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Michel Houellebecq, Ökonom

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
144 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am21.08.20151. Auflage
Das houellebecqsche Universum ist eines, in dem sich Individuen in stetiger Konkurrenz miteinander befinden. Allein das (schwindende) Ideal der Liebe könnte aus diesem auf Dauer für alle unbefriedigenden Kreislauf befreien. Bernard Maris' Buch bietet nicht nur eine fundierte Gesellschaftskritik, sondern auch einen Schlüssel zum Verständnis des Werks eines der wichtigsten Autoren der Gegenwart. »Dieses kleine, aber feine Buch ist zugleich ein Pamphlet gegen den ökonomischen Liberalismus und eine Würdigung des visionären Talents von Houellebecq.« VAR MATIN »Bernard Maris demonstriert, mit welcher Meisterschaft Houellebecq die Auswüchse der kapitalistischen Gesellschaft aufzeigt, die wir heute erleben.« LE JOURNAL DU MEDECIN »Kein anderer Schriftsteller hat die ökonomische Malaise, die unsere Epoche vergiftet, so vollständig durchdrungen wie Houellebecq.« BERNARD MARIS

Bernard Maris, geboren 1946 in Toulouse, war ein französischer Wirtschaftswissenschaftler, Journalist und Autor. 2011 wurde er Mitglied des Aufsichtsrats der Banque de France. Neben mehr als einem Dutzend Büchern zu Wirtschaftsthemen hat Maris drei Romane und zwei Essays veröffentlicht. Er schrieb zudem für mehrere Magazine, u. a. für Le Figaro, Le Monde und für Charlie Hebdo, wo er meistens das Pseudonym Oncle Bernard benutzte. Maris wurde am 7. Januar 2015 bei demTerroranschlag auf die Redakti
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextDas houellebecqsche Universum ist eines, in dem sich Individuen in stetiger Konkurrenz miteinander befinden. Allein das (schwindende) Ideal der Liebe könnte aus diesem auf Dauer für alle unbefriedigenden Kreislauf befreien. Bernard Maris' Buch bietet nicht nur eine fundierte Gesellschaftskritik, sondern auch einen Schlüssel zum Verständnis des Werks eines der wichtigsten Autoren der Gegenwart. »Dieses kleine, aber feine Buch ist zugleich ein Pamphlet gegen den ökonomischen Liberalismus und eine Würdigung des visionären Talents von Houellebecq.« VAR MATIN »Bernard Maris demonstriert, mit welcher Meisterschaft Houellebecq die Auswüchse der kapitalistischen Gesellschaft aufzeigt, die wir heute erleben.« LE JOURNAL DU MEDECIN »Kein anderer Schriftsteller hat die ökonomische Malaise, die unsere Epoche vergiftet, so vollständig durchdrungen wie Houellebecq.« BERNARD MARIS

Bernard Maris, geboren 1946 in Toulouse, war ein französischer Wirtschaftswissenschaftler, Journalist und Autor. 2011 wurde er Mitglied des Aufsichtsrats der Banque de France. Neben mehr als einem Dutzend Büchern zu Wirtschaftsthemen hat Maris drei Romane und zwei Essays veröffentlicht. Er schrieb zudem für mehrere Magazine, u. a. für Le Figaro, Le Monde und für Charlie Hebdo, wo er meistens das Pseudonym Oncle Bernard benutzte. Maris wurde am 7. Januar 2015 bei demTerroranschlag auf die Redakti
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832188825
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum21.08.2015
Auflage1. Auflage
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse937 Kbytes
Artikel-Nr.1709808
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

 

 

Als »Sekte« verhöhnte man zu Zeiten Ludwigs XV. die Ökonomen1 und deren verschlungene Gedankengänge. Dieser Begriff ist außerordentlich treffend: Es handelte sich von Anfang an um eine Sekte, die immer und immer wieder dieselben hermetischen und verschwommenen Phrasen wiederkäut. Man respektiert sie, weil man nichts von alldem versteht. Die Sekte huldigt schwer verständlichen Wörtern, abstrakten Begriffen und Zahlen. Ihre Widersprüche nimmt man anstandslos hin.

Nie zuvor war die Wirtschaft so allgegenwärtig wie zu unserer Zeit. Sie scheut nicht nur das Schweigen und verschafft sich in der Hintergrundmusik der Supermärkte oder im Lärm der nicht enden wollenden Prozession der Autos penetrant Gehör, sie erlegt sich auch bei den abgedroschenen Gassenhauern von Wachstum, Arbeitslosigkeit, Wettbewerbsfähigkeit oder Globalisierung keinerlei Zurückhaltung mehr auf. Dem gregorianischen Gesang der Börse - die Kurse steigen, die Kurse fallen - antwortet der Chor der Experten: Beschäftigung, Krise, Wachstum, Beschäftigung. Als »dismal science« bezeichnete Carlyle2 einst die politische Ökonomie. Düstere Wissenschaft. Die teuflische und finstere Ökonomie ist die Asche, mit der unser Zeitalter sein trauriges Antlitz überdeckt.

Wer wird sich in Zukunft schon noch an die Wirtschaft und deren Priester, die Ökonomen, erinnern?

In ein paar Jahrzehnten, einem Jahrhundert, vielleicht auch früher, wird man sich wundern, dass eine Zivilisation einem Fach so viel Bedeutung beimessen konnte, das nicht nur nichtssagend, sondern auch noch furchtbar langweilig ist. Dasselbe gilt für dessen Anhänger, Experten und Journalisten, Schreiberlinge, Hetzer, Sachwalter und Diskutanten des Für und Widers (oder, wo nötig, des Gegenteils davon). Ökonom ist derjenige, der stets in der Lage ist, ex post zu erklären, warum er sich einmal mehr geirrt hat.

Die Wirtschaftswissenschaft, die als Fach mit einer Wissenschaft lediglich den Namen teilt und mit der Rationalität lediglich deren Widersprüche, wird sich einst als unglaubwürdige ideologische Scharlatanerie offenbart haben, die zugleich auch als Moral einer Epoche diente. Sie verstehen nichts davon? Seien Sie unbesorgt: Es gibt nichts, was es zu verstehen gäbe. Denn mit der Wirtschaft verhält es sich nicht anders als mit den prächtigen Kleidern, mit denen der nackte Körper des Kaisers angeblich bekleidet ist. Dass man mit einem internationalen Preis, der von denen, die seinen Namen in Beschlag genommen haben - selbstdarstellerische Banker, die als Stifter für den Preis auftraten -, »Nobel« getauft wurde, Erforscher von Hirngespinsten3 für mit Gleichungen aufpoliertes Geschwätz auszeichnet, wird eines Tages ebenso absonderlich oder kurios erscheinen wie das Verzeichnen des Rekords im Öffnen von Bierdosen mit bloßen Zähnen in einem Buch, das in mehr als zweihundert Sprachen übersetzt wird. Die Wirtschaftsbücher werden dann nicht einmal mehr die nagende Kritik der Mäuse verdienen.

Die Kasuisten dagegen hat niemand vergessen. Hätte Pascal nicht Les Provinciales, diesen zugleich schwungvollen und leidenschaftlichen Text, geschrieben, wer würde sich dann noch an die Kasuisten erinnern? Mir liegt der Gedanke fern, die spitzfindigen Jesuiten mit den Wirtschaftswissenschaftlern zu vergleichen - der heilige Ignatius von Loyola war schließlich ein ganz anderes Kaliber als Walras! -, doch ohne das Werk von Michel Houellebecq würde sich niemand mehr an die Wirtschaft und jene merkwürdigen Kasuisten erinnern, die die Wirtschaftswissenschaftler einmal gewesen sein werden.

Für die Entstehung der vorliegenden Schrift gibt es zwei Gründe und einen Anlass.

Der weniger wichtige Grund ist: Wie Pascal es für eine andere schädliche und renitente Teufelsbrut getan hat, bewahrt Houellebecq die Ökonomen vor ihrer Nichtigkeit und verschafft ihnen so viel Zeit, wie sein Werk dauert. Er glaubt daran, dass es von Dauer ist. Und er hat recht. Seine Geltung wird die Ideologie der Konkurrenz ebenso fortbestehen lassen wie diejenige des Werkes von Homer die Schlachtgeräusche vor den Mauern Trojas bis heute überdauern ließ. Houellebecq erwähnt Marx, Malthus, Schumpeter, Smith, Marshall, Keynes und andere. Er erzählt von Wettbewerb, von schöpferischer Zerstörung, Produktivität, parasitärer und nützlicher Arbeit, Geld und vielem anderen mehr, und er erzählt auf bessere Weise davon als die Ökonomen, denn er ist Schriftsteller.

Alle Schriftsteller, die diesen Namen verdienen, sind bessere Psychologen als Freud, der durchaus schreiben konnte, und bessere Soziologen als Bourdieu, der es nicht konnte. Von den Philosophen gar nicht erst zu reden: Kein Philosoph kann für sich beanspruchen, auch nur einen Bruchteil der Wahrheit zu erreichen, die ein großer Roman enthält - eine Tatsache, der auch kein aufrichtiger Philosoph ernsthaft widersprechen würde. Als ein Beispiel unter Tausenden mögen in diesem Zusammenhang die Höflichkeiten dienen, die der nicht ohne Weiteres verständliche Deleuze in Bezug auf Kafka äußert. D´Artagnan, den mittelmäßigen Musketier der königlichen Garde, wird es ebenso lange geben, wie es Die drei Musketiere gibt, den Großinquisitor so lange wie Die Brüder Karamasow und Joseph Alois Schumpeter, den miserablen Finanzminister und schwammigen Theoretiker der Innovation, so lange wie Karte und Gebiet.

Der wichtigere Grund ist zugleich auch der noblere. Bei Schriftstellern, und insbesondere bei Romanautoren, suchen wir immer ein Stückchen Wahrheit dieser Welt, in die wir geworfen sind und die uns ängstigt. Sie besitzen die Fähigkeit, von Tod, Liebe und Unglück zu erzählen - seltener vom Glück, das die Ökonomen mit dem BIP quantifizieren möchten, während die Anti-Ökonomen eine Anti-Quantifizierung nahelegen.4

Was abstruse Ökonomen und Psychologen vergeblich aus unserem Leben herauszuziehen suchen, um es uns dann, mit massenweise Theorien und Zahlen versehen, wieder aufzutischen, wenn sie in Rundfunk- oder Fernsehdiskussionen ausgiebig das wiederkäuen, was mit Asche vermischten Sägespänen ähnelt, das bietet uns Houellebecq in der delikaten Form eines Romans oder Gedichts an. Jedes seiner Werke filtert und reinigt Tonnen von Papier Tausender »wissenschaftlicher« Bibliotheken.

Ich kenne nur Michel Houellebecqs Bücher. Aber ich habe gehört, dass er etwas von Informatik, Logik und Naturwissenschaften versteht. Seine Werke sind voller Bezüge zum akademisch-universitären Bereich. Als Informatiker ist ihm ein Algorithmus, der per Definition mit dem Begriff des »Optimums« (Effizienz, efficiency, wie es im Englischen heißt) verbunden ist, den die Ökonomen so sehr lieben, keineswegs gleichgültig; es ist völlig normal, dass der Hyperrationalismus der Wirtschaft und die ihrem allgegenwärtigen Gesetz von Angebot und Nachfrage eigene bipolare Betrachtungsweise der Dinge (»Der Preis steigt? Ich möchte weniger davon. Er fällt? Ich möchte mehr davon!«) ihm was sagen, wie es auf der Straße so schön heißt.

Um das Leben zu verstehen, entziehen ihm die Wirtschaftswissenschaftler im Namen des rationalen Verhaltens fortwährend das Salz, die Liebe, das Begehren, die Gewalt, die Angst, den Schrecken. Um es zu zerstören, treiben sie ihm das Gefühl aus, das »die Kausalkette außer Kraft [setzt]«.5

Sie haben eine Ökonomie des Verbrechens errichtet, in der Banditen ihr kriminelles Verhalten und die von ihnen eingegangenen Risiken mit mutmaßlichen Strafen und künftiger Beute begründen. Sie haben eine Theorie der optimalen Kinderzahl ersonnen, nach der Familien die Wahl haben zwischen wenigen Kindern guter Qualität und vielen Kindern schlechter Qualität. (Das ist kein Scherz: Gary Becker, der Trottel, der sich dieses Hirngespinst ausgedacht hat, hat sogar den Nobelpreis bekommen.)

Selbst der Tod muss es mit der Angst zu tun bekommen haben, als Gérard Debreu, ebenfalls ein Nobelpreisträger, erklärte, dass eine der großen Fragen der Gesellschaften die Lebensdauer der ganz Alten sei: Sollte man ihnen früher den Stecker ziehen, um die Sozialsysteme zu entlasten, oder sollte man sie um jeden Preis dem Siechtum überlassen, um Arbeitsplätze für Seniorenwindelwechsler zu schaffen? Das gelte es abzuwägen ...

Ein dritter Starökonom und wohl auch zukünftiger Nobelpreisträger (Larry Summers) stellte auf genau derselben Grundlage fest, dass es besser sei, die Verschmutzung etwa in Form von Giftmüll aus den Ländern der nördlichen Hemisphäre in solche der südlichen Hemisphäre, insbesondere nach Afrika, zu exportieren und die - eher schwarze und schlecht bezahlte - Urbevölkerung daran zugrundegehen zu lassen, als den Giftmüll im Norden zu behalten, wo die - eher weiße und gut bezahlte - heimische Bevölkerung daran sterbe. Im Hinblick auf das Welteinkommen würde die Menschheit davon sehr profitieren.

Es ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele anführen. Manche Wirtschaftswissenschaftler sind der Meinung, dass der Sklavenmarkt im Süden der Vereinigten Staaten im Interesse der Werterhaltung schonender mit den menschlichen Ressourcen umgegangen sei, als dies in den Konzentrationslagern der Fall gewesen sei. Die Ökonomie zeichnet sich durch ein gewisses Maß an schwarzem Humor aus. Wenn man etwa zum Zeitpunkt der Neujahrsansprache des französischen Präsidenten und anlässlich der »Umkehrung der Arbeitslosenkurve« erfährt, dass die dreihundert reichsten Menschen der Welt innerhalb eines Jahres fünfhundertdreißig Milliarden Dollar mehr Gewinn eingefahren haben, dann...
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Bernard Maris, geboren 1946 in Toulouse, war ein französischer Wirtschaftswissenschaftler, Journalist und Autor. 2011 wurde er Mitglied des Aufsichtsrats der Banque de France. Neben mehr als einem Dutzend Büchern zu Wirtschaftsthemen hat Maris drei Romane und zwei Essays veröffentlicht. Er schrieb zudem für mehrere Magazine, u. a. für Le Figaro, Le Monde und für Charlie Hebdo, wo er meistens das Pseudonym Oncle Bernard benutzte. Maris wurde am 7. Januar 2015 bei demTerroranschlag auf die Redakti