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Auf den Tag genau

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
238 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Friedrich Dax ist Bundestagsabgeordneter und Strahlemann seiner Partei. Die Frauenherzen fliegen dem sportlichen, gutaussehenden Mann zu. In einer Woche ist Wahl, und Dax ist erstes Zugpferd der Partei, die sich in der Opposition befindet und endlich wieder an die Macht will. Da wird an einem Abend am Ufer des Bodensees auf Dax geschossen. Das Attentat mißlingt, Dax wird nur an der Schulter verletzt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextFriedrich Dax ist Bundestagsabgeordneter und Strahlemann seiner Partei. Die Frauenherzen fliegen dem sportlichen, gutaussehenden Mann zu. In einer Woche ist Wahl, und Dax ist erstes Zugpferd der Partei, die sich in der Opposition befindet und endlich wieder an die Macht will. Da wird an einem Abend am Ufer des Bodensees auf Dax geschossen. Das Attentat mißlingt, Dax wird nur an der Schulter verletzt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609200
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten238 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse838 Kbytes
Artikel-Nr.1907050
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


MONTAG, 2. OKTOBER

Mürrisch saß Mortimer Zuessy bei völliger Dunkelheit zum drittenmal innerhalb einer Woche im Fünfuhreins-Zug. Immerhin waren schon Zeitungen zu haben gewesen. In den beiden sonntags erscheinenden Nachrichtenblättern war die Mitteilung von der Festnahme Klaffs bereits gestern erschienen. Allerdings in ebenso dicken Lettern wie dürrer Sprache und, außer dem obligaten Ausrufezeichen und den Unterstreichungen in Bild am Sonntag , ohne jeden Kommentar.

Als der Zug jetzt anruckte und Zuessy die Morgenblätter auseinanderfaltete, bemerkte er, daß Feldburgs Strategie Früchte trug. Es wurde zwar überall hervorgehoben, daß die Polizei noch keinen Zusammenhang mit dem Mordanschlag auf Dax vermutete, andererseits fehlte aber gewissenhaft jenes publizistische Geschoß - nämlich daß sie ihn ausschloß. Damit hatte, wie Zuessy zugeben mußte, der Mann aus Karlsruhe den Lauf der Dinge in ebenso abgefeimter wie eleganter Manier exakt in die von ihm gewünschte Richtung lanciert, ohne einen einzigen Finger dafür gerührt zu haben. Feldburgs Mitteilung an die Presse mußte die Qualitäten einer Emser Depesche gehabt haben. Die Polizei war eben vorsichtig. Das Landeskriminalamt war eingeschaltet, es waren schon so oft voreilig die Fanfaren geblasen worden, daß man es bei dieser Sache unbedingt vermeiden wollte. Aber die wissen natürlich längst viel mehr, als sie sagen.

So jedenfalls sahen es die Kommentare der heutigen Zeitungen, und so wirkte es auch auf ihre Leser, wie Zuessy auf seiner langen Reise nach Stuttgart feststellen konnte. Diese langhaarigen Fixer, irgendwie stecken sie doch alle unter einer dreckigen Decke. Zuzutrauen ist denen doch ohnehin alles. Und auf die Füße getreten wird denen doch sowieso viel zu wenig. Befriedigung über die Verhaftung Klaffs war jedenfalls überall zu spüren.

 

Auch in Bonns Baumschulenallee war sie zu spüren, wo wenige Stunden später, zu angenehmer Frühstücksstunde, Zeitzsch mit Blockfeldt beisammensaß und die gleichen Blätter überflog wie der inzwischen in Stuttgart eingetroffene Mortimer Zuessy. Blockfeldt hatte seinem Chef nicht nur diese Blätter mitgebracht, sondern auch die Ergebnisse der Umfragen, welche die Partei in der letzten Wahlkampfphase jeden dritten Tag in Auftrag gab, um wie ein Seismograph auf akute Vorgänge, Störungen und Erschütterungen in der allgemeinen Stimmungslage reagieren und die Redeinhalte und Diskussionsthemen in der Öffentlichkeit entsprechend anpassen zu können.

»Wenn gestern gewählt worden wäre«, sagte Blockfeldt und blätterte in seinen Unterlagen, »dann hätten wir bereits pari gestanden. Den oberen und den breiten sogenannten Mittelstand bringt Dax mit dem, was er sagt, auf unsere Linie ...«

»Aber er sagt doch gar nichts«, warf Zeitzsch ein.

»Er sagt jedenfalls das, was gern gehört wird«, antwortete Blockfeldt. »Und das ist immer klingende Münze. Weitere Liberalisierung im Miet- und Baurecht, gleichzeitig Schutz der Kinder- und Wohngeldbezieher, und für eine verschärfte Extremistenbekämpfung und Terroristenjagd ist er ja nun selbst zum Garanten geworden. Das ist für jeden etwas, Herr Zeitzsch. Da können Sie nichts dagegen sagen.«

Blockfeldt rührte um und trank einen Schluck Kaffee.

»Und die Frauen?« fragte Zeitzsch.

»Zielgruppe Frauen.« Erneut raschelte Papier. »Seit dem Attentat fliegen die Frauen auf Dax noch mehr als vorher, weil Mitgefühl, Solidarität und Trotz dazugekommen sind. Frauen sympathisieren seit Christi Himmelfahrt immer mit den Opfern, selten mit den Akteuren. Kirchhof hat mit seiner Analyse vollständig recht gehabt. Und die Stimmung für Dax und die Partei hat sich nach der spektakulären Verhaftung von Klaff noch gesteigert. Morgen findet die nächste Umfrage statt. Ich bin überzeugt, daß wir noch mal einen Zuwachs bekommen.«

»Der Vorsitzende glaubt, daß wir am Sonntag durchkommen«, sagte Zeitzsch. »Und ich muß ihm recht geben.«

»Die Polizei dort unten scheint ja ungewöhnlich präzise zu arbeiten«, sagte Blockfeldt. »Das ist sehr erfreulich.«

Zeitzsch lächelte. »Jetzt, nachdem das alles gut läuft, kann ich es Ihnen ja anvertrauen, Blockfeldt. Wir hatten da ein bißchen die Finger mit drin. Natürlich ganz in Ihrem Sinne und im Sinne von Dr. Braun.«

Ein Mann in der Position Blockfeldts hätte sich möglicherweise leisten können, bei dieser Eröffnung seines Chefs überhaupt nicht zu lächeln. Wenn er aber lächelte, war es ausgeschlossen, anders zu lächeln als sein Gegenüber. Auf diese Weise entstand zwischen den beiden Männern eine gewisse Stimmung der Kameraderie.

»Etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht, als Sie am Mittwoch mit dem Vorsitzenden gesprochen hatten. Man mußte dieser Sache einen kleinen Stoß geben.«

»Im Gegenteil, Blockfeldt. Unsere Gewährsleute in Köln haben dafür gesorgt, daß ein Mann nach Stuttgart beordert wurde, der imstande ist, Purzelbäume zu verhindern. Ganz unter uns: Die Festnahme Klaffs ist gar kein Fahndungserfolg im Falle Dax, sondern ein reiner Zufall. Daß er die Sache Dax in unserem Sinne voranbringt, ist praktisch ein Geschenk des Himmels und ein Ergebnis der Tatsache, daß unser Mann in Stuttgart alle anderen Veröffentlichungen rigoros und rechtzeitig abwürgen konnte. Es hätte Überraschungen geben können, die Dax und uns lächerlich gemacht hätten. Das hätte uns der Opposition zum Fraß vorgeworfen. Doch das konnten wir verhindern.«

»Fabelhaft«, sagte Blockfeldt, »ist unter diesen Umständen Ihre rasche und eindeutige Entscheidung. Wirklich enorm!«

»Wenn jetzt noch Querschläger kommen sollten«, sagte Zeitzsch, »können wir die bis zur nächsten Woche zurückhalten, und dann schaden sie nicht.«

 

Etwa zum gleichen Zeitpunkt, als diese Worte in Bonn gesprochen wurden, betrat Mortimer Zuessy das würdige Gebäude des Amtsgerichtes in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Er fragte einen beinamputierten uniformierten Pförtner nach dem Registergericht und erhielt die Auskunft, daß sich dieses - wie bei vielen Amtsgerichten räumlich stiefmütterlich behandelt - in den Kellerräumen eines Rückgebäudes befand. Zuessy betrat dieses und stieg über eine neonerleuchtete Steintreppe hoch. Die Verwaltung besorgte eine ältliche Justizangestellte mit scharfer Brille, die sich gewiß hierher in eine Enklave gerettet hatte, welche nicht die Gefahr von allzuviel Publikumsverkehr bot. Aber sie verstand ihre Sache.

Nur wenig später saß Zuessy an einem der zu einer langen, unordentlichen Reihe zusammengeschobenen, ungleich hohen und auch großen Holztische und hatte den staubigen Aktenband mit den einschlägigen Anfangsbuchstaben vor sich aufgeschlagen liegen. Gespannt brachte Zuessy seine Brille zum Vorschein, schob sie vor die Augen und beugte sich über den Band.

Die Eintragungen enthielten die Daten der Daxschen Firmengruppe von dem Tage an, da sie eintragungspflichtig für das Handelsregister geworden war. Der erste Eintrag stammte vom 1. Juni 1959 und bestätigte die Gründung eines als offene Handelsgesellschaft betriebenen Baustoffhandels und Baugeschäftes, in welchem zu Mortimer Zuessys großem Erstaunen kein Friedrich Dax als Teilhaber eingetragen war. Die Geschäfte dieser Firmen wurden von einem Maurermeister namens Henry Kreling geführt und einem Steueramtmann a.D. namens Franz Flaschner, der offenbar das Kaufmännische und Juristische erledigt hatte. Der nächste Eintrag stammte aus dem Jahre 1962. In diesem Jahr schied der brave Maurermeister aus der Firma aus und wurde abgelöst durch einen veritablen Diplomkaufmann namens Ernst Reichmann. Beide Männer wurden vor Zuessys innerem Auge lebendig, so wie er sie - gepflegt und wohlhabend und mit gepflegten und wohlhabenden, edelsteingeschmückten Frauen - im Hause Dax am Abend des Attentates kennengelernt hatte. 1965 wurde die offene Handelsgesellschaft umgewandelt in eine Kommanditgesellschaft. Als persönlich haftende Komplementäre traten lediglich die Teilhaber der vorangegangenen OHG in Erscheinung. Gleichwohl wurde Mortimer Zuessy ab 1967 endlich auch in anderer Hinsicht fündig. Denn die Eintragungen im Register waren von diesem Jahr an über einen Notar namens Dr. Johannes Schwirsen vorgenommen worden, dessen Name in verschiedenen Zusammenhängen bei den Eintragungen in Erscheinung trat.

Zuessy las sich das alles noch einmal durch, setzte dann die Brille ab und lehnte sich auf seinem klapprigen Stuhl zurück, um nachzudenken.

Also hatte Tibby König recht gehabt. Was war mit einem Mann los, der 1967 mit einer offensichtlich hervorragenden Ausbildung den Sprung in das Notariat - eines der begehrtesten juristischen Ämter - geschafft hatte, angesehen war und ausgezeichnet verdiente und der heute als einfacher Rechtsbeistand in einem übervölkerten Vorort sein Dasein wahrscheinlich damit fristete, Blechschadenansprüche seiner Mandanten bei den Versicherungen durchzusetzen. So ein Mann, meinte Mortimer Zuessy, konnte nur eine berufliche Katastrophe hinter sich haben. Aber wie war es dazu gekommen? Und vor allem, wie war es zu erklären, daß des Dramas Hauptperson Friedrich Dax bisher noch nirgends in Erscheinung getreten war?

Zuessy beugte sich erneut über den Aktenband und studierte die nachfolgenden Eintragungen. Einige Jahre später, nämlich im August 1973, fand er einen völligen Umbau des gesamten Geschäftes vor. In diesem Jahr war die Kommanditgesellschaft in eine echte Aktiengesellschaft mit einem weitgehend eingezahlten Grundkapital von drei Millionen Mark umgewandelt...
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Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.