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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am07.01.20161. Auflage
Julian Barnes' Lieblingsbücher In seinem neuen Buch beschäftigt sich Julian Barnes mit dem Schreiben. Diesmal jedoch nicht in erster Linie mit dem eigenen, sondern mit dem anderer: In siebzehn Essays und einer Short Story erzählt er uns von Lieblingsbüchern und Autoren, die es zu entdecken gilt - und macht unbändige Lust darauf, sofort mit einer langen Wunschliste die nächste Buchhandlung aufzusuchen. Julian Barnes schreibt über U-Bahnfahrten mit Penelope Fitzgerald und über Rudyard Kiplings Leidenschaft für Autofahrten durch Frankreich, er feiert Houellebecqs Kompromisslosigkeit und bricht eine Lanze für seine unterschätzten Kollegen (Sie haben Ford Madox Fords »Das Ende der Paraden« nicht gelesen? Dann aber los!). Barnes hat keine Angst vor Ikonenkritik (George Orwell) und noch weniger vor hymnischem Lob (Lorrie Moore, John Updike). All das ist scharfsinnig beobachtet, mit feinem Humor und manchmal mildem Spott, mit Sinn fürs argumentative Fairplay und mit viel Herzblut. Nebenbei schenkt er uns in einer Short Story überraschende Einsichten über Hemingway und über das Verhältnis von Mythos und Werk dieses Superstars der amerikanischen Literaturgeschichte. Klug, differenziert, humorvoll und sehr, sehr kurzweilig - dieser Essayband ist ein großes Lesevergnügen und macht Lust, sich umgehend durch sämtliche besprochenen Bücher zu lesen.

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR21,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextJulian Barnes' Lieblingsbücher In seinem neuen Buch beschäftigt sich Julian Barnes mit dem Schreiben. Diesmal jedoch nicht in erster Linie mit dem eigenen, sondern mit dem anderer: In siebzehn Essays und einer Short Story erzählt er uns von Lieblingsbüchern und Autoren, die es zu entdecken gilt - und macht unbändige Lust darauf, sofort mit einer langen Wunschliste die nächste Buchhandlung aufzusuchen. Julian Barnes schreibt über U-Bahnfahrten mit Penelope Fitzgerald und über Rudyard Kiplings Leidenschaft für Autofahrten durch Frankreich, er feiert Houellebecqs Kompromisslosigkeit und bricht eine Lanze für seine unterschätzten Kollegen (Sie haben Ford Madox Fords »Das Ende der Paraden« nicht gelesen? Dann aber los!). Barnes hat keine Angst vor Ikonenkritik (George Orwell) und noch weniger vor hymnischem Lob (Lorrie Moore, John Updike). All das ist scharfsinnig beobachtet, mit feinem Humor und manchmal mildem Spott, mit Sinn fürs argumentative Fairplay und mit viel Herzblut. Nebenbei schenkt er uns in einer Short Story überraschende Einsichten über Hemingway und über das Verhältnis von Mythos und Werk dieses Superstars der amerikanischen Literaturgeschichte. Klug, differenziert, humorvoll und sehr, sehr kurzweilig - dieser Essayband ist ein großes Lesevergnügen und macht Lust, sich umgehend durch sämtliche besprochenen Bücher zu lesen.

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462315448
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum07.01.2016
Auflage1. Auflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1747 Kbytes
Artikel-Nr.1862023
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


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Der trügerische Schein von Penelope Fitzgerald


Einige Jahre vor ihrem Tod nahm ich mit Penelope Fitzgerald an einem Podiumsgespräch an der Universität York teil. Ich kannte sie flüchtig und bewunderte sie zutiefst. Ihr Auftreten war schüchtern und leicht zerstreut, als wollte sie auf keinen Fall für das gehalten werden, was sie damals war: die beste lebende Romanschriftstellerin Englands. Daher gab sie sich, als wäre sie eine harmlose, Marmelade einkochende Großmutter, die sich kaum in der Welt zurechtfindet. Das war nicht allzu schwer, schließlich war sie tatsächlich Großmutter und kochte - eine der kleinen Enthüllungen in ihren gesammelten Briefen - Marmelade (und Chutney) ein. Aber die Tarnung konnte nicht überzeugen, da immer wieder, gleichsam gegen ihren Willen, ihre außergewöhnliche Intelligenz und ihr instinktiver Scharfsinn aufblitzte. Beim Kaffee bat ich sie, mir meine beiden Lieblingsromane von ihr zu signieren: The Beginning of Spring [Frühlingsanfang] und The Blue Flower [Die blaue Blume]. Sie kramte lange in der schweren Plastiktasche herum - lila mit einem Blumenmuster, soweit ich mich erinnere -, die alles Nötige für den Tag enthielt. Schließlich kam ein Füllfederhalter zum Vorschein, und nach einer ausgedehnten Denkpause schrieb sie - wie es schien, wie ich hoffte - ein paar persönliche, ermutigende Worte für einen jüngeren Schriftsteller auf die Titelblätter. Ich steckte die Bücher weg, ohne die Widmungen anzusehen.

Die Veranstaltung ging weiter. Danach wurden wir zum Bahnhof von York gefahren, um gemeinsam die Rückreise nach London anzutreten. Bei der Einladung hatte ich zwischen einem bescheidenen Honorar und normaler Anreise oder keinem Honorar und Erste-Klasse-Ticket wählen dürfen. Ich hatte mich für das Zweite entschieden. Der Zug fuhr ein. Ich ging davon aus, dass die Universität einer achtzigjährigen Autorin ihres Kalibers unmöglich etwas anderes als ein Ticket für die erste Klasse gegeben haben konnte. Doch als ich zu unserem vermeintlichen Wagen gehen wollte, sah ich, dass sie sich in eine bescheidenere Richtung aufmachte. Selbstverständlich schloss ich mich ihr an. Worüber wir auf der Fahrt sprachen, weiß ich nicht mehr; vielleicht erwähnte ich den seltsamen Zufall, dass wir beide unser literarisches Hardcover-Debüt im selben Buch (The Times Anthology of Ghost Stories aus dem Jahr 1975) gegeben hatten; womöglich stellte ich die üblichen dummen Fragen danach, woran sie gerade arbeite und wann ihr nächster Roman erscheinen werde (wie ich später erfuhr, log sie Fragesteller oft an). In King´s Cross schlug ich vor, uns ein Taxi zu teilen, da wir beide im selben Teil von Nord-London wohnten. Oh nein, antwortete sie, sie werde die U-Bahn nehmen - schließlich habe sie vom Bürgermeister von London so eine wunderbare Dauerkarte geschenkt bekommen (bei ihr hörte sich das an wie ein persönliches Geschenk statt wie etwas, was alle Rentner bekamen). Da ich annahm, sie müsse den langen Tag noch mehr spüren als ich, drängte ich noch einmal zu einem Taxi, aber sie blieb freundlich stur und hatte auch ein schlagendes Argument parat: Sie musste auf dem Weg von der U-Bahnstation noch einen Liter Milch besorgen, und wenn sie mit dem Taxi nach Hause führe, müsste sie später noch einmal raus. Ich machte unverdrossen geltend, dass wir das Taxi ohne Weiteres vor dem Laden halten und warten lassen könnten, während sie ihre Milch kaufte. »Darauf wäre ich gar nicht gekommen«, sagte sie. Aber nein, auch das konnte sie nicht umstimmen: Sie wollte mit der U-Bahn fahren, und damit basta. Also wartete ich neben ihr in der Bahnhofshalle, während sie im Durcheinander der Tragetasche nach ihrer Dauerkarte suchte. Sie musste doch da sein, aber nein, anscheinend war sie auch nach ausgiebigem Stöbern nicht aufzufinden. Inzwischen verspürte ich eine gewisse Ungeduld - und ließ das womöglich auch erkennen -, darum dirigierte ich uns zum Fahrscheinautomaten, kaufte unsere Fahrscheine und geleitete Mrs Fitzgerald die Rolltreppe hinunter zur Northern Line. Während wir auf die Bahn warteten, wandte sie sich mit dem Ausdruck leichter Besorgnis an mich. »Oh je«, sagte sie, »jetzt habe ich Sie wohl in ein paar niedere Beförderungsarten hineingezogen.« Ich lachte noch vor mich hin, als ich zu Hause ankam und ihre Bücher aufschlug, um die sorgsam erwogenen Widmungen zu lesen. In The Beginning of Spring hatte sie hineingeschrieben »Mit den besten Wünschen - Penelope Fitzgerald«, bei The Blue Flower dagegen - wo die Inschrift erheblich mehr Zeit in Anspruch genommen hatte - hatte sie sich für »Mit den besten Wünschen - Penelope« entschieden.

Wie ihre Wesensart, so sollten anscheinend auch ihr Leben und ihr literarischer Werdegang irreführen, davon ablenken, dass sie eine große Schriftstellerin war oder werden würde. Sicher, sie stammte aus dem Bildungsbürgertum und war durch einen Vater und drei Onkel mit den vielfach begabten Knox-Brüdern verwandt, deren gemeinschaftliche Biografie sie später schrieb. Ihr Vater war Herausgeber der Zeitschrift Punch; ihre Mutter, eine der ersten Studentinnen am Somerville College in Oxford, schrieb ebenfalls. Auch Penelope war eine brillante Somerville-Studentin: Bei ihrem Abschlussexamen war ein Prüfer so beeindruckt von ihren schriftlichen Arbeiten, dass er seine Kollegen bat, sie behalten zu dürfen, und sie später dem Vernehmen nach in Pergament binden ließ. Doch nachdem sie sich so öffentlich hervorgetan hatte, verbrachte sie die gesamte Zeit, die für andere wohl die fruchtbarsten Schriftstellerjahre gewesen wären, als Ehefrau und berufstätige Mutter (bei der Zeitschrift Punch, bei der BBC, beim Ministerium für Ernährung, später als Journalistin und Lehrerin). Beim Erscheinen ihres ersten Buchs, einer Biografie von Edward Burne-Jones, war sie 58 Jahre alt. Danach schrieb sie einen humoristischen Thriller, The Golden Child, angeblich zur Aufheiterung ihres sterbenden Ehemanns. Von 1975 bis 1984 brachte sie zwei weitere Biografien und vier weitere Romane hervor. Diese vier Romane sind alle kurz und halten sich eng an ihre eigenen Erfahrungen: Sie handeln vom Betreiben einer Buchhandlung, vom Leben auf einem Hausboot, von der Arbeit bei der BBC zu Kriegszeiten, vom Unterrichten an einer Theaterakademie. Sie sind flott geschrieben, skurril, überaus vergnüglich, aber ohne höheren Anspruch. Und wie bei fast allen anderen Schriftstellern hätte man wohl angenommen, dass sie es, nachdem das eigene Leben aufgebraucht war und sie inzwischen stark auf die siebzig zuging, dabei bewenden ließe. Ganz im Gegenteil: in den nächsten zehn Jahren, von 1986 bis 1995, kamen die vier Romane - Innocence, The Beginning of Spring, The Gate of Angels [Das Engelstor] und The Blue Flower - heraus, mit denen Penelope Fitzgerald in Erinnerung bleiben wird. Sie haben keinen erkennbaren Bezug zu ihrem eigenen Leben und führen uns nacheinander in das Florenz der 1950er-Jahre, das vorrevolutionäre Moskau, das Cambridge von 1912 und das Preußen des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts. Viele Schriftsteller denken sich anfangs Geschichten aus, die nichts mit ihrem Leben zu tun haben, und wenn ihnen dann das Material ausgeht, wenden sie sich eher vertrauten Quellen zu. Penelope Fitzgerald machte es umgekehrt, und als sie sich von ihrem eigenen Leben freischrieb, fand sie zu wahrer Größe.

Dennoch folgte die öffentliche Anerkennung, als sie dann kam, keiner erkennbaren Bahn und ging mit einem spürbaren Maß männlicher Herabwürdigung einher. Richard Garnett, ihr Sachbuch-Verleger, verstieg sich 1977 zu der Bemerkung, sie sei »nur eine Amateurschriftstellerin«, worauf sie nachsichtig fragte, »wie viele Bücher man geschrieben und wie viele Semikolons man getilgt haben muss, bevor man den Amateurstatus verliert«. Im Jahr darauf wurde sie mit The Bookshop [Die Buchhandlung] für den Booker Prize nominiert und fragte ihren belletristischen Verleger Colin Haycraft, ob es eine gute Idee wäre, einen weiteren Roman zu schreiben. Er antwortete fröhlich, er wolle nicht schuld daran sein, wenn sie weiterhin schriebe, und habe sowieso schon zu viele kurze Romane mit traurigem Ausgang auf dem Schreibtisch. (Verständlicherweise suchte sich Penelope Fitzgerald einen anderen Verleger, und Haycraft behauptete später, er sei missverstanden worden.) Ich erinnere mich, dass Paul Theroux mir erzählte, 1979 habe er als Juror für den Booker Prize seine vorbereitende Lektüre während einer Zugreise durch Patagonien absolviert, und die Bücher, die er indiskutabel fand, seien aus dem Fenster in die vorüberziehende Pampa geflogen. Ein paar Monate später sah er mit höflichem Lächeln zu, wie der Preis an Penelope Fitzgerald für Offshore ging. Auch die hauseigenen Literaturpäpste der BBC behandelten sie mit Herablassung: Frank Delaney vom Radio erklärte ihr, sie habe »den Preis verdient, weil das Buch nichts Anstößiges enthielt und familientauglich war«, und Robert Robinson vom Fernsehen gestand ihr in The Book Programme geringschätzig wenig Sendezeit zu und machte kaum einen Hehl aus seiner Ansicht, sie hätte den Preis nicht bekommen sollen. Und nach ihrem Tod wurde sogar die Trauerfeier durch das gockelhafte Verhalten eines jungen männlichen Schriftstellers vermiest.

Man könnte vielleicht behaupten, sie habe den Booker Prize für den »falschen« Roman bekommen - was nun in der Geschichte des Preises nichts revolutionär Neues wäre -, aber...
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Autor

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.Gertraude Krueger, geboren 1949, lebt als freie Übersetzerin in Berlin. Zu ihren Übersetzungen gehören u.a. Sketche der Monty-Python-Truppe und Werke von Julian Barnes, Alice Walker, Valerie Wilson Wesley, Jhumpa Lahiri und E.L. Doctorow.Thomas Bodmer, 1951 geboren, lebt als Journalist und Übersetzer in Zürich. Er betreute als Lektor bis 1992 die ersten deutschen Übersetzungen der Werke von Julian Barnes.Alexander Brock ist Professor für englische Sprachwissenschaft und Übersetzer und lebt in Leipzig.Peter Kleinhempel, Jahrgang 1942, lebt in Berlin und übersetzt aus dem Englischen.