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Sterne über der Alster

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am09.11.20151. Auflage
Inmitten der Revolution 1918 bedroht die Hamburger Reederfamilie Dornhain ein Skandal. Klara, das Hausmädchen, soll die illegitime Tochter des kürzlich verstorbenen Familienoberhaupts sein. Eine schnelle Heirat wäre die Lösung, doch Klaras Verlobter ist in der Kriegsgefangenschaft in Sibirien verschollen. Die Furcht, von der alten Patriarchin ausgerechnet zu Weihnachten vor die Tür gesetzt zu werden, ist groß. Klara hofft auf die Hilfe von Ellinor Dornhain, der ältesten Tochter. Doch die muss um das wirtschaftliche Überleben der Reederei kämpfen, deren Zukunft in den Sternen über der Alster geschrieben steht ...

Micaela Jary wurde als Tochter des Filmkomponisten Michael Jary in Hamburg geboren. Sie wuchs in der Welt des Kinos und der Musik auf und arbeitete als Zeitungsredakteurin. Ihre Leidenschaft für Geschichte inspirierte sie zu den Romanen um die Hamburger Reederfamilie Dornhain. Sie lebte lange in Paris und wohnt heute mit Mann und Hund in Berlin und München.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextInmitten der Revolution 1918 bedroht die Hamburger Reederfamilie Dornhain ein Skandal. Klara, das Hausmädchen, soll die illegitime Tochter des kürzlich verstorbenen Familienoberhaupts sein. Eine schnelle Heirat wäre die Lösung, doch Klaras Verlobter ist in der Kriegsgefangenschaft in Sibirien verschollen. Die Furcht, von der alten Patriarchin ausgerechnet zu Weihnachten vor die Tür gesetzt zu werden, ist groß. Klara hofft auf die Hilfe von Ellinor Dornhain, der ältesten Tochter. Doch die muss um das wirtschaftliche Überleben der Reederei kämpfen, deren Zukunft in den Sternen über der Alster geschrieben steht ...

Micaela Jary wurde als Tochter des Filmkomponisten Michael Jary in Hamburg geboren. Sie wuchs in der Welt des Kinos und der Musik auf und arbeitete als Zeitungsredakteurin. Ihre Leidenschaft für Geschichte inspirierte sie zu den Romanen um die Hamburger Reederfamilie Dornhain. Sie lebte lange in Paris und wohnt heute mit Mann und Hund in Berlin und München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492971317
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum09.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2734 Kbytes
Artikel-Nr.1706170
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

SPA, BELGIEN

2

»Ich stelle die Verbindung her, bitte warten Sie«, flötete Lavinia in den Lautsprecher. Sie stöpselte den Leitungsstecker in die zu dem gewünschten Anschluss gehörende Buchse. »Hier kommt ein Gespräch für Sie«, teilte sie dem Empfänger des Anrufs mit.

Einen Moment später leuchtete die Glühbirne über einem anderen Klappschalter auf, eine neue Vermittlung wurde gewünscht. Es schien Lavinia, als liefen die Drähte im wahrsten Sinne des Wortes heiß. Sie war als Telefonistin des Nachrichtenkorps heute dermaßen beschäftigt, dass sie kaum die Zeit fand, einmal in Ruhe durchzuatmen. Und bei all der Hektik legte sich langsam ein sich mit jeder Stunde verschlimmernder Kopfschmerz um ihren Schädel.

Es waren pure Verzweiflung und wohl vor allem verletzter Stolz, die Lavinia Dornhain an die Westfront geführt hatten. Sie wollte weg aus Hamburg, sich darüber hinaus irgendwie nützlich machen, um ihrem verkorksten Leben einen Sinn zu geben. Zunächst war sie von ihrer Freundin verlassen worden, kurz darauf hatte sie erfahren, dass ihr Ehemann ihre Schwester liebte. Selbst nach der langen Zeit konnte Lavinia nicht sagen, welcher Umstand bei ihrer Entscheidung schwerer wog: die Trennung von Alice von Finkenstein oder Konrad Michaelis Betrug. Jedenfalls war es richtig gewesen fortzugehen, davon war sie auch zwei Jahre nach diesen Ereignissen noch restlos überzeugt.

Mit ihrem Wunsch, in den Krieg zu ziehen, war sie anfangs auf Widerstand in ihrer Familie gestoßen. Selbst ihre Schwester Nele, die ihr versprochen hatte, sich für sie einzusetzen, konnte ihr kaum helfen. Denn Lavinia war nicht geeignet, den Weg der meisten vornehmen jungen Damen zu gehen und eine Ausbildung zur Krankenschwester zu absolvieren. Schon beim Gedanken an blutige Verbände und volle Bettpfannen drehte sich Victor Dornhains behütetster Tochter der Magen um. Zwar nahmen Lazarettschwestern in der Gesellschaft inzwischen die Stellung von Engeln auf Erden ein, aber selbst dieses hohe Ansehen brachte Lavinia nicht dazu, sich zu überwinden. Alle wussten das - und deshalb förderte niemand ihre Ambitionen.

Die zweite Möglichkeit, dem Vaterland zu dienen, war im Etappendienst. In der Regel wurden diese Tätigkeiten von Frauen ausgeübt, für die es bei Dornhains Personal gab. Schlimmer noch: Frauen, die ihren Dienst als Erdarbeiterinnen oder Pferdemusterer, in Munitionsdepots und Feldküchen leisteten, standen sogar meist auf einer - äußerst niedrigen - Stufe mit den Lohndienern zu Hause. Glücklicherweise wurden an der Front jedoch auch Sekretärinnen und Telefonistinnen benötigt, die aufgrund der erwarteten Vorkenntnisse bessergestellt sein mussten. Schreibarbeiten lagen Lavinia nicht, aber sie hatte immer schon gern telefoniert; ihre gebildete Sprache und ihre angenehme Stimme schienen sie für diese Aufgabe zu qualifizieren. Einzig ihre Ehe bedeutete anfangs ein Hemmnis, denn nur unverheiratete Frauen durften den Postdienst aufnehmen. Victor Dornhain erreichte jedoch schließlich eine Sondererlaubnis für seine jüngste Tochter, zumal Lavinia keine Beamtenlaufbahn anstrebte und ihren Lohn von knapp tausend Mark im Jahr der Kriegskasse spenden würde.

Also wurde sie im Fernmeldeamt an der Schlüterstraße ausgebildet, wo sie sich ausgesprochen gut machte, und anschließend dem weiblichen Nachrichtenkorps an der Westfront zugeteilt. Dass sie ihren Dienst inzwischen im Großen Hauptquartier Seiner Majestät des Kaisers und Königs bei der Obersten Heeresleitung versah, lag allerdings weniger an ihrem Fleiß oder einer besonderen Geschicklichkeit an der Schalttafel, sondern vor allem wieder einmal an ihrer Herkunft. Sie war zwar nicht adelig, wie dies im Bürgertum der Hansestadt trotz tief verwurzelter Kaisertreue traditionell selbst für die ältesten und reichsten Familien üblich war, aber ihr Stand kam dem eines preußischen Junkers sehr nahe. Der Tochter eines Hamburger Reeders trauten die Offiziere anscheinend mehr zu als vielen anderen jungen Frauen mit gleicher Qualifikation.

Lavinia sollte dies nur allzu recht sein. Da fast alle ihre Kolleginnen zwar auch aus gutem Hause, jedoch aus eher bescheidenen Verhältnissen stammten, befand sie sich in ihrem neuen Kreis in einer gehobenen Stellung. Das war etwas, das sie aus vollem Herzen genoss. Dafür nahm sie militärische Disziplin, strenge Regeln und die Unbeugsamkeit der Aufseherinnen in Kauf, selbst die Kleidervorschriften machten ihr kaum zu schaffen. Sie war grundsätzlich gern mit Frauen zusammen, hatte aber bislang nie das passende Podium gefunden. Ihre einstigen Schulkameradinnen waren längst anderer Wege gegangen, und damals, als sie zu den Damen des wohltätigen Freundinnenkreises um die Fürstin Marie Karoline zu Erbach-Schönberg stieß, war sie zu jung und unerfahren, um die erhoffte Beachtung zu finden. An der Westfront indes galt sie unter den Etappenhelferinnen als etwas Besonderes.

Normalerweise machte ihr die zehnstündige Arbeitszeit nichts aus. Sie litt auch nicht so oft wie ihre Kolleginnen unter elektrischen Stromschlägen, Kopfschmerzen, Ohrensausen und ähnlichen bei der Telefonvermittlung üblichen Krankheitserscheinungen. Heute allerdings fühlte sich Lavinia lange vor Ende ihres Dienstes wie gerädert. Das allerdings war kein Wunder nach der Hektik, die bereits seit gestern im Großen Hauptquartier herrschte.

Fast ununterbrochen gingen in der Telefonzentrale des von der Armee besetzten Hotels Britannique Gespräche ein, mussten neue Vermittlungen über das in der benachbarten Villa Buenos-Ayres untergebrachte Telegrafenamt hergestellt werden. Nach Berlin, was zunehmend schwieriger wurde, weil die Leitungen überlastet waren, zu den Feldtelefonen der Truppenkommandeure, zur Station für drahtloses Telefonieren auf einem Anwesen am Stadtrand, auch zur Villa La Fraineuse, wo sich der Kaiser derzeit aufhielt. Lavinia vermied es, in die Telefonate hineinzuhören. Nicht nur weil es verboten war, sondern weil es sie schlichtweg nicht interessierte, was Politiker und Militärs zu besprechen hatten. Dennoch schnappte sie vor allem die Namen des Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger, des Reichskanzlers Max von Baden und des französischen Marschalls Ferdinand Foch auf. Über diese Männer wurde anscheinend in den Verbindungen gesprochen, die Lavinia unter anderem an die Adjutanten von Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg vermittelte. Warum diese Herren über einen in einem Waldstück nördlich von Paris abgestellten Zug debattierten, versuchte sie gar nicht erst zu verstehen. Sie hatte sich noch nie für Politik interessiert und die Anspannung und zunehmende Arbeitsbelastung raubte ihrem Hirn überdies jedes Urteilsvermögen.

Nach einer kurzen Nacht, in der sie traumlos und tief geschlafen, sich aber irrwitzigerweise ständig wach gefühlt hatte, ging es heute nicht besser. Weder Lavinias Gesundheit kam ins Lot - noch der Ansturm auf die Telefonvermittlung ließ nach. Tapfer nahm sie fast ununterbrochen Anrufe entgegen oder schaffte Verbindungen zu den diensttuenden Generaladjutanten, den Militärbevollmächtigten des Königs von Bayern und Sachsen oder den in Spa anwesenden Staatssekretären. Einen speziellen Kopfhörer übergestülpt, hörte sie am späten Nachmittag kaum noch, wer am anderen Ende der Leitung gewünscht wurde. Das unangenehme Rauschen in ihren Ohren, das sie schon den ganzen Tag begleitete, wurde heftiger. Gleichzeitig traten Schweißperlen auf ihre Stirn, kräuselten die Haarsträhnen, die sich aus dem Knoten in ihrem Nacken lösten, die Feuchtigkeit sammelte sich unter ihren Achseln und rann in ihr Korsett, während Schüttelfrost über ihre Arme kroch.

Die junge Frau im Dienst neben Lavinia neigte sich zu ihr. »Du bist ganz rot im Gesicht. Regt es dich so auf, was in Berlin los ist?« Friederike warf einen verstohlenen Blick zur Aufsicht, doch die Frau, die jedem Feldwebel zur Ehre gereichte, schien von irgendetwas am eigenen Schreibtisch abgelenkt zu sein.

Lavinia schüttelte unwillig den Kopf und legte den Finger an ihre Lippen. »Psst!«

»Also, wenn die Abdankung des Kaisers mal kein Grund ist, sich aufzuregen â¦«

»Bitte?« Lavinia konnte nicht verhindern, dass ihr der Mund offen stehen blieb. Die Hand, die gerade zu einem der Schalthebel greifen wollte, verharrte in der Luft.

»Uns sagt man wieder einmal nichts!«, stieß Friederike hervor. Eiligst fuhr sie fort: »In Berlin hat der Reichskanzler die Thronentsagung bekannt gemacht und der Staatssekretär Philipp Scheidemann hat von einem Fenster im Reichstag herunter die deutsche Republik ausgerufen und zwei Stunden später hat der Abgeordnete Karl Liebknecht vor dem Schloss die Gründung der sozialistischen Republik verkündet. Stell dir vor, alle Truppen in Berlin sind übergelaufen. Sogar das Garderegiment. Wir leben hier wie hinter dem Mond und wissen nicht einmal, dass daheim der Krieg aus ist. Ich sage dir, Weihnachten sind wir demobilisiert!«

»Ich glaube dir kein Wort!«

Ein Deutschland ohne Wilhelm II. war für Lavinia unvorstellbar. Sie war kaisertreu erzogen worden, ihr Vater glaubte an die traditionellen Werte Preußens wie die meisten Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft. Die Gerüchte über Aufstände und Streiks in deutschen Großstädten hatten zwar auch die Westfront erreicht, aber Proteste gab es immer mal wieder. Sogar hier in den besetzten Gebieten. Lavinia machte sich deswegen keine großen Sorgen. Vor ein paar Jahren war sie beinahe selbst einmal in eine der Hungerrevolten in Hamburg geraten, aber diese Demonstrationen waren schließlich auch niedergeschlagen worden. Es war an dem Tag gewesen, an dem Alice ihre Freundschaft...
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Micaela Jary wurde als Tochter des Filmkomponisten Michael Jary in Hamburg geboren. Sie wuchs in der Welt des Kinos und der Musik auf und arbeitete als Zeitungsredakteurin. Ihre Leidenschaft für Geschichte inspirierte sie zu den Romanen um die Hamburger Reederfamilie Dornhain. Sie lebte lange in Paris und wohnt heute mit Mann und Hund in Berlin und München.