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Schriften zur Technik

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
301 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am07.06.2015Originalausgabe
Hans Blumenberg schwebte in den 1950er und 1960er Jahren eine Verbindung von Technik- und Zeitphilosophie vor, auf die bis heute nur selten Bezug genommen wird. Das mag daran liegen, dass er nie eine »Philosophie der Technik« geschrieben hat - allerdings findet sich in seinem Nachlass eine Reihe von kleineren Schriften, in denen er seine Überlegungen zu diesem Thema pointiert entfaltet. Standen diese zunächst noch unter dem Eindruck einer klaren Differenz von Natur und Technik, distanziert er sich im Umfeld der Legitimität der Neuzeit zunehmend von ihr, und die Konzepte der Selbsterhaltung und Selbstbehauptung treten in den Vordergrund. Der Band stellt erstmals sämtliche Beiträge Blumenbergs aus diesem Kontext zusammen und macht seine Philosophie der Technik greifbar.


Hans Blumenberg wurde am 13. Juli 1920 in Lübeck geboren und starb am 28. März 1996 in Altenberge bei Münster. Nach seinem Abitur im Jahr 1939 durfte er keine reguläre Hochschule besuchen. Er galt trotz seiner katholischen Taufe als ?Halbjude?. Folglich studierte Blumenberg zwischen 1939 und 1947 mit Unterbrechungen Philosophie, Germanistik und klassische Philosophie in Paderborn, Frankfurt am Main, Hamburg und Kiel. 1947 wurde Blumenberg mit seiner Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextHans Blumenberg schwebte in den 1950er und 1960er Jahren eine Verbindung von Technik- und Zeitphilosophie vor, auf die bis heute nur selten Bezug genommen wird. Das mag daran liegen, dass er nie eine »Philosophie der Technik« geschrieben hat - allerdings findet sich in seinem Nachlass eine Reihe von kleineren Schriften, in denen er seine Überlegungen zu diesem Thema pointiert entfaltet. Standen diese zunächst noch unter dem Eindruck einer klaren Differenz von Natur und Technik, distanziert er sich im Umfeld der Legitimität der Neuzeit zunehmend von ihr, und die Konzepte der Selbsterhaltung und Selbstbehauptung treten in den Vordergrund. Der Band stellt erstmals sämtliche Beiträge Blumenbergs aus diesem Kontext zusammen und macht seine Philosophie der Technik greifbar.


Hans Blumenberg wurde am 13. Juli 1920 in Lübeck geboren und starb am 28. März 1996 in Altenberge bei Münster. Nach seinem Abitur im Jahr 1939 durfte er keine reguläre Hochschule besuchen. Er galt trotz seiner katholischen Taufe als ?Halbjude?. Folglich studierte Blumenberg zwischen 1939 und 1947 mit Unterbrechungen Philosophie, Germanistik und klassische Philosophie in Paderborn, Frankfurt am Main, Hamburg und Kiel. 1947 wurde Blumenberg mit seiner Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518740125
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum07.06.2015
AuflageOriginalausgabe
Seiten301 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1707528
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1.
Atommoral - Ein Gegenstück zur Atomstrategie

Als im Hochsommer 1945 über der japanischen Stadt Hiroschima die apokalyptische Uraufführung des Atomkrieges erfolgt war, kam in der Bedrängnis der eigenen deutschen Nöte nur wenigen unter uns das deutliche Bewußtsein, mit welch knappem und gnädigem Vorsprung wir gerade den Bereich dieser Gefährdung verlassen hatten. Die weltweite Entfernung und innere Fremdheit des Schauplatzes machte das Ereignis selbst zu etwas für uns Unwirklichem, wie einem exotischen Mythus Zugehörigen. Solche Verdeckung der nur durch den Abstand eines Vierteljahres aufgehobenen realen Drohung, daß unser eigenes Land die Szene hätte abgeben können, brachte es mit sich, daß die geistige Auseinandersetzung mit dieser neuen Welttatsache über ein neugierig-oberflächliches Interesse nicht hinausgelangte. Vielleicht nahmen auch nur allzu viele die Meldung mit dem Gefühl der Enttäuschung auf, darin nichts als die nun von anderer Seite genutzte Chance eigenen Machttriumphes sehen zu müssen. Jedenfalls wurde der Rauchpilz von Hiroschima am Horizont unserer Weltwirklichkeit nicht klar gesichtet.

Der Verlauf eines Jahres hat gezeigt, daß die Atomwaffe nicht nur den großen Krieg zum klaren Ende führen half. Das Denken der Völker, zum mindesten das politische und militärische Denken, ist durch dieses Faktum entscheidend bestimmt worden. Das Wort »Atomstrategie« ist gefallen und an sehr konkreten Überlegungen in Kurs gesetzt worden; mag das Wort »Atompolitik« auch noch nicht ausgesprochen sein - es kann doch kein Zweifel bestehen, daß die Weltpolitik heute von der Realität der Atomwaffe starke Impulse empfängt, mag es mit den Argumenten, die solche Politik begründen sollen, in Wirklichkeit stehen, wie es will. Die Politiker und Strategen haben die neue Gewalt - sei es in realer Verfügbarkeit oder in hypothetischer Gewärtigung - in ihr Denken und ihr Weltbild bereits eingefügt. Technik und Wirtschaft haben Möglichkeiten und Grenzen vorzuzeichnen versucht. Ja, es hatte den Anschein, als seien die Physiker und Forscher, die in Verfolgung ihrer wissenschaftlichen Probleme zum Teil ganz unversehens den Zugang zu so vernichtungswilligen Kräften freigelegt hatten, in Äußerungen gewissensinnerer Betroffenheit vor den mit einem Schlage hereinbrechenden Konsequenzen zurückgewichen. In diesem Erschrecken kündigte sich das überwältigende moralische Problem der Sache zwar an; aber es kann kein Zweifel sein, daß die geistige Auseinandersetzung mit demselben gegenüber dem Gewicht strategischer, politischer und wirtschaftlicher Denkmotive bisher nicht nennenswert sich durchsetzen konnte.

Mit der Durchbrechung der klassischen Mechanik und der Erschließung eines elementaren Bereichs physikalischer Vorgänge hat die Physik der letzten Jahrzehnte dem menschlichen Erkennen eine neue Dimension der Wirklichkeit eröffnet. Die Naturphilosophie, sich nur langsam lösend von ihren »klassischen« Vorstellungen kausaler Gesetzlichkeit und Determination, ist diesem Vordringen der Forschung nur zögernd gefolgt und steht noch heute vor der Masse der ihr zur Bewältigung aufgegebenen Tatsachen. In dieser Situation nun vollzog sich etwas Einzigartiges in der Geschichte des Menschengeistes: im Kulminationspunkt der Entwicklung einer theoretischen Leistung schlug diese gleichsam um in reale Wirklichkeit von weltverwandelnder Macht. Hinter den undurchdringlichen Schleiern des Zweiten Weltkrieges und aus seinen unmittelbaren Antrieben heraus setzte sich die abstrakteste und diffizilste Denkleistung der Gegenwart, die theoretische Physik, um in die geballteste und gedrängteste Wirkkraft, in die universalste Gefährdung, die der Menschheit bisher entstanden ist und wohl überhaupt entstehen konnte. Aus dem physikalischen Forschen und Denken ist physikalisches Handeln, physikalische Machtausübung geworden. Damit aber spricht die Entwicklung der modernen Physik nicht mehr nur die Erkenntnistheorie und Naturphilosophie an; die Problematik hat auf dem philosophischen Feld eine bedeutende Verlagerung ihres Schwergewichts erfahren, sie ist eine wesentlich moralphilosophische geworden.

Gegenstand der Moralphilosophie ist der Mensch in seiner handelnden Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit der Welt; ihr Ziel ist die Gewinnung der Normen und Richtwerte dieses Handelns von der Struktur der Wirklichkeit her. Das »richtige« Handeln ist das an dieser Wirklichkeit gerichtete, das aus unverstellter und unverfälschter Einsicht in die Sachverhalte bestimmte Handeln. Soll also die revolutionierende Welttatsache des Handelns mittels der elementaren Gewalten des Atominnern zum Gegenstand moralphilosophischer Überlegung werden, dann muß dieses Faktum selbst in den Zusammenhang der Wirklichkeit, und zwar der besonderen Kategorien und Schichten des Wirklichen, denen es zugehört, eingeordnet werden. Erst nach dieser Vorarbeit wird das normative Moment aller moralphilosophischen Bemühung zutage treten können.

Atomare Energie ist als Instrument des Handelns im wesentlichen bestimmt durch die Zugehörigkeit zu drei Schichten der Wirklichkeit: die Schicht der elementaren Natur, die Schicht der technischen Gebilde und die Schicht der Mittel der Macht.

Zum ersten Male überhaupt in der Geschichte der Dienstbarmachung der Natur durch den Menschen ist hier auf einen Bereich ausgegriffen, der sich jener Wohlberechenbarkeit und Gebundenheit an eindeutige Formeln entzieht, die das Merkmal aller Mechanik sind. Und das nicht aus einem vorläufigen Ungenügen unserer Erkenntnis und unserer Begriffe heraus, sondern aus dem unaufhebbar jenseits mechanischer Faßlichkeit gelegenen Wesen der berührten Wirklichkeitsschicht selbst. Die Schicht des physikalisch Elementaren, das Reich des Atominnern, steht nicht unter der absoluten kausalen Determination, die nach den festen Beziehungen von Ursache und Wirkung unsere ganze natürliche und technische Welt uns so übersichtlich in Formel und Berechnung verfügbar machte. Solange wir dessen nur in theoretischer Erwägung, in ungewöhnlichen Begriffen und unanschaulichen Denkoperationen inne wurden, konnte uns wohl Erstaunen über die Beständigkeit einer auf solchem Grunde erbauten Welt befallen; jetzt, wo wir den Menschen im Wagnis des Herrschaftsanspruches auch über diesen äußersten Bezirk der Natur begriffen sehen, kommt uns erschauernd das Wort von der »physikalischen Unterwelt« zu Bewußtsein, das ein deutscher Physiker geprägt hat. Wir glauben einem physikalischen Zauberlehrling zuzuschauen, dessen herbeizitierten Geistern auch der Meister kein wirksames Bannungswort entgegenzurufen weiß. Die angesichts des Hochstandes unserer Wissenschaft befremdliche Unsicherheit in der Prognose der an kosmische Dimensionen heranreichenden Wirkungen ausgelöster Atomkräfte, wie sie in den Erörterungen über die erste Verwendung und über geplante Versuche zum Ausdruck kam, sind deutliche Anzeichen der »unterweltlichen« Elementarschicht, die hier ins Spiel kommt. Das entscheidend Neue ist also nicht so sehr die vielmalige Potenzierung der bisher verfügbaren Kräfte, es ist vielmehr die Erschließung einer ganz andersartigen und unseren bisherigen Weltbegriff transzendierenden Herkunftszone solcher Kräfte. In dieser Eigengesetzlichkeit, in diesem unaufhebbaren Widerstand gegen Objektivierung und Form kündigt sich zumindest die Möglichkeit dessen an, was sich von unserer Welt als »Dämonie« abhebt. Und mag es dem Menschengeist auch gelingen, die elementaren Kräfte zum Dienst zu unterwerfen - er wird sich ihrer unterweltlichen Gesetzfeindlichkeit immer gegenübersehen. Damit zeichnet sich schon hier die Eigenart eines moralphilosophischen Problems ab, das es in neuer Weise und Tragweite mit dem Sinn von Verantwortung aufzunehmen hat.

Die ganze Last seiner Uneinfügbarkeit in rechnerisch gesicherte Ordnungen bringt das atomare Kraftpotential mit ein in seine Vergegenständlichung innerhalb der Schicht der technischen Gebilde, in der es die laufende wissenschaftliche Entwicklung beheimatet. Dieser Bezirk menschlicher Leistungen ist zwar gekennzeichnet durch seinen hohen Grad rationaler Verfügbarkeit, durch sein Aufgehen in mathematischen Formulierungen und Gesetzen. In seiner Funktion innerhalb der menschlichen Gesellschaft aber zeigt das technische Gebilde eine schon viel bemerkte, im Maße seiner Verfeinerung wachsende Tendenz auf Ablösung und Autonomie gegenüber der Verfügung durch den Menschen. Ursprünglich stellt der Mensch das technische Produkt her und stellt es unter die volle Abhängigkeit von seinen vorher entworfenen Zwecken und Absichten; es ist im weitesten Sinne Werkzeug seiner Hand, in seinen Bedingtheiten voll eingesehen von dem, der es macht; das Dienstverhältnis scheint unumkehrbar zu sein. Der qualitative und quantitative Fortschritt der technischen Produktion jedoch führt zu jener wachsenden Differenzierung und Aufspaltung des Planungs- und Fertigungsprozesses, wobei die klare Ausrichtung auf vorhergegebene Zwecke und Absichten, die volle Einsicht in den Gesamtzusammenhang der Einzelerzeugung verlorengeht. Die Impulse und Forderungen gehen nun nicht mehr von den menschlichen und gesellschaftlichen Vorgegebenheiten aus, sondern vom technischen Produkt seinerseits, das darin von der verwandten auf Autonomie gerichteten Struktur der Wirtschaft mächtig unterstützt wird. Es tritt aus seinem Dienstverhältnis heraus und stellt umgekehrt den Menschen als Techniker, Unternehmer und Arbeiter in seinen Dienst; ja, es diktiert der ganzen menschlichen Gesellschaft Bedürfnisse und Zwecke auf, die ganz und gar nicht mehr vorgegeben sind. Hier nun liegen die tieferen Gründe für die Rede von der »Dämonie der Technik«, die wir indes nicht ohne weiteres mitmachen wollen. Denn erst indem sich das technische Gebilde...
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>HalbjudeBeiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«.
Schriften zur Technik