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Viel zu lernen du noch hast

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am25.11.20161. Auflage
Über «Star Wars» lässt sich wunderbar philosophieren: Hat Luke Skywalker einen Ödipuskomplex? Ist der Jedi-Orden eine postmoderne Religion? War Heidegger ein Sith-Lord? Und wie um alles in der Welt kann man Wookies verstehen? Dieses Buch versammelt philosophische, kulturhistorische und politische Analysen: von der durchkomponierten Mythologie der ersten drei Filme bis zu den archetypischen Familienkonstellationen der Skywalkers; von der rätselhaften «Force» bis zum ambivalenten Umgang mit der «hellen» und «dunklen» Seite; vom Einsatz politischer Metaphorik und Bildsprache bis hin zur Frage nach der Ordnung der Gesellschaft in Klassen und Geschlechter. Das Buch zeigt, wie viel Philosophie in der Populärkultur steckt und wie viel Spaß es machen kann, mit «Star Wars» über Heidegger, Augustinus, Lacan, den Taoismus, Wittgenstein, den Kapitalismus oder die Gender Studies nachzudenken. Denn es ist ja ohne Zweifel so, dass kaum etwas so sehr zum Denken anregt wie ein ordentliches Weltraummärchen. Mit Beiträgen von: Jörn Ahrens, Julian Baggini, Yves Bossart, Pierre Cassou-Noguès, Wolfram Eilenberger, Tristan Garcia, Thomas Groh, Linus Hauser, Alexandre Lacroix, Alexis Lavis, Clotilde Leguil, Harald Lesch, Nils Markwardt, Baptiste Morizot, Tobie Nathan, Catherine Newmark, Tomá? Sedlá?ek, Harald Zaun, Slavoj ?i?ek Das Buch entstand in Kooperation mit dem Philosophie Magazin.

Dr. Catherine Newmark ist promovierte Philosophin und lebt in Berlin. Als Kulturjournalistin mit Schwerpunkt Film, Philosophie und Geisteswissenschaften schreibt sie für diverse Zeitungen und Zeitschriften; beim Deutschlandradio Kultur ist sie als Autorin und Redakteurin tätig, u.a. für die Philosophie-Sendung «Sein und Streit». Als Redakteurin des Philosophie Magazins verantwortet sie die Sonderausgaben.
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Produkt

KlappentextÜber «Star Wars» lässt sich wunderbar philosophieren: Hat Luke Skywalker einen Ödipuskomplex? Ist der Jedi-Orden eine postmoderne Religion? War Heidegger ein Sith-Lord? Und wie um alles in der Welt kann man Wookies verstehen? Dieses Buch versammelt philosophische, kulturhistorische und politische Analysen: von der durchkomponierten Mythologie der ersten drei Filme bis zu den archetypischen Familienkonstellationen der Skywalkers; von der rätselhaften «Force» bis zum ambivalenten Umgang mit der «hellen» und «dunklen» Seite; vom Einsatz politischer Metaphorik und Bildsprache bis hin zur Frage nach der Ordnung der Gesellschaft in Klassen und Geschlechter. Das Buch zeigt, wie viel Philosophie in der Populärkultur steckt und wie viel Spaß es machen kann, mit «Star Wars» über Heidegger, Augustinus, Lacan, den Taoismus, Wittgenstein, den Kapitalismus oder die Gender Studies nachzudenken. Denn es ist ja ohne Zweifel so, dass kaum etwas so sehr zum Denken anregt wie ein ordentliches Weltraummärchen. Mit Beiträgen von: Jörn Ahrens, Julian Baggini, Yves Bossart, Pierre Cassou-Noguès, Wolfram Eilenberger, Tristan Garcia, Thomas Groh, Linus Hauser, Alexandre Lacroix, Alexis Lavis, Clotilde Leguil, Harald Lesch, Nils Markwardt, Baptiste Morizot, Tobie Nathan, Catherine Newmark, Tomá? Sedlá?ek, Harald Zaun, Slavoj ?i?ek Das Buch entstand in Kooperation mit dem Philosophie Magazin.

Dr. Catherine Newmark ist promovierte Philosophin und lebt in Berlin. Als Kulturjournalistin mit Schwerpunkt Film, Philosophie und Geisteswissenschaften schreibt sie für diverse Zeitungen und Zeitschriften; beim Deutschlandradio Kultur ist sie als Autorin und Redakteurin tätig, u.a. für die Philosophie-Sendung «Sein und Streit». Als Redakteurin des Philosophie Magazins verantwortet sie die Sonderausgaben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644400672
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum25.11.2016
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1926498
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Clotilde Leguil
Befreiung vom Übervater. «Star Wars» mit Lacan



Aus dem Französischen von Julia Clauß



«Die einzige ernstzunehmende Wissenschaft ist für mich die Science-Fiction.»

Jacques Lacan (Magazine Littéraire, 1974)


Glaubt man den zahlreichen Angriffen, denen sich die Psychoanalyse seit Jahrzehnten ausgesetzt sieht, ist der Ödipus-Mythos vollkommen unzeitgemäß. Niemand schlage sich heute noch mit Konflikten des Unbewussten, mit Neurosen und Kastrationsängsten herum, so die Kritik. Selbst die Figur des Vaters sei nur ein Überbleibsel längst vergangener Zeiten. Und doch kämpft in einer weit, weit entfernten Galaxie ein junger Mann gegen einen Feind, von dem er nicht weiß, dass er sein Vater ist. In dieser von einem Todesstern bedrohten Galaxie kämpft ein Vater gegen seinen Sohn und verwundet ihn, um ihn zuletzt doch mit dem Leben davonkommen zu lassen. Schließlich rettet der Sohn seinen Vater und damit auch sich selbst. Er hat sich seinen größten Ängsten gestellt.

«Star Wars» ist wie ein Mythos strukturiert, was weit mehr zum weltweiten Erfolg der Saga beigetragen hat als die vielen spektakulären Spezialeffekte. «Star Wars» zitiert den Mythos von Ödipus, verweist aber auch auf Hamlet, den Lacan mit Freud als Gründungsmythos des Begehrens interpretiert. Werfen wir also, um den Erfolg des Kriegs der Sterne zu verstehen, einen genaueren Blick auf die Geschichte und ihre Beziehungen zum Unbewussten, und analysieren wir etwas genauer, was sie uns über das Subjekt, sein Begehren und seine Beziehung zum Schicksal zu sagen hat.

Eine Geschichte erlangt mythische Dimension, wenn sie eine symbolische Logik aufscheinen lässt, die über den eigentlichen Kontext der Handlung hinausgeht. Für passionierte «Star Wars»-Jünger ist der Film nicht nur ein Science-Fiction-Abenteuer, das uns in eine Galaxie versetzt, in der der Kampf des Imperiums gegen die Rebellen der Republik ausgefochten wird. Der Film handelt auch von der psychologischen Odyssee eines jungen Jedi. Diese beginnt mit dem Tod seiner Adoptiveltern auf dem Planeten Tatooine und führt ihn zur entscheidenden Konfrontation mit dem schrecklichen Darth Vader.

Nachdem George Lucas den (in der Produktionschronologie) ersten Teil von «Star Wars» gedreht hatte, der nachträglich den Titel Eine neue Hoffnung erhielt, musste er feststellen, dass die Faszination, die der Film hervorrief, nicht so sehr auf den jungen Luke Skywalker, die eigentliche Identifikationsfigur der Geschichte, zurückzuführen war, sondern auf den furchterregenden Darth Vader. Dieser steht tatsächlich im Zentrum der gesamten Trilogie.

Trotz des Charmes von Han Solo und der aparten Schneckenfrisur von Prinzessin Leia und trotz der Ergebenheit von R2-D2 und C-3PO fasziniert uns in erster Linie die Person des Darth Vader. Warum? Weil er den großen Bösewicht darstellt, lautet oft die Antwort. Das ist zweifellos richtig, erklärt aber dennoch nicht, warum der Stoff uns so fesselt. Darth Vader steht für etwas anderes. Er ist ein Mann ohne Gesicht, dessen Präsenz sich vor allem durch seine regelmäßigen und deutlich vernehmbaren Atemgeräusche bemerkbar macht, die für sich genommen schon furchterregend sind. Dieser machtvolle Atem zeugt von einer Gegenwart, deren innere Beweggründe uns weitgehend verschlossen bleiben. Alles hängt an diesem allzu hörbaren Atem, der einem Wesen ohne Gesicht entströmt.

Der französische Philosoph Jacques Lacan hat den Ödipus-Mythos anders als Freud interpretiert und dabei zwei voneinander getrennte Figuren ausgemacht: das kleine andere, das ein imaginäres oder ähnliches anderes, aber auch ein Rivale sein kann und auf derselben Ebene situiert ist wie das Ich; und das große Andere mit großem A, das über dem kleinen anderen steht und Agent einer transzendenten symbolischen Ordnung ist, die das Subjekt mit seinem Schicksal konfrontiert. Man kann den Mythos von Ödipus nicht verstehen, so Lacan, wenn man ihn einer ausschließlich psychologischen oder affektzentrierten Lektüre unterzieht, die um die Liebe beziehungsweise den Hass zu den Eltern kreist. Der Ödipuskomplex ist bei Lacan Ausdruck einer Dialektik des Begehrens. Er zeigt, dass ein Subjekt erst über die Anerkennung des Verlustes - bei Freud die Kastration - zu seinem eigentlichen Sein gelangen kann. Dieser Verlust ist symbolischer Art.

Den Verlust anzuerkennen, indem man sich seinen eigenen Ängsten stellt, heißt auch, sich des eigenen Begehrens bewusst zu werden, indem man den irreduziblen Mangel akzeptiert. Dies ist in recht groben Zügen Lacans Interpretation des Ödipus-Mythos. Sie bricht mit jeder Form von Psychologie und ist durch und durch unsentimental. Der Ödipus-Mythos erzählt uns also die Geschichte all derer, die sich ihrem Schicksal stellen, um ihm zu entgehen, aber auch die Geschichte von denen, deren Selbstverleugnung sie in die Ohnmacht führt.

George Lucas hat nicht nur ein Universum geschaffen, das eine weit entfernte Galaxie mit Planeten und Asteroiden zeigt. Er hat diesem Universum auch eine bestimmte Struktur gegeben, die wesentlich auf zwei Gruppen von Personen beruht: zum einen den kleinen anderen, die Mitgefühl, Mitleid oder Lachen hervorrufen. Kleine andere sind zunächst einmal die Geschwister Skywalker, Luke und Leia, die gemeinsam gegen das Imperium kämpfen. Auch die Droiden, die sich oft menschlich, allzu menschlich gebärden, gehören zu den kleinen anderen. R2-D2 und C-3PO sind genau wie Han Solo und Lando kleine andere. Auch sie plagen sich mit Alltagssorgen herum, sind empfindlich, haben Erinnerungen und plappern ohne Pause vor sich hin. Nachdem R2-D2 in Das Imperium schlägt zurück auf dem Sumpfplaneten Dagobah, dem Exil von Meister Yoda, gelandet ist, fragt ihn Luke besorgt, wie er sich fühle. Offenbar sind diese kleinen Roboter also Wesen, die über ein Empfindungsvermögen und ein Bewusstsein verfügen und sich deshalb mit Rousseau als Adressaten menschlichen Mitgefühls qualifizieren. Zu den kleinen anderen gehört auch der Wookiee Chewbacca, dessen Brülllaute das dramatische Geschehen untermalen und der, obwohl halb Affe, halb Bär, der beste Freund Han Solos ist. Zusammen bilden sie das uns so sympathische Völkchen der kleinen anderen.

Ein Mythos ist jedoch erst dann gegeben, wenn eine Dimension jenseits der kleinen anderen existiert. Darth Vader fasziniert uns gerade deshalb, weil er eine Figur des großen Anderen ist. Er ist nicht nur der böse Andere, sondern auch der mächtige Andere, ein Anderer, der nicht derselben Welt entstammt wie Luke, und ein Anderer, der bereits jenseits des Spiegels steht und keine menschliche Gestalt mehr hat. Dieser große Andere hat kein Gesicht. Er ist niemand und als solcher furchterweckend. Darth Vader ist ein gesichtsloser Anderer, der reine Stimme ist. Steht man ihm gegenüber, ist man seinem Blick ausgesetzt, ohne zu wissen, woher dieser Blick stammt. Seine bloße Präsenz macht uns nicht nur Angst, weil sie absolute Macht symbolisiert, sondern auch, weil wir nie wissen, was seine Absichten sind. Ist er von seinen Offizieren enttäuscht und wird sie deshalb aus der Ferne strangulieren? Wird er sie töten oder am Leben lassen? Darth Vader ist die Figur des absoluten großen Anderen, mit dem jeder konfrontiert wird, der spricht und Angst empfindet. Er ist der, den man niemals enttäuschen darf. Er ist Herr seiner eigenen Angst, denn er ist Fürst Vader, ein Meister im Dienst des Todes. Sein eigener Meister ist der Imperator, der den Tod selbst verkörpert.

Die Trilogie von George Lucas erfüllt also die Kriterien des Mythos. Anhand des Kampfes zwischen Luke Skywalker und Darth Vader zeigt sie die Begegnung mit der Macht der Sprache und des Sprechens. Mit der Irrfahrt von Luke erzählt sie, wie ein Subjekt zum Sein gelangt, weil es sich aus dem Diskurs des Anderen befreit und so zum Jedi werden kann. Luke Skywalker ähnelt dabei sowohl Ödipus als auch Hamlet. Wie Ödipus weiß Luke nicht, dass der, dem er im Kampf gegenübertreten wird, sein Vater ist. Wie Hamlet muss er seinen Vater rächen, indem er dessen Mörder tötet. Die Konfrontation mit Darth Vader ist auch eine Konfrontation mit dem Tod und gleichzeitig die Begegnung mit der schrecklichen Figur des allmächtigen Anderen. Hinter der Maske der Allmacht ist der große Andere aber letztlich nur die symbolische Ordnung der Sprache, die uns immer schon strukturiert und ausrichtet und uns zu Wesen macht, die, mit Lacan, «eher gesprochen werden als selbst sprechen».

Wenn der große Andere das Wort ergreift, spricht er nicht die Sprache aller. Seine Sprache ist vielmehr die Sprache des Symbolischen: Sie ist Akt des Sprechens und konstituiert erst das Sein. «Sie haben meinen Vater umgebracht», beschuldigt Luke Darth Vader in Das Imperium schlägt zurück. «Nein, ich bin dein Vater», antwortet Darth Vader. Dieses «Ich bin dein Vater» ist eine performative Aussage, die Luke in seinem Innersten erschüttert. Er wird sich selbst zu einem Anderen. Er ist der Sohn Darth Vaders, der doch das Objekt seines Hasses und seiner Ängste ist. Die Wunde, die Darth Vader Luke am Ende dieser Episode zufügt, ist die symbolische Wunde, die jeder Vater bei seinem Sohn hinterlässt. Erst durch sie kann der Sohn zum vollen Subjekt werden, nämlich wenn er bereit ist anzuerkennen, etwas verloren zu haben. Und erst durch die Wunde, die Luke Skywalker Darth Vader am Ende der Trilogie zufügt, kann der übermächtige Andere, den Darth Vader für ihn...
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Autor

Dr. Catherine Newmark ist promovierte Philosophin und lebt in Berlin. Als Kulturjournalistin mit Schwerpunkt Film, Philosophie und Geisteswissenschaften schreibt sie für diverse Zeitungen und Zeitschriften; beim Deutschlandradio Kultur ist sie als Autorin und Redakteurin tätig, u.a. für die Philosophie-Sendung «Sein und Streit». Als Redakteurin des Philosophie Magazins verantwortet sie die Sonderausgaben.