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110 - hier Mordkommission

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
188 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Kriminalhauptkommissar G. C. Ketterle hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Er übernimmt den Fall Dreyer, denn das, was zunächst wie eine einfache Unterschlagung aussieht, entwickelt sich immer mehr zu einem schweren Kapitalverbrechen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextKriminalhauptkommissar G. C. Ketterle hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Er übernimmt den Fall Dreyer, denn das, was zunächst wie eine einfache Unterschlagung aussieht, entwickelt sich immer mehr zu einem schweren Kapitalverbrechen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609439
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten188 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse816 Kbytes
Artikel-Nr.1907040
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kriminalkommissar Gottfried Cäsar Ketterle hatte den Lokalteil einer rheinischen Tageszeitung aufgeschlagen und las ohne großes Interesse eine unscheinbare Notiz in der dritten Spalte unten.

»Wie wir bereits im November vorigen Jahres berichteten« - hieß es dort -, »ist es durch einen Zufall gelungen, den Brand des Hotels Haus Gildemeister nach sechs Jahren aufzuklären. In diesem Zusammenhang wurde der dreißigjährige Horst Gellert in der gestrigen Hauptverhandlung zu zehn Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Gellert hatte das Feuer gelegt, um sich zu rächen. Bei dem Brand hatten seinerzeit fünf Menschen den Tod gefunden.«

Der rätselhafte Brand, dessen Ursache bisher nicht geklärt werden konnte, haftete noch gut in Ketterles Gedächtnis. Er hatte die Öffentlichkeit stark beschäftigt, und bereits damals war allgemein von einer Brandstiftung gesprochen worden. Er überlegte gerade, ob er sich wohl noch an irgendeinen anderen Fall erinnern könne, der erst nach so langer Zeit aufgeklärt wurde, als das Telefon klingelte. Seufzend hob er ab, denn eigentlich war Mittagspause. Du lieber Himmel! dachte er, als er die Stimme erkannte, ausgerechnet heute! Aber das dachte er jedesmal, wenn sie anrief. Sooft sie nach Hamburg hereinkam, holte sie ihn kurzerhand aus dem Amt, und es störte sie nicht im geringsten, wenn er bis über die Ohren in Arbeit steckte.

»Komm nur, es schadet dir gar nichts«, pflegte sie zu sagen. Jedesmal war er ärgerlich, aber immer entwaffnete ihn die beschauliche Heiterkeit ihrer fünfzig Jahre, so daß er sie in bester Stimmung wieder zu ihrer Bahn brachte.

Sie war seine Schwester und hatte sich heute in den Kopf gesetzt, mit ihm zusammen einen neuen Mantel für sich auszusuchen. Sie gingen zu Morawsky, denn sie bezog eine ausreichende Pension und hielt auf Gediegenheit.

Eine junge Dame bediente Elisa und half ihr unermüdlich von einem Mantel in den anderen. Gottfried Cäsar Ketterle bemerkte, daß ihr himbeerfarbener Pullover ziemlich knapp saß. Auch ihr Rock war seiner Ansicht nach zu eng und außerdem zu kurz, und schon gar nicht mochte er ihre rosa Lippenfarbe, die neuerdings Mode war. Erstaunt bemerkte er, daß ihre verschmitzten grünlichen Augen einen eigentümlich warmen Glanz hatten.

Elisa erstand einen Mantel mit Fischgrätenmuster und einem kleinen Biberpelz um den Kragen. Er mußte geändert werden.

»Mein Bruder wird ihn abholen. Nicht wahr, Gottfried? Heute haben wir den Vierundzwanzigsten. Sagen wir Mitte nächster Woche.«

Sie setzte ihren Hut auf.

»Vergiß es aber nicht!«

Die junge Dame hielt ihnen die Tür auf.

»Ich kaufe gern hier«, sagte Elisa draußen. »Fräulein Dreyer ist immer so zuvorkommend. Findest du nicht?«

Sie sah ihn von der Seite an und lächelte in einer ganz bestimmten Art. Wenn sie nur endlich mit dem Versuch aufhören wollte, ihn noch einmal zu verheiraten. Dazu war er zu alt und - zum Teufel noch mal - auch viel zu beschäftigt.

Er sah nach links und rechts, ehe sie die Straße überquerten.

»Zu auffallend!« brummte er mißmutig. »Da steckt meistens nichts dahinter!«

Er wußte nicht, daß er schon sehr bald Gelegenheit haben würde, sich vom Gegenteil zu überzeugen. Auf der anderen Straßenseite spannte er seinen Schirm auf, und Elisa schob ihren Arm unter den seinen. Ketterle hielt den Schirm schräg und sah nach oben. Es war Januar, und die Stadt lag unter einer winterlichen Glocke von Kälte und Nebel. Es war noch kein Schnee gefallen.

Das Eisenblechtor der Garage wurde von innen geöffnet. Der Mann im dunklen Ulster und mit grauem Hut hakte sorgfältig die beiden Flügel ein. Er hatte das Parklicht eingeschaltet. Der Motor lief. Die Rückwand der Garage leuchtete rot vom Widerschein der Hecklichter.

Der Mann fröstelte und schlug den Mantelkragen hoch. Langsam ging er auf dem kiesbestreuten Fahrweg nach vorne und öffnete auch die beiden Flügel des Gartentors. Er fuhr den Wagen aus der Garage auf die Straße. Am Straßenrand ließ er ihn mit laufendem Motor stehen und schloß ohne Hast das Garagentor. Aber dann öffnete er das Tor noch einmal und verriegelte von innen das kleine viereckige Fenster an der Längswand.

Am Gartentor legte er die eiserne Haltestange in den Ring und warf noch einen Blick auf das Haus, den Garten und die Garage, wie jemand, der sich vergewissern will, daß er auch wirklich nichts vergessen habe.

Das Haus war dunkel. Er blickte die einsame Straße entlang. Die Berufstätigen waren bereits in den Büros und Fabriken, und die Hausfrauen waren jetzt mit dem Frühstücksgeschirr und dem Bettenmachen zugange. Es war die Stunde, in der die Straßen leer sind; er bemerkte es mit Befriedigung. Dann überzeugte er sich, daß er den Scheck bei sich trug, stieg in den Wagen, schlug die Tür zu und fuhr in Richtung Innenstadt davon. Die Scheinwerfer anderer Autos, die Straßenlampen und die roten, gelben und grünen Lichter der Verkehrsampeln waren kaum mehr als farbige Kleckse in der nur langsam etwas lichter werdenden Nebelwand. Das Bankhaus Mühling & Fries lag in einer schmalen Seitenstraße der Innenstadt. Der Mann bog ein und fand gegenüber dem Portal eine Parklücke. Vorsichtig setzte er den Wagen zurück und stieg aus. Er ließ den Parkautomaten auf dreißig Minuten schnappen und sah auf die Armbanduhr. Länger würde er gewiß nicht brauchen. Aus dem Wageninnern holte er die große schwarzlederne Bügeltasche, verschloß die Wagentür sorgfältig und überquerte die Straße.

Er betrat die Bank wie seit über fünf Jahren durch das Hauptportal.

»Morgen, Herr Dreyer!«

Der Mann hinter der Glasscheibe der Pförtnerloge tippte an seinen Mützenschirm; seine Stimme klang gedämpft. Da die Marmortreppe mit einem dicken Teppich belegt war, blieben die Schritte des Mannes geräuschlos, als er hinaufging und die Kassenhalle durch die gläserne Schwingtür betrat.

Er begab sich direkt zum Schalter.

»Morgen, Herr Dreyer! Neblig, was? Könnte schon bald besser werden mit diesem Wetter.«

Der Schalterbeamte warf einen Blick hinter sich, auf die schmalen hohen Fenster, durch die ein graues, milchiges Dämmerlicht schimmerte. Der Mann vor dem Schalter war beunruhigt, daß heute die helle Neonbeleuchtung noch immer brannte. Gewöhnlich erlosch sie um diese Jahreszeit gegen neun Uhr.

Der Beamte suchte einen Stoß von Schecks und Anweisungen zusammen und reichte sie seinem Kollegen vom Nachbarschalter hinüber. Dann wandte er sich wieder seinem Kunden zu.

»Wieviel heute, Herr Dreyer?«

Der Beamte nahm den Scheck auf, der ihm durch die bogenförmige Aussparung in der gläsernen Schalterwand zugeschoben wurde.

»Einhundertneununddreißig siebendreiundsechzig siebenundfünfzig!« murmelte er und verglich die beiden Unterschriften, die der Scheck trug. Sie stammten von Sieckmann und Schwantes. Beide Herren waren zeichnungsberechtigt für das Kassandra-Werk. Der Scheck betraf die monatlichen Gehaltszahlungen und Löhne der Maschinenfabrik. Wendelin Dreyer hob sie jeweils am letzten Montag des Monats ab. Husemann sah auf den Kalender: Es war der sechsundzwanzigste Januar. Er nickte dem Mann vor der Glaswand des Schalters zu.

»Einen Moment, Herr Dreyer, ich rufe Sie dann auf!«

Der Mann nickte und ging hinüber zu der ihm seit langem vertrauten Galerie würdiger, ledergepolsterter Sessel, um auf die Auszahlung zu warten. Jeden Aschenbecher und jeden Schirmständer kannte er dort. Die kleinste Veränderung wäre ihm aufgefallen.

Aber es war alles wie sonst. Bis auf das Licht! Nervös sah er zum zweitenmal auf die Uhr, und in diesem Augenblick erlosch es. Nur noch die trübe, nebliggraue Dämmerung des Januarmorgens erhellte die Schalterhalle, und die Lichtkreise schwarzer, schmuckloser Bürolampen bezeichneten die Plätze der einzelnen Schreibtische im Hintergrund der Halle.

Er atmete auf. Kunden betraten und verließen den Schalterraum. Gedämpft klapperten Rechenmaschinen, und irgendwo klingelte Hartgeld.

Husemann beugte sich zur Öffnung in der Glaswand herunter. »Kassandra-Werk!« rief er hinüber zu der Sesselgruppe. Der Mann erhob sich.

Hinter der Glaswand hatte der Beamte schon die Bündel der Hundertmarkscheine aufgestapelt. Durch das Glas sah er das Gesicht seines Gegenübers. Es war nicht besonders ausgeprägt. Ein etwas weiches, fast sensibles Kinn. Der englisch geschnittene Schnurrbart war dicht und buschig, und die Augen lagen hinter dicken Brillengläsern. Das lange dunkle Haar sah unter dem Hut hervor und stand etwas über die Bügel der Brille.

Fast jeder Mensch hinterläßt durch irgendeinen seiner Wesenszüge in der Erinnerung einen vorherrschenden Eindruck. Bei Wendelin Dreyer war dies stets der Eindruck einer gewissen zerstreuten Schüchternheit.

Die schwarze Bügeltasche wurde umständlich vor Husemann auf das Schalterbord gestellt. Der Kunde zählte die Bündel und legte sie einzeln und sorgfältig hinein. Siebenhundertdreiundsechzig Mark siebenundfünfzig waren in einem Umschlag, den der Beamte zuletzt durch das Loch schob.

»Danke!« nickte der Kunde und schloß die Tasche. Mit einer etwas zerfahrenen Geste drückte er den Hut tiefer in die Stirn. Dann drehte er sich um und durchschritt die Halle. Die Mappe trug er in seiner linken Hand, die rechte hatte er in die Tasche seines Mantels geschoben.

Sie umspannte einen entsicherten Revolver. Unten kam der Pförtner aus seiner Loge. Er besaß eine Liste von Bankkunden, die er beobachten mußte, bis sie ihre Wagentüren geschlossen hatten und angefahren waren. Zu ihnen gehörte Wendelin Dreyer.

»Guten Tag, Herr Dreyer!«

»Guten Tag!«

Der Portier verließ seine Loge und stellte sich unter die...
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Autor

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.