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Freie Geister

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am26.01.20171. Auflage
Der große utopische Science-Fiction-Klassiker in kongenialer Neuübersetzung. Ursula K. LeGuins ?Freie Geister? ist eine der bedeutendsten Utopien des 20. Jahrhunderts, in der die Systemfrage - Kommunismus, Kapitalismus oder Anarchismus? - mit aller Deutlichkeit gestellt wird. Ältere Ausgaben sind unter den Titeln ?Planet der Habenichtse? und ?Die Enteigneten? erschienen. Der einzige Ort auf dem Anarres, der durch eine Mauer von seiner Umgebung abgetrennt wird, ist der Raumhafen. Von hier aus werden die Edelmetalle, die in den Minen des Planeten abgebaut werden, einmal im Jahr zum Nachbarplaneten Urras geflogen. Für die Herrschenden von Urras ist das anarchistische Anarres nicht mehr als eine abhängige Bergbaukolonie, die es möglichst effektiv auszubeuten gilt. Für die Bewohner von Anarres ist ihre Heimat jedoch der einzige Ort im ganzen Sonnensystem, wo sie wirklich frei sind - frei von Unterdrückung, aber auch frei von dem Zwang, künstlich erzeugte Bedürfnisse befriedigen zu müssen. Als sich auch auf Anarres erste Herrschaftsstrukturen zu bilden beginnen, begibt sich der Physiker Shevek auf eine riskante Reise nach Urras. Er möchte in Dialog mit dortigen Wissenschaftlern treten und gerät dabei zwischen alle Fronten.

Ursula K. Le Guin (1929-2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autoren, darunter Salman Rushdie und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Ian M. Banks.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR17,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextDer große utopische Science-Fiction-Klassiker in kongenialer Neuübersetzung. Ursula K. LeGuins ?Freie Geister? ist eine der bedeutendsten Utopien des 20. Jahrhunderts, in der die Systemfrage - Kommunismus, Kapitalismus oder Anarchismus? - mit aller Deutlichkeit gestellt wird. Ältere Ausgaben sind unter den Titeln ?Planet der Habenichtse? und ?Die Enteigneten? erschienen. Der einzige Ort auf dem Anarres, der durch eine Mauer von seiner Umgebung abgetrennt wird, ist der Raumhafen. Von hier aus werden die Edelmetalle, die in den Minen des Planeten abgebaut werden, einmal im Jahr zum Nachbarplaneten Urras geflogen. Für die Herrschenden von Urras ist das anarchistische Anarres nicht mehr als eine abhängige Bergbaukolonie, die es möglichst effektiv auszubeuten gilt. Für die Bewohner von Anarres ist ihre Heimat jedoch der einzige Ort im ganzen Sonnensystem, wo sie wirklich frei sind - frei von Unterdrückung, aber auch frei von dem Zwang, künstlich erzeugte Bedürfnisse befriedigen zu müssen. Als sich auch auf Anarres erste Herrschaftsstrukturen zu bilden beginnen, begibt sich der Physiker Shevek auf eine riskante Reise nach Urras. Er möchte in Dialog mit dortigen Wissenschaftlern treten und gerät dabei zwischen alle Fronten.

Ursula K. Le Guin (1929-2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autoren, darunter Salman Rushdie und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Ian M. Banks.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104036755
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum26.01.2017
Auflage1. Auflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1708 Kbytes
Artikel-Nr.1923189
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins Anarres - Urras


Es gab eine Mauer. Sie wirkte nicht wichtig. Sie bestand aus unbehauenem Stein und grobem Mörtel. Erwachsene konnten ohne weiteres über sie hinwegblicken, und selbst Kinder konnten hinüberklettern. Wo sie die Straße kreuzte, hatte sie kein Tor, sondern verkümmerte zu bloßer Geometrie, einer Linie, einer vorgestellten Grenze. Aber die Vorstellung war real. Sie war wichtig. Seit sieben Generationen hatte es nichts Wichtigeres auf der Welt gegeben als diese Mauer.

Wie alle Mauern war sie zwiespältig, zweischneidig. Was innen war und was außen, hing davon ab, auf welcher Seite man sich befand.

Von einer Seite betrachtet, umschloss die Mauer ein karges, sechzig Morgen großes Feld mit dem Namen Anarres-Hafen. Auf dem Feld standen zwei große Brückenkräne, eine Raketenrampe, drei Lagerhäuser, eine Lastwagengarage und ein Schlafhaus. Das Schlafhaus wirkte solide, schmutzig und traurig; es hatte keinen Garten, nirgends Kinder; offensichtlich war es weder zum Wohnen noch für einen längeren Aufenthalt gedacht. Vielmehr war es eine Quarantänestation. Die Mauer sperrte nicht nur das Landungsfeld ein, sondern auch die Schiffe, die aus dem Weltraum kamen, und die Männer, die mit den Schiffen kamen, und die Welten, aus denen sie kamen, und den Rest des Universums. Sie umschloss das Universum und ließ Anarres draußen, frei.

Von der anderen Seite betrachtet, umgrenzte die Mauer Anarres: Der ganze Planet lag hinter ihr, ein großes Gefangenenlager, abgeschnitten von anderen Welten und anderen Menschen, in Quarantäne.

Auf der Straße liefen ein paar Menschen in Richtung Landungsfeld oder standen bereits dort herum, wo die Straße die Mauer schnitt.

Aus der nahe gelegenen Stadt Abbenay kamen häufig Leute, weil sie ein Raumschiff oder schlicht die Mauer sehen wollten. Schließlich war es die einzige Grenzmauer auf ihrer Welt. Nirgendwo sonst gab es ein Schild mit der Aufschrift Zutritt verboten. Vor allem Jugendliche fühlten sich von der Mauer angezogen. Sie traten dicht heran; sie setzten sich obendrauf. Manchmal war am Lagerhaus ein Trupp zu sehen, der Kisten aus Kettenfahrzeugen entlud. Manchmal stand sogar ein Frachtschiff auf der Rampe. Frachtschiffe landeten nur achtmal im Jahr, unangekündigt, sodass niemand außer den im Hafen arbeitenden Syndiks Bescheid wusste, und wenn die Zuschauer das Glück hatten, eins zu sehen, waren sie ganz aufgeregt - im ersten Moment. Doch dann saßen sie da, und es stand da, ein plumper schwarzer Turm inmitten eines Gewirrs aus beweglichen Kränen, weit hinten auf dem Feld. Und dann kam eine Frau von einer der Lagerhauskolonnen zu ihnen und sagte: »Wir machen jetzt dicht für heute, Brüder.« Sie trug das Schutzarmband, ein Anblick, der beinahe so selten war wie ein Raumschiff. Das war immerhin etwas. Und ihr Ton war zwar sanft, aber entschieden. Sie war der Vormann dieser Kolonne, und wenn man sie provozierte, rief das ihre Syndiks auf den Plan. Außerdem gab es nichts zu sehen. Die Fremdlinge, die Außerweltler, blieben in ihrem Schiff verborgen. Ein Trauerspiel.

Auch für die Schutzkolonne war es ein langweiliges Spiel. Manchmal wünschte sich der Vormann, es würde einfach mal jemand versuchen, die Mauer zu überwinden, ein transplanetarisches Besatzungsmitglied, das fliehen wollte, oder ein Jugendlicher aus Abbenay, der sich einzuschleichen versuchte, um das Frachtschiff näher anzuschauen. Aber das geschah nicht. Es geschah nie etwas. Als dann doch etwas geschah, traf es sie unvorbereitet.

Der Kapitän des Frachtschiffs Respekt fragte sie: »Geht die Meute auf mein Schiff los?«

Der Vormann sah sich um. Am Tor lungerte tatsächlich eine Menschenmenge herum, hundert Personen oder mehr. Sie standen da, einfach so, wie die Leute damals während der Hungersnot an den Naturalienbahnhöfen. Der Vormann erschrak.

»Nein. Sie - äh - protestieren«, sagte sie in ihrem langsamen, lückenhaften Jotisch. »Gegen den - Dings. Den Passagier?«

»Du meinst, sie haben was gegen diesen Kanaken, den wir mitnehmen sollen? Werden sie versuchen, ihn aufzuhalten - oder uns?«

Das Wort »Kanake«, unübersetzbar in die Sprache des Vormanns, war für sie nichts weiter als ein fremder Begriff für ihr Volk, aber der Klang hatte ihr noch nie gefallen, ebenso wenig wie der Ton des Kapitäns oder der Kapitän selbst. »Könnt ihr auf euch aufpassen?«, fragte sie knapp.

»Teufel, ja. Sorgt ihr einfach dafür, dass der Rest der Fracht entladen wird. Schnell. Und bringt den Kanaken an Bord. Wir lassen uns nicht von einer Meute komischer Käuze auf der Nase rumtanzen.« Er klopfte auf das Ding, das er am Gürtel trug, und sah die unbewaffnete Frau herablassend an.

Sie streifte den phallischen Gegenstand, von dem sie wusste, dass es eine Waffe war, mit einem kalten Blick. »Das Schiff wird um vierzehn Uhr beladen sein«, sagte sie. »Die Besatzung soll an Bord bleiben, in Sicherheit. Start um vierzehn Uhr vierzig. Wenn ihr Hilfe braucht, sprecht bei der Bodenkontrolle auf Band.« Und sie schritt davon, bevor der Kapitän sich aufspielen konnte. In ihrem Zorn war sie forscher gegenüber ihrer Kolonne und der Menge. »Macht die Straße frei!«, befahl sie, als sie sich der Mauer näherte. »Hier kommen Laster durch, nachher tut sich jemand weh. Geht zur Seite!«

Die Männer und Frauen in der Menge diskutierten mit ihr und miteinander. Sie liefen immer wieder über die Straße, und einige betraten das Flugfeld. Aber die Straße machten sie mehr oder weniger frei. Wenn der Vormann keine Erfahrung darin besaß, eine Menschenmasse zu lenken, so besaßen sie keine Erfahrung darin, eine zu bilden. Sie waren Glieder einer Gemeinschaft und nicht Elemente eines Kollektivs und wurden daher nicht vom Massengefühl geleitet; unter ihnen gab es ebenso viele Emotionen wie Personen. Und da sie von Befehlen nicht erwarteten, dass sie willkürlich waren, hatten sie keine Übung darin, sich ihnen zu widersetzen. Ihre Unerfahrenheit rettete dem Passagier das Leben.

Einige der Leute waren gekommen, um einen Verräter zu töten. Andere um seine Ausreise zu verhindern oder ihn zu beschimpfen oder schlicht, um ihn zu sehen; und diese vielen anderen versperrten den Attentätern ihren kurzen, direkten Weg. Eine Schusswaffe trug keiner von ihnen bei sich, aber ein paar hatten Messer. Ein Angriff war für sie etwas Physisches; sie wollten den Verräter mit den eigenen Händen packen. Sie rechneten damit, dass er mit einem Fahrzeug kommen würde, gut bewacht. Während sie noch versuchten, einen Güterlaster zu inspizieren, und sich mit dem empörten Fahrer stritten, kam der Mann, den sie suchten, zu Fuß die Straße hinauf, allein. Als sie ihn erkannten, war er schon halb über das Feld und von fünf Schutz-Syndiks abgeschirmt. Die Leute, die ihm ans Leben wollten, nahmen - zu spät - die Verfolgung auf und warfen - nicht ganz zu spät - mit Steinen. Sie erwischten ihr Opfer in dem Moment, als er das Schiff erreichte, noch knapp am Arm, aber ein Mitglied der Schutzkolonne wurde von einem kiloschweren Feuerstein am Kopf getroffen und war auf der Stelle tot.

Am Schiff wurden die Luken geschlossen. Die Schutzkolonne kehrte um, den toten Kameraden auf den Armen; sie unternahmen nichts, um die Anführer der Menge aufzuhalten, die auf das Schiff zurasten. Nur der Vormann, bleich vor Zorn und Entsetzen, beschimpfte die Leute laut, während sie vorbeirannten, und sie wichen ihr in einem weiten Bogen aus. Als sie das Schiff erreichten, zerstreuten sich die vorderen und blieben unentschlossen stehen. Die Stille des Schiffes, die abrupten Bewegungen der riesigen skelettartigen Kräne, die seltsam verbrannte Erde, das Fehlen jeglicher menschlichen Dimension verwirrte sie. Ein Dampf- oder Gasstoß aus einem Klotz, der mit dem Schiff verbunden war, ließ einige zusammenfahren; sie blickten beunruhigt zu den Raketen auf, gigantischen schwarzen Röhren über ihren Köpfen. In der Ferne, weit über dem Feld, heulte eine Warnsirene. Ein Erster trat den Rückzug zum Tor an, dann ein Zweiter. Keiner hielt sie auf. Nach zehn Minuten war das Feld geräumt, die Menge auf der Straße in Richtung Abbenay versprengt. Alles sah wieder aus, als wäre nichts passiert.

Im Innern der Respekt herrschte reger Betrieb. Da die Bodenkontrolle den Start vorverlegt hatte, mussten sämtliche Kontrollen mit doppelter Geschwindigkeit durchgepeitscht werden. Der Kapitän hatte befohlen, den Passagier im Mannschaftsraum festzuschnallen und mit dem Arzt zusammen dort einzuschließen, damit sie aus dem Weg waren. In dem Raum gab es einen Sichtschirm, sie konnten also beim Start zuschauen, wenn sie wollten.

Der Passagier schaute zu. Er sah das Feld und die Mauer um das Feld und weit außerhalb der Mauern die fernen Hänge der Ne-Theras-Kette, gesprenkelt mit Holumsträuchern und spärlichem silbrigem Monddorn.

Das alles rauschte blendend hell über den Sichtschirm. Der Passagier spürte, wie sein Kopf ins Polster der Rückenlehne gepresst wurde. Es war wie beim Zahnarzt, der Kopf nach hinten gedrückt, der Kiefer gewaltsam aufgerissen. Er bekam keine Luft, ihm wurde übel, in seinem Bauch rumorte die Angst. Sein gesamter Körper schrie den ungeheuren Kräften, die auf ihn einwirkten, entgegen: Jetzt nicht, noch nicht, wartet!

Die Augen waren seine Rettung; was sie beharrlich aufnahmen und meldeten, erlöste ihn vom Autismus der Angst. Denn jetzt bot der Sichtschirm einen seltsamen Anblick, eine große, fahle Felsebene. Es war die Wüste, von den Bergen über dem Großtal aus betrachtet. Wie war er wieder ins Großtal gekommen? Er versuchte sich zu sagen, dass er sich in einem...
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Autor

Ursula K. Le Guin (1929-2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autoren, darunter Salman Rushdie und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Ian M. Banks.Karen Nölle lebt als freie Übersetzerin und Lektorin in der holsteinischen Schweiz. Sie hat unter anderem Doris Lessing und Alice Munro ins Deutsche übertragen.