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Vorsicht - Jaczek schießt sofort

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
190 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Franz Jaczek kommt nach vier Jahren Haft vorzeitig frei. Sein letzter Coup war tödlich: für den Fahrer des Geldtransporters, um den es ging. Und für Hans Saur, Jaczeks eigenen Komplizen, der nicht mehr aussagen konnte, wie es damals wirklich war. Aus eigener Erfahrung weiß Bezirkskommissar Paul Jochner: Jaczek schießt sofort. Wenn also jetzt der Mann am Telefon wirklich Franz Jaczek ist, wird man die geforderten 12 Millionen zahlen müssen. Oder das Leben der beiden Frauen in seiner Gewalt ist verwirkt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextFranz Jaczek kommt nach vier Jahren Haft vorzeitig frei. Sein letzter Coup war tödlich: für den Fahrer des Geldtransporters, um den es ging. Und für Hans Saur, Jaczeks eigenen Komplizen, der nicht mehr aussagen konnte, wie es damals wirklich war. Aus eigener Erfahrung weiß Bezirkskommissar Paul Jochner: Jaczek schießt sofort. Wenn also jetzt der Mann am Telefon wirklich Franz Jaczek ist, wird man die geforderten 12 Millionen zahlen müssen. Oder das Leben der beiden Frauen in seiner Gewalt ist verwirkt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609446
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten190 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse820 Kbytes
Artikel-Nr.1907035
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Wenn Jaczek ein Ausbruch geglückt wäre - das wäre etwas anderes gewesen. Wenn er zum Beispiel in den ausgedehnten Wäldern des Taunus oder in der Gegend von Lich untergetaucht wäre, wo es so abgelegene Täler gab, daß sogar die Nazi-Armee dort ihrem Führer ein unterirdisches Hauptquartier errichtet hatte. Dort troff heute das Wasser von rissigen Betonwänden. Das hatte Jaczek selbst gesehen, als sie von der Anstalt aus zu Aufräumungs- und Instandhaltungsarbeiten eingesetzt worden waren. Wenn Jaczek ein Ausbruch geglückt wäre, hätte jeder geschworen, daß er sich dort oder in der Nähe verborgen halten müsse, und die Polizei hätte im Morgengrauen mit Hunden und Sprechfunkgeräten, Maschinenpistolen unter dem Arm, kugelsicheren Westen um den Bauch, zu langen Kordons auseinandergezogen, das Gelände durchsucht. Wenn Jaczek ausgebrochen wäre, dann wäre den Leuten alles, was danach geschah, noch einigermaßen verständlich gewesen. Statt dessen wurde er entlassen. Das war weniger spektakulär, aber ebenso gefährlich. Und entlassen, oder richtiger vorzeitig entlassen, wurde Jaczek wegen guter Führung. Es begann also alles vollkommen legal.

»Vorname?«

»Franz.«

»Geboren?«

»4. Februar 1932.«

»Wo, will ich wissen«, sagte der Wachtmeister.

»In Linz«, murmelte Jaczek. »Mein Vater war dort arbeitslos.«

Den Polizisten reizte das breite niederösterreichische Idiom seines Gegenübers und auch das, was er sagte. Beamte reagieren empfindlich, wenn sie daran erinnert werden, daß es Situationen gibt, in die sie nicht kommen können.

»Sie haben nur auf das zu antworten, was Sie gefragt werden. Arbeitslos. Wen interessiert das heute schon?«

Den Richter hatte es immerhin interessiert, der Franz Jaczek damals zu sechs Jahren verurteilt hatte. Alles hatte den Richter interessiert: der Vater, die Mutter, die Geschwister, das Einkommen, die politische Einstellung, die häuslichen Verhältnisse. Die Kindheit, die Kriegszeit, der Beruf - der Richter hatte sich für alles interessiert.

Es war Jaczek so vorgekommen, als habe sich der Richter auf die Art ein Bild machen wollen, ob er, Jaczek, vielleicht von Haus aus einer von denen sei, denen man einen Mord anhängen kann - obwohl sie es in diesem speziellen Fall nicht geschafft hatten. Obwohl er, nach dem ganzen Lebenslauf, den er dem Gericht geschildert hatte, auf jeden Fall so einer war.

Man müsse so einen Fall auch psychologisch betrachten, hatte der Vorsitzende den Geschworenen auseinandergesetzt. Zugegeben, der Staatsanwalt habe zwar keine Beweise, aber doch handfeste Indizien dafür, daß Jaczek es gewesen sei, der Matthias Wallner erschossen habe. Und wenn handfeste Indizien dazukämen, dürfe man den Hintergrund eines Menschen nicht außer acht lassen, um sein Handeln zu beurteilen.

Wirklich sprach alles dafür, daß man in Franz Jaczek einen gewalttätigen und zu allem entschlossenen Menschen vor sich habe, der die Sache mit der Offenbacher Sparkasse in den Vorweihnachtstagen nicht nur durchgeführt, sondern auch geplant habe. Es sei natürlich klar, daß sie den Vater aus den Stahlwerken gefeuert hätten, damals in Linz, nachdem er zu den Unzufriedenen und ewigen Revoluzzern gehört habe, die im Jahre 1934 den blutigen Aufstand gegen Recht und Ordnung angezettelt hätten, der schließlich eines Tages dann auch zum Ende der Demokratie in Österreich geführt habe.

Auf den Einwand des Verteidigers, daß Jaczek zu diesem Zeitpunkt erst zwei Jahre alt gewesen sei, hatte der Vorsitzende erklärt, auf die Atmosphäre komme es an, in der so einer aufwachse. Der sei schon von frühester Jugend an zum Trotz, zum Widerstand und zur Gewalt erzogen worden. Und dann sei die ganze Litanei ja auch schon losgegangen: Betrug, Hehlerei, nochmals Betrug, Autodiebstahl, räuberische Erpressung, unerlaubter Waffenbesitz. Geregelte Arbeit jedenfalls keine - die Akten hatten minutenlang geraschelt - nein, keine. Tja, was solle man da noch sagen? Achselzucken.

Eine hauchdünne Mehrheit der Geschworenen hatte Jaczek vor dem lebenslangen Zuchthaus bewahrt. Die Indizien gegen Jaczek waren handfest, aber gerechterweise mußte man die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß Jaczek die Wahrheit gesagt hatte, nämlich daß es Hans Saur gewesen war, der den Matthias Wallner umgelötet hatte. Weil er der einzige gewesen wäre, der, wenn alles gutgegangen wäre, Jaczek und Saur hätte identifizieren können. Möglich, daß es Hans Saur getan hatte. Und Hans Saur, der mit Jaczek zusammen das Ding gedreht hatte, war tot.

Den hatten die heranstürmenden Polizisten zwischen triefendem Gebüsch und nassem Gras mit sechs Schüssen niedergestreckt, als er ihnen im Morgengrauen mit der Beretta fuchtelnd entgegenkam, nachdem sie den Fluchtwagen in einem Waldstück umstellt hatten. Sie hatten ihn erschossen, bevor irgend jemand sagen konnte, ob er es gewesen war, der Matthias Wallner umgelegt hatte, oder Franz Jaczek, und warum das geschehen war.

Und Jaczek selbst hatte wohlweislich auf den dringenden Rat seines Verteidigers hin geschwiegen. Der Anwalt hatte klar die Chance seines Klienten erkannt: »Wenn es noch ein anderer gewesen sein kann, auch wenn dieser nicht mehr aussagen kann, genügen eben Indizien nicht, verstehen Sie? Dann müssen die Ihnen die Tat nachweisen.« Und das konnten sie nicht. So wurde Franz Jaczek von der Anklage des Mordes an Matthias Wallner mangels Beweise freigesprochen.

»Wann geboren?« fragte der Beamte.

»Hab´ ich Ihnen doch schon gesagt«, knurrte Jaczek. »4. Februar 1932. Wozu brauchen S´ das denn eigentlich alles? Das müssen S´ doch alles schon ein dutzendmal haben - na, was sag ich - drei dutzendmal ...«

»Es schadet Ihnen ja nicht, Jaczek ...« Der Wachtmeister betonte den Namen ironisch, denn bisher hatte er den Häftling entweder gar nicht oder nur mit seiner Nummer angeredet, obwohl das aus humanitären Gründen verboten war.

Jaczek war das egal. Er nahm entgegen, was ihm der zweite Beamte wortlos über die Barriere reichte: seinen Vulkanfiberkoffer mittlerer Größe, drei einfache, abgewetzte Krawatten, einen Schuhlöffel, drei oder vier Kleiderbügel, ein zweites Paar Schuhe, noch verhältnismäßig wenig getragen, eine Strickweste und einige Handtücher, die Jaczek in diesen vier Jahren nicht gebraucht hatte, da der Staat seinen Gefangenen solche zur Verfügung stellt.

Jaczek unterschrieb eine Quittung, warf alles in den Koffer und zog ihn von der Barriere. Er war leicht. Der Hut war ihm zu eng geworden. Flüchtig sah Jaczek sich im Spiegel im Innern einer Spindtür, die der Beamte öffnete, um seinen Regenmantel herauszuholen. Nur wenige Sekunden sah Jaczek sich so stehen, den schäbigen Koffer in der Hand, in dem zu langen, unmodernen Mantel und dem zu kleinen, unmodernen Hut. Um Haaresbreite wäre das alles anders gekommen, mußte Jaczek denken, um eines Haares Breite.

Herrgott im Himmel, sie hatten es nicht glauben wollen, daß nur einer in dem gepanzerten Geldtransporter gesessen hatte, der vor fünf Jahren im Morgengrauen jenes 20. Dezember aus der bestimmten Seitenstraße kommend an dem Stoppschild vor der Hauptstraße gehalten hatte. Der sonst übliche Begleiter war krank, hatte Urlaub, weiß der Teufel was, sie hatten Wallner nicht danach gefragt.

Jaczek glaubte wieder das rauhspannende Gewebe des Strumpfs vor Nase, Kinn und Wange zu fühlen. Sie hatten die Maske mit einem Griff unter dem Hut hervor über die Gesichter ziehen können. In den weiten Mänteln mit den hochgeschlagenen Kragen hatten sie bis zu dieser Sekunde ausgesehen wie eben jene Gestalten aussehen, die morgens um sieben, die Hände in die Manteltaschen geschoben, darauf warteten, daß die Stehbierhallen oder Kaffeestuben öffneten. Solchen schaut man nicht ins Gesicht. Die schaut man am besten gar nicht an.

Alles war ganz mechanisch gegangen. Jaczek hatte auf das Wappen an der blauen Panzertür gestarrt, das plötzlich unmittelbar in seinem Blickfeld war. Mit der Rechten an den Türgriff, mit der Linken die Strumpfmaske herunter. Als die Tür aufflog, hatte Hans Saur schon die MP im Anschlag. Das war alles tausendmal geübt. Der Kerl, der hinter dem Steuer saß, erstarrte und hob die Hände über den Kopf.

»Flossen runter!« hatte Jaczek gekeucht.

Er hatte sich neben den Fahrer geschoben, die eigene MP auf den Knien, als Saur einstieg und die Tür zuschlug. Der Mann hatte nicht gewußt, was er tun sollte.

»Fürs Heldenspielen wirst du nicht bezahlt«, hatte Jaczek gesagt, und dabei das Herz in den Halsschlagadern pochen gespürt. »Fahr los, als wär nichts passiert, ganz normal, wir haben nichts zu verlieren, mein Kumpel und ich. Lebenslänglich haben wir sowieso schon, verstehst du? Auf einmal mehr kommt´s uns nicht an. Also fahr schon!«

Und Matthias Wallner, die Berettamündung an der Flanke, war losgefahren. Jaczek hatte ihm die Richtung angewiesen. Hans Saur behielt den rechten Außenspiegel im Auge. Er war mißtrauisch, und der Außenspiegel war beschlagen.

»Was schaust?«

»Ich glaube, es folgt uns einer; ich kann mich aber auch irren.«

»Was für einer ist es?« wollte Jaczek wissen.

Saur starrte in den Spiegel. Wallner durchfuhr eine Kurve.

»Nu was ist?« sagte Jaczek und gleich darauf: »Du schaust geradeaus, Freund«, als er feststellte, daß auch Wallner in den Rückspiegel sah. »Das fehlt uns noch, daß wir wegen deiner Neugier einen Unfall bauen. Kommt er?«

Er kam. Ob es ein Polizeiwagen war, einer von der Sparkasse, ein Wichtigmacher oder jemand, der rein zufällig denselben Weg hatte, konnten sie nicht...
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Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.