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Inspektor Jury steht im Regen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am02.02.2016
Devon, ein verregnetes Waldstück an der Landstraße: Eine junge Anhalterin wird tot aufgefunden, erdrosselt - mit ihrem eigenen Halstuch. Ein knappes Jahr später wird in einem vornehmen Londoner Stadtviertel eine weitere Frauenleiche entdeckt. Wieder ist es eine Regennacht, wieder ist ein Halstuch die Mordwaffe. Alle Spuren führen ins Nichts - bis zwei völlig verschreckte Jungen bei Inspektor Jury vorsprechen ...

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.
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Produkt

KlappentextDevon, ein verregnetes Waldstück an der Landstraße: Eine junge Anhalterin wird tot aufgefunden, erdrosselt - mit ihrem eigenen Halstuch. Ein knappes Jahr später wird in einem vornehmen Londoner Stadtviertel eine weitere Frauenleiche entdeckt. Wieder ist es eine Regennacht, wieder ist ein Halstuch die Mordwaffe. Alle Spuren führen ins Nichts - bis zwei völlig verschreckte Jungen bei Inspektor Jury vorsprechen ...

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641188368
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum02.02.2016
SpracheDeutsch
Dateigrösse3695 Kbytes
Artikel-Nr.1884457
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

FEBRUAR

 


Die Scheinwerfer des Wagens drangen durch Regen und Nebel und erfassten sie; sie stand etwa hundert Meter vom Café entfernt am Straßenrand. Der Rucksack lag neben ihr auf dem Boden.

Einmal, als der Lastwagen, in den sie zuletzt eingestiegen war, die A 30 verließ, fürchtete er schon, er habe sie verloren. Ein anderer Lkw war auf den Kreisverkehr gerattert und hatte ihm die Sicht versperrt. Doch er war sich ziemlich sicher, dass der Sainsbury-Transporter auf die Autobahn Richtung Bristol oder Birmingham wollte. Also hatte er die Ausfahrt zur A 303 genommen und sie wieder eingeholt.

Als der Fahrer auf den Parkplatz des Little Chef einbog, glaubte er, seine Chance sei gekommen. Aber sie gingen beide hinein, so dass er seinen blauen Ford in die kurze im Nebel verschwimmende Autoreihe zwängte und das Café betrat. Während er im rückwärtigen Teil des Raums in eine Nische glitt, konnte er sie beobachten. Sie und der Fahrer wechselten ein paar Worte miteinander und dann noch ein paar mit der Kellnerin, und danach brach die Unterhaltung ab. Sie hatten sich also während der vielen Meilen, die er ihnen gefolgt war, nicht miteinander angefreundet.

Sie war jung, fünf- oder sechsundzwanzig, doch ihr Gesicht war hart und wirkte im kalten Licht des Cafés, einem künstlichen Licht, das die roten Tischplatten und weißen Papierservietten und die gestärkten Blusen der Kellnerinnen aufleuchten ließ, noch härter. Die junge Frau sah ihren Begleiter nicht an. Sie stützte das Kinn auf die Faust, und die andere Hand spielte abwesend mit einer langen blonden Haarsträhne. Die Kellnerin stellte die Teller mit Bohnen, Eiern und Pommes frites vor sie hin und kam dann zu ihm nach hinten. Er bestellte Tee.

Während des ganzen Essens sprachen sie nicht miteinander, und zuletzt nahm jeder seine jeweilige Rechnung und zahlte bei der ausdruckslosen Kassiererin.

Da sie das Café aber gemeinsam verließen, wusste er, dass der Fahrer sie weiter mitnehmen würde. Deshalb zahlte er ebenfalls, ging hinaus zu seinem Wagen und startete, als der Lkw anfuhr.

 


Als er sie nicht weit vom Café im Nebel stehen sah, vermutete er, sie habe es sich mit dem Fahrer oder dem Reiseziel oder mit beidem anders überlegt. Er beugte sich über den Beifahrersitz, um ihr die Tür zu öffnen, und fragte, ob er sie irgendwohin mitnehmen könne. Der Ford stand mit laufendem Motor am Straßenrand, während sie hineinglitt, ihren Rucksack auf den Rücksitz schmiss und sein Angebot mit einem Stöhnen und Nicken quittierte.

Sie wolle nach Bristol, sagte sie, während sie in ihrer Schultertasche wühlte und Zigarettenpapier und einen kleinen zusammengefalteten Zettel hervorkramte, nein, keinen Zettel - Marihuana. Der eklig-süße Geruch erfüllte allmählich den Wagen. Er kurbelte das Fenster herunter.

Sie fragte, ob es ihn störe, machte jedoch keine Anstalten, sich zu entschuldigen oder die Zigarette auszudrücken. Ihr schien bereits die Frage zu genügen. Als er meinte, er sei an den Geruch nicht gewöhnt, zuckte sie lediglich die Achseln und starrte, die in einer kleinen Spitze steckende Zigarette umklammernd, erneut auf die Windschutzscheibe. Dann schaltete sie, wieder ohne zu fragen, das Autoradio an. Stimmen, Musikfetzen schwollen an und ab, während sie den Zeiger über die Leuchtanzeige hin- und herjagte und sich schließlich für einen Sender entschied, in dem die volltönende Stimme eines Discjockeys eine alte Glenn-Miller-Aufnahme ankündigte. Das überraschte ihn. Bei ihr hätte er eigentlich Rockmusik erwartet.

Drei Tage lang war er in Exeter gewesen, hatte sie beobachtet und beschattet. Er hatte das Haus von mehreren Stellen der anderen Straßenseite aus observiert: dem Zeitungsgeschäft, dem Waschsalon und einem winzigen Restaurant namens Mr. Wong and Son. Den blauen Ford hatte er vorsichtshalber auf einem öffentlichen Parkplatz stehen lassen. Was ihn selber betraf, war er weniger vorsichtig. Einmal hatte er das Restaurant betreten, einen dunklen, schachtelartigen Raum mit Tischdecken, auf denen die Sojasaucenflaschen Flecken hinterlassen hatten, und sich etwas zu essen bestellt. Es gab nicht einen einzigen Grund, ihn mit ihr in Verbindung zu bringen. Und der Kellner - vielleicht Mr. Wongs Sohn - hatte die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt, aus der Blässe der untapezierten Wände auf die Blässe des Pflasters gesehen. Sein Gesicht war eine Maske der Gleichgültigkeit. Er würde sich wohl kaum an ihn erinnern.

Es war auch leichtsinnig gewesen, in den Little Chef zu gehen, statt einfach im Wagen zu warten. Den hatte er, statt seinen eigenen zu nehmen, zusammen mit den Nummernschildern gekauft. Jetzt, wo der Wagen in die trüben Lichtpfützen entgegenkommender Scheinwerfer hinein- und dann wieder herausschwamm, erinnerte er sich erneut daran, dass es für niemanden den geringsten Grund gab, ihn mit dem Mädchen in Verbindung zu bringen.

Sie fuhren dahin, und sie sagte weder ein Wort, noch wandte sie den Blick von der Windschutzscheibe. Als er bemerkte, dass er nie Marihuana geraucht habe, schnaubte sie verächtlich und erwiderte, er lebe wohl hinterm Mond. Vielleicht könne sie ihm ja einen Joint drehen, schlug er vor. Er würde ihr gerne was dafür zahlen, nur um mal die Erfahrung zu machen. Sie zuckte die Achseln, sagte okay und dass es ihr egal sei, solange er nur zahle. Es sei guter Stoff, vom Besten. Nein, es sei ihr scheißegal, wenn er nur zum Rauchen von der Straße runterfahre und anhielte. Wie der chinesische Kellner war sie viel zu gelangweilt, um irgendetwas in Frage zu stellen. Sogar zu gelangweilt, um misstrauisch zu werden.

Er fuhr von der Straße hinunter in ein Gehölz. Er würde Reifenspuren hinterlassen. Er wusste, dass man von Reifenspuren Abgüsse machen konnte, einer der Gründe, warum er den alten Ford gekauft hatte. Während er die Zigarette rauchte, die sie ihm gegeben hatte, dachte er: Da ist es wieder - die extreme Vorsicht, der extreme Leichtsinn -, der rationale Teil seines Verstandes wurde von irgendeiner anderen Macht ausgeschaltet. Die Möglichkeit, dass ihn irgendjemand im Café nach einer gewissen Zeit noch wiedererkannte, war gering, und die, dass es einen Grund für dieses Wiedererkennen geben könnte, noch geringer. Und doch überlegte er: War da vielleicht irgendein innerer Zwang gewesen, der ihn veranlasste, eine Verbindung zu ihr herzustellen? Im selben Raum zu sitzen, die gleichen Dinge zu essen, durch dieselben Straßen zu gehen? Er wusste es nicht.

Sie fragte ihn nicht einmal, warum er ausstieg, saß einfach nur da und rauchte und hörte Radio. Durch die offene Wagentür konnte er die verkratzte Aufnahme des alten Songs hören:


Isn´t it romantic
Merely to be young, on such a night as this?


Er entfernte sich noch ein Stückchen weiter vom Wagen. Der Regen hatte aufgehört, der Himmel sich aufgeklart. Durch das schwarze Gitterwerk der Zweige konnte er in weitem Abstand voneinander ein paar Sterne erkennen. In der Nähe floss ein kleiner eisüberkrusteter, schneegesäumter Bach.

Als er die Tür auf ihrer Seite aufgehen hörte, war er nicht überrascht. Da sie in ihrer Gleichgültigkeit bisher keinen Verdacht geschöpft hatte, weder als er anhielt, noch, als er den Wagen verließ, war es auch nicht verwunderlich, dass sie nun ebenfalls ausstieg. Nicht, dass es einen großen Unterschied gemacht hätte, ob sie ausstieg oder nicht. Ihre Stiefel quatschten auf dem feuchten Boden, als sie neben ihn trat. »Isn´t it romantic?« spielte immer noch, schickte unablässig dieselbe Frage in die Nacht. Sie erkundigte sich, ob ihm das Gras schmecke, und er antwortete: Ja, doch, bloß sei er ziemlich benebelt. Er gab ihr ein paar Scheine, die sie wortlos nahm und in die obere Tasche ihres Anoraks stopfte. Sie trug eine Wollmütze, und um den Hals hatte sie einen karierten Schal geschlungen, dessen Enden ihr über den Rücken fielen. Sie war auf eine billige, herbe Weise hübsch und auf ihre Art so kalt wie der kleine verkrustete Bach.

Als er zum Himmel hinaufsah, fühlte er sich benommen. Da sei eine Sternschnuppe, sagte er, dort im Westen. Er sei ja verdammt high, erwiderte sie, und sie stritten sich wegen der Sternschnuppe. Es sei aber wirklich eine dagewesen, behauptete er.

Die fernen Konstellationen, die toten Sterne, das gleichgültige Mädchen.


Isn´t it romantic,
Music in the night ...?


Als er nach ihrem Schal griff, dachte sie wahrscheinlich, er wolle sie an sich ziehen und sie küssen. Er zog rasch und heftig. Beinahe lautlos sackte sie zusammen, stürzte hin und schlug auf die dünne Eiskruste, so dass diese zerbrach. Näher würden sie sich selbst bei einem Stelldichein nicht kommen, dachte er, und die Enden ihres Schals baumelten von seinen Händen herab.

War es nicht romantisch?

 


 


In der trostlosen Enklave des Schweigens standen ein Dutzend Angehörige der Gendarmerie Devon-Cornwall wie Trauernde neben der Leiche. Es begann schon zu dämmern, aber die Sterne am Himmel waren noch nicht verblasst. Seit über zehn Minuten warteten sie darauf, dass Brian Macalvie etwas sagte.

Doch er schwieg; die Hände in den Taschen vergraben stand er da, zerrte seinen Regenmantel nach hinten und starrte auf den Boden, auf die Leiche, auf die Eisdecke des Bachs und dann zu den Sternen hinauf.

Ein Zweig knackte, ein Vogel rief. Keiner bewegte sich. Nicht einmal der...

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Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.