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Letzter Bus nach Coffeeville

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am23.03.20162. Auflage
Drei in jeder Hinsicht ziemlich älteste Freunde reisen in einem klapprigen Tourbus der Beatles quer durch die USA bis nach Mississippi. Mit an Bord: Alzheimer, die grausame Krankheit des Vergessens. Nach und nach steigen noch andere Passagiere mit kunterbunten Lebensläufen zu, die verrückt genug sind, um es mit so einem heimtückischen Mitreisenden aufzunehmen. Ein Buch, bei dem man ebenso oft Tränen weint wie Tränen lacht und das man dabeihaben will, wenn's im eigenen Leben mal nichts mehr zu lachen gibt.

J. Paul Henderson, geboren 1948 in Bradford, Yorkshire, promovierte in Amerikanistik an der Mississippi State University, arbeitete als Gießer, Busfahrer, Finanzbuchhalter und als Vertriebschef für einen Sachbuchverlag. Inzwischen wohnt er wieder in seiner alten Heimat Bradford.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDrei in jeder Hinsicht ziemlich älteste Freunde reisen in einem klapprigen Tourbus der Beatles quer durch die USA bis nach Mississippi. Mit an Bord: Alzheimer, die grausame Krankheit des Vergessens. Nach und nach steigen noch andere Passagiere mit kunterbunten Lebensläufen zu, die verrückt genug sind, um es mit so einem heimtückischen Mitreisenden aufzunehmen. Ein Buch, bei dem man ebenso oft Tränen weint wie Tränen lacht und das man dabeihaben will, wenn's im eigenen Leben mal nichts mehr zu lachen gibt.

J. Paul Henderson, geboren 1948 in Bradford, Yorkshire, promovierte in Amerikanistik an der Mississippi State University, arbeitete als Gießer, Busfahrer, Finanzbuchhalter und als Vertriebschef für einen Sachbuchverlag. Inzwischen wohnt er wieder in seiner alten Heimat Bradford.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257607123
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum23.03.2016
Auflage2. Auflage
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1235 Kbytes
Artikel-Nr.1905121
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
{110}Bob

Mississippi

Zuletzt hatte Doc den Mann namens Bob Crenshaw im Sommer 1964 in Hinds County, Mississippi, gesehen. Es war während der letzten Tage ihrer Beteiligung an der Bürgerrechtsbewegung, und Doc hieß damals noch Gene.

Seit der Aktion der Freedom Riders waren zwei Jahre vergangen, und die Bürgerrechtsbewegung hatte an Fahrt aufgenommen. Abwechselnd standen Oxford, Mississippi und Birmingham, Alabama und ihre Gouverneure Ross Barnett und George Wallace im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Dieses leuchtete die dunklen und schmutzigen Ecken aus und bannte die brutalen Methoden auf Zelluloid, mit denen man dort den Anbruch der neuen Zeit aufzuhalten versuchte: mit elektrischen Viehtreibern, Baseballschlägern, Hochdruckschläuchen und wilden Hunden. Bombenanschläge und Brandstiftungen wurden gefilmt, Schusswechsel und Molotowcocktails, Ku-Klux-Klan-Mitglieder in weißen Laken und brennende Kreuze. Und dann kam der Sommer 1964 und mit ihm die folgenschwere Entscheidung, eine Kampagne zur Registrierung schwarzer Wähler in dem Staat mit dem niedrigsten Anteil an schwarzen Wählern durchzuführen - Mississippi.

{111}»Komm schon, ein Mal noch. Ein Mal versuchen wir noch, den schwarzen Mann sichtbarer zu machen«, hatte Bob zu Gene gesagt.

Es war nicht viel Überzeugungsarbeit notwendig gewesen. Sein Studium neigte sich dem Ende zu, schon bald würde er in einem Vollzeitjob feststecken, der seine Freiheit so gut wie zunichtemachen würde. Außerdem bestand bei dieser letzten Aktion die Chance, Nancy wiederzusehen.

Sie kamen in der zweiten Juliwoche in Jackson an. Bei der Informationsveranstaltung in einer kleinen schwarzen Kirche am Stadtrand am selben Abend erzählte man ihnen von drei Aktivisten, die in einer anderen Stadt vermisst wurden, in der sie einen Fall von Brandstiftung in einer schwarzen Kirche untersuchen wollten. »Seid vorsichtig«, warnte man sie. »Bleibt zusammen, seid auf der Hut und macht einen großen Bogen um die Polizei.«

Abends hatten Bob und Gene gemeinsam ein Bier getrunken.

»Wie findest du meine Haare, Gene?«

Bob hatte sich einen Afro stehen lassen, und der war sein ganzer Stolz. Dauernd kämmte er daran herum, entwirrte verknotete Stellen und sorgte immer wieder mit einem feinen Kamm, den er in seinen Haaren mit sich herumtrug, für eine einwandfreie Symmetrie der ganzen Pracht.

»Ich finde, es sieht gut aus«, antwortete Gene etwas verwirrt. »Kann ich mal anfassen?«

»Du bist doch nicht plötzlich zum anderen Ufer gewechselt, oder? Seit Nancy abgehauen ist, hab ich dich mit keinem Mädchen mehr gesehen ...« Bob lachte, ließ Gene dann aber anfassen. »Mach mir aber die Frisur nicht kaputt!«

{112}»Das ist ja wie Moos!«, rief Gene überrascht. »Fühlt sich gut an.«

»Dann merk dir das Gefühl, noch mal darfst du nämlich nicht ran. Du ruinierst mir die Haare sonst noch mit deinen ungeschickten Pfoten. Lass dir doch selbst einen Afro wachsen, wenn du so drauf abfährst. Vielleicht könntest du ja ehrenamtlicher Schwarzer werden. Soll ich mal mit meinen Leuten reden?«

»Nein danke, ich bleibe lieber weiß. Da hat man´s leichter im Leben.«

 

Das Wählerverzeichnis anzulegen ging sehr langsam vonstatten und war frustrierend. Es half zwar, wenn die freiwilligen Helfer aus den Nachbarstaaten von schwarzen Aktivisten aus Mississippi begleitet wurden, aber selbst dann begegnete man ihnen noch oft genug mit Misstrauen. Schlimmer war jedoch die Reaktion der weißen Bevölkerung, die natürlich etwas gegen Fremde hatte, die ihren Staat verändern wollten. Es überraschte niemanden, dass mehrere Freiwillige zusammengeschlagen und hunderte verhaftet wurden. Die Nachricht, dass die drei vermissten Aktivisten ermordet worden waren, war dennoch für die meisten ein Schock.

Die drei Leichen wurden unter einem Erdhügel in der Nähe von Philadelphia entdeckt. Zwei der Toten waren weiße New Yorker, der dritte war ein einundzwanzigjähriger Farbiger namens James Chaney aus Mississippi. (Nancy erzählte Gene später, dass sie sich verhört und statt James Gene Chaney verstanden hatte und vor lauter Kummer zwei Stunden wie von Sinnen gewesen war.) Die beiden {113}Weißen hatten jeweils zwei Kugeln im Körper, der Farbige drei und war auch noch schwer zusammengeschlagen worden. Der Vorfall empörte die Nation, die Regierung schickte Vertreter des FBI, um den Fall zu untersuchen, und höchstwahrscheinlich bewahrte allein deren Anwesenheit in Jackson Bob und Gene vor einem ähnlichen Schicksal.

Es war später Nachmittag, die beiden waren auf dem Weg zum Essen bei einem Freund. Es herrschte wenig Verkehr auf der Straße, und Bob hielt sich streng an das Tempolimit. Gene bemerkte das Blaulicht hinter ihnen zuerst.

»Scheiße!«, rief Bob. »Hast du ´ne Ahnung, was die wollen?«

»Die wollen uns bestimmt nur ein bisschen Angst machen.«

Bob fuhr weiter. Das Polizeiauto schob sich neben sie, und der Polizist auf dem Beifahrersitz rief ihnen zu, sofort rechts ranzufahren.

»Nein, meine Ausfahrt kommt erst noch, aber vielen Dank, die Herren!«, rief Bob zurück.

»Bob, jetzt provozier die Typen nicht noch!«, sagte Gene. »Mach einfach, was sie sagen. Hinter uns kommt noch ein Polizeiauto.«

Bob sah in den Rückspiegel, entdeckte den zweiten Streifenwagen und trat auf die Bremse. Der Fahrer hinter ihnen hatte nicht damit gerechnet und fuhr ihnen hinten drauf. Das war garantiert von Bob beabsichtigt gewesen, da war Gene sich sicher.

Bob stieg aus, ging um sein Auto herum und begutachtete den Schaden. Er wandte sich an den Fahrer. »Das müssen Sie mir aber ersetzen, Sir, Sie sind schließlich mir {114}draufgefahren. So lautet das Gesetz, wenn ich mich richtig erinnere.«

»Scheiß auf das Gesetz«, sagte der Polizist. »Ich hab mir bei dem Aufprall die Nase gebrochen, du Scheißnigger!«

Ein Polizist aus dem ersten Streifenwagen hieb Bob seinen Schlagstock über den Kopf, worauf Bob sich zu ihm umdrehte und ihm einen Kinnhaken verpasste, wovon dieser zu Boden ging. Der dritte und vierte Polizist zogen beide ihre Waffen, erst da war die Ordnung wiederhergestellt.

Da nur noch eins der drei Autos fahrtüchtig war, zwängten sich die sechs Männer zusammen hinein und fuhren nach Jackson. Gene und Bob wurden Handschellen angelegt. »Kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass es legal ist, zu sechst im Auto zu fahren ...«, brummelte Bob vor sich hin.

»Du kannst von Glück reden, dass wir deinen Arsch nicht im Kofferraum transportieren, du Scheißnigger!«, gab der Polizist mit der gebrochenen Nase zurück.

Bob wurden gefährliches Verhalten im Straßenverkehr und grobfahrlässige Gefährdung vorgeworfen, und er wurde außerdem beschuldigt, sich seiner Festnahme widersetzt und zwei Polizisten angegriffen zu haben. Gene wurde Komplizenschaft zur Last gelegt. Man machte ihnen gemeinsam im Schnellverfahren den Prozess, danach wurden sie jedoch getrennt. Bob wurde zu der Zelle für Schwarze geführt, Gene zu der für Weiße. Seltsamerweise waren beide im selben Grünton gestrichen.

Während er allein in seiner Zelle saß, bekam Gene es ziemlich mit der Angst zu tun, er fühlte sich wie ein {115}Gefangener in einem fremden Land, dessen Sprache, Gesetze und Gebräuche ihm nicht vertraut waren. Er zwang sich, ruhig zu atmen, wartete darauf, dass die Panik nachlassen würde, und musste sich immer wieder die Hände an der Hose abwischen. Was hatte sich Bob bloß dabei gedacht?

Gene dachte an seine Eltern und an Nancy und dass er sie vielleicht nie wiedersehen würde. Am meisten graute ihm davor, in die Parchman Farm verlegt zu werden, und rechnete sich in diesem Fall keine großen Überlebenschancen aus. Er war ja jetzt schon mit den Nerven am Ende, wie sollte das dann erst in Mississippis berüchtigtem Hochsicherheitsgefängnis werden? Ein Bürgerrechtsaktivist würde dort sicher nicht mit Samthandschuhen angefasst, weder von den Wärtern noch von den Mithäftlingen.

Zuerst ging er in der kleinen Zelle auf und ab, dann versuchte er, sich mit Sport abzulenken, machte Liegestütze und Sit-ups. Schließlich legte er sich auf die schmale Pritsche, starrte zur Decke und lauschte den Geräuschen und gedämpften Stimmen, die durch die Wände zu ihm drangen. Irgendwann ergab er sich in sein Schicksal und fiel schließlich in einen unruhigen Schlaf.

Als sich am nächsten Morgen die Zellentür öffnete, war Gene bereits wach. Als ihm gesagt wurde, er könne nun nach Hause gehen, hatte er jedoch Zweifel, ob er nicht doch noch träumte. »Ich darf nach Hause?«, fragte er nach.

»Keine Ahnung, wer dein Niggerfreund ist oder wer seine Freunde sind, aber uns wurde gesagt, dass wir euch nicht hierbehalten dürfen. Ich weiß ja nicht, ob du bis jetzt im Leben viel Glück gehabt hast, aber ich kann dir sagen, so einen Glückstag wie heute wirst du sicher nicht noch mal {116}erleben. Und jetzt beweg deinen Arsch und verschwinde endlich.«

Gene wurde hinausgeführt und an zwei FBI-Beamte übergeben.

»Sie wissen, wie das läuft, ja?«, sagte der Polizeichef zu ihnen. »Der Typ sitzt im nächsten Bus nach Hause, sonst verhaften wir ihn gleich wieder. Ist das klar?«

Einer der beiden nickte und führte Gene zu einem Auto, das schon auf ihn wartete.

»Wo ist Bob? Sollten wir nicht auf ihn warten?«

»Der ist schon weg«, antwortete der FBI-Beamte. »Er lässt ausrichten, dass ihn die Freilassung seinen Afro gekostet hat - Sie wüssten schon Bescheid.«


Unter dem Radar

Bob Crenshaw wurde...

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Autor

J. Paul Henderson, geboren 1948 in Bradford, Yorkshire, promovierte in Amerikanistik an der Mississippi State University, arbeitete als Gießer, Busfahrer, Finanzbuchhalter und als Vertriebschef für einen Sachbuchverlag. Inzwischen wohnt er wieder in seiner alten Heimat Bradford.