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Elvis' Tod

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
120 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.10.20151. Auflage
Michael Schultes Geschichten produzieren Sinn und Unsinn, beides dicht nebeneinander. Wer das eine im anderen sucht, wer gerne die »Vermischten Nachrichten« unserer Zeitungen studiert, im Guinness-Buch der Weltrekorde schmökert, wer Elvis liebt, der kommt auch bei Michael Schulte auf seine vergnüglich-ernsthaften Lesekosten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Michael Schulte, Schriftsteller und Übersetzer, wurde 1941 in München geboren.
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Produkt

KlappentextMichael Schultes Geschichten produzieren Sinn und Unsinn, beides dicht nebeneinander. Wer das eine im anderen sucht, wer gerne die »Vermischten Nachrichten« unserer Zeitungen studiert, im Guinness-Buch der Weltrekorde schmökert, wer Elvis liebt, der kommt auch bei Michael Schulte auf seine vergnüglich-ernsthaften Lesekosten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Michael Schulte, Schriftsteller und Übersetzer, wurde 1941 in München geboren.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105605547
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.10.2015
Auflage1. Auflage
Seiten120 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1838105
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

II

Der Mann lag bereits im Sterben, da reiste seine Ehefrau mit ihren drei Kötern zur internationalen Pudelausstellung nach Paris. Die Nachricht vom Tode ihres Mannes verkraftete sie um so leichter, da alle drei Köter eine Auszeichnung erhalten hatten. Sie ließ die Pudel hellblau färben und reiste zurück nach Deutschland zur Beerdigung. Ich ging mit Susi in die Stadt und kaufte mir eine Sommerhose. Jedesmal nach dem Pinkeln fallen zwei bis drei Tropfen in die Hose, und das gibt einen gelben Fleck, der nur langsam trocknet. Welchen Gürtel möchtest du haben? fragte Susi. Ich suchte mir einen Gürtel aus, und Susi klaute ihn. Zu so was hätte ich nie die Nerven. Vorher hatte mir Susi schon zwei Postkarten geklaut, auf der einen ist Heintje, auf der anderen Jesus. Wir gingen in ein Gartenlokal, und Susi aß eine Schweinshaxe. Ich kenne kein Mädchen, das so viel frißt wie Susi. Sie nimmt kein Gramm zu, sie ist so schlank, daß andere Mädchen sie richtig beneiden. Da Susi nie kocht, sondern nur in Lokalen speist, interessierte mich der finanzielle Aspekt dieser ungewöhnlichen Freßsucht. Das ist kein Problem, sagte Susi, ich schließe Wetten ab. Ich betrete ein Lokal, gehe an einen Tisch, an dem ein paar Männer sitzen, und sage, wollen wir wetten, daß ich hintereinander vierundzwanzig Bockwürste essen kann? Wenn ich es nicht schaffe, zahle ich eure Zeche, wenn ich es schaffe, zahlt ihr meine. Die Männer lachen und nehmen die Wette an. Darauf ißt Susi vierundzwanzig Bockwürste und verläßt das Lokal. Abends gehe ich zu Sabine und Dieter Tischtennis spielen. Ich spiele sehr schlecht und verliere fast immer. Aber die drei Mäderln vom Oberweg haben sich unheimlich gefreut über den grauen Zwerghasen, den ich ihnen geschenkt hab. Ich hatte schon geglaubt, sie würden mir Hausverbot erteilen wegen dem Viech. Im Gegenteil - ich bin jetzt mehr denn je ein gern gesehener Gast bei ihnen. Dabei ist der Hase die reinste Pest. Die Mäderln haben von Anfang an versäumt, ihn stubenrein zu erziehen, das haben sie nicht fertiggebracht, sie haben ein zu weiches Herz. Und jetzt schifft der Hase überall hin, wo es ihm paßt, am liebsten in die Betten. Alle drei Tage müssen die Mäderln die Leintücher in die Wäscherei bringen, das ist teuer und lästig genug, hinzu kommen noch die Arztkosten, denn dieses blöde Karnickel ist pausenlos erkältet, eine Spritze kostet acht Mark, und das zweimal die Woche. Aber, wie gesagt, den Mäderln macht das alles nichts aus, sind sind ganz narrisch nach dem Hasen, die Mäderln sind unverheiratet und kinderlos. Die eine ist Österreicherin und liebt nur dicke Neger.

Susi ist dann weitergefahren nach Frankreich. Ich hatte gehofft, daß sie mal eine Postkarte schreibt. In Paris gibt es noch immer die Buchhandlung Shakespeare & Company. Ein ziemlich trauriger Laden das. Nichts erinnert mehr an die glanzvolle Vergangenheit dieses Instituts. Im hinteren Raum sitzt ein sabbernder Engländer und trinkt Milchkaffee.

Ich muß die Hose unbedingt zur Reinigung bringen, der Pinkelfleck ist schon fast handgroß und fängt zu riechen an. Ich hab wirklich alles mögliche probiert. Zum Beispiel bin ich nach dem Pinkeln jedesmal zum Waschbecken gegangen, hab meinen Zipfel gewaschen und abgetrocknet, aber kaum hatte ich ihn in die Hose gesteckt, zack - zwei Tropfen. Meine Mutter hat gesagt, ich soll mal zum Arzt gehen. Aber was solls? Entweder sagt der Arzt, mein guter Junge, das ist bei mir nicht anders, da kann man nix machen, oder er verschreibt mir irgendwelche Tropfen gegen das Tropfen und sagt, ich soll in vierzehn Tagen wiederkommen.

Vielleicht sollte ich es einmal mit Diät versuchen. Frau Brigitte rät: jeden Tag einen Teller Haferschleim, Sie werden sehen, das wirkt Wunder. Wols ist an Pferdefleischvergiftung gestorben. Spät nachts ist er aufgewacht und hat seine Frau gebeten, ihm etwas zu kochen. Es war nur Pferdefleisch in der Küche, und das war verdorben. Ein paar Tage später war Wols tot. Das ist das Schöne, wenn ich einmal tot bin, dann brauche ich keine Angst mehr vor dem Tod zu haben. Werner Schreib hat mir folgende Geschichte erzählt: Wols hatte in seinem Häuschen in Frankreich nur ein sehr kleines Klo. Beim Scheißen hatte er jedesmal seine Farben dabei und bemalte die Innenseite der Lokustür. Auf diese Weise ist im Lauf der Jahre das erste großformatige Bild von Wols entstanden. Nach dem Tode ihres Mannes hat Wols´ Frau das Häuschen verkauft, und als Wols dann posthum berühmt geworden war, hat sich die Frau des Klotürbildes erinnert und wollte die Tür haben. Die neuen Hausbesitzer wußten aber inzwischen, daß sie mit dem Haus eine Tür erworben hatten, die mehr wert war als das ganze Haus. Nachlaßverwalterin ist Frau Wols, sie hat Anspruch auf das Bild, während die Hausbesitzer Anspruch auf die Tür haben. Der Prozeß beschäftigte die Gerichte jahrelang.

Im Tischtennis hab ich wieder verloren, dann bin ich mit Birgit übers Wochenende weggefahren, nach Düdinghausen, meinen Onkel besuchen. Düdinghausen ist in der Nähe des Steinhuder Meeres, das Steinhuder Meer ist in der Nähe von Hannover. Mein Onkel wohnt in einem schönen großen Bauernhaus, im Garten steht ein bissiger Esel, und in der Nacht von Freitag auf Samstag erzählte mir mein Onkel, daß er in die CDU eintreten werde. Am Samstag regnete es, damit hatten wir nicht gerechnet. Eigentlich wollte ich Birgit die Grabkapelle in Idensen zeigen, aber wegen des schlechten Wetters haben wir gesagt, wir kommen bestimmt noch öfter hierher. Am Zaun war eine papierene Zielscheibe angebracht, auf die haben wir mit einer Pistole geschossen, ich traf aber immer nur den Misthaufen dahinter.

In Tiefenbach in Niederbayern habe ich einen Teil meiner Kindheit verbracht. Da war ein sehr netter Briefträger, und ich wollte Briefträger werden, später wollte ich Musikkritiker werden, dann, in meiner Albert-Schweitzer-Phase, wollte ich Entwicklungshelfer werden, dann Lehrer, dann Buchhändler, dann Psychologe, dann wieder Lehrer, aber noch bevor ich Briefträger werden wollte, wollte ich Pfarrer werden, katholischer, wegen der bunten Gewänder. Am Sonntag sind wir wieder zurückgefahren. Ich sagte zu Birgit, auf Reisen verstehen wir uns am besten, wir sollten einen Wohnwagen kaufen. Zu Hause hapert es manchmal, da gibt es Streit. Wenn sich die Wellen geglättet haben, analysieren wir, warum es dazu gekommen ist.

Mit der Tischtennisplatte ist das ein ewiges Elend. Jeden Abend wird dieses Monstrum aus dem Keller hochgeschleppt, dann im Garten aufgebaut, nach dem Spiel wieder abgebaut und in den Keller getragen. Ich sag dem Dieter, laß das Ding doch stehen, es ist doch wetterfest!

Wir kamen in Düdinghausen an, mein Onkel stand vor dem Haus und diskutierte mit einem Baron. Ich zeigte Birgit unser Zimmer. Das Zimmer lag im ersten Stock. Nachdem wir uns die Hände gewaschen hatten, gingen wir runter. Da stand mein Onkel am Herd und briet ein Bauernfrühstück. Nach dem Essen gingen wir in ein anderes Zimmer und tranken Wein. Birgit wurde müde von dem vielen Wein und ging ins Bett. Mein Onkel war auch müde, aber wollte noch nicht schlafen gehen, er sprach von Enteignung und Inflation und daß er der CDU beitreten werde. Obwohl er, ja, obwohl er gegen Barzel sei, ob ich ihm das abnehmen würde? Am nächsten Tag regnete es, wir schossen mit einer alten Wehrmachtspistole auf die Zielscheibe am Zaun. Als die Zielscheibe ganz durchlöchert war, schoß der Onkel auf Kirschen, und jedesmal, wenn er traf, lachte er. Er ließ keinen mehr an die Pistole, er stand am Fenster und ballerte wie wild in den Garten, aber plötzlich war er ganz erschöpft und wollte Kaffee trinken.

Seine schönsten Stunden hat der Führer in Bayern verbracht. Er liebte die Berge, er liebte die friedliche Stille da oben, er saß oft auf der Terrasse des »Berghofs«, streichelte den Schäferhund und hing seinen Gedanken nach. Wanns ihr den Führer sehts, sagt der Lehrer, dann grüßts ihn recht brav, denn Kinder mag der Führer gern. Und wanns ihr ihm eine besondere Freude machen wollts, dann schenkts ihm einen selbstgepflückten Blumenstrauß. Sagts ihm auch, daß sein Bild über der Tafel hängt und daß kein Jud in der Klasse ist. Als ich zur Schule kam, waren die Bilder vom Führer schon seit zwei Jahren aus den Klassenzimmern verschwunden. Noch vor der Zeit in Tiefenbach lebten wir in der Muna bei Regensburg. In der Muna wurden Teile zusammengesetzt, die aus verschiedenen deutschen Fabriken angeliefert wurden. Waren alle Teile schön ordentlich zusammengesetzt, hatte man Gasbomben. Wir wohnten im Haus eines Mannes, den ich Leo nannte. Der Leo war für die Bomben verantwortlich. Die Frau vom Leo hatte einen Dackel, der abends immer auf ihrem Schoß saß, und sie zwickte den Dackel, damit er sich auf ihrem Schoß hin und her bewege, sie zwickte, auch wenn Gäste dabei waren, und wenn sie es nicht mehr aushielt, riß sie ihre Bluse auf und ließ den Dackel an ihren Titten lecken. Dann bekam sie ganz glasige Augen und lachte immerzu, dann nahm sie den Dackel und ging in ihr Schlafzimmer. Dem Leo machte das nichts aus, er war um diese Zeit meistens schon betrunken und erzählte, daß er der einzige bedeutende Gasexperte des Reiches sei. Das erzählte er auch, als bereits die Amis in seiner Villa wohnten, und da die Amis schon lange vergeblich den Mann suchten, der das KZ in Dachau eingerichtet hatte, haben sie den Leo verhaftet. Er ist ins Gefängnis gekommen und sollte später in ein Lager transportiert werden. Vor dem Transport, er saß schon auf dem Lastwagen, durfte er seine Frau noch einmal sehen. Sie hatte sich einen Tag von ihrem Dackel getrennt, um dem Leo Lebewohl zu sagen und ihm eine Zyankalikapsel in die Hand zu drücken. Der Leo hat die Kapsel während des Transports geschluckt, und der...
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