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Follower

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am26.08.20161. Auflage
Fünf Jahre nach dem internationalen Erfolg von «In Zeiten des abnehmenden Lichts» entwirft Eugen Ruge eine Geschichte, die in Ton und Tempo kaum unterschiedlicher sein könnte und sich doch als überraschende Fortschreibung erweist. Ein Buch über die Zukunft, in der wir schon heute leben. Unter dem künstlichen Himmelsblau von HTUA-China ist ein Mann unterwegs, um die neueste Geschäftsidee seiner Firma zu vermarkten: «true barefoot running» heißt das erstaunliche Produkt. Nio Schulz lebt mit Big Data, in einer Welt der Genderkameras, der technischen Selbstoptimierung. Er schwimmt im Strom unaufhörlicher Information: In Australien wird die Klimabombe gezündet, seine Freundin in Minneapolis verhandelt mit ihm über Leihmutterkosten, und @dpa meldet den Tod des einschlägigen Eigenbrötlers und Fortschrittsfeinds Alexander Umnitzer - seines Großvaters. Nio ist fortschrittlich. Schon neununddreißig, kämpft er darum, auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Aber auf dem Weg zum Geschäftstermin verschwindet er vom Radar der Überwachungsbehörden. Voller überraschender Einfälle und Echos, mit sarkastischem Humor und auf distanzierte Weise mitfühlend, erzählt «Follower» die Geschichte der nächsten Generation und zugleich, in einer aberwitzigen Ausholbewegung, die Vorgeschichte - von allem. «Eugen Ruge ist ein Erzähler von einer Virtuosität, von einer sprachlichen Finesse, von einer erzähltechnischen Genauigkeit wie man sie nicht alle Tage antrifft.» (3SAT-Kulturzeit) «Außergewöhnlich mitfühlend und vor allem von scharfem und erhellendem Witz.» (The New York Times) «Überragend.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

 Eugen Ruge wurde 1954 in Soswa (Ural) geboren. Der diplomierte Mathematiker begann seine schriftstellerische Laufbahn mit Theaterstücken und Hörspielen. Für «In Zeiten des abnehmenden Lichts» wurde er unter anderem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Seitdem erschienen die Bände «Theaterstücke» und «Annäherung», die Romane «Cabo de Gata», «Follower» und zuletzt «Metropol».
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFünf Jahre nach dem internationalen Erfolg von «In Zeiten des abnehmenden Lichts» entwirft Eugen Ruge eine Geschichte, die in Ton und Tempo kaum unterschiedlicher sein könnte und sich doch als überraschende Fortschreibung erweist. Ein Buch über die Zukunft, in der wir schon heute leben. Unter dem künstlichen Himmelsblau von HTUA-China ist ein Mann unterwegs, um die neueste Geschäftsidee seiner Firma zu vermarkten: «true barefoot running» heißt das erstaunliche Produkt. Nio Schulz lebt mit Big Data, in einer Welt der Genderkameras, der technischen Selbstoptimierung. Er schwimmt im Strom unaufhörlicher Information: In Australien wird die Klimabombe gezündet, seine Freundin in Minneapolis verhandelt mit ihm über Leihmutterkosten, und @dpa meldet den Tod des einschlägigen Eigenbrötlers und Fortschrittsfeinds Alexander Umnitzer - seines Großvaters. Nio ist fortschrittlich. Schon neununddreißig, kämpft er darum, auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Aber auf dem Weg zum Geschäftstermin verschwindet er vom Radar der Überwachungsbehörden. Voller überraschender Einfälle und Echos, mit sarkastischem Humor und auf distanzierte Weise mitfühlend, erzählt «Follower» die Geschichte der nächsten Generation und zugleich, in einer aberwitzigen Ausholbewegung, die Vorgeschichte - von allem. «Eugen Ruge ist ein Erzähler von einer Virtuosität, von einer sprachlichen Finesse, von einer erzähltechnischen Genauigkeit wie man sie nicht alle Tage antrifft.» (3SAT-Kulturzeit) «Außergewöhnlich mitfühlend und vor allem von scharfem und erhellendem Witz.» (The New York Times) «Überragend.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

 Eugen Ruge wurde 1954 in Soswa (Ural) geboren. Der diplomierte Mathematiker begann seine schriftstellerische Laufbahn mit Theaterstücken und Hörspielen. Für «In Zeiten des abnehmenden Lichts» wurde er unter anderem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Seitdem erschienen die Bände «Theaterstücke» und «Annäherung», die Romane «Cabo de Gata», «Follower» und zuletzt «Metropol».
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644052314
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum26.08.2016
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2573 Kbytes
Artikel-Nr.1926449
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Als es ihm endlich gelungen war, die Starre des Halbschlafs zu überwinden, die Finger und schließlich den ganzen Arm zu bewegen und den Lichtschalter zu betätigen, den er instinktiv schräg hinter sich gesucht hatte, sah Schulz im Schein einer total veralteten OLED-Lampe:

das Fußende eines riesigen Doppelbetts, unter dessen aufgeworfener Bettdecke seine Füße zu vermuten waren,

dahinter einen Bildschirm, auf dem eine weiße Fliege umherschwirrte,

links eine akkurat gewellte Gardine von undefinierbarer Farbe, die die ganze Wand von der Zimmerdecke bis zum Fußboden bedeckte,

sowie, unmittelbar neben sich, ein Nachttischchen mit einem Wasserglas, einem mattweiß beschirmten Lämpchen und einem vorsintflutlichen Schnurtelefon, das es so nur noch in Hotelzimmern gab,

aber trotz dieser halbwegs gesicherten Anhaltspunkte, trotz der Knitterfalten seines verschwitzten Schlafanzugs im Rücken und der Trockenheit in seiner Mundhöhle wollte sich ein Wirklichkeitsgefühl nicht recht einstellen, das Rauschen der Klimaanlage nivellierte die Sinne, das Flimmern der uralten OLED-Lampe gab dem Raum etwas chimärenhaft Unzuverlässiges, und besonders die unfarbenen Gardinen kamen Schulz auf einmal unecht vor, als gäbe es gar kein Fenster dahinter, schlimmer noch: als wären sie in Wirklichkeit gar nicht zu öffnen, Nachbildungen aus einem unbeweglichen Material, und dieser Eindruck wurde ihm so unangenehm, dass er das Licht gleich wieder ausschaltete,

aber auch die Tatsache, dass sich die ganze Chimäre durch eine winzige Schalterbewegung zum Verschwinden bringen ließ, trug nicht zur Stärkung seines Wirklichkeitsgefühls bei, einzig die Fliege schien echt zu sein, die fette weiße Fliege, die, eine schwach bläulich leuchtende Spur hinterlassend, durch die Dunkelheit glitt, um auf enervierend vorhersehbare Weise gegen die Ränder des Bildschirms zu prallen, und die, wie Schulz wusste, in Wirklichkeit keine Fliege war, sondern die Uhrzeit, vorausgesetzt, man war nicht leicht weitsichtig oder hatte seine Brille auf,

aber Schulz war leicht weitsichtig und hatte keine Brille auf, seine Glass lag auf dem anderen, dem entfernteren Nachttisch, wo er sie, wie er sich schwach erinnerte, abgelegt hatte, aus Angst, er könnte das Wasserglas, das er für die Nacht bereitgestellt hatte, im Halbschlaf darüberkippen, und der Aufwand, sich auf den Bauch zu drehen und über die andere Seite des riesigen Doppelbetts zu kriechen, um die Glass vom anderen Nachttisch zu holen, erschien Schulz so ungeheuerlich, dass er den Gedanken sofort wieder verwarf und stattdessen darüber nachzudenken begann, wo er eigentlich war, womöglich rührte sein Unwirklichkeitsgefühl einfach daher, dass er keine Orientierung oder, wie er sagen würde, keine Peilung hatte, er war buchstäblich noch nicht ganz da, ein Zustand, der ihm durchaus bekannt vorkam: die sekundenlange Unschärfe nach dem Erwachen, die Bilder, die ineinander übergingen, bis sich endlich ein Name, eine Ortsbezeichnung einstellte,

aber es stellte sich kein Name ein und keine Ortsbezeichnung, er sah lediglich die Zeitfliege, die mit enervierender Stupidität gegen die unsichtbaren Ränder des Bildschirms prallte und keinen Aufschluss über seinen Aufenthaltsort zuließ, denn die Zeitfliege gab es in zahllosen Hotels dieser Welt, nämlich in allen, die ihren Netzanschluss von UNIVERSE hatten, es war die nicht abschaltbare Zeitfliege von UNIVERSE, und je länger Schulz auf die nicht abschaltbare Zeitfliege von UNIVERSE starrte, desto lästiger wurde sie ihm, natürlich könnte er die Augen schließen, aber

als er die Augen schloss, sah er immer noch die Zeitfliege, schlimmer noch, jetzt hatte er die Zeitfliege im Kopf, jetzt prallte sie von innen gegen seine Schädelwände, schwirrte durch das Innere seines Kopfes, als wäre sein Kopf ein leerer Raum, den die nicht abschaltbare Zeitfliege von UNIVERSE ungehindert durchqueren konnte, was selbstverständlich unsinnig war, trotzdem wunderte er sich und war zugleich verwundert darüber, dass er sich mitten in der Nacht plötzlich darüber wunderte, nämlich über die Tatsache, dass man das eigene Gehirn gar nicht wahrnahm, den Ort, wo das Ich sitzen müsste, aber wenn er versuchte, den Ort auszumachen, an dem sein Ich sich befand, wanderte seine Aufmerksamkeit fast automatisch zu Mund und Nase, genauer: zu Rachenhöhle und Nasenschleimhaut, wo er eine enorme, eine geradezu existenzielle Trockenheit feststellte, und bevor er den Gedanken ganz zu Ende gedacht, bevor er etwa die seltsame Kongruenz von Trockenheit und Ich-Gefühl vollständig erfasst und einen Satz wie Ich bin dehydriert gebildet hatte,

öffnete irgendein Neurotransmitter einen Kanal in der Membran irgendeiner Nervenzelle des für Nio Schulz nicht wahrnehmbaren Gehirns und ermöglichte auf diese Weise den Zustrom von ein paar tausend positiv geladenen Kaliumionen, wodurch das Ruhepotenzial der Zelle aufgehoben und ein elektrisches Signal an ein Motoneuron gesendet wurde, welches wiederum ein Signal in das Muskelgewebe sandte und damit die chemische Konfiguration der Myosinmoleküle veränderte mit der Wirkung, dass die Filamentproteine in ungefähr zwölf verschiedenen Muskeln beziehungsweise Muskelgruppen von Nio Schulz unter Abbau von Adenosintriphosphat kontrahierten, kurz gesagt:

Schulz griff zum Wasserglas,

und schon während er zum Wasserglas griff, und nicht nach dem ersten Schluck, wie er sich kurze Zeit später einreden würde, um seine Ortsvergesslichkeit mit temporärer Dehydration zu entschuldigen, schon während des Griffs zum Wasserglas erinnerte sich Schulz:

zuerst an die Beta-Flux, die er gestern Abend eingeworfen hatte, denn in Kenntnis der Nebenwirkungen des Medikaments - Durst - hatte er das Wasserglas vorsorglich bereitgestellt,

und im nächsten Augenblick an den Grund, aus dem er die Beta-Flux genommen hatte, denn obwohl es sich bei dem Präparat um ein Instant-Antidepressivum handelte, benutzte Schulz Beta-Flux als Schlafmittel, allerdings nur ausnahmsweise, in diesem Fall wegen des zu erwartenden Jetlags,

und bei dem Gedanken an den Jetlag fiel ihm, etwa in dem Moment, als er das Glas an die Lippen setzte, sogar ein, wo er war, zumindest hatte er plötzlich Bilder von seiner Ankunft vor Augen: das futuristische Terminal, die rot-weißen Uniformen der HTUA-Polizei, die junge Frau mit der fotoidentischen Atemschutzmaske, der er nachgeschaut hatte wie einer verflossenen Geliebten, und zusammen mit der Erinnerung an die FAMA, wie die fotoidentische Atemschutzmaske firmenintern genannt wurde, kam auch das Bewusstsein darüber, warum er dieses Mal hier war: True Barefoot Running, Termin um zehn Uhr,

und beim Gedanken an den Termin um zehn Uhr öffnete Schulz unwillkürlich die Augen und versuchte, die nicht abschaltbare Zeitfliege von UNIVERSE in eine Ziffernfolge zu zergliedern, aber die Neun, die beim Zusammenkneifen der Lider in der Stundenanzeige aufflackerte, konnte nicht stimmen, denn erstens war es, der Dunkelheit hinter den Gardinen nach zu urteilen, noch mitten in der Nacht, es sei denn, es handelte sich tatsächlich um nachgemachte Gardinen ohne ein Fenster dahinter,

ein Gedanke, den Schulz inzwischen eher unplausibel fand, außerdem war er sich ganz sicher, den Weckimpuls auf halb acht gestellt zu haben, und er konnte sich nicht erinnern, geweckt worden zu sein, schon gar nicht erinnerte er sich an F1, wie er die freundliche Aufwachstimmung, die er seit einigen Wochen mit Vorliebe verwendete, verschämt zu nennen pflegte,

im Gegenteil, er erinnerte sich, wenn er in Richtung Schlaf zurückdachte, an ein Gefühl von Lähmung, an ein unangenehmes, schweres Erwachen: ein Traum, begriff Schulz, und obwohl ihm keine Einzelheiten mehr einfielen, wusste er, dass es ein hässlicher, bösartiger Traum gewesen war, wie er ihn lange nicht mehr gehabt hatte, allerdings träumte er kaum noch in letzter Zeit, genauer gesagt, seit er sich von dem Chip wecken ließ,

oder war etwas schiefgegangen,

hatte jemand seinen Account gehackt und seinen Weckimpuls manipuliert,

idiotischer Gedanke: wer sollte Interesse daran haben, seinen Weckimpuls zu manipulieren, das war paranoid, dachte Schulz, wobei das Wort in seinem Kopf so klang, wie seine aus Bulgarien stammende Chefin es aussprach, paranuid, dachte Schulz, und er wollte auf keinen Fall paranuid sein, sogar wenn seine Chefin gar nicht dabei war, wollte er nicht paranuid sein,

es sei denn, Jeff hätte seine Weckzeit verstellt, dieses Arschloch, und auch wenn er nicht ernsthaft glaubte, dass Jeff seinen Account gehackt und seine Weckzeit verstellt hatte, ja, dass Jeff technisch überhaupt dazu in der Lage wäre, merkte Schulz, wie er langsam über den Oberarm auf die Seite und auf den Bauch rollte und mit sonderbar raupenartigen Bewegungen über die unberührte Doppelbetthälfte zum entfernteren Nachttisch zu kriechen begann, um dort erwartungsgemäß seine Glass zu finden, sie aufzusetzen und festzustellen,

dass die Zeitfliege 6:11 anzeigte,

dass die Glass ebenfalls 6:11 anzeigte,

dass es also in China 6:11 war, genauer gesagt, in HTUA-China (seit der Aufteilung Chinas in kommerzielle Sektoren hatten HSBC, Toyota, UNIVERSE und Alibaba eine eigene Zeitzone eingeführt),

weshalb Schulz die Glass wieder abnahm, die Decke über den Kopf zog, sich in eine embryonale Haltung hineinkrümmte und versuchte, noch einmal einzuschlafen,

nicht an die Zeitfliege von UNIVERSE zu denken,

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Eugen Ruge wurde 1954 in Soswa (Ural) geboren. Der diplomierte Mathematiker begann seine schriftstellerische Laufbahn mit Theaterstücken und Hörspielen. Für «In Zeiten des abnehmenden Lichts» wurde er unter anderem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Seitdem erschienen die Bände «Theaterstücke» und «Annäherung», die Romane «Cabo de Gata», «Follower» und zuletzt «Metropol».