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Und ich habe nichts geahnt

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
192 Seiten
Deutsch
MVG Moderne Vlgs. Ges.erschienen am08.08.2015
Renate Höhne ist im Oktober 2010 63 Jahre alt. Vor wenigen Wochen hat sie mit ihrem acht Jahre jüngeren Mann Detlef Silberhochzeit gefeiert, sie haben ein komfortables Leben und Renate liebt ihren Mann, der sie auf Händen trägt, von Herzen. Seit einer Afrika-Reise vor 30 Jahren ist Detlef HIV-positiv, das ist der einzige Wermutstropfen in ihrem Glück. Doch dann bricht Renates heile Welt innerhalb von Sekunden zusammen.Während ihr Mann an einem Samstag Vormittag die Einkäufe erledigt, stürmen plötzlich Polizeibeamte in die Wohnung. Es stellt sich heraus: Detlef ist ein seit einiger Zeit gesuchter Doppelmörder, der innerhalb weniger Wochen kaltblütig zwei Männer regelrecht hingerichtet hat. Doch das ist noch nicht alles. Während der Polizeiverhöre erfährt Renate weitere schockierende Details über ihren Mann, von denen sie nicht die leiseste Ahnung hatte - 20 Jahre lang. Doch sie gibt nicht auf, stellt sich der Realität und beginnt ein neues Leben. Ohne Geld, ohne Freunde, ohne Familie, aber in der Gewissheit, dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang ist.

Renate Höhne, geboren 1947, war viele Jahre mit ihrem Mann verheiratet, als die Wahrheit ans Licht kam. Mittlerweile sind sie geschieden, sie lebt weiterhin in der Nähe von Stuttgart. Andrea Micus ist Journalistin und Autorin. Sie lebt in Höxter.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR16,99
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Produkt

KlappentextRenate Höhne ist im Oktober 2010 63 Jahre alt. Vor wenigen Wochen hat sie mit ihrem acht Jahre jüngeren Mann Detlef Silberhochzeit gefeiert, sie haben ein komfortables Leben und Renate liebt ihren Mann, der sie auf Händen trägt, von Herzen. Seit einer Afrika-Reise vor 30 Jahren ist Detlef HIV-positiv, das ist der einzige Wermutstropfen in ihrem Glück. Doch dann bricht Renates heile Welt innerhalb von Sekunden zusammen.Während ihr Mann an einem Samstag Vormittag die Einkäufe erledigt, stürmen plötzlich Polizeibeamte in die Wohnung. Es stellt sich heraus: Detlef ist ein seit einiger Zeit gesuchter Doppelmörder, der innerhalb weniger Wochen kaltblütig zwei Männer regelrecht hingerichtet hat. Doch das ist noch nicht alles. Während der Polizeiverhöre erfährt Renate weitere schockierende Details über ihren Mann, von denen sie nicht die leiseste Ahnung hatte - 20 Jahre lang. Doch sie gibt nicht auf, stellt sich der Realität und beginnt ein neues Leben. Ohne Geld, ohne Freunde, ohne Familie, aber in der Gewissheit, dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang ist.

Renate Höhne, geboren 1947, war viele Jahre mit ihrem Mann verheiratet, als die Wahrheit ans Licht kam. Mittlerweile sind sie geschieden, sie lebt weiterhin in der Nähe von Stuttgart. Andrea Micus ist Journalistin und Autorin. Sie lebt in Höxter.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783864157639
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum08.08.2015
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse992 Kbytes
Artikel-Nr.1706890
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

»Du kannst nicht immer 17 sein, Liebling, das kannst du nicht, aber das Leben, wird dir noch geben, was es mit 17 dir verspricht ...« Seit einer Stunde höre ich ununterbrochen diesen Schlagertext, gesungen, nein gebrüllt von einer etwa 40 Jahre alten Liliputanerin. Sie liegt mit dem Rücken auf dem Resopalboden, rudert mit den Armen umher, als wollte sie Kreise in den Sand malen, und strampelt dazu mit den Beinen wie ein fröhlicher Säugling. Ich weiß, dass sie Mary heißt und gern irgendwelche Schlager kreischt, im Moment diesen von Chris Roberts. Neben ihr am Tisch sitzt Laura, eine gerade mal 20 Jahre alte Studentin, die sich ständig mit beiden Händen an beiden Unterarmen kratzt. Und dann ist da noch Olli, ein weit über 80 Jahre alter ehemaliger Lehrer, der eben seine Frau darüber aufklärt, wie sie Tomaten anbauen soll. In regelmäßigen Abständen fragt er Hilde, so nennt er sie, ob sie alles verstanden hat. Ich habe nichts verstanden und Hilde garantiert auch nicht, denn Hilde ist gar nicht da. Ich weiß, dass sie schon seit vielen Jahren tot ist. Doch Olli hat das irgendwie nicht mitbekommen oder will es nicht wahrhaben. Heute erklärt er ihr auf jeden Fall ganz engagiert, wie sie erfolgreich in eine Tomatenzucht investieren kann.

Seit einer Stunde vertrödle ich meine Zeit im großzügigen Aufenthaltsraum der Klinik in Plochingen und beobachte, was um mich herum passiert. Es ist ein makabres Treiben und darauf bin ich nicht vorbereitet gewesen.

Vor einer Woche, genauer gesagt am 18. Dezember war mein Alkoholexzess. Nachdem die Nachbarin mich gefunden hatte, überschlugen sich die Ereignisse. Sabine kam und brachte mich zu Dr. Herzog, Detlefs und meinem Hausarzt. Der reagierte schnell. »Sie brauchen Hilfe, und zwar sofort. Ich kümmere mich darum, dass Sie in eine Klinik kommen.« Noch am selben Tag saß ich bei Sabine im Auto und war auf dem Weg nach Plochingen, einer idyllischen Kleinstadt, etwa 20 Kilometer südöstlich von Stuttgart. Ich war froh, dass ich in eine Klinik kam. So durfte es wirklich nicht mehr weitergehen. Allein in dieser Wohnung, die mal unser Nest, unsere Insel gewesen war, nein, das konnte ich nicht mehr ertragen. Ich hätte dort den Verstand verloren. Meine Lotte brachte Sabine auf dem Weg nach Plochingen zu meiner Schwester Ute, die sich um sie kümmern will.

Wie unter einer Käse-Glocke döste ich auf dem Beifahrersitz vor mich hin und sah die Winterlandschaft an mir vorbeirauschen. Oder auch nicht. Eigentlich sah ich immer nur Detlefs Gesicht vor mir.

»Du glaubst doch nicht, dass Detlef so etwas Schlimmes getan hat?«, fragte ich in die Stille.

»Irgendetwas muss ja wohl dran sein«, murmelte Sabine.

Ich war entsetzt. Ich wusste, dass Sabine Detlef nie sonderlich gemocht hatte. Sie verübelte ihm, dass er mich, ihre Freundin, ganz für sich haben wollte. Seit Detlef in mein Leben getreten war, drehte sich in Sabines Augen alles nur noch um ihn. Schon sehr bald hatte sie mir deswegen Vorwürfe gemacht, und es waren Sätze gefallen wie »Du lässt dich von ihm einseifen« oder »Du bist ihm hörig«. Ähnlich reagierte auch meine ganze Familie auf Detlef. Ich habe das nie verstanden und mich oft über diese Ablehnung geärgert. Es gab auch Streit. Vermutlich sind dabei auch ­Sätze gefallen, die ich heute bereue. Ich habe mich eben angegriffen und unverstanden gefühlt. Das Ergebnis war klar: Die Familie formierte sich geschlossen gegen Detlef. Man ging zwar höflich miteinander um, aber Sympathie oder gar Zuneigung, nein, die gab es nie für ihn. Sabine ging da noch weiter. Sie hat ihn konsequent gemieden. Aber ihre Ablehnung durfte doch nicht so weit führen, dass sie Detlef sogar einen Mord zutraute und mir das auch noch sagte. Ich fühlte mich wirklich verletzt.

Auch als wir Arm in Arm in die Klinik gingen, hat mich ihre Antwort nicht losgelassen. Sie kannte Detlef immerhin seit mehr als 20 Jahren, war quasi von Anfang an dabei. Sie konnte doch unmöglich glauben, dass an den ungeheuerlichen Vorwürfen etwas dran war.

Es geht sowieso überhaupt nicht, dass irgendein Mensch Detlef so eine Tat zutraut. Detlef ist ein absolut friedlicher, durch und durch liebenswerter Mensch, der fremde Hunde auf der Straße streichelt und die Amseln auf unserer Terrasse füttert. Als einmal eine Vogelmama mit ihren Jungen durch unser Wohnzimmer stolziert ist, war er ganz gerührt und hat die kleinen Tierchen mit frischem Wasser und allerlei Leckereien versorgt. Unsere süße Lotte saß abends immer auf seinem Schoß, und er hat sie liebevoll geknuddelt. Ein Mensch mit so einem großen Herzen kann doch nicht morden. Bald wird sich herausstellen, dass das alles nur ein riesengroßer Irrtum ist. Es kommt doch immer wieder vor, dass Menschen zu Unrecht im Gefängnis sitzen. Erst im vergangenen Jahr ist in Baden-Württemberg ein Mann freigesprochen worden, der für den sexuellen Missbrauch seiner Tochter verurteilt worden war. Die junge Frau hatte den Vorwurf in einem Wiederaufnahmeverfahren zurückgezogen und zugegeben, dass sie den Missbrauch nur erfunden hatte, um nach der Scheidung der Eltern ihre Wochenenden nicht beim Vater verbringen zu müssen. Ich habe noch mit Detlef über den Fall gesprochen und wir waren beide entsetzt, dass so etwas möglich ist. »Der arme Mann«, hat Detlef gesagt, »lebenslang werden die Leute hinter ihm hertuscheln und sagen: Irgendwas wird da schon dran sein. Eigentlich kann er nur wegziehen.«

Bei Detlef und mir wird das auch so sein. Wenn sich alles geklärt hat, müssen wir woanders ein neues Leben beginnen. Denn wir können doch nicht damit leben, dass alle denken: »Es könnte ja doch etwas dran sein.«

Als eine Pflegerin kam, um mir mein Zimmer zu zeigen, verabschiedete ich mich mit einer Umarmung von Sabine. Trotz allem war ich sehr froh, dass sie immer für mich da war.

Auf dem Weg durch die Klinik fiel mir auf, dass die Pflegerin, sie hieß Gerda, jede Tür mit einem Schlüssel öffnete und sofort hinter uns wieder verschloss. Was das hieß, war mir klar: Wer hierher gebracht wurde, durfte nicht mehr allein entscheiden. Als ich dann auf einem Flur eine alte Frau sah, die lebhaft mit einem riesengroßen Teddy diskutierte, begriff ich: Das hier war keine Kurklinik, das war ein Irrenhaus. Ich galt also offenbar als schwerer Fall. Warum nur?

Ich war nicht gefährlich und ich wollte auch nicht weg. Ich wollte nur Hilfe. Dr. Herzog hatte gewusst, wohin ich kam, und Sabine bestimmt auch. Offenbar war ich viel zu durcheinander gewesen, um zu verstehen, wohin man mich bringt. Ich fühlte mich hintergangen und dachte: Wenn Detlef das erfährt, wird es Krach geben. Er hätte niemals zugelassen, dass man sein Engelchen in eine Klapsmühle steckt. Aber Detlef war ausgeschaltet, und ich fühlte mich nicht stark genug, um nach einem anderen Weg zu suchen. Und meine Familie würde sicher sagen, dass der Aufenthalt hier gut für mich wäre. Ich hatte also wohl keine andere Wahl, als mich in mein Schicksal zu fügen. Aber ich musste aufpassen, dass ich nicht so endete wie meine Mitpatienten. Denn das waren zum Teil wirklich schwere Fälle. Ich hatte genug von dem Ganzen hier und ging auf mein Zimmer. »Lieber Gott, lass mich bitte, bitte nicht irre werden!«

»Herr Becker, bitte geben Sie mir Ihre Hand!« Vor mir steht der pensionierte Lehrer, oder besser gesagt zwei Personen, Olli und seine verstorbene Frau Hilde. So langsam passe ich mich meinem ungewöhnlichen Umfeld an und gehe entspannt mit dem ganzen Irrsinn hier um. Aufgereiht wie Perlen an einer Kette warten wir Bewohner von Station eins vor dem Schwesternzimmer. Es ist der 24. Dezember, und um 18 Uhr ist Medikamentenausgabe. Dreimal täglich bekommen wir unsere Tabletten, abends die stärkere Schlafdosis. Ich bin immer an Stelle sieben und warte wie alle anderen geduldig und mit gesenktem Kopf, dass ich an die Reihe komme. Wir sind ruhiggestellt, willenlos, wir tun, was man von uns verlangt.

»Frau Höhne«, ruft mich die Pflegerin auf.

Ich öffne meine rechte Hand, und die bunte Tabletten-Mischung kullert hinein. Mit der linken Hand umfasse ich mechanisch ein Glas Wasser.

»Und jetzt schön schlucken«, fordert mich die Pflegerin auf. Sie sagt es freundlich, aber bestimmt. Es ist ein Befehl!

Ich widerspreche sowieso nicht. Ich gehorche und stecke mir die vielen bunten Pillen in den Mund und schlucke sie brav hinunter.

»Fertig?«, fragt sie mit scharfer Stimme.

Ich nicke. Zur Kontrolle sieht sie mir noch in den Mund. Ich könnte ja schummeln.

»Gut gemacht.«

Die beiden Worte sind das Startzeichen zum Weitergehen oder besser: Weiterschlurfen. Denn kein Patient geht hier normal.

Ich murmle noch ein »Dankeschön«, dann ertönt schon: »Der Nächste bitte!«

So geht es dreimal am Tag. Ich weiß nicht, was ich da jeden Tag zu mir nehme. Aber da mir körperlich bis auf meine Diabetes nichts fehlt, sind es vermutlich alles Psychopharmaka. Der zuständige Arzt hat mir das schon mit den Worten angekündigt: »Wir werden Ihnen etwas geben, das Sie beruhigt und Ihre Stimmung aufhellt.«

Beruhigt bin ich, in meinem Kopf drehen sich die Gedanken jetzt viel langsamer als vorher. Natürlich denke ich nahezu ausschließlich an Detlef und frage mich ständig, wie es ihm wohl geht. Aber die Gedanken sind mittlerweile sortierter. Das Sprunghafte, das Chaotische, das Albtraumhafte, das ist weg. Insofern ist es gut, dass ich hier bin. Aber aufgehellt hat sich meine Stimmung nicht. Ich sehe die Welt düster, von Ängsten verhangen.

Ich spreche hier auch mit einem Psychologen darüber. Er möchte wissen, wie ich mich fühle und was ich über mein Leben mit...

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