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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.02.20161. Auflage
Was, wenn die sprichwörtlich gewordene Xanthippe, die Frau des Sokrates, gar kein zänkisches altes Weib war? Was, wenn sie, wie einige fragmentarische Überlieferungen andeuten, vielmehr eine junge und intelligente Frau war? Dieser historische Roman mit aktuellen Bezügen erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe und Emanzipation im Athen der klassischen Antike - auch so könnte es gewesen sein. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Maria Regina Kaiser, 1952 in Trier geboren, studierte Alte Geschichte und Klassische Archäologie in Frankfurt am Main mit dem Abschluß der Promotion. Von 1976 bis 1986 wissenschaftliche Forschungsarbeit auf dem Gebiet der griechischen und römischen Antike. Danach freie Schriftstellerin.
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Produkt

KlappentextWas, wenn die sprichwörtlich gewordene Xanthippe, die Frau des Sokrates, gar kein zänkisches altes Weib war? Was, wenn sie, wie einige fragmentarische Überlieferungen andeuten, vielmehr eine junge und intelligente Frau war? Dieser historische Roman mit aktuellen Bezügen erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe und Emanzipation im Athen der klassischen Antike - auch so könnte es gewesen sein. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Maria Regina Kaiser, 1952 in Trier geboren, studierte Alte Geschichte und Klassische Archäologie in Frankfurt am Main mit dem Abschluß der Promotion. Von 1976 bis 1986 wissenschaftliche Forschungsarbeit auf dem Gebiet der griechischen und römischen Antike. Danach freie Schriftstellerin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105606827
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.02.2016
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1897158
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Xanthippe, das blonde Pferd

Auf dem Herd brodelte es in einem gewaltigen Kupferkessel, daneben standen zwei Tonkrüge mit frischem, kühlem Wasser, das Philippos für seine Schwester vom Brunnenhaus geholt hatte. Einige Nachbarinnen drängten sich um das neue, krokusgelbe Prozessionskleid, das ausgebreitet auf dem gescheuerten Tisch lag.

»Die Tochter des Lysimachos ist für ein Mädchen von vierzehn Jahren zu groß geraten und viel zu dünn«, flüsterte eine der Frauen, als Xanthippe aus ihrer Kammer trat.

»Sie hat nicht einmal eine Andeutung von Brüsten«, sagte eine andere.

Das tröstete die Frauen, denn keine von ihnen war als junges Mädchen, wie Xanthippe, auserwählt worden, mit dem Schiff nach Delos zum Apollonheiligtum zu fahren, um am heiligen Tanz vor dem Hörneraltar teilzunehmen. Nur die sieben schönsten Mädchen Athens wurden einmal im Jahr zusammen mit den sieben schönsten Jünglingen nach Delos entsandt.

»Der alte Sokrates muß schon halb blind sein«, tuschelten die Nachbarinnen. »Oder er ist verblendet von Philippos.« Der Triumph der alten Frauen.

Was Sokrates betrifft, so hatten sie nicht ganz unrecht. Er hatte Xanthippe dem Rat der Stadt für die Prozession nach Delos vorgeschlagen, obwohl er sie nicht kannte, nur von ferne gesehen hatte. Aber er war ein Freund von Philippos, der seiner Schwester sehr ähnlich sah, denn sie waren Zwillinge. Und er war ein merkwürdiger, häßlicher Kauz, schon über fünfzig, die Glatze war eingerahmt von einem Kranz roter Haare, und er war nicht sehr sauber, aber einflußreich. Xanthippe hatte gehört, daß er in Alopeke, dem Stadtteil, in dem das Haus des Lysimachos stand, aufgewachsen war und in der Steinmetzwerkstatt seines Vaters Götterbilder in Marmor geschlagen hatte. Doch das war lange vorbei. Seit Jahren ließ er sich hier nicht mehr blicken, ging auf dem Marktplatz herum und auf den Turnplätzen und philosophierte mit den Schönen-und-Guten, redete mit jedem, mit Geldwechslern ebenso wie mit Schustern.

Das änderte sich von dem Tag an, als er die Nachricht von Xanthippes Wahl ins Haus des Lysimachos gebracht hatte. Seitdem sah ihn Xanthippe häufig in der Nähe, wenn sie morgens und abends Wasser holte. Manchmal saß er den ganzen Nachmittag lang vor dem Haus eines Nachbarn und trank mit ihm unter dem Sonnensegel Wasserwein, spuckte ab und zu einen Olivenkern auf den Boden, die Hände über dem Bauch gefaltet, den Blick auf die Haustür des Lysimachos gerichtet.

Während Xanthippe kein Wort darüber verlauten ließ, was sie von dem Alten dachte, der neuerdings in ihrer Gegend herumlungerte, kursierten bereits die Gerüchte. Hatte Sokrates Absichten? Auch wenn Xanthippe ungelenk war, ein Mädchen mit eckigen Bewegungen, so war sie doch immerhin vierzehn, ein Alter, in dem ein athenisches Mädchen meist schon verheiratet wurde. Und sie kam aus einer berühmten Familie, war die Enkelin von Aristides dem Gerechten, dem besonnenen Feldherrn und Staatsmann, dem Athen soviel zu verdanken hatte, trug einen aristokratischen Namen - Xanthippe, das blonde Pferd. Daß sie arm war und ohne Mitgift, das stattliche Haus heruntergekommen, alles, was Wert hatte, verkauft, würde Sokrates nicht schrecken. Das wußte jeder in der Stadt. Sein Sinn stand nicht nach Reichtum. Aber jeder wußte auch, daß sich der Philosoph mit der besonderen Aura gern in die Häuser der ehrwürdigen Familien begab, als wolle er dazu gehören. Immer noch der Steinmetzsohn aus Alopeke.

Xanthippe dachte nicht daran, sich zu verheiraten. Sie wollte mit Philippos und ihrem Vogel Xanthias zusammenleben, hier im Haus oder noch viel lieber weit weg von Athen, wo sie niemand kannte und Anstoß daran nahm, daß sie Geschwister waren. Manchmal, wenn sie daran dachte, bekam sie Angst, daß ihr Vater sie eines Tages zu einer Heirat zwingen könnte. Er würde es tun, sie war sich fast sicher, sobald ein Bewerber auftauchte, der Geld und Ansehen hatte, ein Politiker vielleicht, der nach Pinienöl duftete, gut reden konnte, Pferde besaß und den ganzen Tag auf dem Sportplatz zubrachte, eben weil er reich war.

Sie würde sich von einem solchen Mann nicht blenden lassen. Sie kannte zu viele Geschichten, die die Mädchen aus der Nachbarschaft erzählten, wenn sie zusammensaßen und ihre Aussteuer webten, kräftige weiße Laken mit einem feinen, viereckigen Muster, Kissen und Decken. Während die Schiffchen durch die gespannten Längsfäden glitten, gaben sie lachend zum besten, was ihnen die geschwätzigen Ammen und Sklaven erzählt hatten. Xanthippe fand es gar nicht komisch, wenn sie von Männern hörte, die ihre Frauen prügelten und im Haus einsperrten wie Sklavinnen, während sie sich bei Saufgelagen mit Tänzerinnen und Flötenbläserinnen vergnügten. Selbst der strahlende und kluge Alkibiades mit dem Mut eines Löwen, der das Idol aller Knaben und Jünglinge und das Traumbild eines jeden Mädchens in Athen war, mißachtete und beleidigte seine Frau und hatte neulich sogar seinen Schwiegervater zusammengeschlagen. Nie würde sie sich so behandeln lassen, nie würde sie einem Mann trauen.

Nur Philippos, auf ihn war Verlaß, das wußte sie genau. Mit ihm wollte sie leben, ihm den Haushalt führen, wie sie es jetzt schon für ihn und den Vater tat. Sie würde ihm die Sandalen bereitstellen, das Essen für ihn kochen und warm stellen, wenn er später kam, seine Kleider kunstvoll stopfen und im Winter die Kohlen auf dem Becken glühend halten. Und am Abend würde es nicht trostlos langweilig sein, denn er hatte sie noch nie in die Küche geschickt, wie es die anderen Männer mit den Mädchen und Frauen taten. Aber Xanthippe war auch nicht so unwissend wie sie. Philippos hatte ihr Lesen und Schreiben beigebracht, und sie wußte von ihm, was die Lehrer auf dem Marktplatz ihren Schülern zu erklären versuchten, so ungefähr jedenfalls.

Am liebsten aber sprachen sie von fremden Städten, in die sie gemeinsam reisen wollten, wenn sie einmal erwachsen waren. Ägypten hatte Philippos vorgeschlagen, oder noch besser Persien, wo es einen Großkönig geben sollte, der mit seinen Freunden Löwen jagte. Daß dort andere Götter verehrt wurden, störte sie nicht. Manchmal saß auch ihre Mutter Ariste, als sie noch lebte, an heißen Sommernachmittagen mit ihnen im Schatten der Hausmauer. »Philippos wird einmal ein Feldherr sein oder ein Söldnerführer mit Wagen, die sich unter der Last der Beute biegen«, sagte sie dann stolz, oder etwas ähnliches, so genau erinnerte sich Xanthippe nicht mehr. Aber in letzter Zeit dachte sie wieder häufiger daran zurück, vielleicht weil sie schon vierzehn war und Gefahr drohte, träumte von Ägypten und Persien und neuerdings auch von Syrakus, der reichen, weltoffenen Handelsstadt, von der in Athen immer wieder die Rede war. Ja, vielleicht Syrakus. Dort würden sie und Philippos ein schöneres Leben haben als hier im Haus von Lysimachos.

Sie waren sehr arm, hatten nicht einen einzigen Sklaven. Ihr Vater war ein Trinker. Morgens erwachten sie von seinem würgenden Husten. Kaum war er aufgestanden, griff er schon mit zitternden Händen nach dem Weinschlauch in der Ecke und trank lang und gierig. »Jetzt bin ich wieder Mensch«, stöhnte er dann, griff sich das alte, fleckige Orakelbuch und tappte mit unsicheren Schritten fluchend zu seinem Platz unter den Platanen vor dem Apollontempel, wo er den Besuchern gegen ein paar Obolen weissagte. Um die Mittagszeit brachte ihm Xanthippe Brot und eine Schüssel mit Linsengemüse. Dann war er bereits hochrot im Gesicht und redete wild gestikulierend wirres, unzusammenhängendes Zeug. Es gab Leute, die überhaupt nur deshalb zum Apollontempel nach Alopeke kamen, um ihn zu sehen. Xanthippe hatte es miterlebt, wie Männer mit Fingern auf ihn zeigten und ihren Kindern erklärten: »Das ist der Sohn von Aristides dem Gerechten. Aristides hätte leicht reich werden können, als er die Gelder für den Seebund Athens verwaltete. Aber er behielt nichts für sich, achtete die Gesetze und starb in Armut. Und das ist sein Sohn.«

Das Haus, in dem sie lebten und das Aristides als junger Mann für seine Familie gebaut hatte, war größer und prächtiger als die meisten Häuser im Stadtteil Alopeke. Die Brüstung des Daches war aus verziertem Kalkstein, und an jeder Ecke hockte drohend ein Greif mit aufgerissenem Maul und herabhängender Zunge. Aber die rote Bemalung war längst abgeblättert und nur noch in Spuren zwischen den Krallen sichtbar. Das Haus machte einen heruntergekommenen Eindruck, und im Innern sah es fast noch kläglicher aus. Die Wände schwarz vom offenen Feuer, nirgends mehr alte geschnitzte Truhen, bis auf die Pinienholztruhe, in der Ariste ihre Aussteuer mitgebracht hatte, verschwunden auch die silbernen Becher, Teller und Leuchter und die üppigen Vorräte aus dem Keller. Nur in der Küche hing noch ein silbernes Sieb aus den Zeiten, als Aristides mit seiner Familie fette Suppen und Hammelfleisch gegessen hatte, und auf den Steinplatten des Männerraums hinter dem Hauseingang lag noch ein kostbarer lydischer Teppich, die einst kräftigen Farben der eingewebten Vögel verblaßt, den Xanthippe immer wieder auszubessern versuchte und das Mäanderband an den Rändern mit weißer Wolle nachstickte.

 

Kein Glück, ein Unglück war es, zu den Auserwählten für Delos zu gehören. So jedenfalls erschien es Xanthippe in diesem Augenblick, als sie in der Küche neben dem dampfenden Kessel stand und die abschätzenden Blicke der Nachbarinnen spürte. Sie bewundern das Kleid und nicht mich, dachte sie, und ihr fiel ein, wie ungeschickt sie sich manchmal, wenn sie ein wenig aufgeregt war, beim Tanz in den Übungsstunden angestellt hatte. Vor dem Hörneraltar und den vielen Zuschauern würde sie erst recht versagen.

»Schick die Frauen weg«, bat sie Philippos, und als er sie...
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Maria Regina Kaiser, 1952 in Trier geboren, studierte Alte Geschichte und Klassische Archäologie in Frankfurt am Main mit dem Abschluß der Promotion. Von 1976 bis 1986 wissenschaftliche Forschungsarbeit auf dem Gebiet der griechischen und römischen Antike. Danach freie Schriftstellerin.