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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am06.07.20151. Auflage
Ihre Mutter hat sie Eva genannt, damit sie Lust aufs Leben habe; und weil ihr Vater, ein Indio mit gelben Augen, zum Stamm der Söhne des Mondes gehörte, heißt sie Eva Luna. Ihr Lebensweg führt sie aus dem Haus des exzentrischen Ausländers Professor Jones in die Unter- und Halbwelt einer lateinamerikanischen Hauptstadt an der Karibikküste. Turbulente Ereignisse katapultieren das junge Mädchen in ein entlegenes Nest in tropischer Stille, wo sie Frieden, bald aber auch sinnliche Unruhe erlebt. Obwohl sie sich, neben der Liebe, eigentlich nur zum Geschichtenerzählen berufen fühlt, wird sie schließlich lebhaft hineingezogen mitten in die Sphäre politischer Gewalt.

»Die drei Romane markieren Etappen meines Lebens. Das Geisterhaus war Bewältigung meiner Erinnerung. Von Liebe und Schatten nahm mir meinen Haß und meine Wut. Eva Luna ist ein fröhliches Buch.« Isabel Allende



Isabel Allende, geboren 1942 in Lima, ist eine der weltweit beliebtesten Autorinnen. Ihre Bücher haben sich millionenfach verkauft und sind in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden. 2018 wurde sie - und damit erstmals jemand aus der spanischsprachigen Welt - für ihr Lebenswerk mit der National Book Award Medal for Distinguished Contribution to American Letters ausgezeichnet. Isabel Allendes gesamtes Werk ist im Suhrkamp Verlag erschienen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextIhre Mutter hat sie Eva genannt, damit sie Lust aufs Leben habe; und weil ihr Vater, ein Indio mit gelben Augen, zum Stamm der Söhne des Mondes gehörte, heißt sie Eva Luna. Ihr Lebensweg führt sie aus dem Haus des exzentrischen Ausländers Professor Jones in die Unter- und Halbwelt einer lateinamerikanischen Hauptstadt an der Karibikküste. Turbulente Ereignisse katapultieren das junge Mädchen in ein entlegenes Nest in tropischer Stille, wo sie Frieden, bald aber auch sinnliche Unruhe erlebt. Obwohl sie sich, neben der Liebe, eigentlich nur zum Geschichtenerzählen berufen fühlt, wird sie schließlich lebhaft hineingezogen mitten in die Sphäre politischer Gewalt.

»Die drei Romane markieren Etappen meines Lebens. Das Geisterhaus war Bewältigung meiner Erinnerung. Von Liebe und Schatten nahm mir meinen Haß und meine Wut. Eva Luna ist ein fröhliches Buch.« Isabel Allende



Isabel Allende, geboren 1942 in Lima, ist eine der weltweit beliebtesten Autorinnen. Ihre Bücher haben sich millionenfach verkauft und sind in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden. 2018 wurde sie - und damit erstmals jemand aus der spanischsprachigen Welt - für ihr Lebenswerk mit der National Book Award Medal for Distinguished Contribution to American Letters ausgezeichnet. Isabel Allendes gesamtes Werk ist im Suhrkamp Verlag erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518743577
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum06.07.2015
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1714 Kbytes
Artikel-Nr.1730593
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Zwei

Acht Jahre bevor ich geboren wurde, am selben Tag, da der Wohltäter wie ein unschuldiger Großvater in seinem Bette starb, kam in einer österreichischen Kleinstadt ein Junge zur Welt, der Rolf genannt wurde. Er war der jüngste Sohn von Lukas Carlé, dem gefürchtetsten Lehrer des dortigen Gymnasiums.

Körperliche Züchtigung war Teil der schulischen Erziehung, Wissen muß eingebläut werden, behaupteten Volksweisheit und Schulsystem, und kein vernünftiger Vater hätte gegen dieses Mittel Einspruch erhoben. Als aber Carlé einem Jungen die Hände brach, verbot ihm der Direktor den Gebrauch des Rohrstocks, denn es war offenkundig, daß er, wenn er zu schlagen anfing, die Kontrolle über sich verlor. Um sich zu rächen, verfolgten die Schüler seinen Sohn Jochen, und wenn sie ihn erwischten, prügelten sie ihn durch. Das Kind wuchs in Ängsten auf, floh vor den Jungenbanden, leugnete seinen Nachnamen, versteckte sich, als wäre er der Sohn eines Henkers.

Lukas Carlé herrschte in seinem Heim nach demselben Gesetz der Furcht, das er in der Schule vertrat. Mit seiner Frau verband ihn eine Zweckehe, die Liebe kam in seinen Plänen nicht vor, sie konnte allenfalls in der Literatur oder der Musik geduldet werden, war aber gänzlich unpassend für das Alltagsleben. Die beiden hatten geheiratet, ohne sich vorher näher kennenzulernen, und sie haßte ihn von der Hochzeitsnacht an. Für Carlé war seine Frau eine minderwertige Kreatur, den Tieren näher als dem Mann, dem einzigen intelligenten Wesen der Schöpfung.

Als er seinerzeit, durch den Ersten Weltkrieg aus seinem Heimatort vertrieben, nach langer Wanderung in die Stadt gekommen war, war er fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ein Lehrerdiplom in der Tasche und so viel Geld, um eine Woche zu überleben. So suchte er sich erst einmal Arbeit und dann eine Ehefrau, und er wählte die seine, weil ihm der Ausdruck von Furcht gefiel, der plötzlich in ihre Augen trat, und ihrer breiten Hüften wegen, die ihm eine notwendige Bedingung schienen, damit sie Söhne gebären und die schweren Hausarbeiten bewältigen konnte. Sein Entschluß wurde auch bestimmt durch zwei Hektar Land, ein halbes Dutzend Vieh und eine kleine Rente, die das junge Mädchen von ihrem Vater geerbt hatte. All das ging in seine Tasche, er war ja der rechtmäßige Verwalter der ehelichen Güter.

Lukas Carlé hatte eine Schwäche für Damenschuhe mit sehr hohen Absätzen, und am liebsten mochte er sie aus rotem Lackleder. Bei seinen Fahrten in die Kreisstadt bezahlte er eine Prostituierte dafür, daß sie nackt vor ihm auf und ab ging, nur dieses unbequeme Schuhwerk an den Füßen, während er in Hut und Mantel auf einem Stuhl saß wie ein hoher Würdenträger und zu unbeschreiblichem Genuß gelangte angesichts dieser Hinterbacken - möglichst üppig, weiß, mit Grübchen -, die bei jedem Schritt schaukelten und wippten. Selbstverständlich rührte er das Mädchen nicht an. Das tat er niemals, bei aller Begierde hielt er es mit der Hygiene. Da seine Mittel ihm nicht erlaubten, sich diesen Freuden mit der wünschenswerten Häufigkeit hinzugeben, kaufte er ein Paar leichtfertige französische Stiefelchen, die er im unzugänglichsten Winkel des Schrankes versteckt hielt. Von Zeit zu Zeit schloß er seine Kinder in ihrem Zimmer ein, stellte das Grammophon auf volle Lautstärke und rief seine Frau. Sie hatte seit langem gelernt, die Stimmungswechsel in ihrem Ehemann zu erkennen, und ahnte, noch ehe er selbst es wußte, wann ihn das Gelüst ankam, über sie herzufallen. Dann zitterte sie schon im vorhinein, und wenn sie seinen Ruf hörte, glitt ihr alles aus den Händen.

Carlé duldete keinen Lärm im Haus, »ich habe durch die Jungen in der Schule schon genug auszustehen«, sagte er. Seine Kinder lernten, in seiner Gegenwart weder zu lachen noch zu weinen, sich wie Schatten zu bewegen und im Flüsterton zu sprechen, und so viel Geschick entwickelten sie darin, unbemerkt zu kommen und zu gehen, daß ihre Mutter bisweilen schon glaubte, durch sie hindurchzusehen, und sich bei dem Gedanken entsetzte, sie könnten durchsichtig werden. Der Schulmeister war überzeugt, daß ihm die Vererbungsgesetze einen bösen Streich gespielt hätten. Seine Kinder stellten sich als völliger Fehlschlag heraus. Jochen war langsam und schwerfällig, er war der schlechteste Schüler, schlief im Unterricht ein, näßte ins Bett, war gänzlich untauglich für die Pläne, die sein Vater mit ihm vorhatte. Von Katharina wollte er lieber gar nicht reden. Die Kleine war schwachsinnig. Eines stand für ihn fest: In der Familie, aus der er stammte, gab es keine Erbfehler, also war er nicht verantwortlich für diese arme Kranke, und wer weiß, ob sie überhaupt sein Kind war, man konnte für keinen Menschen die Hand ins Feuer legen, schon gar nicht für die eigene Frau. Zum Glück war Katharina mit einem Loch im Herzen geboren, und der Arzt sagte voraus, daß sie nicht lange leben würde. Besser so.

Angesichts des geringen Erfolges, den Carlé mit seinen beiden Kindern gehabt hatte, war er über die dritte Schwangerschaft seiner Frau nicht sehr erfreut gewesen, aber als dann ein stämmiger, rosiger Junge mit großen grauen Augen und kräftigen Händen zur Welt kam, war er hochbefriedigt. Vielleicht war dies der Stammhalter, den er sich immer gewünscht hatte, ein echter Carlé. Er mußte verhindern, daß die Mutter ihn verzog, nichts war so gefährlich wie eine Frau, um gutes männliches Saatkorn zu verderben. »Pack ihn nicht in Wollwäsche ein, er soll sich an Kälte gewöhnen und stark werden, laß ihn im Dunkeln, dann wird er niemals Angst haben, trag ihn nicht auf dem Arm, macht nichts, wenn er schreit, bis er blau ist, das ist gut für die Lungen«, befahl er, aber hinter seinem Rücken zog die Mutter ihren Sohn warm an, gab ihm die doppelte Menge Milch, liebkoste ihn und sang ihm Wiegenlieder. Diese wunderliche Erziehungsmethode, ihm Kleider anzuziehen und wieder auszuziehen, ihn ohne ersichtlichen Grund zu schlagen oder zu streicheln, ihn in einen dunklen Schrank zu sperren und danach mit Küssen zu trösten, hätte jedes Kind in den Wahnsinn getrieben, aber Rolf Carlé hatte Glück, denn er war nicht nur mit einer festen geistigen Gesundheit ausgestattet, die allem widerstand, was andere zerstört hätte, sondern er wurde auch von der Gegenwart seines Vaters befreit, als der Zweite Weltkrieg ausbrach und Lukas Carlé in die Armee eintrat. Der Krieg war die glücklichste Zeit seiner Kindheit.

Während in Südamerika sich im Hause von Professor Jones die Mumien häuften und ein von einer Schlange gebissener Indio ein Mädchen zeugte, dem seine Mutter den Namen Eva gab, damit es Lust zum Leben hätte, war in Europa das Chaos ausgebrochen. Der Krieg stürzte die Welt in Wirrsal und Schrecken. Während das kleine Mädchen sich noch an die Röcke der Mutter klammerte, wurde jenseits des Atlantik auf einem in Trümmern liegenden Kontinent der Frieden geschlossen. Doch auf dieser Seite des Ozeans kamen nur wenige um den Schlaf der fernen Greuel wegen. Sie waren mit den eigenen Greueln hinreichend beschäftigt.

Als Rolf Carlé heranwuchs, wurde er ein aufmerksamer Beobachter, dazu war er stolz und eigensinnig und zeigte eine gewisse Neigung zum Gefühlvollen, deren er sich schämte, als wäre sie ein Zeichen von Schwäche. In dieser Zeit kriegerischer Begeisterung spielte er mit seinen Freunden Schützengrabenstürmen und Flugzeugeabschießen, aber insgeheim bewegten ihn die Knospen im Frühling, die Blumen im Sommer, das Gold des Herbstes und das traurige Weiß des Winters. Er ging in die Wälder und sammelte Blätter und Insekten, die er dann mit einer Lupe untersuchte. Er riß Seiten aus seinen Heften, um Gedichte darauf zu schreiben, die er unter Steinen und in Baumhöhlen versteckte in der uneingestandenen Hoffnung, daß jemand sie finden möge. Hiervon sprach er niemals, zu keinem Menschen.

Der Junge war zehn Jahre alt an jenem Tag, da man ihn holte, die Toten zu begraben. An diesem Morgen war er glücklich, denn Jochen hatte einen Hasen gefangen, und der Duft des auf kleinem Feuer schmorenden, mit Essig und Rosmarin zubereiteten Fleisches füllte das ganze Haus. Es war lange her, daß er etwas so Köstliches gerochen hatte, und der vorausgeahnte Genuß machte ihn ganz kribblig, er mußte sich beherrschen, daß er nicht den Deckel hob, um mit dem Löffel in den Topf zu langen. Zudem war auch noch Backtag. Er liebte es, seiner Mutter zuzusehen, wie sie über den großen Küchentisch gebeugt stand, die Hände bis zu den Ellbogen in den Teig grub und die Masse im Takt knetete und walkte. Dann formte sie lange Rollen, schnitt sie durch, und aus jedem Stück wurde ein rundes Brot. Früher, in den Zeiten des Überflusses, hatte sie ein wenig Teig abgetrennt, hatte Milch, Eier und Zimt hinzugefügt und Plätzchen davon gebacken, die sie in einer Dose aufbewahrte, eines für jedes Kind an jedem Tag der Woche. Jetzt mischte sie das Mehl mit Kleie, und das Ergebnis war dunkel und bitter, wie Brot aus Sägemehl.

Der Morgen hatte mit einem ungewöhnlichen Treiben auf der Straße begonnen: Bewegung der Besatzungstruppen, Kommandostimmen, aber niemand war deswegen sonderlich beunruhigt, denn die Furcht hatte sich abgenutzt im Wirrwarr des Zusammenbruchs, und ihnen war nicht viel davon übriggeblieben für Vorahnungen und unheilvolle Vorzeichen. Nach dem Waffenstillstand in Österreich hatten die Russen sich im Ort einquartiert. Die Gerüchte über ihre Grausamkeit war den Soldaten der Roten Armee vorausgeeilt, und die verängstigte Bevölkerung hatte sich auf ein Blutbad gefaßt gemacht. Sie sind wie Bestien, hieß es, sie schneiden den schwangeren Frauen den Bauch auf und werfen die Ungeborenen den Hunden hin, sie durchbohren die Alten mit dem Bajonett, den Männern stecken sie Dynamit in den Hintern und...
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Autor

Isabel Allende, geboren 1942 in Lima, ist eine der weltweit beliebtesten Autorinnen. Ihre Bücher haben sich millionenfach verkauft und sind in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden. 2018 wurde sie - und damit erstmals jemand aus der spanischsprachigen Welt - für ihr Lebenswerk mit der National Book Award Medal for Distinguished Contribution to American Letters ausgezeichnet. Isabel Allendes gesamtes Werk ist im Suhrkamp Verlag erschienen.
Eva Luna