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Ihr letzter Sommer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
HarperCollinserschienen am15.08.20161. Auflage
Im Sommer 2003 verschwindet die 16-jährige Rebecca Winter spurlos. Elf Jahre später greift die Polizei eine Rumtreiberin auf, die behauptet, Rebecca zu sein - und der Gesuchten tatsächlich so täuschend ähnlich sieht, dass deren Familie sie mit offenen Armen aufnimmt. Die vermeintliche verlorene Tochter genießt die ungewohnte Zuwendung und schlüpft in Rebeccas Kleider und Leben. Doch je mehr sie sich mit ihrer Rolle identifiziert, desto tiefer dringt sie in Rebeccas Welt vor. Und kommt der tödlichen Wahrheit um ihr Verschwinden immer näher ...
'Geschickt springt Autorin Anna Snoekstra in diesem abgründigen Psychothriller zwischen den Zeitebenen und Perspektiven hin und her und treibt die Spannung damit auf die Spitze.' - Buchjournal


Anna Snoekstra, Jahrgang 1988, wuchs in Canberra auf und zog mit 18 Jahren nach Melbourne, wo sie Film und Creative Writing studierte. Sie hat mehrere Kurzfilme und Musikvideos gedreht, bevor sie sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Ihre Geschichten sind in zahlreichen Literaturmagazinen erschienen; die Erzählung 'Greyfields' schaffte es auf die Shortlist für den renommierten 'Viva La Novella'-Preis 2014. Ihre Lieblingsautoren sind Joyce Carol Oates und Susan E. Hinton, ihr Lieblingszitat stammt von Charles Bukowski: 'Finde, was du liebst, und lass es dich töten'.
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Produkt

KlappentextIm Sommer 2003 verschwindet die 16-jährige Rebecca Winter spurlos. Elf Jahre später greift die Polizei eine Rumtreiberin auf, die behauptet, Rebecca zu sein - und der Gesuchten tatsächlich so täuschend ähnlich sieht, dass deren Familie sie mit offenen Armen aufnimmt. Die vermeintliche verlorene Tochter genießt die ungewohnte Zuwendung und schlüpft in Rebeccas Kleider und Leben. Doch je mehr sie sich mit ihrer Rolle identifiziert, desto tiefer dringt sie in Rebeccas Welt vor. Und kommt der tödlichen Wahrheit um ihr Verschwinden immer näher ...
'Geschickt springt Autorin Anna Snoekstra in diesem abgründigen Psychothriller zwischen den Zeitebenen und Perspektiven hin und her und treibt die Spannung damit auf die Spitze.' - Buchjournal


Anna Snoekstra, Jahrgang 1988, wuchs in Canberra auf und zog mit 18 Jahren nach Melbourne, wo sie Film und Creative Writing studierte. Sie hat mehrere Kurzfilme und Musikvideos gedreht, bevor sie sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Ihre Geschichten sind in zahlreichen Literaturmagazinen erschienen; die Erzählung 'Greyfields' schaffte es auf die Shortlist für den renommierten 'Viva La Novella'-Preis 2014. Ihre Lieblingsautoren sind Joyce Carol Oates und Susan E. Hinton, ihr Lieblingszitat stammt von Charles Bukowski: 'Finde, was du liebst, und lass es dich töten'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959679640
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.08.2016
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1870273
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
ERSTES KAPITEL
2014

Mit gesenktem Kopf sitze ich in einem Verhörraum und ziehe fest die Jacke zu. Kalt hier drin. Ich warte schon fast eine Stunde, mache mir aber keine Sorgen. Bestimmt habe ich für ganz schönen Aufruhr auf der anderen Seite dieses Spiegels gesorgt. Wahrscheinlich telefonieren die grade mit dem Vermisstendezernat, suchen Fotos von Rebecca raus und gleichen sie penibelst mit mir ab. Das dürfte sie überzeugen - die Ähnlichkeit ist verblüffend.

Mir ist sie vor ein paar Monaten aufgefallen. Ich hatte mich mit Peter zu Hause eingeigelt. Normalerweise werde ich von einem Kater immer depri, verkrieche mich den ganzen Tag in meinem Zimmer und höre traurige Musik. Aber nicht mit Peter. Wir schliefen bis mittags und hingen dann einfach auf der Couch ab, aßen Pizza und rauchten Zigaretten, bis es uns besser ging. Damals glaubte ich noch, das Geld meiner Eltern spiele keine Rolle und ich bräuchte zum Leben nichts als Liebe.

Irgendwann lief so eine Trashsendung namens Wanted, in der über eine grausige Mordserie in einem Altersheim berichtet wurde, im Holden Valley Aged Care in Melbourne. Ich suchte nach der Fernbedienung. Abgeschlachtete Omas heben schließlich nicht unbedingt die Laune. Gerade als ich umschalten wollte, fing die nächste Story an und ein Foto von einem Mädchen wurde eingeblendet. Sie hatte meine Nase, meine Augen, mein kupferrotes Haar. Sogar meine Sommersprossen hatte sie.

Am 17. Januar 2003 kam Rebecca Winter von der Spätschicht bei McDonald s in Manuka, einem Vorort im Norden von Canberra , kommentierte eine dramatische Männerstimme. Doch irgendwo auf dem Weg von der Bushaltestelle nach Hause ist sie verschwunden und wurde nie wieder gesehen.

Scheiße, bist das du? , fragte Peter.

Die Eltern des Mädchens erzählten, ihre Tochter werde nun schon seit über einem Jahrzehnt vermisst, sie hätten die Hoffnung aber nicht aufgegeben. Die Frau schien den Tränen nahe. Noch ein Foto: Rebecca Winter in einem hellgrünen Kleid, den Arm um eine Blondine in ihrem Alter gelegt. Einen bescheuerten Moment lang fragte ich mich, ob ich irgendwann mal so ein Kleid gehabt hatte.

Ein Familienporträt: die dreißig Jahre jünger wirkenden Eltern, zwei grinsende Brüder, in der Mitte Rebecca. Idyllisch. Fehlte nur noch der weiße Gartenzaun im Hintergrund.

Fuck, ist das deine verschollene Zwillingsschwester oder so?

Hättest du wohl gern!

Wir machten Witze über Peters abartige Zwillingsfantasien und er vergaß die Sache bald. In Peters Kopf hielt sich nie irgendwas sehr lange.

Ich versuche, mich an so viele Einzelheiten wie möglich aus der Sendung zu erinnern. Rebecca kam aus Canberra, verschwand mit fünfzehn, sechzehn Jahren. Nun kam mir mein verschrammtes und geschwollenes Gesicht doch zugute: Die kleinen Unterschiede zwischen uns waren dadurch gut maskiert. Bis das abgeheilt ist, bin ich längst über alle Berge. Ich muss nur genügend Zeit gewinnen, um es aus dem Revier zu schaffen - und weiter zum Flughafen vielleicht. Kurz drängt sich die Frage auf, was ich dann tun soll. Dad anrufen? Seit ich gegangen bin, habe ich kein Wort mit ihm gesprochen. Ein paarmal stand ich in einer Telefonzelle, hatte sogar schon seine Handynummer gewählt. Doch dann hallte mir plötzlich das abscheuliche Geräusch einer weichen Masse durch den Kopf, die mit Wucht auf Metall kracht, und ich hängte mit zitternden Händen den Hörer ein. Er will garantiert nicht mit mir sprechen.

Die Tür geht auf und die Polizistin steckt lächelnd den Kopf durch den Spalt.

Dauert nicht mehr lange. Möchtest du vielleicht was essen?

Ja, gern.

Der Anflug von Scham in der Stimme. Die Art, wie sie mich ansieht, bevor sie schnell den Blick abwendet.

Sie haben s geschluckt, bis auf den letzten Krümel.

Die Polizistin bringt mir eine Portion dampfend heißer Nudeln vom Asia-Imbiss nebenan. Ölig sind die und ein bisschen schleimig, aber ich weiß nicht, ob mir schon mal irgendwas so gut geschmeckt hat. Schließlich betritt ein Detective den Raum. Er wirft eine Akte auf den Tisch und zieht sich einen Stuhl ran. Brutal sieht er aus, hat kleine Augen und einen dicken Hals. An der Art, wie er sich hinsetzt, erkenne ich, dass sein Ego mein bester Trumpf ist. Er scheint sich so breit machen zu wollen, wie er nur kann, legt den Arm über den Stuhl neben sich und spreizt die Beine. Über den Tisch hinweg lächelt er mich an.

Tut mir leid, dass das so lange dauert.

Schon okay , antworte ich, die Augen groß, die Stimme klein. Ganz leicht drehe ich den Kopf, damit er die Blessuren auch gut sieht.

Wir bringen Sie gleich ins Krankenhaus, ja?

Es tut nicht weh, ich will nur nach Hause.

Ist Vorschrift. Wir haben bei Ihren Eltern angerufen, aber bisher ging keiner ran.

Ich stelle mir vor, wie in Rebecca Winters leerem Haus das Telefon klingelt. Vermutlich besser so. Ihre Eltern würden alles nur verkomplizieren. Der Detective deutet mein Schweigen als Enttäuschung.

Keine Sorge, wir erreichen sie sicher bald. Sie müssen herkommen, für die Identifizierung. Dann könnt ihr zusammen nach Hause.

Das fehlte mir grade noch, vor einem Haufen Cops als Hochstaplerin entlarvt zu werden. Meine Zuversicht schwindet. Ich muss das verhindern.

Mit hängendem Kopf murmle ich: Ich will einfach nur heim.

Ich weiß, das können Sie ja bald. Als tätschelte er mir mit Worten den Kopf. Hat s denn geschmeckt? Er blickt auf die leere Nudelschachtel.

Ja, sehr lecker. Sie sind alle so nett zu mir , sage ich, immer noch ganz das verschüchterte Opfer.

Er öffnet den Umschlag. Rebecca Winters Akte. Zeit fürs Verhör. Meine Augen huschen über die erste Seite.

Verraten Sie mir Ihren Namen?

Rebecca. Ich halte den Blick gesenkt.

Und wo haben Sie so lange gesteckt, Rebecca? , fragt er und beugt sich vor, um mich zu verstehen.

Ich weiß nicht , flüstere ich. Ich hatte solche Angst.

War da noch jemand? Andere Gefangene?

Nein. Bloß ich.

Er beugt sich noch weiter vor, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt ist.

Sie haben mich gerettet , sage ich und blicke ihm direkt in die Augen. Danke.

Ihm schwillt die Brust. Canberra ist bloß drei Stunden entfernt. Nur noch ein kleiner Schubs. Jetzt, wo er sich wie der große Held vorkommt, wird er nicht Nein sagen können. Meine einzige Chance, hier rauszukommen.

Bitte, darf ich nach Hause?

Wir müssen Sie wirklich erst vernehmen und zur Untersuchung ins Krankenhaus bringen. Das ist wichtig.

Geht das nicht auch in Canberra?

Ich lasse die Tränen raus. Männer ertragen nicht, wenn Mädchen weinen. Irgendwie ist ihnen das unangenehm.

Wir bringen Sie ja bald nach Canberra, aber wir müssen uns an die Vorschriften halten, okay?

Aber Sie sind doch hier der Chef, oder? Wenn Sie sagen, dass ich gehen darf, dann müssen die Ihnen gehorchen. Ich will einfach nur zu meiner Mom.

Na gut. Er springt vom Stuhl auf. Nicht weinen. Ich sehe mal, was ich tun kann.

Kurz darauf kommt er zurück und sagt, er habe alles für mich geregelt. Die Cops, die mich eingesackt haben, sollen mich nach Canberra fahren. Dort übernimmt der Detective von der Abteilung für Vermisstenfälle, der für Rebecca Winters Fall zuständig war. Ich nicke und lächle, blicke zu ihm auf, als wäre er mein neuer Held.

Canberra werde ich nie erreichen. Ein Flughafen wäre leichter, aber irgendwie entwische ich denen schon. Jetzt, wo sie mich als Opfer sehen, wird das nicht schwer.

Als wir aus dem Verhörraum kommen, drehen sich alle nach mir um. Eine Frau hat einen Hörer am Ohr.

Da kommt sie grade, ich frage mal. Die Frau drückt sich den Hörer an die Brust und blickt den Detective an. Mrs. Winter ist dran, wir haben sie endlich erwischt. Sie möchte Rebecca sprechen, geht das?

Na klar , sagt der Detective und lächelt mich an.

Die Frau streckt mir den Hörer hin und ich blicke mich um. Niemand sieht her, aber ich weiß, dass sie zuhören. Ich greife nach dem Hörer.

Hallo?

Bist du das, Becky?

Ich öffne den Mund, muss irgendwas sagen, habe aber keinen blassen Schimmer, was. Da redet die Mutter einfach selbst drauflos.

O Liebling, Gott sei Dank! Ich kann s noch gar nicht fassen. Geht s dir gut? Die behaupten, es geht dir gut, aber ich glaube es nicht. Ich hab dich so furchtbar lieb. Geht es dir gut?

Ich bin okay.

Bleib, wo du bist, dein Vater und ich holen dich ab.

Verdammt.

Wir sind schon auf dem Sprung , sage ich fast flüsternd. Sie soll nicht merken, dass meine Stimme völlig anders klingt.

Nein, bitte, geh nicht vor die Tür. Bleib in Sicherheit.

So geht s schneller, ist alles schon geregelt.

Ich höre sie schlucken, dick und schwer.

Wir brauchen nicht lang. Sie klingt erstickt.

Ich muss los , sage ich und dann, mit einem Blick auf die gespitzten Ohren um mich herum: Bis gleich, Mom.

Ihr Schluchzen dringt noch aus dem Hörer, als ich ihn zurückgebe.

Der letzte Rest Abendsonne ist verglüht, der Himmel blassgrau. Nach etwa einer Stunde Fahrt ist uns der Gesprächsstoff ausgegangen. Die Cops juckt es offensichtlich in den Fingern, mich zu fragen, wo ich so lange war, doch sie halten sich zurück.

Zum Glück. Sehr wahrscheinlich haben sie eine viel bessere Vorstellung als ich davon, wo Rebecca Winter das letzte Jahrzehnt verbracht...
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Autor

Anna Snoekstra, Jahrgang 1988, wuchs in Canberra auf und zog mit 18 Jahren nach Melbourne, wo sie Film und Creative Writing studierte. Sie hat mehrere Kurzfilme und Musikvideos gedreht, bevor sie sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Ihre Geschichten sind in zahlreichen Literaturmagazinen erschienen; die Erzählung "Greyfields" schaffte es auf die Shortlist für den renommierten "Viva La Novella"-Preis 2014. Ihre Lieblingsautoren sind Joyce Carol Oates und Susan E. Hinton, ihr Lieblingszitat stammt von Charles Bukowski: "Finde, was du liebst, und lass es dich töten".