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Der Tod war falsch verbunden

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
174 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.03.20161. Auflage
Norddeutschland wird geschockt von einer Serie geheimnisvoller Verbrechen. Immer im Januar verschwinden junge Mädchen samt ihren Autos spurlos von Schleswig-Holsteins Straßen. Kennt Kommissar G. C. Ketterle den Mann, der gegen ihn arbeitet? Und reichen die Motive für die Verbrechen viel weiter zurück als Ketterle ursprünglich angenommen hat? (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
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Produkt

KlappentextNorddeutschland wird geschockt von einer Serie geheimnisvoller Verbrechen. Immer im Januar verschwinden junge Mädchen samt ihren Autos spurlos von Schleswig-Holsteins Straßen. Kennt Kommissar G. C. Ketterle den Mann, der gegen ihn arbeitet? Und reichen die Motive für die Verbrechen viel weiter zurück als Ketterle ursprünglich angenommen hat? (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105609590
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.03.2016
Auflage1. Auflage
Seiten174 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse837 Kbytes
Artikel-Nr.1907058
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


»Schön«, sagte Ketterle, »dann um sieben. Wenn es später wird, rufen Sie mich an. Aber vergessen Sie das Exemplar nicht. Und noch etwas: Sprechen Sie vorerst zu niemand darüber, daß Sie diesen Artikel verfaßt haben. Zu niemand, verstehen Sie. Und wenn wir zusammen gesprochen haben, werden Sie Ihre Meinung über Spangenberg revidieren.«

»Ich revidiere keine Meinungen mehr«, sagte die Frau verbittert. »Aber wenn Sie wollen ... dann morgen um sieben ...«

Es war ein sonderbarer Mechanismus. Sie hatte es schon das eine oder andere Mal erlebt, daß ein Telefon wieder losschrillte, sobald man den Hörer auflegte. Aber daß die Türklingel in diesem Augenblick anschlug, und das nachts um halb elf, berührte sie erschreckend und merkwürdig. Wie versteinert stand sie einige Sekunden lang da, nur den Kopf angstvoll zur Tür gedreht, in der Dunkelheit die Hand um den einen Mantelaufschlag gekrampft, und wartete auf das zweite Läuten. Sie fühlte, daß dort draußen im Treppenhaus vor ihrer Wohnung jemand stand. Entweder hatte nach ihr noch jemand das Haus betreten und die Eingangstür nicht verschlossen, oder derjenige, der dort wartete, hatte einen Schlüssel. Sie meinte sogar, seinen Atem zu hören, aber als sie ihre aufsteigende Angst unter Kontrolle gebracht hatte, merkte sie, daß es ihr eigener war. Sie entspannte sich, ließ den Mantelaufschlag los und ging auf Zehenspitzen hinaus in den Flur. Sie schalt sich selbst sentimental, daß die Beschäftigung mit diesen längst vergangenen Dingen Erinnerung und Unruhe in ihr geweckt hatte. Sie wehrte sich standhaft dagegen, das Ohr gegen das Holz der Tür zu legen.

»Ist jemand da?« sagte sie statt dessen nach einer Weile.

»Ruth«, hörte sie den unerwarteten Besucher draußen im Treppenflur sagen, »kannst du noch öffnen? Ich bin es, Benno.«

Dieser Name traf Ruth Domeshagen wie ein elektrischer Schlag, obschon es noch keine zwei Minuten her war, seit sie mit dem Polizeikommissar über seinen Träger gesprochen hatte. Jetzt, da Benno Kaiman dort draußen vor ihrer Wohnungstür stand und das vertraute Du gebrauchte, kamen die Erinnerungen wieder hoch, die sie fast dreißig Jahre lang verdrängt und durch Arbeit und Leistung kompensiert hatte. Sie lehnte sich eine Sekunde lang mit dem Rücken gegen die Tür und schloß die Augen. Es war ihr klar, daß er nicht ihretwegen kam, sondern aus dem gleichen Grund, aus dem auch der Kommissar angerufen hatte. Und dennoch wußte sie noch nicht, wie sie es verarbeiten sollte, daß die Festung ihrer Selbstsicherheit jetzt wieder aufgerissen und sie daran erinnert wurde, daß auch sie einmal jung gewesen war, sich einer Leidenschaft hingegeben und die Illusion genährt hatte, es könne ihr gegeben sein, ein menschliches Glück zu finden. Jetzt, zum erstenmal, wünschte sie sich, sie hätte diesen Artikel in der Technical and Military niemals geschrieben.

»Hallo, Ruth«, hörte sie draußen seine Stimme.

Sie öffnete die Augen und löste sich mit dem Rücken von der Tür.

»Ja, ich mache auf«, sagte sie, schaltete das Licht ein und öffnete.

»Du hast dich kaum verändert, Ruth«, sagte er, als er vor ihr stand und sie ansah.

»Rede keinen Unsinn, Benno«, murmelte Ruth. »Ich bin über fünfzig, und das weißt du genau, wenn du noch jemals einen Gedanken an mich und an damals verschwendet hast.«

»Du hast mir also immer noch nicht verziehen?«

»Lassen wir das«, sagte sie. »Es hat keinen Zweck. Ich hatte auf Friedrich Spangenberg meine beruflichen und auf dich meine persönlichen Hoffnungen gesetzt. Der eine verschwand im Ausland und verkaufte ein Mordinstrument, und der andere war verheiratet und hatte ein Kind ...« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber du willst doch keine Erinnerungen pflegen, sondern etwas Bestimmtes. Komm herein und mach es kurz.«

Sie ging ihm voran in das Wohnzimmer und schaltete auch dort die Stehlampe ein. Katman nahm den steifen Hut ab und sah sich um. Als erstes erblickte er in ihrem Bücherregal die Nummern der Technical and Military, die den Artikel über Friedrich Spangenbergs Entdeckungen enthielten. Sie folgte mit den Augen seinem Blick.

»Deswegen kommst du, nicht wahr?« sagte sie.

Er sah sie an. »Guido Ristits wurde vorgestern nacht erschossen, weil er diesen Artikel gelesen hatte«, sagte er. »Er war der erste. Und er wird nicht der letzte sein. Deswegen komme ich.«

Ruth Domeshagen tastete mit den Händen und ließ sich auf die Seitenlehne eines ihrer Sessel sinken. »Ristits«, stammelte sie. »Aber das ist ja furchtbar, einer unserer besten Leute ...«

»Ja«, sagte Katman, »und ein völlig harmloser Mann. Aber er hatte eben diesen Artikel gelesen.«

»Du lieber Himmel«, murmelte Ruth. »Was soll denn das alles heißen? Eben, als ich nach Hause kam, rief schon ein Polizeikommissar deshalb bei mir an.«

»Ruth«, sagte Katman, »ich will dir die ganze Wahrheit sagen. Irgend jemand, der wahnsinnig genug war, diesen Aufsatz hier zu schreiben, hat uns alle leichtfertig und vielleicht auch, ohne es zu wollen, in Lebensgefahr gebracht. Ristits, mich, dich, Marianne, Ralph, wer immer etwas über die damaligen Ereignisse noch weiß oder sich aus persönlichen Gründen um die Aufklärung des Schicksals der Familie kümmert.«

»Aber warum denn das?« stammelte Ruth und starrte ihren Besucher an.

»Man dachte bisher, Spangenberg sei ins Ausland gegangen, weil er nicht zulassen wollte, daß die Deutschen seine Erfindung militärisch mißbrauchten.«

Ruth nickte.

»Schön«, fuhr Katman fort, »dieser Aufsatz hier beweist, daß es dann die Engländer taten.«

»Ja«, sagte Ruth. »So habe ich es auch aufgefaßt.«

»Also«, sagte Katman. »Aber jeder, der Spangenberg nur ein wenig kannte, weiß, daß er niemals zugelassen hätte, daß seine Erfindung überhaupt in die Hände von Militärs fiel. Weder auf dieser noch auf der anderen Seite.«

Ruth Domeshagen zuckte mit den Schultern.

»Ich weiß«, sagte Katman, »daß du persönlich nicht allzuviel von ihm gehalten hast. Du hast es mir damals oft genug gesagt. Aber dein Urteil über ihn ist subjektiv. Genau wie über mich. Tatsache ist, daß dieser Aufsatz ein fehlendes Glied in der Kette geschlossen und die Polizei auf die Vermutung gebracht hat, daß Spangenberg und seine Familie ermordet wurden. Und was noch schlimmer ist, er hat den Mörder aufgescheucht. Er geht jetzt daran, sich sämtlicher Zeugen zu entledigen.«

»Aber Benno«, sagte Ruth tonlos, »das kann ich alles gar nicht fassen. Und wenn es stimmt, dann ist das doch fast dreißig Jahre her. Der Mann kann doch gar nicht mehr verfolgt werden.«

»Das ist es eben«, murmelte Katman. »Irgendwie steckt ein persönliches Engagement des alten Kommissars dahinter, mit dem du wahrscheinlich vorhin telefoniert hast ...«

»Ketterle«, unterbrach ihn Ruth.

»... ja, der«, sagte Katman. »Und der läßt die Sache nicht ruhen, aus Prestigegründen oder was weiß ich, und liefert uns alle den größten Gefahren aus.«

»Glaubst du denn wirklich, daß es so ernst ist?« murmelte die Frau versteinert.

»Du kennst mich, Ruth«, sagte Katman. »Wenn ich einmal so weit bin, daß ich aus meinem Haus ausziehe und mich in einer zweitklassigen Hotel-Pension verstecke, dann ist es ernst.«

Ruth Domeshagen erhob sich und begann, die Hände in die Taschen ihres Mantels versenkt, in ihrem Zimmer auf und ab zu wandern. Die Gedanken, die sie dabei bewegten, durfte sie ihrem Besucher nicht einmal sagen. Aber sie wußte jetzt genau, warum der Kommissar von ihr verlangt hatte, niemandem mitzuteilen, daß der hochexplosive Zeitungsartikel von ihr stammte. Benno Katman gegenüber hätte sie dies nach allem, was er ihr soeben gesagt hatte, allerdings auch ohnehin nicht getan.

»Es soll sich um einen Mann mit einer auffallenden Narbe im Gesicht handeln«, hörte sie die Stimme ihres nächtlichen Gastes. »Ein solcher Mann war vor zwei Tagen auf meiner Jubiläumsparty. Ich habe ihn flüchtig bemerkt, ihn aber nicht näher gemustert. Ich glaubte nur, diesen Mann bisher noch niemals in meinem Leben gesehen zu haben. Aber ich kann mich täuschen.«

Ruth Domeshagen war stehengeblieben und hatte sich zu ihm umgewendet. Katman näherte sich ihr. »Hast du eine Erinnerung an einen Mann mit einer Narbe im Gesicht, Ruth?« sagte er. »Streng dein Gedächtnis an. Es ist sehr wichtig.«

»Vielleicht hat der Mann die Narbe erst nachher erhalten«, sagte Ruth, »und es ist jemand, den wir beide sehr gut kennen, nur wissen wir es nicht.« Sie schwieg und dachte nach.

»Was war das eigentlich für ein Mann, der in den letzten Wochen vor Spangenbergs Abreise häufiger mit ihm zusammen war?« sagte Katman plötzlich. »Er kam aus dem Nichts und verschwand ins Nichts. Er mußte irgendwie mit der Polizei oder der Abwehr zu tun haben, und Spangenberg hat ihm voll vertraut. Wenn ich versuche, mich genau zu erinnern, dann kommt es mir so vor, als seien es seine Ratschläge gewesen, die Spangenberg zur Flucht befolgt hat. Er hat sie im einzelnen sogar vor mir verheimlicht. Ich weiß nur, daß die Familie am 17. Januar nachts das Gut verließ und daß Spangenberg mich am 18. vormittags in Rostock aufsuchte und der Hoffnung war, noch am gleichen Tag mit seiner Familie das Land per Schiff nach Schweden verlassen zu können. Dieser Mann muß das organisiert haben, denn Spangenberg selbst war zu solch praktischen Dingen völlig unfähig.«

Eine Weile schwiegen beide.

Dann ging Katman hinüber zum Fenster, schob die Gardine ein wenig auseinander und musterte die öde, nächtliche Straße vor dem Haus.

»Ich sehe überall Männer mit Narben im Gesicht, seitdem ich...
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Stefan Murr, Pseudonym eines promovierten Juristen, schrieb mehrere TATORT-Krimis und Romane. Seine Bücher zeichnen sich durch sorgfältig recherchierte Details aus und haben als Kern meist ein tatsächlich geschehenes Verbrechen. 1982 wagte er mit »Affäre Nachtfrost« den Schritt zum großen zeitgeschichtlichen Spannungsroman, was die rückhaltlose Zustimmung der Kritik fand.