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Der Himmel über Paris

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am28.08.20151. Auflage
'Der Himmel über Paris' erzählt davon, wie wir uns selbst belügen, damit wir nicht das tun, wonach wir uns am meisten sehnen - und wie wir es dann vielleicht doch tun. Das gut eingerichtete Leben von Olivier, Professor für Kunstgeschichte an der Sorbonne in Paris, gerät ins Wanken, als sein Chef ihn bittet, sich um die Austauschstudentin Sofie zu kümmern. Die junge Niederländerin ruft bei Olivier kostbare Erinnerungen an seine große Liebe zu Mathilde wach, die er eigentlich hatte vergessen wollen. Obwohl sein Verstand ihn warnt, macht er einen Annäherungsversuch und rät der Studentin zu etwas, wozu er selbst nie den Mut gehabt hat. Sofie ringt mit einer schwierigen Wahl: nach dem Größten zu streben und daran zugrunde zu gehen - oder gar nicht erst zu beginnen, aus Angst vor dem Scheitern. Entschlossen stellt sie sich ihrer Lebensangst und fordert Olivier dazu auf, dasselbe zu tun. Das bezaubernde und kluge Debüt einer jungen niederländischen Autorin.

Bregje Hofstede wurde 1988 in den Niederlanden geboren. Sie studierte Kunstgeschichte und Romanistik in Utrecht, Paris und Berlin. Hofstede erhielt das Förderstipendium des Hollands Maandblad für ihre Kurzerzählungen und Essays. Sie lebt und arbeitet als Kunsthistorikerin und Schriftstellerin in Brüssel. 'Himmel über Paris' steht in den Niederlanden auf der Longlist der renommierten Literaturpreise Libris Literatuurprijs 2015 sowie De Gouden Boekenuil 2015. Heike Baryga, geboren 1966, übersetzte u. a. Werke von Herman Koch, Annelies Verbeke und Margriet de Moor.
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Produkt

Klappentext'Der Himmel über Paris' erzählt davon, wie wir uns selbst belügen, damit wir nicht das tun, wonach wir uns am meisten sehnen - und wie wir es dann vielleicht doch tun. Das gut eingerichtete Leben von Olivier, Professor für Kunstgeschichte an der Sorbonne in Paris, gerät ins Wanken, als sein Chef ihn bittet, sich um die Austauschstudentin Sofie zu kümmern. Die junge Niederländerin ruft bei Olivier kostbare Erinnerungen an seine große Liebe zu Mathilde wach, die er eigentlich hatte vergessen wollen. Obwohl sein Verstand ihn warnt, macht er einen Annäherungsversuch und rät der Studentin zu etwas, wozu er selbst nie den Mut gehabt hat. Sofie ringt mit einer schwierigen Wahl: nach dem Größten zu streben und daran zugrunde zu gehen - oder gar nicht erst zu beginnen, aus Angst vor dem Scheitern. Entschlossen stellt sie sich ihrer Lebensangst und fordert Olivier dazu auf, dasselbe zu tun. Das bezaubernde und kluge Debüt einer jungen niederländischen Autorin.

Bregje Hofstede wurde 1988 in den Niederlanden geboren. Sie studierte Kunstgeschichte und Romanistik in Utrecht, Paris und Berlin. Hofstede erhielt das Förderstipendium des Hollands Maandblad für ihre Kurzerzählungen und Essays. Sie lebt und arbeitet als Kunsthistorikerin und Schriftstellerin in Brüssel. 'Himmel über Paris' steht in den Niederlanden auf der Longlist der renommierten Literaturpreise Libris Literatuurprijs 2015 sowie De Gouden Boekenuil 2015. Heike Baryga, geboren 1966, übersetzte u. a. Werke von Herman Koch, Annelies Verbeke und Margriet de Moor.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406683442
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum28.08.2015
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1814184
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Eins

Zunächst war ihre Silhouette alles, was er von ihr sah, dreißig Meter von ihm entfernt, im halbdunklen Hörsaal. Der Projektor summte, und das Licht stach ihm in die Augen. Mit langsamer Stimme sprach er über Cézanne und Picasso. Und manchmal hörte er nicht einmal mehr, was er sagte.

Unterhalb des Holzpodests erstreckten sich die Sitzreihen mit den gebeugten Gestalten, die Köpfe in die Hände gestützt, hängende Schultern, wie Blumen im Dunkeln verwelkt. Bleiche Finger huschten über die Tastaturen, Füller kratzten auf Papier, ab und zu raschelte eine Buchseite beim Umblättern.

Er wiederholte Daten und buchstabierte laut die Namen, sagte: «Matisse, Fauvismus, neunzehnfünf, joie de vivre, grüne Linie, Vlaminck, V-L-A-M-I-N-C-K», und ließ den Blick über die Köpfe schweifen, bis er bei einer schmalen Silhouette hängen blieb, die dort bewegungslos und kerzengerade saß. Sie schrieb nicht mit. Aha, jemand aus dem Ausland. Jedes Semester gab es Austauschstudenten, die mit den Vorlesungen nicht Schritt halten konnten und über jede Jahreszahl stolperten - man konnte sehen, wie sie zählten, mille huit-cent quatre-vingt-seize, das Ergebnis schnell notierten und hastig versuchten, weiter dem Thema zu folgen. Manchmal bereitete es ihm großes Vergnügen, sie aus der Bahn zu werfen und dann zu sehen, wie sie atemlos auf den Sitzbänken hingen. Oft baten sie ihn nach den Vorlesungen um die Skripte. Nun ja, sie gaben sich eben Mühe. Sie waren in Frankreich.

Er erreichte Seite sieben seiner Aufzeichnungen, blätterte um und schaute wieder auf. Die Studentin schrieb noch immer nicht mit. Stattdessen saß sie kerzengerade da, als würde sie auf etwas warten. Jeder Blick, den er in den Saal warf, prallte auf ihre aufrechte Gestalt, die aus den gebeugten Nacken hervorstach. Es war unbequem.

Widerwillig fuhr er an diesem Abend zum Essen bei Paul und Marie Bonnard, das sie alljährlich zum Auftakt des Semesters für Pauls «beste Freunde» gaben. Seine Freundin Sylvie hatte ihn mit den spöttischen Worten verabschiedet: «Wirklich jammerschade, dass ich nicht zu eurer Fakultät gehöre. Grüß Bonnard von mir.»

Bonnard war ein schmächtiger Mann, der Olivier nicht einmal bis zur Schulter reichte. Sie hatten beide gleichzeitig an der Universität angefangen, und Olivier hatte herabgesehen auf Bonnards Geschwätz, seine Maßanzüge und seine Brillantinefrisur. Inzwischen blickte er ungehindert auf seinen glänzenden Schädel. Ihre Karriere an der Fakultät war parallel verlaufen, bis Bonnard vor vier Jahren zum Präsidenten der Universität ernannt worden war. Seitdem bereitete Olivier seine körperliche Überlegenheit ein zusätzliches Vergnügen, aber auch die weit verbreitete Einschätzung, Bonnard habe einen Großteil seines Erfolges den Kochkünsten seiner Frau zu verdanken, die «ein Engel in der Küche und ein Teufel im Bett» sei, wobei Letzteres jedoch stark angezweifelt wurde. Eine ehemalige Sekretärin, ein vertrocknetes Geschöpf mit Falten um den verkniffenen Mund. Sie wohnten am Bois de Boulogne in einer großzügigen und cremefarbenen Wohnung, die fast alle Pariser Kollegen kannten; den in Armagnac eingelegten Pflaumen der Hausherrin wurde von Akademikern höchste Wertschätzung entgegengebracht. Ihre Pflaumen galten als Köstlichkeit.

Bei Oliviers Eintreffen war die Wohnung bereits voller Gäste. Er hatte noch nicht die Gelegenheit gehabt, jeden begrüßen zu können, als sie sich am Tisch niederließen und Paul ihn anstupste: «Olivier, kennst du schon unseren neuen Gast?» Er wies mit dem Kopf auf die junge Frau, die am anderen Ende des Tischs saß, blond, blass, die Hände im Schoß. «Sie studiert in diesem Semester an unserer Fakultät und wohnt während dieser Zeit bei uns in Carlas früherem Zimmer.»

Olivier schaute zu ihr hinüber, und das Bild auf seiner Netzhaut ruckte, als habe man ein Dia in den Projektor geschoben. Das Bild wurde von einem alten überlagert, und er wusste für einen Moment nicht recht, wohin er blickte. Ins Jetzt oder in lang vergangene Zeiten.

Sie ähnelte ihr unglaublich. Mon dieu.

Er kniff die Augen hinter der Brille zusammen. Er sah zu Paul hin und dann wieder zu der jungen Frau. Sie lächelte, als sie seinen Blick bemerkte. Die fünfundzwanzig Jahre, die seit dem Moment vergangen waren, als er dieses Gesicht zum letzten Mal gesehen hatte, verflogen im Nu. Nur mit allergrößter Mühe konnte er sich auf das Gespräch konzentrieren. Nachdem er einige Male mitten im Satz verstummt war, schwieg er mürrisch vor sich hin.

Nach dem Dessert, und noch bevor er aufbrechen konnte, nahm ihn Paul beiseite.

«Das ist schon was, plötzlich so ein Mädel im Haus zu haben ⦠Weißt du, ich kenne sie eigentlich kaum.»

«Und wie kommst du zu ihr?»

«Ich kenne ihre Mutter, noch von damals. Hab nette Sachen mit ihr während meines Praktikums in Amsterdam erlebt. Ich bin mir noch nicht mal ganz sicher, ob sie nicht vielleicht meine Tochter ist ⦠hhmmm?»

«Sie ähnelt dir nicht im Geringsten.»

«Nein?! Dem Himmel sei Dank. Ich hoffe, ich habe mir da nichts eingebrockt. Ihre Mutter hat mich gefragt, ob sie für das eine Semester bei mir wohnen könnte. Und wir haben genügend Platz. Ich habe es unmöglich ablehnen können.»

Sein selbstzufriedener Ausdruck verschwand, während er so tat, als würde er nachdenken.

«Ach, übrigens, ich habe gesehen, dass sie an einem deiner Seminare teilnimmt. Könntest du dich vielleicht etwas um sie kümmern? Du weißt schon, sie fragen, ob sie mithalten kann, ab und zu mal ein Gespräch und solche Sachen. Damit sie sich hier ein bisschen heimisch fühlt.»

«Kannst du das nicht besser machen?»

«Nun ja, ich finde, es reicht schon, dass sie in meinem Haus wohnt. Ich muss da etwas Distanz wahren. Und ich will auch nicht allzu oft mit ihr gesehen werden. Das könnte etwas seltsam wirken.»

«Und bei mir wirkt das nicht seltsam?»

«Ach, du erklärst ihr einfach, wie das ist. Und dann teilen wir die Aufgaben unter uns auf. Außerdem ⦠ich will Marie nicht beunruhigen.» Er zwinkerte. «Und du bist schließlich nicht verheiratet.»

«So gut wie.»

«Das ist etwas anderes. Sie wohnt noch nicht einmal bei dir. Übrigens ziemlich vernünftig.» Wieder ein Zwinkern. Wäre Sylvie doch nur dabei gewesen - sie hätte bestimmt etwas Passendes erwidert. Olivier war nie schnell genug.

«Außerdem habe ich jetzt mit diesem zusätzlichen Verwaltungskram furchtbar viel zu tun. Warte, ich rufe sie mal.»

«Paul! He -!»

«Mademoiselle, komm doch mal zu uns. Das ist mein Kollege, Professor Massarin, aber das hast du bestimmt schon gewusst! Kannst ihn ruhig einfach Olivier nennen. Sag, würde es dir gefallen, wenn Olivier dir ein bisschen Paris zeigt? Er weiß alles über die Stadt und hat unendlich viel zu erzählen. Das hast du sicher schon gemerkt. Er ist sozusagen ein wandelnder Reiseführer, mmh? Na, würde dir das gefallen?»

«Ja, natürlich, das würde mir gefallen», sagte sie.

«Olivier? Vorschläge?»

Nicht zu fassen. Der Mann zog nicht ab, ehe die beiden mit dem Buttermesser die Blutsbrüderschaft besiegelt hatten.

«Ich habe in diesem Semester nicht viel Zeit», erklärte er. Stillschweigen; Paul grinste ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Die junge Frau betrachtete ihre Hände. Olivier krallte die Zehen in seinen glänzenden Schuhen ein. «Aber ich mache in diesem Jahr ein paar Exkursionen mit den Erstsemestern, vielleicht magst du da mitkommen. Dann lernst du auch noch ein paar andere Studenten kennen.»

Sie blieb bei ihnen stehen und lächelte matt. Paul schlug ihr auf die Schulter, wodurch sie unwillkürlich einen Schritt in Oliviers Richtung machte. «Wunderbar! Warte, einen Augenblick, Olivier. Ich will noch schnell ein Foto von euch beiden machen.» Er hatte den Fotoapparat bereits in der Hand.

«Ich weiß übrigens nicht, ob sie wirklich in meinem Seminar ist», merkte Olivier an, während sie sich nebeneinander fürs Foto hinstellten. Das Zimmer erbleichte vom Blitz.

«Wichtiger Punkt. Ich regle das gleich.» Und weg war er.

Das musste man ihm lassen. Er mochte zwar ein mickriges Männlein sein, doch war er ihm mal wieder überlegen. Olivier starrte eine Zeitlang in seinen Wein und spülte ihn dann hinunter. Sie stand noch immer da und lächelte höflich.

Dann bellte er sie an: «Und wie heißt du?»

«Fie.»

Er sah sie ein paar Sekunden an. «Pardon?»

«F-I-E», buchstabierte sie.

«Und dein Nachname?»

«Schoonhoven.»

Sorry, aber das war ihm nun zu viel.

«C est á cause de l H», sagte sie. Sie dehnte es so stark, dass es wie âge klang.

«Woher kommst du?»

«Niederlande.»

«Ungewöhnlicher...
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