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Fünf Minuten Verspätung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
190 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Fünf Minuten Verspätung hat die Maschine, die am 9. September 1949 von Québec aus startet: fünf Minuten, in denen Bess Desmond ihren Platz einer Hebamme überläßt - und damit ihr eigenes Leben rettet. Denn das Flugzeug stürzt ab und niemand überlebt. Zufall oder Verbrechen? Diese Frage läßt René, dem Verlobten von Bess, keine Ruhe. Bei seinen Nachforschungen kommt er einem minutiös geplanten Verbrechen auf die Spur ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextFünf Minuten Verspätung hat die Maschine, die am 9. September 1949 von Québec aus startet: fünf Minuten, in denen Bess Desmond ihren Platz einer Hebamme überläßt - und damit ihr eigenes Leben rettet. Denn das Flugzeug stürzt ab und niemand überlebt. Zufall oder Verbrechen? Diese Frage läßt René, dem Verlobten von Bess, keine Ruhe. Bei seinen Nachforschungen kommt er einem minutiös geplanten Verbrechen auf die Spur ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609217
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten190 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse903 Kbytes
Artikel-Nr.1907029
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Bonnard unterbrach Bélèc. »Das Paket aus St. Siméon war das fingierte, Monsieur? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Was ist mit diesem Paket?«

Bélèc ging neben dem Angler in die Hocke und sagte leise und eindringlich: »In diesem Paket befanden sich die achtundzwanzig Pfund Sprengstoff, die das Flugzeug zerrissen und dreiundzwanzig Menschen töteten, Monsieur Bonnard.«

Bélèc wartete die Wirkung seiner Worte ab. Sie war erschreckend. Bonnard wollte aufspringen, konnte es aber nicht, weil er die Angelrute in den Händen hielt. Er wollte die Leine mit der schnarrenden Spule zurückkurbeln, verhedderte sich jedoch und sah Guillemette dankbar an, der ihm hilfsbereit die Gerte aus der Hand nahm und das Zurückspulen für ihn besorgte. Jetzt wuchtete der junge Mann sich hoch und stand Bélèc gegenüber. Sagen konnte er zunächst nichts, und Bélèc war überzeugt, daß Bonnards Schock echt war. Er sagte: »Können Sie sich an irgend etwas im Zusammenhang mit dem Paket erinnern?«

Der junge Mann fand seine Sprache wieder. »Das darf doch nicht wahr sein«, stammelte er. »Aus St. Siméon, sagten Sie?«

Bélèc nickte.

»Wissen Sie, wenn Sie so einen Job haben wie ich, dann denken Sie bei der Arbeit häufig an was anderes als an die Arbeit. Das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Aber St. Siméon, das ist was Besonderes für mich. Aus St. Siméon ist meine Familie vor vielen Jahren hierher nach Quebec gekommen ...«

Bélèc unterbrach den Redefluß des jungen Mannes und sagte:

»Francois Bonnard, geboren am vierundzwanzigsten März achtzehnhundertneunundachtzig und Jaqueline Bonnard, geborene Fouquet ...«

»... geboren am dritten September achtzehnhundertsiebenundneunzig, ja, das stimmt, das sind meine Eltern. Als ich den Namen St. Siméon las, habe ich mich sofort interessiert. Ja, an das Paket aus St. Siméon erinnere ich mich ganz genau. Das Paket hat eine Frau bei mir aufgegeben.«

Die Erstarrung der drei Männer war fast perfekt.

»Eine Frau?« sagte schließlich Corporal Houde, der sich als erster gefaßt hatte. »Was denn für eine Frau?«

»Eine Frau, Messieurs, eine dicke, alte, häßliche Frau mit teigigem Gesicht, speckigen Haaren und der vulgären Redeweise der Leute von Lower-Town, der unteren Stadt, Sie wissen schon. An der linken Kinnseite hatte sie eine Warze.«

Auch Bélèc hatte die Sprache wiedergefunden. »Eine Frau? Wissen Sie noch mehr, Geoffrey? Einzelheiten? Denken Sie nach. Sie müssen mir jede Kleinigkeit sagen, an die Sie sich erinnern, gleichgültig, ob Sie Ihnen wichtig erscheint oder nicht.«

»Ich verstehe, Monsieur«, sagte Bonnard. »Die Frau hat das Paket nicht selbst getragen, weil es ziemlich schwer für sie war. Ungefähr dreißig Pfund.«

»Achtundzwanzig genau.« Bélèc wandte sich an Guillemette: »Francis muß einen sechsten Sinn für seinen Job haben. Auch er sprach von dreißig Pfund, die nötig seien, um dieses Flugzeug vom Himmel zu holen. Wir haben, was wir gesucht haben, Guillemette. Und wer hat das Paket für die Frau getragen, Geoffrey? Wissen Sie das auch?«

Geoffrey Bonnard hatte noch keine Ahnung, daß der Gebrauch des Vornamens durch Bélèc wie die Verleihung eines Ordens war, wie die Aufnahme in den Geheimbund derer, die sich um die Aufklärung dieses Verbrechens verdient gemacht hatten.

»Das war ein Taxifahrer«, sagte er. »Sie kamen zu zweit. Er voraus, sie hinter ihm. Das Paket hat er direkt von der Schulter auf die Waage gepfeffert. Die Frau hat ihm gesagt, er solle ein bißchen vorsichtiger damit umgehen. Aber der war irgendwie sauer. Hätten Sie Ihren Mist selber getragen, Ma´am, sagte er.«

»Kennen Sie den Taxifahrer?«

»Nein, Monsieur, noch nie gesehen. Bei uns kommen ja viele Taxifahrer rein, die ein Paket auf die Waage stellen. Aber den habe ich noch nie gesehen.«

»Und die Frau? Wie hat die sich verhalten? Hat sie irgendwas gesagt?«

»Nur das Nötigste. Wieviel, fragte sie, und ob das Paket auch bestimmt um elf Uhr nach Baie-Comeau mitgeht. Dann war ihr das Wechselgeld zu groß und ich gab ihr noch einige kleinere Münzen. Schließlich verschwand sie wieder.«

»Und Sie haben sie nicht gefragt, ob sie aus St. Siméon kommt? Wo sie dort wohnt? Woher sie Delphis Bouchard kennt? Wie es dort jetzt so aussieht?«

»Doch«, sagte der junge Bonnard. »Habe ich. Aber sie hat mich angepfiffen, ich sollte mich um meinen eigenen Dreck kümmern, da hätte ich bestimmt ausreichend zu tun und keine Zeit, fremden Leuten Löcher in den Bauch zu fragen.« Guillemette schaltete sich ein: »Geoffrey«, sagte er, »schließen Sie mal die Lider.«

Der junge Mann tat es gehorsam und staunend. Guillemette fuhr fort: »Und jetzt versuchen Sie, diese ganze Szene noch einmal vor Ihrem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen. Was sehen Sie da? Eine kaltblütige, berechnende, zu allem entschlossene Persönlichkeit, die nach einem eiskalten Plan ihr eigenes Verbrechen ausführt? Oder sehen Sie eine nervöse, ängstliche, gehetzte Frau, die irgend jemand dazu mißbraucht hat, etwas zu tun, was er selbst nicht tun konnte oder tun wollte?«

»Mit anderen Worten«, fügte Bélèc hinzu, »wußte die Frau, was der Taxifahrer auf Ihre Waage knallte, oder wußte sie es nicht?«

Bonnard öffnete die Augen. »Ich kann mir das alles einfach nicht vorstellen, Messieurs. Sind Sie denn sicher, daß in diesem Paket der Sprengstoff war?« Er sah von einem zum anderen. Houde hob resigniert die Schultern. Guillemette schwieg verbissen. Nur Bélèc sagte: »Ich bin sicher, Geoffrey.«

»Und haben Sie irgendeinen Beweis dafür, Monsieur?« fragte Bonnard.

»Nur meinen todsicheren Instinkt in dieser ganzen dreckigen Sache«, antwortete Bélèc.

Guillemette sagte warnend: »Hüten Sie sich vor Fanatismus, René.«

Bélèc antwortete: »Das kann ich nicht mehr, Alain. Wir haben bis zum Inquest noch neununddreißig Stunden und fünfunddreißig Minuten Zeit, in denen wir verhindern müssen, daß die Urheber dieses Anschlages gewarnt werden, sich in die Anonymität zurückziehen und verschwinden. Ich kann mir in dieser Zeit keinen rechtsstaatlichen Luxus leisten. Ich muß diese Frau finden, und sei es mit Fanatismus.« Er wandte sich erneut an Bonnard. »Gehen Sie davon aus, Geoffrey, daß dieses Paket den Sprengstoff enthalten hat. Auch ohne Beweis. Stellen Sie sich diese Frau noch einmal vor. Wen sehen Sie vor sich?«

Erst nach einer Weile antwortete der junge Mann: »Keine der beiden Personentypen, die dieser Monsieur hier genannt hat. Ich sehe vor mir eine freche, wurstige, schlampige, vom Leben enttäuschte und aufdringliche Person, die sich mit jedem anlegt, den sie vor die Flinte kriegt.«

»Wußte sie, was der Taxifahrer auf Ihre Waage pfefferte, oder wußte sie es nicht?« bestand Bélèc auf seiner Frage von vorhin. Bonnard antwortete: »Sie bürden mir eine schwere Verantwortung auf, Monsieur. Ich kann nicht sagen, ob sie es wußte oder nicht. Aber eines ist sicher: Wenn sie es wußte, dann war es ihr vollständig gleichgültig.«

 

Die Hoffnungen, bis zum Inquest-Termin noch eine Handhabe zu erhalten, sanken und wurden am Freitag durch zwei Zeitungen noch weiter geschmälert. Der Widerspruch zwischen den Erklärungen Bonnards und Bélècs, die diese auf dem Flughafen wegen des Papiers abgegeben hatten, das Bonnard Bélèc ausgehändigt hatte, war von den Journalisten begierig aufgegriffen worden. Die Schlagzeilen lauteten: »Geht der leitende Inspektor jetzt von der Möglichkeit eines Verbrechens aus? Augenmerk der Polizei auf der Stückgutfracht der Unglücksmaschine.« Und: »Explosion an Bord der CP-CUA? Überprüft Bélèc Luftfrachtstücke?« Bélèc las das am Freitagmorgen, während er ein hastiges Frühstück hinunterwürgte und hätte sich ohrfeigen können, daß er an diese Möglichkeit nicht gedacht hatte. Aber gottlob war alles noch vage, unbestimmt, mit Fragezeichen versehen und daher jederzeit dementierbar. Und von der Nacht-und-Nebel-Aktion, mit der Corporal Houde sich den größten Teil der Nacht um die Ohren geschlagen hatte, wußte ohnehin niemand etwas. Es war geglückt, vor der Öffentlichkeit völlig geheimzuhalten, daß fieberhaft ein Taxifahrer gesucht wurde, der am Vormittag des 9. September einer dicken, ungepflegten, häßlichen Frau, deren Beschreibung sich bereits in den Akten der Polizei befand, ein Paket zum Flughafen brachte, von dem Bélèc annahm, daß es den tödlichen Sprengstoff enthalten hatte. Der Corporal hatte sich auf seine Harley-Davidson geschwungen und war losgefahren. Er hatte die Gastwirtschaften abgeklappert und erstaunte Taxifahrer an den Biertischen aufgestöbert, er hatte bei Mietwagenunternehmen in den Wohnungen angerufen und den Feierabendfrieden gestört, er war im Dienst befindlichen Taxis nachgejagt und hatte seine Botschaft den Fahrern mitgeteilt. Schließlich hatte er zu später Nachtstunde wütende Ehefrauen aus dem Schlaf geklingelt und Handgreiflichkeiten riskiert. Aber gegen drei Uhr morgens hatte er sich telefonisch bei Bélèc gemeldet und berichtet, daß nach menschlichem Ermessen nun alle einhundertneunundfünfzig Taxifahrer der Region wußten, was von einem von ihnen erwartet wurde.

»Das bezahlt uns keiner, was wir da tun«, hatte er gesagt, aber Bélèc hatte ihm geantwortet: »Der Inquest-Termin wird mit der amtlichen Feststellung abschließen, daß ein Verbrechen stattgefunden hat, Gérard. Von diesem Augenblick an werden die Spuren systematisch beseitigt werden, wenn wir nicht eine von ihnen erwischen und auf dem Boden der Tatsachen so festnageln, daß wir sie weiter verfolgen können. Deshalb mußten Sie nachts los. Sonst hätte ja...
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Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.