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Die heimlichen Schwestern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Der Autor Stefan Murr stößt auf alte Familiendokumente, die darauf schließen lassen, daß es in der Vergangenheit seiner Vorfahren ein wohlgehütetes Geheimnis gegeben hat. Er nimmt die Fäden auf - und hält bald ein Knäuel von Geschichten und Geschichte in Händen. Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte Maria Geistinger, international gefeierter Bühnenstar aus Wien, eine leidenschaftliche Liaison mit einem großen Unbekannten von höchstem Adel, aus der zwei Mädchen hervorgingen. Heirat kam aus Standesgründen nicht in Frage, die Kinder wurden, unter Einsatz nahezu unbegrenzter Mittel, in ein großbürgerliches Leben integriert. Die eine, Katinka, heiratete schließlich den berühmten Schriftsteller Ludwig Ganghofer und wurde so Murrs Großmutter. Es gelang Murr mittels Recherchen in Österreich, Ungarn, Frankreich, der Schweiz und St. Petersburg, das Geheimnis um den großen Unbekannten zu lüften. Er hat diesen exquisiten Stoff in einen Tatsachenroman verwandelt, wie man ihn sich spannender und dramatischer schwerlich vorstellen kann. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextDer Autor Stefan Murr stößt auf alte Familiendokumente, die darauf schließen lassen, daß es in der Vergangenheit seiner Vorfahren ein wohlgehütetes Geheimnis gegeben hat. Er nimmt die Fäden auf - und hält bald ein Knäuel von Geschichten und Geschichte in Händen. Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte Maria Geistinger, international gefeierter Bühnenstar aus Wien, eine leidenschaftliche Liaison mit einem großen Unbekannten von höchstem Adel, aus der zwei Mädchen hervorgingen. Heirat kam aus Standesgründen nicht in Frage, die Kinder wurden, unter Einsatz nahezu unbegrenzter Mittel, in ein großbürgerliches Leben integriert. Die eine, Katinka, heiratete schließlich den berühmten Schriftsteller Ludwig Ganghofer und wurde so Murrs Großmutter. Es gelang Murr mittels Recherchen in Österreich, Ungarn, Frankreich, der Schweiz und St. Petersburg, das Geheimnis um den großen Unbekannten zu lüften. Er hat diesen exquisiten Stoff in einen Tatsachenroman verwandelt, wie man ihn sich spannender und dramatischer schwerlich vorstellen kann. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609408
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1129 Kbytes
Artikel-Nr.1907053
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Nicht ganz drei Wochen später trat ein Ereignis ein, das nicht nur den ganzen Globus in Mitleidenschaft zog, sondern auch die Familie Auffacher mit in seinen Strudel zu reißen drohte: Hitler kam an die Macht. Die Auffachers waren viel zu unpolitisch, um an diesem Ereignis intensiv Anteil zu nehmen. Werner Holberg, Lonas Mann, war Teilhaber einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Max Thorek, der Mann von Lonas Schwester Sophie, betrieb eine Fettverarbeitungsunternehmung in der Nähe von Hamburg, und August, ihr Bruder, war Doktor der Ingenieurwissenschaften und Direktor in einem Elektrokonzern in Berlin. Er war als Frontoffizier aus dem Weltkrieg heimgekehrt, gehörte dem «Stahlhelm» an und galt als nationalbewußter Patriot. Aktiver Nazi oder deren Sympathisant war keiner von ihnen. Die politischen Ereignisse berührten niemand direkt, man ging seiner Arbeit nach, verhielt sich loyal und zahlte seine Steuern. Niemand dachte an etwas Schlimmes, an eine beunruhigende Entwicklung oder gar eine herannahende Katastrophe.

Bis zu jenem Sommertag im späten Juli 1933, an dem sich für die Familie Auffacher Unheil in Gestalt eines Zeitungsausschnittes ankündigte. Es war ein Ausschnitt aus dem antisemitischen Hetzblatt «Der Stürmer» und hatte folgenden Wortlaut:

JUD UND DICHTER

Die beiden Auffachers waren mit Jüdinnen verheiratet


Der Volksschriftsteller Anselm Auffacher spricht in seinen Romanen mit glühender Begeisterung von seiner oberbayerischen Heimat und seinen Landsleuten. Man glaubt, er sei damit eisenfest verbunden gewesen und nichts hätte ihn von diesem kernigen Menschenschlag abbringen können. Viele Deutsche sind heute noch der Ansicht, Anselm Auffachers Gesinnung sei völkisch national gewesen. Dem gegenüber aber steht der Geist, der besonders in den letzten seiner Schriften zum Ausdruck kommt. Wiederholt tritt er mit der bekannten schleimigen und verlogenen Rührseligkeit, wie sie in der Zeit des Liberalismus in Mode war, für die Juden ein. Seine Werke wurden nicht besser, sondern schlechter, das zeigte sich besonders in seinen Kriegsschriften. Warum dies so und nicht anders war und auch nicht anders sein konnte, ist nicht schwer herauszufinden. Anselm Auffacher, der Mann, der so begeistert das urwüchsige und natürliche Wesen des bayerischen Gebirgsvolkes schildert, hat nicht etwa ein Mädchen dieses Menschenschlages geheiratet. Er ehelichte eine Jüdin. Er heiratete die Tochter des Zeitungsjuden Engel. Das gleiche tat auch sein Bruder. Dieser erwählte die Nichte des Juden Paul Lindau zur Ehegesponsin. Beide trieben mit dieser rassenschänderischen Versippung Verrat am eigenen Blut, am eigenen Wesen und am eigenen Volk. Schade um den Namen Auffacher, schade um den Dichter und sein Andenken. Es verliert durch diese traurige Tatsache den Schmelz.


Dieses infame Stück Papier lag wenige Tage später auf der Terrasse eines an den Hang des Leebergs am Tegernsee geschmiegten Landhauses auf dem Tisch. Eine orangefarbene Sonnenmarkise hielt die Hitze ab und verbreitete ein sommerlich gedämpftes, anheimelndes Licht. Ein Meer blutroter Geranien flutete von dem hölzernen Geländer, und über sie hinweg sah man auf die unbewegt im Sonnenglanz liegende Egerner Bucht, auf der anderen Seite das Dorf mit seinem spitzen Kirchturm, dahinter den Rücken des Wallbergs und noch weiter hinten den Kamm der Tiroler Blauberge im Sonnendunst verschwimmend. Wer aufstand, konnte über die Geraniendolden hinweg das ziegelrote Dach der «Villa Maria» erblicken, das Haus, in dem Anselm Auffacher seine letzten Lebensjahre verbracht hatte, in dem er gestorben war, in dem danach Katinka über lange Jahre hinweg ein fröhliches und gastfreies Haus geführt hatte.

Hans Vierling, seines Zeichens Rechtsanwalt, hatte den Zeitungsausschnitt gelesen und ohne eine Bewegung des Zorns oder des Abscheus zurück auf den niederen Korbtisch gelegt, auf dem Gläser mit eisgekühltem Himbeersaft standen.

«Was hier steht», sagte er, «hat noch vor Jahresfrist keinen Menschen interessiert und ist heute zu einer abscheulichen Beschimpfung geworden. Auf jeden Fall bin ich froh, daß du, liebe Lona, als erstes den Weg zu uns gefunden hast.»

Ruth Vierling kam aus dem Haus und stellte eine neue Karaffe eisgekühlter Limonade auf den Tisch zwischen die Gläser. Schwarzhaarig, mit lebhaften dunklen Augen und in einem Dirndlkleid mit tiefem Ausschnitt, war sie eine glänzende Erscheinung.

«Wie habt ihr es denn überhaupt erfahren?» fragte sie, während sie sich wieder setzte. «Diese Zeitung liest doch bestimmt keiner von euch da unten.»

«Es lag heute morgen anonym in einem verschlossenen Umschlag im Briefkasten», sagte Lona bedrückt. «Entweder eine Provokation oder eine wohlwollende Warnung.» Lona machte eine Pause, nahm den Zeitungsausschnitt und überflog ihn ein weiteres Mal. Schließlich sah sie nacheinander Hans und Ruth Vierling an.

«Wenn dieser Hitler das alles wahrmacht, was er vorhergesagt hat, dann werdet ihr bald ähnliche Beleidigungen über euch lesen. Dann ist das alles nicht das Glück für Deutschland, das manche erwarten, sondern sein Unglück.»

Hans Vierling erhob sich und verschwand, in kurzer Hose und Sommerhemd, eine gute Erscheinung auch er, im Haus.

«Ich verstehe einfach nicht, daß Hindenburg da mitgemacht hat», sagte Ruth. «In Hitlers Buch steht alles drin, was er vorhat. Auch der Reichspräsident muß das doch schließlich wissen, wenn er so jemand zum Kanzler macht.»

«Mama wollte das Buch lesen», sagte Lona. «Aber sie fand es so schlecht geschrieben und so langweilig, daß sie es weggelegt hat. Es muß drunten noch irgendwo herumliegen. Vielleicht ist es Hindenburg genauso gegangen.»

Nach einer Weile kam Hans Vierling zurück auf die Terrasse. Er hielt ein quadratisches Etui aus Saffianleder in der Hand, das er Lona hinhielt. Lona nahm es und öffnete es. Auf weißer Seide lag ein blaues, gekröntes Malteserkreuz, in dessen Winkeln goldene Adler die Flügel spreizten.

«Schön», sagte Lona. «Was ist das?»

«Der höchste Orden des deutschen Kaiserreichs», antwortete Vierling.

«Hans war mit seiner Sturmkompanie der erste deutsche Offizier auf dem Glacis der Festung Maubeuge», erklärte Ruth fast beiläufig. «Ich glaube nicht, daß sie ihm etwas anhaben können.»

Mit dieser Hoffnung befand Ruth Vierling sich in einem schrecklichen Irrtum. Aber das wußte sie an diesem herrlichen Augusttag des Jahres 1933 noch nicht. Lona schloß das Etui mit dem «Pour le mérite» und legte es auf den Tisch neben den Zeitungsausschnitt. Der Hausherr nahm wieder Platz und entzündete sich eine Zigarette. Nach einer Weile sagte er:

«Wenn sie es nicht so weit treiben zu behaupten, daß Juden Orden nur aus Zufall bekommen konnten.» Er machte eine Pause, in der keiner etwas sagte. Dann sprach er vom eigentlichen Anlaß für Lonas Besuch.

«Was ihr dagegen unternehmen sollt, Lona? Wenn du mich fragst ...»

«Ich frage dich.»

«Auf keinen Fall dagegen zu Felde ziehen. Wenn ich mich recht erinnere, hat doch Katinka selbst manchmal erzählt, daß sie mit der Familie Engel, die hier genannt wird, gar nicht blutsverwandt war. Das stimmt doch?»

«Ja», sagte Lona. «Das wußte sie, das wußten wir alle. Aber das hat überhaupt niemand ernsthaft interessiert. Es spielte gar keine Rolle, versteht ihr? Auch daß diese Familie eine jüdische Familie gewesen sein soll, spielte keine Rolle. Bis heute, wo ich es in diesem Pamphlet schwarz auf weiß sehe.»

«Kann denn das von den Engels in Wien niemand bestätigen?»

«Nein», sagte Lona. «Der Artikel ist auch noch unrichtig. Mama war nicht die Tochter des Zeitungsjuden Engel, sondern seine Schwester. Über den Vater hat sie nur sehr wenig erzählt. Diejenigen, die etwas darüber sagen könnten, sind alle gestorben. Mamas Schwägerin Marie war die letzte. Am dreiundzwanzigsten November vorigen Jahres in Wien.»

«Und Katinka hatte nichts Schriftliches darüber?» forschte Vierling.

Auf diese einfache Frage hin entstand eine lange und drückende Pause. Lona saß zurückgelehnt in ihrem Sessel und zupfte mit niedergeschlagenen Augen an den Fransen der Tischdecke. Endlich strich sie mechanisch die Tischdecke glatt und sah Hans Vierling an.

«Doch, Hans», sagte sie. «Sie hatte.»

«Und was steht darin?» fragte Ruth.

«Ich weiß es nicht», antwortete Lona, «denn ich habe das alles am elften Januar, nachdem wir Mama begraben hatten, um halb acht Uhr abends am Nikolaiplatz im Heizungskeller verbrannt.»

Es war, als hätte auf der sommerlichen Terrasse am Hange des Leebergs der Blitz eingeschlagen.

«Um Gottes Himmels willen», sagte endlich Ruth. «Warum denn das, Lona? Wie hast du denn so etwas tun können?»

Lona berichtete, was zu berichten war. Im Anschluß daran fuhr sie fort:

«Mir sind ja Bedenken gekommen, Mamas Wunsch so bedingungslos zu erfüllen. Gefühlsmäßig war mir so, als wäre es wichtig, daß wenigstens ein Mensch wissen sollte, was diese Papiere enthielten. Aber dann siegte Mamas Autorität. Mama hatte es angeordnet, und ich hatte es versprochen. Wäre ich nur etwas weniger pflichtbewußt gewesen.»

«Es hätte nur etwas genutzt, wenn du die Dokumente aufbewahrt hättest», sagte Vierling. «Nur dann hätten sie Beweiswert gehabt. Die Kenntnis allein wäre nutzlos. Was befürchtet ihr denn, wenn die Behauptung in diesem Schundblatt im Raume stehenbleiben würde?»

«Das hängt davon ab, wie die Dinge sich entwickeln», sagte Lona. «Wie weit die Nazis es wirklich treiben. Gustl hat in Berlin ganz gute Beziehungen zu...
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Autor

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.