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Kork aus Tanger

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
190 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Kriminalromane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern ein tatsächlich geschehenes Verbrechen.

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextStefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Kriminalromane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern ein tatsächlich geschehenes Verbrechen.

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609606
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten190 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse823 Kbytes
Artikel-Nr.1907049
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


»Das Rif«, sagte Rossigk. »Ceuta dort. Sie könnten es sehen, wenn der Dunst nicht wäre. Bei Dunkelheit könnten Sie die Lichter sehen. Eine Stunde weiter ins Innere liegt Tetuan.«

In einer violett marmorierten Abenddämmerung tauchte das Gebirge vor ihnen auf. Aus der Ferne war es anzusehen wie der gezackte Rückenkamm eines urweltlichen Dinosauriers, schwarz und abweisend, trotz der sanften Melancholie des Herbstabends. Die Küste darunter war verschleiert von türkisfarbenem Dunst, mit dem das Meer in unmerklichem Übergang verschwamm.

»Und Tanger?« fragte sie.

Rossigk stach mit der Pfeifenspitze in den Dunst, der das Meer voraus bedeckte.

»Noch eine Stunde. Da vorne. Sehen Sie die perlgraue Nebelbank? Das ist die Meerenge. Rechts drüben könnte man Gibraltar sehen. Und Algeciras.«

»Woher kommt dieser Nebel?« wollte das Mädchen wissen.

»Im Herbst ist das hier oft so. Der Atlantik hat kaltes Wasser und das Mittelmeer warmes. Es gibt nicht nur Nebel, sondern auch Strömungen. Die Meerenge ist gefährlich. Das wußten schon die Phönizier und die Griechen. Und die Römer auch. Der Atlantik hat Gezeiten von zwei bis drei Metern Tidenhub, das Mittelmeer keine. Da sehen Sie.«

Sie betrachtete interessiert das blaue, perlgrau getönte Wasser unterhalb der hellgrauen Bordwand, das plötzlich bizarre Schaumstreifen bildete und in graziösen Wirbeln am Rumpf der Ägäis vorübertrieb. Halb verschluckt von zartem Dunst lief ein riesiger Tanker vor ihnen her nach Westen. Er lag bis zur Lademarke im Wasser, und ein breiter, gerader Schaumstreifen quirlte unter seinem dicken Rumpf hervor nach achtern.

Sie standen auf dem Bootsdeck, und wenn sie sich etwas vorbeugte, konnte sie den gewölbten Rücken des Chemikers sehen, den jadegrünen Pullover, die Steuermannsmütze und die verschränkten Hände, die über dem vorüberschießenden Schaum der Bugwelle schwebten. Auch der Chemiker sah zu dem Tanker hinüber, der jetzt seinen Kurs geändert zu haben schien. Aber es war nur die Ägäis selbst, die unmerklich manövriert und ihre Fahrt wenige Strich backbord versetzt hatte. Der Abstand zu dem Tanker wuchs.

Rossigk kannte diese Kursänderung der Ägäis querab Ceuta. Es war auf jeder Reise genau die gleiche, und er fuhr den Marokko-Trip mit der Ägäis seit drei Jahren. Er hätte das Schiff mit dem linken kleinen Finger in den Hafen von Tanger bringen können, aber es gab eine Reihe von Vorschriften, die das unmöglich machten.

»Ich muß rauf«, sagte er. »Hafenkarte, Lotse und so. Wollen Sie heute noch von Bord, Fräulein Meyerhof?«

»Natürlich«, sagte sie. »Tanger bei Nacht. Ich bin wahnsinnig gespannt.«

Rossigk klopfte seine Pfeife aus, schob sie in die Brusttasche des Khakihemdes und sah auf die Uhr. Sein Unterarm war haarig und sehr männlich.

»Bis neun können wir mit den Formalitäten fertig sein.«

Er schwieg eine Weile.

»Tanger bei Nacht«, sagte er dann. »Versprechen Sie sich nicht zu viel Aufregendes. Das meiste davon ist vorbei. Heute haben auch die Schieber Steuersorgen. Es gibt eine Polizeistunde und eine Sittenbehörde. Marokko ist ein geordnetes Staatswesen. Bis auf die sozialen Verhältnisse. Aber da nützt auch die Ordnung nichts.«

Rossigk rieb die schweißnassen Hände gegeneinander, dann griff er nach den Geländerenden der Brückentreppe und schwang sich hinauf. Auf halber Höhe blieb er noch einmal stehen und drehte sich um.

»Wenn Sie etwas echt Marokkanisches sehen wollen, dann gehen Sie ins Café Maure oben in der Kasbah. Von dort aus hat man einen schönen Blick über Stadt und Hafen. Sie machen landesübliche Musik. Das typisch arabische Gezimbel und Gedudel. Sie können da auch gut alleine hingehen.«

Dann verschwand Rossigk nach oben, und sie hörte abgerissene Wortfetzen, als er sich mit dem Ersten Offizier oder dem Kapitän über irgend etwas verständigte. Sie glaubte, daß es sich um das Radargerät handelte. Wegen des Nebels, der jetzt in immer dichter werdenden Schwaden die Ägäis umgab.

Sie können da auch gut alleine hingehen. Das war eine Absage. In Marseille und in Algier hatte Rossigk sie abends an Land begleitet, und sie war ziemlich stolz gewesen, sich in ihren eigens für diese Reise erworbenen Sachen mit dem gut aussehenden, verschlossenen Schiffsoffizier zeigen zu können. Sie wußte nicht, daß es zur Tradition der Ägäis gehörte, daß ihre Offiziere, wenn das Schiff in Tanger lag, in den intimen Spielsalons der Stadt ihr Glück versuchten. Damen wollten sie dabei keine.

Carola Meyerhof grübelte darüber nach, womit sie den Zweiten verletzt haben könnte. Über ihr blähte sich das verblichene Sonnensegel in dem kaum wahrnehmbaren Schlingern des Schiffes. Es roch nach Dieselöl und nach Meer. Auf dem Gangbord unter sich hörte sie den Chemiker schlurfen. Sie starrte hinüber auf die Konturen der nordafrikanischen Küste.

Doch ein Blödsinn, daß ich alleine gefahren bin, dachte sie mürrisch. Dieser Kasten mit seinen zwölf Passagieren ist einfach zu klein, um Anschluß zu finden. Die Offiziere haben schließlich auf jeder Reise andere Damen an Bord. Aber für mich ist dies die einzige Reise. Lange gespart, dachte sie. Ich hätte vielleicht doch eine kürzere Reise auf einem größeren Schiff machen sollen. Dann dachte sie bitter an ihren Chef, der ihr diesen Trip empfohlen und ihr noch Urlaub extra dazugegeben hatte.

Sie können da auch alleine hingehen. Plötzlich kam es ihr so vor, als habe Rossigk die Betonung auf das Sie gelegt. Sie könne alleine ins Café Maure gehen, dachte er wahrscheinlich, weil sie häßlich war und weil ohnehin keiner etwas von ihr wollte. Am besten wäre ich zu Haus geblieben, dachte sie, und hätte mir für das Geld etwas anderes gekauft, einen Pelzmantel vielleicht oder einen alten Wagen oder eine Phonotruhe. Einen Augenblick lang verurteilte sie sich selbst hart wegen ihrer Torheit, während sie nach vorne ging, um sich für das Abendessen umzuziehen.

Bevor sie den Kajütflur betrat, sah sie den Doktor, halb verborgen hinter einem der Boote, auf seinem Deckstuhl liegen und zur Küste hinüberschauen. Er nickte freundlich, aber doch nicht mehr als konventionell. Sybil, dachte Carola Meyerhof. Schon seit er in Marseille an Bord gekommen war, hatte sich der Doktor mit Sybil angefreundet. Kein Wunder, so wie Sybil aussah. Es war auch kaum möglich, daß zwei Mädchen, von denen das eine hübsch, spritzig und interessant war und das andere, wie sie von sich selbst dachte, häßlich, farblos und fad, eine zufällige Reisebekanntschaft durchhielten, ohne daß das hübschere anfing zu flirten. Carola wußte nicht, zum wievielten Mal dieses Gefühl des Ichwerd´s-euch-schon-Zeigens in ihr hochstieg, als sie sich in ihre Kabine einschloß und mechanisch den Vorhang am Fenster zum Bootsdeck zuzog.

Sie streifte die Kleider ab, die Hose, den weiten Pullover mit dem Rollkragen und die Wäsche. Sie stellte die Brause an und duschte. Zuerst heiß und dann so kalt, wie das brackige Salzwasser, das aus der Leitung kam, lief.

In der Kabine nebenan hustete der pensionierte Nord-Ost-seekanal-Lotse und sprach dann mit seiner Frau. Danach husteten beide. Sie sprechen wieder über mich, dachte Carola schmerzlich und suchte zornig denjenigen ihrer Pullover heraus, der ihre Formen am besten zur Geltung brachte. Ein knappes Jäckchen darüber, ein malvenfarbener Rock, malvenfarbene Pumps. Ich-werd´s-euch-schon-zeigen. Lippenstift, Kamm. Immerhin, die Frisur ist großartig. Die hat der schmierige Friseur in Genua wunderbar hingekriegt. Sie war ja auch Sybils Idee und nicht meine eigene. Aber für meine Beine kann Sybil nichts. Die sind hübscher als ihre. Zeigen, Mädchen, zeigen, pflegte ihr Chef zu sagen, und Carola befolgte seinen Rat. Sie beugte sich vor und streckte sich selbst im Spiegel dreimal hintereinander die Zunge heraus, bevor sie das Licht löschte und die Kabinentür hinter sich schloß.

Die Ägäis hatte die Nebelfelder passiert und lief mit verminderter Fahrt auf den Molenkopf des Hafens von Tanger zu. Carola spürte nur das etwas veränderte Zittern der Maschine, als sie an Sybils Kabine klopfte, um sie zum Essen abzuholen. Sie war schüchtern und haßte es, alleine die Messe zu betreten. Zu ihrer Überraschung war Sybil bereits fertig und öffnete die Tür eben, als sie eintreten wollte.

»All right, Carola. Gespannt auf Tanger? Man muß es schon sehen können. Los, schauen wir noch rasch nach vorne. Es ist ohnehin noch nicht ganz Essenszeit.«

Sie zog Carola durch den Kajütflur. Sie stiegen über das Süll nach draußen, gerade in dem Augenblick, da der Doktor seinen Deckstuhl zusammenklappte.

»Wunderbar, nicht wahr?« sagte er und deutete nach vorne.

Vor dem letzten hellen Streifen des Tageslichts zeichnete sich die Silhouette von Tanger ab. Rechts der langgestreckte Walrücken, der die Araberstadt trug, trotzig und geheimnisvoll, nach links hin abfallend die Hochhäuser und Gebäudereihen der Europäerstadt, der weiße Strand davor und dahinter, wie eine Ahnung, die karstig baumlose, biblische Landschaft Nordmarokkos. In der Bucht des Hafens spiegelten sich Tausende von Lichtern.

»Wunderbar«, wiederholte der Doktor.

»So schön habe ich es mir nicht vorgestellt«, murmelte Carola ergriffen.

»Die Moslems sind dreckig«, sagte der Doktor. »Dreckig und verschlagen. Tanger ist eine merkwürdige Mischung aus moslemischem Fatalismus und europäischer Betriebsamkeit.«

»Sie waren schon einmal in Tanger?« fragte Carola, nur um etwas zu sagen.

Der Doktor zögerte einen Moment. Dann wandte er ihr sein unter der teigigen Blässe doch scharfgezeichnetes Gesicht zu, das Gesicht eines Mannes, der viel gesehen...
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Autor

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.