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Der deutsche Glaubenskrieg

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.03.2016
Das Buch zum Jubiläum - 500 Jahre Reformation
Die Religion ist zurück. Im positiven Sinn, etwa in Gestalt von Papst Franziskus, der seiner Kirche neue Glaubwürdigkeit erkämpft; im negativen Sinn, wenn Intoleranz und Gewaltherrschaft die Menschenwürde mit Füßen treten. Der Historiker Tillmann Bendikowski nimmt das 500-jährige Jubiläum der Reformation 2017 zum Anlass, die Geschichte des deutschen Glaubenskriegs zwischen Katholiken und Protestanten neu zu erzählen. Er erinnert an die religiös motivierten Kriege, die Deutschland verheerten, an die alltäglichen Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten. Bis heute steht die Frage nach dem 'richtigen' Glauben zwischen den Kirchen in Deutschland. Bendikowski befragt die deutsche Kirchenspaltung mit ihren konkurrierenden Heilsangeboten im Blick auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen: Was können wir aus dieser spezifisch deutschen Geschichte für ein friedliches Miteinander von Religionen lernen?

Dr. Tillmann Bendikowski, geb. 1965, ist Journalist und promovierter Historiker. Als Gründer und Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg schreibt er Beiträge für Printmedien und Hörfunk und betreut die wissenschaftliche Realisierung von Forschungsprojekten und historischen Ausstellungen. Seit 2020 ist er als Kommentator im NDR Fernsehen zu sehen, wo er in der Reihe »DAS! historisch« Geschichte zum Sprechen bringt, und zudem regelmäßiger Gesprächspartner bei Spiegel TV. Bei C.Bertelsmann erschienen zuletzt »Ein Jahr im Mittelalter« (2019), »1870/71: Der Mythos von der deutschen Einheit« (2020) und der Bestseller »Hitlerwetter. Das ganz normale Leben in der Diktatur: Die Deutschen und das Dritte Reich 1938/39« (2022).
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Produkt

KlappentextDas Buch zum Jubiläum - 500 Jahre Reformation
Die Religion ist zurück. Im positiven Sinn, etwa in Gestalt von Papst Franziskus, der seiner Kirche neue Glaubwürdigkeit erkämpft; im negativen Sinn, wenn Intoleranz und Gewaltherrschaft die Menschenwürde mit Füßen treten. Der Historiker Tillmann Bendikowski nimmt das 500-jährige Jubiläum der Reformation 2017 zum Anlass, die Geschichte des deutschen Glaubenskriegs zwischen Katholiken und Protestanten neu zu erzählen. Er erinnert an die religiös motivierten Kriege, die Deutschland verheerten, an die alltäglichen Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten. Bis heute steht die Frage nach dem 'richtigen' Glauben zwischen den Kirchen in Deutschland. Bendikowski befragt die deutsche Kirchenspaltung mit ihren konkurrierenden Heilsangeboten im Blick auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen: Was können wir aus dieser spezifisch deutschen Geschichte für ein friedliches Miteinander von Religionen lernen?

Dr. Tillmann Bendikowski, geb. 1965, ist Journalist und promovierter Historiker. Als Gründer und Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg schreibt er Beiträge für Printmedien und Hörfunk und betreut die wissenschaftliche Realisierung von Forschungsprojekten und historischen Ausstellungen. Seit 2020 ist er als Kommentator im NDR Fernsehen zu sehen, wo er in der Reihe »DAS! historisch« Geschichte zum Sprechen bringt, und zudem regelmäßiger Gesprächspartner bei Spiegel TV. Bei C.Bertelsmann erschienen zuletzt »Ein Jahr im Mittelalter« (2019), »1870/71: Der Mythos von der deutschen Einheit« (2020) und der Bestseller »Hitlerwetter. Das ganz normale Leben in der Diktatur: Die Deutschen und das Dritte Reich 1938/39« (2022).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641182557
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum14.03.2016
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse16551 Kbytes
Illustrationen16 S. Farbbildteil
Artikel-Nr.1869375
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2. Gibt es Frieden zwischen den Religionen?

Das 16. Jahrhundert hatte den Menschen die Reformation gebracht, das 17. Jahrhundert nach der Katastrophe des großen Krieges den Westfälischen Frieden - jetzt stellte sich für das 18. Jahrhundert die Frage, ob es in Deutschland tatsächlich einen Frieden zwischen den Religionen geben konnte. Zwar hörten die Konfessionen nach 1648 nicht auf, sich weiter zu streiten. Katholiken und Protestanten überhäuften sich weiterhin bei unterschiedlichsten Gelegenheiten mit Hohn und Spott, und so sollte auch das 18. Jahrhundert keinen Mangel an Religionsgezänk und konfessioneller Intoleranz kennen. Aber war nun nicht doch alles ganz anders, weil den Konfessionen mit dem Westfälischen Frieden sozusagen »die Waffen aus der Hand« genommen worden waren?1 Weil es jetzt eben keinen »heißen« Krieg mehr gab, sondern nur noch Scharmützel des Alltags, die vielleicht lästig waren, die aber nicht in einen kollektiven Gewaltausbruch mündeten wie noch 1618?

Der Westfälische Friede hatte dokumentiert, wie sehr die Teilung der Gläubigen im Laufe der rund anderthalb Jahrhunderte seit der Reformation zur Grundtatsache deutschen Lebens geworden war. Dieses »Deutschland«, das ja als Reich nur in Umrissen bestand, aber weder religiös noch politisch ein geeintes Land war, stellte nun mehr denn je neue Anforderungen an die Anhänger der Konfessionen und ihre Kirchen. Wenn aus den vielen deutschen Ländern so etwas wie eine Nation werden sollte, eine wie auch immer geartete Einheit mit gemeinsamer staatlicher Ordnung, gemeinsamen Werten und gemeinsamer Kultur - wie konnte man das ohne einen verbindenden Glauben und eine gemeinsame Kirche bewerkstelligen? Wie sollten aus Katholiken und Protestanten also Deutsche werden?

Es mehrten sich Stimmen, denen zufolge man gerade in diesem zerrissenen Reich die Nation als ein verbindendes Prinzip den Konfessionen zumindest ansatzweise überordnen müsse. Theoretisch gab es für dieses deutsche Problem der Nationwerdung bei konfessioneller Zerrissenheit im Wesentlichen zwei Lösungsmöglichkeiten: Entweder die Konfessionskirchen fänden sich zu einer einheitlichen Kirche zusammen (das musste allerdings utopisch erscheinen), oder sie müssten ihren Mitgliedern einen Weg des Neben- und Miteinanders im Zeichen gegenseitiger Toleranz weisen.

Waren die Kirchen zu einer solchen Entwicklung fähig und willens? Das eigentliche Problem war ja seit der Reformation ungelöst. Alle Kirchen vertraten unterschiedslos die ehrlich auch so empfundene Überzeugung, allein im Besitz der Wahrheit zu sein. Und jede von der eigenen Überzeugung abweichende Glaubensaussage einer anderen Kirche hielt man deshalb für einen gefährlichen Irrtum, der bekämpft werden musste, weil er die vermeintliche, nämlich die eigene Wahrheit gefährdete. Es existierte nur die eine Wahrheit, dazwischen gab es keinen Mittelweg.2 Das war seit der Reformation so, und mit diesem Absolutheitsanspruch begegneten sich Katholiken, Lutheraner und Reformierte in Deutschland auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts.

Übrigens erschwerten ja nicht nur die Kirchen den Weg zu einer wie auch immer gearteten Lösung des konfessionellen Dauerkonflikts, auch die zahlreichen Landesherren des deutschen »Flickenteppichs« waren involviert und agierten in dieser Frage mal mehr, mal weniger friedensstiftend. Wer von ihnen wollte, verstand die Maxime »cuius regio, eius religio« als Chance. Je homogener die eigene Bevölkerung in konfessioneller Hinsicht war, desto seltener kam es mit Andersgläubigen zu Konflikten. Andererseits konnte der Landesherr eine abweichende Entscheidung eines Untertanen auch als Verstoß gegen seine moralische Autorität als Landesvater interpretieren. Warum folgten ihm bestimmte Untertanen bei der Frage des Glaubens gegebenenfalls nicht? Musste er dieses Verhalten nicht als Misstrauensvotum verstehen? Weshalb sollte er sich diesen Abweichlern gegenüber tolerant zeigen und ihnen womöglich die gleichen Rechte zugestehen wie den gehorsamen Anhängern der eigenen Religion?

Noch herrschte ja die Vorstellung, dass Religion(szugehörigkeit) eine wesentliche Grundlage für den inneren Frieden eines Landes darstellte. Der Andersgläubige musste deshalb prinzipiell als potenzieller Friedensstörer erscheinen. »Religiöse Abweichler wurden überall als üble Subjekte empfunden«, kommentierte der französische Historiker René Rémond mit Blick auf den europäischen Kontinent jener Zeit. »Ihr hartnäckiges Verharren im Irrtum bot dem Herrscher Grund zum Kummer und zum Zweifel an ihrer Ergebenheit.« Weil es diesen Abweichlern offensichtlich aufgrund ihrer religiösen Untreue an Treue zu Land und Herrscher mangelte (man könnte auch hinzusetzen: an nationalem Bewusstsein und an Zuverlässigkeit), war es einleuchtend, dass sie nicht die gleichen Rechte genossen wie die anderen.3

Zugleich waren es die Landesherren, die sich am leichtesten über die Konfessionsgrenzen hinwegsetzen konnten - nämlich dann, wenn es ihnen für das Wohl des eigenen Staates angemessen erschien. Das wurde dann der Idee von der Reinheit des konfessionellen Gedankens übergeordnet. Daraus resultierte eine in Deutschland wie im übrigen Europa praktizierte Aufnahme von Religionsflüchtlingen, die man aus heutiger Perspektive als intelligente Einwanderungspolitik bezeichnen würde.4 So hatte beispielsweise Friedrich Wilhelm, der »Große Kurfürst« von Brandenburg (der selbst dem reformierten Glauben anhing, während der Großteil seiner Untertanen lutherisch war), mit dem von ihm erlassenen Edikt von Potsdam 1685 Tausende von Hugenotten in seinem Land aufgenommen. Diese calvinistischen Glaubensbrüder waren vor Verfolgung aus Frankreich geflohen. Im lutherischen Brandenburg gewährte man ihnen Privilegien, damit sie als finanzstarke Neubürger den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes nach dem Dreißigjährigen Krieg maßgeblich stützten. Das Modell war schließlich so erfolgreich, dass um 1700 jeder vierte Einwohner Berlins ein Hugenotte war. Der Landesherr nahm also gegen die konfessionelle Mehrheit das Anwachsen einer anderen Konfession gern in Kauf, weil ihm die ökonomische Stärkung des Landes wichtiger war als die Vermeidung neuer konfessioneller Konflikte.

Solche Entscheidungen erschienen trotz ihres machtpolitischen Kalküls schon damals als Zeichen der Toleranz - weshalb das genannte Edikt von Potsdam auch schlicht als »Toleranzedikt« bezeichnet wurde. Toleranz wurde nun wichtiger Bestandteil der Aufklärung, und die religiöse Toleranz im Besonderen schien vielen geradezu ein Gebot der Stunde zu sein: Toleranz der Landesherren gegenüber andersgläubigen Untertanen, aber auch gegenseitige Toleranz von Katholiken, Lutheranern und Reformierten, die sich tagtäglich auf deutschen Straßen und Plätzen trafen, die sich Städte, Dörfer und zuweilen sogar Kirchen teilten. Der Andersgläubige war nicht mehr zu vertreiben - sollte da Toleranz ihm gegenüber nicht die Lösung sein?

Eine Frage der Toleranz

In konfessioneller Hinsicht lebte es sich im 18. Jahrhundert in Deutschland vielfach besser als in manch anderem europäischen Land. Die staatliche Verfolgung einer Glaubensgruppe durch den Staat oder ihre Ausweisung waren hierzulande unbekannt, während entsprechende Nachrichten aus den Nachbarländern für Empörung sorgten. Im österreichischen Schlesien sahen sich die Gemeinden schon lange einem wachsenden katholischen Glaubensdruck ausgesetzt, vor allem der Jesuitenorden mit seiner Missionstätigkeit wirkte hier verschärfend auf das Klima zwischen den Glaubensgruppen. Auch aus Frankreich gab es entsprechende Berichte. Die erwähnte Verfolgung der französischen Hugenotten nach der Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. im Jahr 1685 bedeutete, dass bis zu 200 000 Menschen das Land verließen.

Und 1731 sorgte eine spektakuläre Ausweisung von Protestanten für Empörung: Die Salzburger und Berchtesgadener Lutheraner wurden vom dortigen Erzbischof Opfer mit einem sogenannten Emigrationspatent verfolgt. Ausgerechnet am 31. Oktober - dem Reformationstag - ließ er verkünden, dass alle Protestanten, die sich nicht wieder zum Katholizismus bekehren lassen wollten, als »Rebellen und Friedensstörer« binnen einer Woche das Land zu verlassen hätten. Damit löste der Erzbischof in Deutschland die bis zum Ersten Weltkrieg größte organisierte Emigrationswelle aus, bei der etwa 20 000 Protestanten in sieben Abteilungen ihre Heimat verließen. Der Hauptteil zog nach Hannoversch Münden und weiter über Thüringen, Brandenburg, West- und Ostpreußen bis nach Litauen, einige wanderten nach Nordamerika aus.5

Glaubensflüchtlinge waren in Europa und durch ihre Zuwanderung nach Deutschland also eine geläufige Erscheinung. Und sie veränderten das Leben in einigen deutschen Regionen. Die protestantischen Glaubensflüchtlinge aus den österreichischen Territorien zogen vor allem nach Franken und Schwaben, die protestantischen Böhmen siedelten sich in Sachsen und der Oberlausitz an, im Elsass und in Baden wurden ehemalige Schweizer heimisch. Die Hugenotten aus Frankreich, aber auch aus der Schweiz und den Niederlanden waren dem brandenburgischen Herrscherhaus außerordentlich willkommen, ging ihnen doch der Ruf besonderer wirtschaftlicher und kultureller Leistungsfähigkeit voraus. Tatsächlich war diese preußische Einwanderungspolitik für das Land in wirtschaftlicher Hinsicht bereits mittelfristig erfolgreich, wenngleich die Zuwanderer in der Regel Angehörige der Mittel- und der Unterschicht waren und es bei ihrer Eingliederung im Alltag immer wieder zu Reibereien mit den...

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Autor

Dr. Tillmann Bendikowski, geb. 1965, ist Journalist und promovierter Historiker. Als Gründer und Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg schreibt er Beiträge für Printmedien und Hörfunk und betreut die wissenschaftliche Realisierung von Forschungsprojekten und historischen Ausstellungen. Seit 2020 ist er als Kommentator im NDR Fernsehen zu sehen, wo er in der Reihe »DAS! historisch« Geschichte zum Sprechen bringt, und zudem regelmäßiger Gesprächspartner bei Spiegel TV. Bei C.Bertelsmann erschienen zuletzt »Ein Jahr im Mittelalter« (2019), »1870/71: Der Mythos von der deutschen Einheit« (2020) und der Bestseller »Hitlerwetter. Das ganz normale Leben in der Diktatur: Die Deutschen und das Dritte Reich 1938/39« (2022).