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Affäre Nachtfrost

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
334 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Beamte in Spitzenpositionen müssen eine blütenweiße Weste haben - sonst kann es ihnen nicht nur an den Kragen, sondern auch ans Leben gehen. Diese bittere Erfahrung macht Fritz Seyfried, Ministerialdirigent im Bundesbeschaffungsamt und wichtigster Geheimnisträger in der Sache »Leopard II«. Fast vierzig Jahre nach Kriegsende holt ihn die Vergangenheit ein: Der KGB ist ihm auf den Fersen, und nicht nur seine Existenz, auch die Sicherheit des Westens steht auf dem Spiel ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextBeamte in Spitzenpositionen müssen eine blütenweiße Weste haben - sonst kann es ihnen nicht nur an den Kragen, sondern auch ans Leben gehen. Diese bittere Erfahrung macht Fritz Seyfried, Ministerialdirigent im Bundesbeschaffungsamt und wichtigster Geheimnisträger in der Sache »Leopard II«. Fast vierzig Jahre nach Kriegsende holt ihn die Vergangenheit ein: Der KGB ist ihm auf den Fersen, und nicht nur seine Existenz, auch die Sicherheit des Westens steht auf dem Spiel ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609149
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten334 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1023 Kbytes
Artikel-Nr.1907052
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Der Abend, der sein Leben zum zweitenmal von Grund auf veränderte, war dunkel, windig und kalt. Der Schnee knirschte unter seinen Schuhen, was in dieser Gegend selten genug geschah. Wo sein Weg bisweilen aus den schützenden Kulissen des etwa 30jährigen Fichtenbestandes heraustrat, trieb der eisige Wind zarte Schneewirbel über den gefrorenen Boden. Stoffel und Steffi hatte er von der Leine gelassen, und die beiden Cockerspaniels schossen als Schatten mit langwedelnden Ohren schnüffelnd über die Schneefläche hin und her. Manchmal tänzelten sie vor Kälte oder blieben stehen und blickten zitternd mit angewinkeltem Vorderbein zurück zu ihrem Herrn.

Der hatte den Mantelkragen hochgeschlagen und einen langen Wollschal lose darumgeschlungen. Er kannte diesen Weg. Er ging ihn jeden Tag, und er ging ihn jeden Tag fast um dieselbe Zeit, denn die Hunde brauchten ihre Regelmäßigkeit. Während er sie hier oben im Wald spazierenführte, stellte unten Anne das einfache kalte Abendessen auf den Tisch, an welches sie sich seit einiger Zeit gewöhnt hatten.

Der Himmel war nicht sternklar, nur der Schnee leuchtete etwas. Nach einigen Minuten kam er an die Stelle, wo sich durch eine Schneise der Blick auf das Moseltal öffnete. Dort säumten Lichterketten den Flußlauf, Autoscheinwerfer huschten hin und her, hinter Fenstern erloschen Lichter oder wurden eingeschaltet. Er kannte jedes einzelne Gebäude, jede Straßenbiegung, jede Lichtreklame. Von ihrem Haus aus hatten sie fast den gleichen Blick.

Während er die Augen von diesem Bild abwendete, um, wie er es stets an dieser Stelle tat, umzukehren, schienen ihn einen Augenblick lang seine Sinne zum Narren zu halten. Er sah auf dem leicht abfallenden Waldweg plötzlich drei anstatt zwei Cockerspaniels tollen und mit den Nasen Schnee in die Winterluft werfen. Da er mit sich im unreinen war, ob er sich getäuscht hatte oder nicht, rief er die Namen seiner beiden Lieblinge, die aufs Wort gehorchten und mit gesenkten Nasen auf ihn zuliefen, im Stehenbleiben die langen Ohren schüttelnd. Schließlich öffneten sie die Lefzen, ließen die Zungen heraushängen und sahen ihn an. Der dritte Spaniel schoß noch eine Weile in der Schneise hin und her und näherte sich dann auch. Fritz Seyfried schüttelte den Kopf. »Ich dachte schon, ich sehe Gespenster«, sagte er zu dem Mann, der plötzlich aus dem Dunklen aufgetaucht war und neben ihm stand. Das gehe ihm auch manchmal so, lachte der Fremde vor sich hin und beschäftigte sich angelegentlich mit einer kalten Pfeife; und danach, fuhr er fort, stelle sich doch alles als ganz normal heraus. Fritz Seyfried betrachtete den Mann aus den Augenwinkeln. Ungefähr ein Mensch wie ich selbst, dachte er, 50 oder etwas mehr, Wintertrenchcoat mit Seidenlammkragen, glatt zurückgekämmtes, etwas schütteres Haar, wahrscheinlich nicht gerade ein Topmanager, aber auch nicht voll abhängig, einer, der sich unter Ausnutzung aller Bausparfinessen und Staatsdarlehen ein Eigenheim erwirtschaftet hat und am Wochenende den Garten umgräbt, wobei er sich einbildet, daß das gesund sei und Spaß mache.

Nur, wie das Gesicht des Mannes eigentlich aussah, das zu beurteilen fiel Fritz Seyfried ausgesprochen schwer. Es war jedenfalls flächig und glattrasiert, eine Brille, die auch jetzt in der Dunkelheit eine opalisierende Tönung zeigte, verdeckte die Augen. Alles in allem erweckte der Fremde einen jovialen, freundlichen Eindruck. Aber wenn Fritz Seyfried später gefragt wurde, wie der Mann denn ausgesehen habe, war seine Erinnerung immer ein und dieselbe: nichtssagend, unscheinbar - wie Herr Jedermann.

»Originelle Namen haben Sie ihnen gegeben«, sagte der Fremde.

»Ein Rüde und eine Hündin«, antwortete Fritz Seyfried und streichelte das seidenweiche Haar der Köpfe, mit denen sich die Hunde gegen seine Beine drängelten. »Aber alle beide Schmuser von Gottes Gnaden.«

»Ein Wurf?« wollte der Fremde wissen.

»Ein Wurf, ja«, sagte Fritz Seyfried, während er die Karabinerhaken der Doppelleine an die Halsbänder der Tiere schloß. Der Hund des Fremden sah dabei pumpend, mit in der Dunkelheit glänzenden Augen und langausgelegter Zunge zu. »Dreieinhalb Jahre alt«, fuhr Fritz Seyfried fort. »Gerade im schönsten Alter.«

»Ich weiß«, sagte der Fremde. »Asta ist im gleichen Alter.«

»Ich muß nach Hause«, sagte Fritz Seyfried und nahm die Leine in die rechte Hand. Er schlang sie einmal um das Gelenk, denn die Hunde zogen. Mit der freien Hand deutete er den Waldweg hinunter. »Haben Sie die gleiche Richtung?«

»Nein, nein«, antwortete der Fremde. »Ich bleibe noch, aber wir werden uns sicher öfter tyier begegnen.«

Fritz Seyfried wollte etwas sagen, eine Höflichkeitsfloskel, einen Gruß, denn er war ein zuvorkommender Mann, aber die Hunde drängten heimwärts, zogen und bellten, und so nickte Seyfried nur mit dem Kopf. Unbeweglich stand der Fremde an der gleichen Stelle wie bisher und sah ihm nach, wie er in den Schatten der Bäume eintauchte und nach einer Weile weiter unten verschwand.

Da Fritz Seyfried den Hausschlüssel im anderen Mantel hatte, läutete er. Anne öffnete. Weil sie nasse Hände hatte, tat sie es mit dem Ellbogen, ließ die Tür offenstehen und ging sofort wieder in die Küche, wo sie sich die Hände trocknete und anschließend mit Geschirr klapperte. Fritz zog den Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Er band die Hunde los und warf die Leine über den gleichen Haken. Dann rieb er sich die Hände und sah zufrieden um sich. Er liebte sein Haus, seine Behaglichkeit, seine praktische Einteilung. Aus der Küche heraus auf ihn einredend, wollte Apne, wie jeden Abend, genau alles wissen. Fritz sah sie dabei, obschon er die Küche gar nicht betrat, vor sich, wie sie an der Arbeitsplatte stand, Brot aufschichtete, Käse zusammenstellte, Salz, Pfeffer und Senf auf einem Tablett ordnete. Schließlich hörte er das Klappern der Kühlschranktür, hinter der sie das Bier hervorholte.

Was er für einen Arbeitstag gehabt habe, wollte Anne wissen, wie es mit dem Verkehr gewesen sei, ob er Appetit habe. Sie fragte das alles, obschon sie gar keine Antwort erwartete, oder wenigstens nicht gleich. Dann erzählte sie von ihrem Tagesablauf, obwohl er gar nicht zuhörte, wenigstens nicht gleich. Fritz ging ins Zimmer und lächelte. Wenn sie den ganzen Tag alleine gewesen war, mußte sie reden und er mußte sie reden lassen. Später, wenn sie sich unter der Lampe gegenübersaßen, würde dieses ganze Gespräch noch einmal geführt werden.

Während er pedantisch, wie es seine Art war, die Gardinen vor das Panoramafenster zog und die Winternacht aussperrte, brachte Anne das Abendessen. Anne war 15 Jahre jünger als er und dunkelblond. Sie hatte eine stämmige Figur und trug gerne Hosen. Das tat sie auch heute und dazu einen curryfarbenen Rollkragenpullover. Sie war keine Schönheit, jedoch galt sie in der Gesellschaft für Konzertfreunde, im Tennisclub und bei Veranstaltungen von Fritz Seyfrieds Amt als apart, war eine begehrte Tänzerin und eine geschickte, diplomatische Gesprächspartnerin. In der Tat, wenn sie sich dazu überwand, ein Kleid anzuziehen, zum Friseur zu gehen und Make-up aufzulegen, brachte sie es fertig, wie Fritz zu sagen pflegte, auszusehen wie das, was man früher eine Dame nannte.

Es war unglaublich, worüber man während eines einzigen Abendessens reden konnte. Von der Frage, ob Anne noch vor oder erst nach ihrem Geburtstag zum Friseur müsse, über den alten Kullnau, Pförtner in Fritz' Amt, der über ein reiches Repertoire von launigen Schnurren sowie zwei- oder eindeutigen Herrenwitzen verfügte, bis hin zu dem Problem, wie oft man Stoffel und Steffi im Winter baden sollte, kam alles zur Sprache.

»Übrigens, Stoffel und Steffi«, sagte Anne und biß in ein Käsebrot, »du warst heute ziemlich lange mit ihnen weg.«

»Ich habe eine Bekanntschaft gemacht«, antwortete Fritz. »Da muß einer zugezogen sein. Hat auch einen Cockerspaniel.«

»Noch nie gesehen?« fragte Anne kauend.

»Nein«, sagte Fritz, »aber er muß hier in der Nähe wohnen. Wir würden uns sicher noch öfter treffen, sagte er. Na, irgendwann werde ich schon erfahren, wer er ist.«

Diese Annahme erwies sich indessen als Irrtum. Den bürgerlichen Namen seines neuen Bekannten sollte Fritz Seyfried niemals kennenlernen. Er besaß keine wirkliche Existenz. Der Name, unter dem ihn sein Vermieter, sein Fußpfleger und der Briefträger kannten, war falsch, und seinen angeborenen Namen kannten außer ihm selbst derzeit nur noch drei Männer, von denen kein einziger ihn jemals preisgeben würde.

Diese Männer waren völlig unbestechlich. Sie wußten genau, was sie wollten, und hatten die Macht, es zu tun. Sie waren außerdem zutiefst davon überzeugt, daß das, was sie taten, das Richtige war. Zwei von ihnen glaubten überdies daran, daß dem System, dem sie dienten, die Zukunft gehörte. Der dritte, ein Zyniker, glaubte, daß die Zukunft überhaupt keinem der bestehenden Systeme gehörte und war deshalb zu einem mechanischen Arm der Macht pervertiert, einem kalt-intelligenten Organisator der größten Konspirations- und Subversionsmaschinerie, welche die Welt je gesehen hat.

Er war der einzige unter den drei Männern, der seine intellektuellen Fähigkeiten, seine moralische Skrupellosigkeit und seine immensen Erfahrungen jedem System zur Verfügung gestellt hätte, das ihm die höchste Machtfülle verlieh und ihn am großzügigsten bezahlte. Dieser Mann besaß eine bedeutende Begabung zur logischen Analyse, deren Ergebnisse er ohne Zeit- und Wertverschiebung in Konzepte und in die Tat umzusetzen vermochte. Außerdem verfügte er über einen unerschöpflichen Einfallsreichtum an Wegen, Umwegen, Konstruktionen und...
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Autor

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.