von Indien selber, weil es hier um eine Kuh geht und ihre Rettung.

»Heute Nachmittag ist er da«, sagt Johann, als er aufgelegt hat und wieder auf die Terrasse kommt.

»Wer?« Seine Mutter lässt die Zeitung sinken.

»Papa!«

»Dein Vater kommt?« Schon sitzt seine Mutter aufrecht und schaut über die Sonnenbrille Richtung Johann. »Hierher? Heute? Das ist nicht dein Ernst. Dein Vater?«

Johann nickt.

»Warum das?«

»Polly retten.«

»Polly retten? Ach, Johann!«

Dieses » Ach, Johann« seiner Mutter steht für viel. Es steht für »Du kennst doch deinen windigen Vater«. So hat sie ihn genannt, als sie sich einmal furchtbar über ihn geärgert hat. Eine gute Meinung hat sie nicht von Armin Angermüller. Viel angefangen, nichts fertig gemacht. Viele Versprechungen, kaum was gehalten. Windeier gelegt. Sich wichtig getan und Worten keine Taten folgen lassen. So sehen wohl alle Mütter die Trennungsväter, die auf und davon sind.

Das »Ach, Johann« steht also auch dafür, dass sich Johann keine allzu große Hoffnungen machen sollte. Damit er nicht enttäuscht wird.

»Mama«, wirft Johann ein, »in Indien sind Kühe heilig!«

»Ja, das weiß ich«, entgegnet sie gereizt, so, als hätte sie gerade einen Rinderschmorbraten auf den Tisch gestellt und müsste sich Johanns Vorwurf gefallen lassen.

»Und ein heiliger Mann aus Indien ist gerade in Deutschland. Das ist doch ein gutes Zeichen.«

»Ein heiliger Mann? Ach, du meine Güte. Begleitet dein Vater wieder so einen ... wie heißen diese Menschen? Swami?«

»Ja, genau!«

»Ich hoffe, den bringt er nicht mit. Bei deinem Vater weiß man nie. Wo ist er denn?«

»In München.«

»Wirklich?«, staunt Johanns Mutter.

Fünf Stunden später staunt seine Mutter noch mal. Denn da kommt Johanns Vater wie ein Held mit einem alten Benz vors Haus gefahren. An dem Auto hängt ein Viehanhänger. Dieser Viehanhänger sieht aus wie die Wiedergutmachung aller nicht eingelösten Versprechungen, die Wiedergutmachung für all die trennungsvaterreichen Tage, Wochen und Monate, für all die Fußballspiele, die Johann nicht mit seinem Vater gespielt hat. Der Anhänger sieht aus wie das Glück auf Erden.

Und sein Vater sieht aus wie ein bisschen verrückt. Ein weites blaues Hemd flattert über einer bunten, dünnen Baumwollhose. Seine Füße stecken in gemusterten Sandalen. Um die Handgelenke jede Menge Armbänder, um den Hals eine dicke Kette aus irgendetwas Gemustertem. Fehlt nur noch ein Turban, dann wäre er Inder. Tragen Inder überhaupt Turbane? Johann weiß es gar nicht.

Anders als die Mutter fühlt sich sein Vater ziemlich fest an, als Johann die Arme um ihn schlingt. Nicht hart, aber fest. Trotzdem ist die Liebe spürbar. Irgendwie trägt die sein Vater vor sich her. Vielleicht hat er das in Indien so gelernt. Johann hat das Gefühl, ein bisschen oberhalb des Bauches in die Liebe einzutauchen.

Die Hand auf seinem Kopf ist Johann vertraut, obwohl er seinen Vater gar nicht so gut kennt.

»Hey, Großer«, sagt die Vaterstimme leise über Johanns Kopf. Die Hand kommt in Bewegung, rutscht von seinem Kopf über das rechte Ohr auf seine Wange. Von dort zur Stirn über den Hinterkopf, einmal, zweimal, dreimal. Wie ein Begrüßungsritual.

»Wie geht´s dir?«

Klar wollen die Tränen raus. Aber für heute ist genug geheult. Und unter Männern weint man sowieso nicht. Noch ein bisschen drücken, dann ist Schluss mit der Gefühlsduselei.

Johann löst sich von seinem Vater, geht einen Schritt zurück und strahlt zu ihm nach oben.

»Hallo, Papa«, sagt er.

Dann geht der Blick des Vaters über Johanns Kopf hinweg, Richtung Haus. Da steht seine Mutter in der Tür, wie in einem Film, schaut skeptisch, hat die Arme vor der Brust verschränkt. Verteidigungshaltung. Wären sie im Mittelalter, wäre die Zugbrücke halb nach oben gezogen und die Krokodile würden im Wassergraben wuseln.

Wenn ein Trennungsvater erscheint, dann ist es, als wäre er plötzlich zehnmal so anwesend wie er abwesend gewesen ist. Weil dann alles plötzlich normal sein will, was es nicht ist, und dann ist alles so besonders. Oder sehr seltsam. Ein anwesender Trennungsvater ist überhaupt nicht normal und stellt einen eigentlich normalen Tag völlig auf den Kopf.

Der Blick von Johanns Mutter ist so, als würde sie am liebsten eine Zündschnur am Trennungsvater anzünden, und dann gleich ab mit ihm zum Mond.

Aber sie sieht auch, wie Johann sich freut. Das sieht sie mehr als deutlich, und da kann sie die Arme vor der Brust verschränken wie hundert Tempelwächter, das Lachen im Gesicht kann sie sich nicht verkneifen. Und dann rauscht auch bei ihr die Wärme heran, als würde irgendwo im Liebeskeller der Hahn aufgedreht werden.

»Komm rein«, sagt sie, aber da hat der Anwesenheitsvater sowieso schon zwei Erobererschritte in den Garten gemacht, wobei gleich ein paar Tulpen umzuknicken drohen. Plötzlich sieht Johann überall, dass hier schon länger ein Mann fehlt. Er sieht die wild geknotete Schnur, die die Leiter an seinem Klettergerüst festhält. Und die Gartentür, die nicht mehr schließt, eigentlich noch nie richtig ins Schloss gefallen ist.

»Und du rettest Polly?«, fragt seine Mutter, als der Anwesenheitsvater vor ihr steht. Zum Begrüßungskuss reicht die Wiedersehensfreude nicht, das merkt Johann, aber immerhin. Sein Vater streicht seiner Mutter über die Schulter.

»Hallo, Elisabeth!«

Hatte Johann fast schon vergessen. Elisabeth, so heißt seine Mutter, die Johann nur Mama nennt, und der Rest der Welt Lisa oder Lissie oder Alice. Elisabeth, das klingt, wie mit einem Superlautsprecher aus dem Weltraum heruntergerufen. Der ganze Ernst des Lebens steckt in diesem Namen, die ganze Trennung seiner Eltern. Das Fremde, das zwischen ihnen steht, diese wackelige Unterlage, auf der sie plötzlich alle balancieren müssen.

Steif ist die Situation schon. Halbe Blicke, halbe Sätze, halbe Atemzüge. Das ist alles andere als locker. Bei Johann ist das eigentlich anders. Da gibt es einen Wortestau, gleich hinter dem Gaumen, oberhalb der Lunge. Johanns Gefühle liegen unter den Worten wie eine brodelnde Masse. Der Wortestau verursacht ein Glühen, das Johanns Kopf sprengen möchte, er spürt es in seinen Wangen, den Ohren, sogar die Haare stellen sich ihm auf.

Johann und sein Vater sind gerade durchs Haus und auf die Terrasse gegangen, als Johanns Wortestaudamm bricht. Der Anwesenheitsvater hat ein Glas Wasser in der Hand und schaut in den Garten, als ließe er seinen Blick über die Prärie in Texas schweifen.

»Das Gras wächst hier so schnell, dass die Polly gar nicht mehr nachkommen wird mit Grasen«, platzt es aus Johann heraus. »Ihr wird es an nichts fehlen. Der Garten ist zwar kleiner als eine normale Weide, aber immer noch besser für sie als ein kleiner Stall, in dem Kühe sonst...


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Autor

Der Fotograf und Kinderbuchautor Bernhard Hagemann erblickte 1956 in Bad Reichenhall das Licht der Welt und ist im Chiemgau aufgewachsen. Seit seinem 13. Lebensjahr befindet sich zwischen ihm und dem Licht der Welt ein Fotoapparat. Zunächst machte er seine Leidenschaft Fotografie zum Beruf, entdeckte dann aber das Geschichtenerzählen. Seither schreibt er für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er lebt am Staffelsee und am Alpenrand, wo er ein Gästehaus betreibt, Berge beim Namen nennt und sehr früh aufstehen muss.