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Anders frei als du

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.12.2015
Die 16-jährige Malina hat sich nie groß für Religion interessiert, als sie sich in den türkischen Jungen Tarik verliebt. Die Besuche bei seiner Familie offenbaren ihr eine völlig neue Welt der Rituale, Traditionen und des Zusammenhalts. Der Islam gibt ihrem Leben eine ungekannte Tiefe und bei Malina entsteht der Wunsch, Muslima zu werden - auch als die Beziehung zu Tarik zerbricht. Doch ihr Umfeld reagiert mit Unverständnis und Ablehnung ...

Christine Fehér wurde 1965 in Berlin geboren. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin schreibt sie seit Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher und hat sich einen Namen als Autorin besonders authentischer Themenbücher gemacht. Für ihr Jugendbuch »Dann mach ich eben Schluss« wurde sie 2014 mit dem Buxtehuder Bullen ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextDie 16-jährige Malina hat sich nie groß für Religion interessiert, als sie sich in den türkischen Jungen Tarik verliebt. Die Besuche bei seiner Familie offenbaren ihr eine völlig neue Welt der Rituale, Traditionen und des Zusammenhalts. Der Islam gibt ihrem Leben eine ungekannte Tiefe und bei Malina entsteht der Wunsch, Muslima zu werden - auch als die Beziehung zu Tarik zerbricht. Doch ihr Umfeld reagiert mit Unverständnis und Ablehnung ...

Christine Fehér wurde 1965 in Berlin geboren. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin schreibt sie seit Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher und hat sich einen Namen als Autorin besonders authentischer Themenbücher gemacht. Für ihr Jugendbuch »Dann mach ich eben Schluss« wurde sie 2014 mit dem Buxtehuder Bullen ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641167608
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum14.12.2015
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2050 Kbytes
Artikel-Nr.1705175
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1.

»Malina fehlt«, stellt Herr Bischoff, der Englischlehrer, fest, als er seinen Blick über die 11b schweifen lässt und seine Augen an dem leeren Stuhl neben Nele hängen bleiben. Er schreibt einen entsprechenden Vermerk ins Klassenbuch. »Weiß jemand etwas von ihr, ist sie länger krank? Nele?«

Allgemeines Schulterzucken. Die Sommerferien sind noch nicht lange vorbei, die Schule nervt, fast alle sind in Gedanken noch im Urlaub. Wieder am Strand liegen, das wäre es jetzt. Englisch reden, okay, aber lieber mit der Sommerliebe oder anderen Jugendlichen, die man auf dem Campingplatz oder im Hotel getroffen hat. Locker vor sich hin plaudern über Themen, die alle interessieren, oder einfach nur Blödsinn labern, ein wenig stolz darauf sein, wie gut das schon klappt. Englisch ist cool, solange es sich nicht um das dreht, was im Buch steht.

»Klar ist sie krank«, tönt Marvin aus der letzten Reihe. »Die ist doch nicht mehr normal, ganz komisch ist sie geworden, seit sie mit Kopftuch herumläuft. An die kommt keiner mehr ran.« Zustimmendes Nicken von allen Seiten.

»Nesrin fehlt auch. Die Moslems sind heute alle nicht da«, weiß Jannik zu berichten. »Heute ist doch das Ende des Ramadan, da haben sie Fastenbrechen und feiern den ganzen Tag. Malina ist bestimmt bei irgendwelchen Türken zu Gast oder kriecht in der Moschee auf dem Teppich rum.«

»Es heißt Muslime, nicht Moslems«, korrigiert Nele. Früher war Malina ihre beste Freundin. Eine Ewigkeit scheint das her zu sein, manchmal erscheinen Monate wie Jahre. Die alte Malina fehlt ihr, manchmal fehlt sie ihr so sehr, dass sie schreien könnte. Wenn sie sich neue Klamotten gekauft hat und sie ihr gern zeigen würde. Wenn ein süßer Junge ihr auf Facebook eine Freundschaftsanfrage geschickt hat, aber keine Nachricht dazu sendet. Wenn die zickige Bemerkung einer Mitschülerin sie verletzt oder wenn sie sich über ihre Eltern nur noch aufregen könnte. Aber nicht mit der neuen, so sehr veränderten Malina. Mit ihr geht nichts mehr, zwischen ihnen ist eine Mauer entstanden, die jedes unbefangene Miteinander unmöglich macht. Und eine neue beste Freundin findet sich nicht so leicht. Es stimmt nicht, dass jeder Mensch ersetzbar ist, auch wenn das oft behauptet wird. Die alte Malina, Neles engste Vertraute, kann niemand ersetzen.

Der Lehrer nickt nachdenklich und legt seinen Kugelschreiber hin.

»Dass sie sich verändert hat, ist mir auch aufgefallen«, sagt er. »Nicht nur äußerlich. Auch auf mich wirkt sie unnahbar. Im Unterricht macht sie allerdings so gut mit wie immer. Habt ihr schon mal versucht, mit ihr zu reden?«

»Wie denn, wenn sie sich so isoliert?«, ereifert sich Lydia und knetet mit der Hand ihre langen roten Locken. »Malina ist so anders geworden. Ausgerechnet sie, der früher kein Rock kurz genug sein konnte. Jetzt rennt sie dauernd in die Moschee und verhüllt ihren Körper.«

»Ihren sexy Körper«, witzelt Enzo, der in der Klasse das Sagen hat, und formt mit den Händen weibliche Rundungen nach.

»Halt die Klappe, du Wichser«, faucht Nele. »Solche Typen wie du sind vielleicht mit schuld daran. Es steht nun mal nicht jede auf Typen, die nur an das Eine denken. Vielleicht hat Malina eure dusseligen Sprüche einfach nur satt.«

»Hör mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, ereifert sich Noel, der vor Monaten mal mit Malina zusammen war, ganz kurz nur, kaum der Rede wert. Damals war sie ein bisschen flatterhaft gewesen, hatte es nie lange mit jemandem ausgehalten. Zumindest glaubten das alle.

»Können wir bitte sachlich bleiben«, mahnt der Lehrer. »Ihr meint also, Malina fühlt sich zum Islam hingezogen? Oder wird sie da von ihrem Freund bevormundet?«

»Hingezogen? Sie ist konvertiert, gehört längst zum Islam. Wussten Sie das nicht?«, wundert sich Neles Zwillingsbruder Luca, der die gleichen blonden Haare und graublauen Augen hat wie seine Schwester, aber viel sanfter und ruhiger in seinem Wesen ist. Herr Bischoff schüttelt den Kopf.

»So weit ist es schon? Nein, das war mir nicht klar. Ich habe damit gerechnet, dass das ein Thema werden wird«, gibt er zu. »Dass sie schon konvertiert ist ... nein, das wusste ich nicht. Hat denn keiner von euch vorher mit ihr reden können? Ihr Zwillinge kennt sie doch näher, seid ihr nicht Nachbarn? Aber die Frage geht natürlich an die ganze Klasse.«

Nele sieht ihn an, als ob er ihr die erste Mondlandung als Neuigkeit vermitteln wollte.

»Sie liest im Koran, hat sich einer islamischen Gemeinde angeschlossen und geht regelmäßig in die Moschee«, antwortet sie. »Andere Musliminnen bezeichnet sie als Schwestern. Noch Fragen?«

»Mit Malina kann man nicht reden«, springt Bastian ihr bei. Er spielt an seinem Kreuz aus Edelstahl herum, das er an einem Lederband um den Hals trägt. »Die hat ´ne Gehirnwäsche hinter sich, mindestens. Drehung um hundertachtzig Grad. Ein ganz anderer Mensch ist sie geworden.«

»Man kommt nicht an sie ran«, meint auch Luca. »Wir sind alle mit unserem Latein am Ende. Malina hat sich da in was ganz Schlimmes verrannt. Irgendwann haut sie vielleicht noch ab nach Syrien, es soll ja immer mehr Mädchen geben, die so drauf sind. Die finden es toll, die Frau eines islamistischen Selbstmordattentäters zu sein, der sich im Dschihad in die Luft sprengt. Ich mache mir echt Sorgen.«

»Dann gibt sie die trauernde Witwe, während ihr Kerl sich im Paradies mit zweiundsiebzig Jungfrauen amüsiert«, tönt Marvin wieder von hinten. »Schön blöd.« Ein Blick von Nele lässt ihn verstummen.

»Das glaube ich nicht.«, widerspricht sie. »Dazu kenne ich Malina zu gut und sie ist viel zu intelligent, um sich diesen Typen zu unterwerfen, die in der heutigen Zeit Regeln aufstellen, die im Islam vielleicht vor 1400 Jahren galten. Trotzdem wissen wir nicht weiter, Herr Bischoff. Sie hat sich von uns allen total entfremdet und isoliert und gibt sich nur noch mit Muslimen ab. Jetzt noch mit ihr reden - wie soll das gehen?«

»Sie demonstriert doch längst, was Sache ist«, meint auch Laura, die Klassensprecherin. Mit Malina hatte sie nie besonders viel zu tun, es stand aber auch keine Abneigung zwischen ihnen. »Deutlicher als durch ihre Kleidung kann sie kaum zeigen, dass sie nichts mehr mit uns zu tun haben will. Sie redet mit keinem von uns mehr, außer im Unterricht, wenn es nicht anders geht. Bei Gruppenarbeiten und so. Die einzige Ausnahme ist Nesrin, aber die ist ja selbst Muslimin.«

»Sie zeigt es auch sonst im Verhalten«, bemerkt Nele düster und Luca nickt. »Glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede.«

»So abwegig finde ich es nicht, was Marvin sagt«, wirft Laura ein. »Sonst müsste sie sich nicht so von allem abschotten, was ihr mal wichtig war. Natürlich will sie nicht, dass jemand versucht, ihr den Islamismus auszureden, ist doch logisch.«

»Scheiß-Salafisten«, flucht Bastian. »Die breiten sich immer weiter aus, aber Deutschland kuscht vor ihnen, weil wir ja schließlich am Zweiten Weltkrieg und an Auschwitz schuld waren. Davon, dass durch den IS schon tausende Christen ermordet wurden, redet kaum jemand.«

»Es geht vor allem um Menschen«, erinnert die schmale, hübsche Jasmin. »Egal welcher Religion sie angehören oder ob sie Atheisten sind.«

»Okay, okay.« Herr Bischoff legt seine Fingerspitzen gegen die Schläfen und versucht sichtlich, sich zu sammeln. »Das führt uns jetzt zu weit, darum zurück zu Malina bitte, sie sollte unser Hauptthema bleiben. Wenn sie wirklich in den Fängen von Islamisten ist, dürfen wir sie nicht einfach aufgeben! Wir können nicht zusehen, wie sie in etwas Fatales hineingezogen wird, mitten aus einem ganz normalen Berliner Gymnasium heraus! Ich verstehe nicht ganz, warum ihr da noch nicht weiter gekommen seid, immerhin seid ihr alle jeden Tag mit Malina zusammen, sitzt gemeinsam im Unterricht, verbringt die Pausen in ihrer Nähe ... ich meine, ein Mensch, den man jeden Tag um sich hat, jemand aus der eigenen Klasse ... man muss doch irgendwas tun können!«

»Reden Sie doch mit ihr«, kontert Enzo. »Sie sind doch der Vertrauenslehrer hier.«

»Genau!« Lydias Gesicht erhellt sich, auch die Augen der anderen Mädchen blicken den Lehrer hoffnungsvoll an, nicht voller Vorwürfe und Trotz wie Enzo. »Auf Sie hört Malina vielleicht. Auf jeden Fall findet Sie sie nett, so viel weiß ich. Wenn sie morgen oder übermorgen wieder da ist ... in der Freistunde vielleicht ...«

»Moment, Moment«, sagt Herr Bischoff. Er versucht, sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Mit Malina reden - was für eine Aufgabe. Niemand erklärt einem im Lehramtsstudium, wie man sich in einem solchen Gespräch verhält, und auch jetzt, nach über zwanzig Berufsjahren, weiß er es nicht. Konvertiert zum Islam, ja sogar offensichtlich in islamistischen Kreisen zugange - das ist etwas ganz Existenzielles. Da öffnet sich jemand nicht innerhalb einer ausgefallenen Mathestunde. »Was ist denn mit den Eltern? Ich meine, noch ist Malina nicht volljährig, da haben die doch das Sagen. Haben die denn nie versucht ...«

»Mit vierzehn ist man religionsmündig«, unterbricht ihn Bastian. »Malina ist sechzehn.«

»Ihre Mutter hat nicht daneben gestanden und zugesehen«, sagt Luca. »Das können Sie mir glauben. Und Vater gibt es sowieso keinen.«

»Sie sucht nach dem großen Helden«, glaubt Noel zu wissen. »Nach Allah, nach Mohammed - oder einfach nur nach irgendeinem Typen, den sie anhimmelt, weil er ihr endlich sagt, wo der Hammer hängt, statt alles durchgehen zu lassen. Irgend so ein dämlicher Gotteskrieger, einer...

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Autor

Christine Fehér wurde 1965 in Berlin geboren. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin schreibt sie seit Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher und hat sich einen Namen als Autorin besonders authentischer Themenbücher gemacht. Für ihr Jugendbuch »Dann mach ich eben Schluss« wurde sie 2014 mit dem Buxtehuder Bullen ausgezeichnet.