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Im Herzen das Meer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.03.2016
Erste Liebe, zweite Chance - vom Finden und Verlieren der Liebe und vom Mut, den es kostet, zu verzeihen
Nach Jahren in Übersee lebt Lumme Hansen seit Kurzem wieder in ihrer alten Heimat - einer kleinen Insel mitten in der Nordsee. Dort leitet die Meeresbiologin das Inselaquarium und steht ihrem betagten Vater zur Seite. Als ein seltenes Seepferdchen vor der Küste gefunden wird, brechen turbulente Zeiten an. Auf einmal findet Lumme sich im Kampf um die Zukunft der Insel wieder - und steht einem Mann gegenüber, den sie eigentlich nie wiedersehen wollte ...

Karen Bojsen ist das Pseudonym der Hamburger Autorin und DELIA-Preisträgerin Katrin Burseg. Sie studierte Literatur und Kunstgeschichte in Kiel und Rom, bevor sie als Journalistin arbeitete. Hamburg ist ihr Sehnsuchtsort, sie lebt mit ihrer Familie im Herzen der Stadt.
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Produkt

KlappentextErste Liebe, zweite Chance - vom Finden und Verlieren der Liebe und vom Mut, den es kostet, zu verzeihen
Nach Jahren in Übersee lebt Lumme Hansen seit Kurzem wieder in ihrer alten Heimat - einer kleinen Insel mitten in der Nordsee. Dort leitet die Meeresbiologin das Inselaquarium und steht ihrem betagten Vater zur Seite. Als ein seltenes Seepferdchen vor der Küste gefunden wird, brechen turbulente Zeiten an. Auf einmal findet Lumme sich im Kampf um die Zukunft der Insel wieder - und steht einem Mann gegenüber, den sie eigentlich nie wiedersehen wollte ...

Karen Bojsen ist das Pseudonym der Hamburger Autorin und DELIA-Preisträgerin Katrin Burseg. Sie studierte Literatur und Kunstgeschichte in Kiel und Rom, bevor sie als Journalistin arbeitete. Hamburg ist ihr Sehnsuchtsort, sie lebt mit ihrer Familie im Herzen der Stadt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641184711
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum08.03.2016
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1067 Kbytes
Artikel-Nr.1869405
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins

Immer sind Inseln Orte der Sehnsucht. Nah und fern zugleich. Und das Meer? Es schweigt wohl nie.

An diesem Morgen klang sein Wellenschlag ungeduldig, ja fast zornig, nach aufgestauter Wut und noch mehr Wind. Der Himmel war grau, schiefergrau. Es würde regnen. Nicht sofort, aber noch vor dem Mittag.

Versunken, die Arme vor der Brust verschränkt, stand Lumme am Fenster ihres Büros und lauschte dem Auf und Ab der Brandung. Erst als das Funkgerät in ihrem Rücken summte, zwang sie sich, auf den Schreibtisch zu blicken. Ihr Arbeitsplatz sah aus, als wäre ein Orkantief darüber hinweggefegt. Windstärke zwölf, schwerste Verwüstung. Adrenalin flutete ihren Körper. Wo war die Liste mit den Bestellungen? Hektisch schob sie Kaffeebecher und Wassergläser zur Seite und wühlte sich durch einen Stapel mit Notizen und Unterlagen. Ein Armvoll Pläne und Zeichnungen rutschte vom Tisch und flatterte seufzend zu Boden. »Lumme Hansen«, wisperte es in ihrem Kopf, »du musst unbedingt aufräumen.«

»Bist du so weit?«

Die Stimme ihres Kollegen schwappte aus dem Funkgerät. Henning Krüss befand sich mit dem Boot des Inselaquariums einige Seemeilen vor der Küste. Im Felswatt fischte er nach Pflanzen und Tieren, die das kleine Biologische Institut zu Forschungszwecken in alle Welt versandte: Algen, Krebse, Muscheln und die ebenso robusten wie widerspenstigen Borstenwürmer.

»Hab´s gleich, Henning.«

Da war die Liste. Lumme atmete aus, sie hob den Blick und sah wieder über die kabbelige See. Die meisten Menschen betrachteten das Meer wie ein Gemälde. Sehnsuchtsvolles Blau, die hellen Spritzer der Gischt wie mit dem Pinsel hineingetupft. Und darüber: der weite Himmel, die vom Westwind getriebenen Wolken, der Segelflug der Möwen. Doch für Lumme war da mehr als Postkartenromantik. Dort vor ihrem Fenster lag das, was sie einmal als die Liebe ihres Lebens bezeichnet hatte.

»Kannst loslegen!«

»Aye aye«, spottete Henning, er kannte das Durcheinander in ihrem Büro. Trotz der Entfernung war er so deutlich zu verstehen, als stünde er direkt neben ihr. »Ich hatte dir doch einen Ordner angelegt.«

»Ja, ja ...« Lumme wedelte ungeduldig mit den Händen und ließ sich in ihren Stuhl fallen. Sie konnte das Grinsen auf Hennings friesischem Jungengesicht förmlich sehen. »Komm schon, wir haben nicht ewig Zeit.«

»Amphipoda«, begann Henning mit dem Abgleich der Bestellungen, »Cumacea, Decapoda, Mysis mixta ...«

Lumme lehnte sich zurück. Der vertraute Klang der lateinischen Gattungsnamen erzeugte ein Glücksgefühl in ihrem Inneren. Eine heitere Welle, die sie durchströmte. Jeder Tropfen Meerwasser war ein Universum für sich, und die Ozeane beherbergten die wundersamsten Kreaturen. Urzeitliche Korallen, leuchtende Quallen, riesenäugige Kalmaren von der Größe eines Fischerbootes. Und die Schulen der geselligen Wale ... Eine unfassbare Vielfalt, mehr als eine Million Arten. Dabei war noch nicht einmal ein Bruchteil der Weltmeere erforscht. Der Mensch kannte sich auf dem Mond besser aus als auf dem Meeresboden. Und jeden Tag entdeckte man neue Arten.

»Bist du noch da, Lumme?«

Hennings Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie überflog noch einmal ihre Liste.

»Wir brauchen noch zehn Portionen Plankton - und Meerwasser aus dem Tangwald. Kannst du fünfzig Liter mitbringen?«

»Mach ich. Bin in einer Stunde im Hafen. Over.«

Lumme sah auf ihre Uhr. Es war noch früh, acht Uhr dreißig. Ein zweites, kleineres Zifferblatt zeigte die Uhrzeit in San Diego an. Am Pazifik war es jetzt Nacht: ein Uhr dreißig. Todd war gerade zu Bett gegangen, während Josh, ihr zwölfjähriger Sohn, schon lange schlief. Ihr Mann hatte ihr die schwere Uhr zum Abschied geschenkt. Wasserdicht, bis hinunter in die lichtlosen Abgründe der Tiefsee. »Wir warten auf dich«, hatte er gesagt, mehr Feststellung als Versprechen. »Egal, wie lange das da drüben dauert.«

»Das da drüben«, das war die Insel. Ein schroffer Felsen, ein wenig Sand, mitten in der Nordsee. Ihre Heimat, hier war sie vor achtunddreißig Jahren zur Welt gekommen. Eine echte Insulanerin! Vor einem halben Jahr war ihre Mutter gestorben, und als sie zur Beerdigung herübergeflogen war, hatte man ihr noch beim Leichenschmaus die Leitung des Inselaquariums angeboten. Kommissarisch, für ein Jahr.

Lumme hatte gezögert, aber dann hatte sie doch nicht Nein sagen können. Zum einen, weil sie sich um ihren Vater sorgte. Und weil dieser Job eine Chance war, wieder in ihren Beruf einzusteigen. Schließlich hatte sie nicht Meeresbiologie studiert, um als Pinguinpflegerin im Sea Water Parc von San Diego zu enden. Humboldtpinguine, ausgerechnet.

Todd hatte sie gehen lassen. Aber er hatte ihr prophezeit, dass sie nicht länger als ein halbes Jahr durchhalten würde. »Du wirst die Sonne vermissen«, hatte er gesagt, sein breites Surfergrinsen im Gesicht. Kannte er sie so wenig?

Das hatte sie angespornt. Und tatsächlich hatte Lumme dem kalifornischen Wohlfühlwetter bislang keine Sekunde nachgetrauert, obwohl ein atlantischer Tiefausläufer nach dem anderen über die Insel jagte und sie mit den schweren Cumuluswolken längst wieder per Du war. Die ersten drei Monate waren bereits geschafft.

Lumme bückte sich und sammelte die Pläne auf, die von ihrem Schreibtisch gerutscht waren. Das Inselaquarium, ein schmuckloser Bau aus Backstein und Beton, stammte aus den Fünfzigerjahren, und seine technischen Anlagen waren hoffnungslos veraltet. Im Herbst des vergangenen Jahres hatte die Landesregierung eine Förderung zum Umbau des Aquariums bewilligt. Die Pläne zeigten, was hier entstehen sollte: großzügige moderne Becken und Schauräume mit interaktiven Elementen - ein Naturerlebnis- und Forschungszentrum. Kein Disney World der Nordsee, aber ein Schaufenster zur Unterwasserwelt, ein Leuchtturmprojekt der Meeresforschung, so versprach es jedenfalls der Prospekt. Die Bauarbeiten sollten im Herbst beginnen.

Während Lumme die Pläne an einer Magnetwand befestigte, fiel ihr Blick auf einen Schnappschuss, den sie dort bei ihrem Einzug angepinnt hatte: Todd und Josh, ihre beiden Männer, beim Basketballspiel im Garten ihres Hauses in Del Mar. Josh schien fast schwerelos durch die Luft zu schweben, der Ball berührte den Ring des Korbes, während sein Vater noch versuchte, den Treffer abzuwehren. Josh grinste in die Kamera; es war fast unheimlich, wie sehr er seinem Vater inzwischen ähnelte. Das gleiche verwaschene Blond, der gleiche selbstbewusste Blick, die athletische Statur. Doch während Lumme ihren Sohn fast körperlich vermisste, waren ihre Gefühle für Todd weniger stark. Sie dachte an ihn, aber er fehlte ihr nicht. Die Leidenschaft ihrer Anfangsjahre war in einem Mix aus Alltag und Gewohnheit versandet. Eine vage Enttäuschung, die sie wohl beide spürten, aber nicht thematisierten, überlagerte das, was einmal ein Abenteuer gewesen war. Sie waren beide Verdränger, dachte Lumme nun, die nicht ansprachen, was sie doch nicht ändern konnten.

»Lumme?« Hennings Stimme drang wieder aus dem Funkgerät. Sie konnte seinen Atem hören, schnell und flach. Kaum zu glauben, dass seine Stimme via Satellit zu ihr kam. »Bist du noch da, Lumme?«

»Ja, ich kann dich hören. Was gibt´s?«

Lumme drehte sich um und starrte auf den Kasten des Funkgeräts, der wie ein Laptop aussah. Henning klang aufgeregt, als hätte er etwas Besonderes hochgezogen. Einen uralten Hummer vielleicht oder einen Katzenhai.

»Halt dich fest!«

»Ja?« Lumme schmunzelte, Henning klang wie ein Zirkusdirektor, nach Trommelwirbel und Scheinwerferlicht.

Henning atmete hörbar aus. »Hippocampus hippocampus«, sagte er, ein kindliches Staunen in der Stimme. »Wunderschön und quicklebendig.«

»Ein Seepferdchen?« Lumme schüttelte ungläubig den Kopf, dann ließ sie sich rückwärts auf ihren Bürostuhl fallen. »Du spinnst!«

»Nein, nein.« Henning platzte fast vor Stolz, sein Lachen rollte zu ihr herüber. »Ein Kurzschnäuziges Seepferdchen. Soweit ich weiß, ist seit mehr als dreißig Jahren keines mehr in der Nordsee aufgetaucht.«

»Das gibt´s doch nicht!«

Lumme spürte, wie sich ein Kribbeln in ihrem Körper ausbreitete. Ein Gefühl wie von einer Million Luftbläschen, die durch ihre Adern sausten. Ihr Herz schaukelte wie verrückt. Sie sah auf das Poster mit bedrohten Meerestieren, das links neben ihrem Schreibtisch an der Wand hing.

»Wo steckst du genau?«

»Im Tangwald, kurz vor der westlichen Kardinaltonne.« Henning nannte ihr seine Koordinaten.

Lumme zog das Fernglas von der Fensterbank und suchte die Wasserlinie ab. »Meinst du, da sind noch mehr?«, fragte sie.

»Kann gut sein.«

Lumme schwieg. Die unterschiedlichsten Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Da draußen, rund zwanzig Seemeilen vor der Insel, sollten im kommenden Jahr die Bauarbeiten für einen gigantischen Windpark beginnen. Mehr als hundert Turbinen, ein monströser Wald aus Beton und glasfaserverstärktem Kunststoff. Und eine tödliche Gefahr für Schweinswale, Seetaucher und Zugvögel. Eine Gruppe von Naturschützern kämpfte vor Gericht immer noch gegen die Genehmigung. Und dieses Seepferdchen ...

»Soll ich es fotografieren und wieder runterlassen?«

»Nein, bloß nicht!« Lumme schnappte nach Luft und versuchte, die zappelnden Gedanken in ihrem Kopf einzufangen. »Bring es mit. Ich hol dich am Hafen ab - okay?«

»Du meinst ...«

»Hast du mich verstanden?«

»Ja,...

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Autor

Karen Bojsen ist das Pseudonym der Hamburger Autorin und DELIA-Preisträgerin Katrin Burseg. Sie studierte Literatur und Kunstgeschichte in Kiel und Rom, bevor sie als Journalistin arbeitete. Hamburg ist ihr Sehnsuchtsort, sie lebt mit ihrer Familie im Herzen der Stadt.
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Bojsen, Karen