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Mitternacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am04.06.20191. Auflage
Es gibt einen Ort, an dem die Geister leben, eine Welt, die unsere berührt, eine Stadt, in der mit Geschichten und Alpträumen Handel getrieben wird. Ein Missgeschick lässt Nicholas James, den alle nur den »gewöhnlichen Jungen« nennen, diese Welt betreten - und alles ändert sich: Peter Chesterton, ein reisender Geist, nimmt sich seiner an. Das Findelgeistmädchen Agatha stiehlt sein Herz. Und etwas, das im Dunkeln lauert, gewinnt an Macht. Die Wege, die Nicholas beschreitet, führen ihn dorthin, wo alle Hoffnungen geboren und alle Träume gestorben sind, an einen Ort, den die Geister voller Ehrfurcht »Mitternacht« nennen. Eine Geschichte von der Macht der Bücher und der Gefahr des Vergessens, in einer Welt der Geister.

Christoph Marzi wurde 1970 geboren und lebt mit seiner Familie im Saarland. Dort sammelt er in einem Haus mit verwunschenem Garten seine Ideen, die zu Romanen, Kurzgeschichten, Liedern oder Gedichten werden. Für sein Romandebüt »Lycidas« und die Anthologie »Nimmermehr« wurde Christoph Marzi mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. Mit seiner Reihe um die »Uralten Metropolen« feierte er fantastische Erfolge. Sein lang erwarteter neuer Roman »Mitternacht« erscheint jetzt bei Piper.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextEs gibt einen Ort, an dem die Geister leben, eine Welt, die unsere berührt, eine Stadt, in der mit Geschichten und Alpträumen Handel getrieben wird. Ein Missgeschick lässt Nicholas James, den alle nur den »gewöhnlichen Jungen« nennen, diese Welt betreten - und alles ändert sich: Peter Chesterton, ein reisender Geist, nimmt sich seiner an. Das Findelgeistmädchen Agatha stiehlt sein Herz. Und etwas, das im Dunkeln lauert, gewinnt an Macht. Die Wege, die Nicholas beschreitet, führen ihn dorthin, wo alle Hoffnungen geboren und alle Träume gestorben sind, an einen Ort, den die Geister voller Ehrfurcht »Mitternacht« nennen. Eine Geschichte von der Macht der Bücher und der Gefahr des Vergessens, in einer Welt der Geister.

Christoph Marzi wurde 1970 geboren und lebt mit seiner Familie im Saarland. Dort sammelt er in einem Haus mit verwunschenem Garten seine Ideen, die zu Romanen, Kurzgeschichten, Liedern oder Gedichten werden. Für sein Romandebüt »Lycidas« und die Anthologie »Nimmermehr« wurde Christoph Marzi mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. Mit seiner Reihe um die »Uralten Metropolen« feierte er fantastische Erfolge. Sein lang erwarteter neuer Roman »Mitternacht« erscheint jetzt bei Piper.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492975445
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum04.06.2019
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4749 Kbytes
Artikel-Nr.1927978
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Alle Bücher träumen von Geschichten. Diesen Satz dachte Nicholas James, als er erwachte. Sie fürchten sich vor dem Vergessenwerden.

Der Gedanke fühlte sich fremd an, wie etwas, das eigentlich nicht ihm gehörte, aber dennoch zu ihm gekommen war wie ein Fundstück, über das man zufällig stolpert, während man abwesend an etwas ganz anderes denkt. Er öffnete die Augen und blinzelte in die schattenhelle Kajüte, die ihm selbst jetzt, in der Nacht, vertraut war. (Kein Wunder, sie war auch nicht besonders groß.) Das Licht der Straßenlaterne vom Uferweg flutete sanft die Stille und streifte das Durcheinander in der schmalen und engen Behausung gemeinsam mit dem Mondlicht, das sich nicht von den Gardinen einfangen ließ. Durch das gekippte Fenster wehte kühle Luft herein, das leise Plätschern des Wassers im Kanal und die fernen Nachtgeräusche von Camden Town im Schlepptau. Benommen dachte Nicholas zuerst an das Notizbuch, das drüben auf dem Esstisch lag und das er mit einem Roman, seinem zweiten, zu füllen gedachte. Das, was er gerade gedacht hatte, würde bestimmt einen guten Anfang für einen Roman abgeben. Alle Bücher träumen von Geschichten. Er überlegte, ob er aufstehen sollte, um den Satz zu notieren, doch lieber gähnte er und blieb liegen. Dann dachte er an den Traum, den er gerade vergessen hatte. Das tat er eigentlich fast immer: Er träumte - und dann vergaß er, wovon er geträumt hatte, aber er spürte, dass da bis vor wenigen Augenblicken noch ein Traum gewesen war und ihn beschäftigt hatte. Kurz fragte er sich, ob dieser Satz womöglich aus jenem frisch vergessenen Traum stammte. Egal! Er lächelte verschlafen und zufrieden, drehte sich auf dem schmalen Bett zur Seite und knüllte sich das Kopfkissen bequem.

In dem Moment bemerkte er die Silhouette des Mannes, der neben seinem Bett stand und ihn beobachtete. Das war der Augenblick, in dem sich sein Leben änderte und die Dinge ins Rollen kamen.

»Wer sind Sie?« Nicholas setzte sich ruckartig auf. Das Herz schlug ihm auf einmal bis zum Hals.

Der Mann, der nur ein Schatten und darüber hinaus noch sehr dünn war (ein dünner Schatten, könnte man sagen), erschrak ebenfalls. So jedenfalls schien es. Er fuhr zurück, ein wenig nur, machte aber keine Anstalten abzuhauen. »Niemand«, sagte er leise. Eine Stimme wie Honig, Whiskey, Sturm. Er klang überrumpelt. War das etwa ein Akzent? Schottisch? Nicholas James erkannte die Sprache seiner Heimat, auch wenn jemand die Sprachmelodie zu verbergen versuchte.

»Was tun Sie hier?«

Der dünne Schatten kam näher. Er hatte stechend blaue Augen in einem hageren Gesicht, zornig aussehende Brauen, dazu weißes Haar, widerborstig hoch stehend, und dennoch eine elegante Erscheinung, fast ein Gentleman aus dem Fernsehen.

»Das ist wirklich bemerkenswert«, murmelte der Besucher. »Hm, in der Tat.« Er sah sehr streng aus, irgendwie ungeduldig. Und neugierig hinter der Aura des Geheimnisvollen. »Er kann mich sehen?« Die Frage galt wohl ihm selbst. »Nein, das ist nicht möglich.«

Was sollte der Blödsinn?

»Doch, es ist möglich«, betonte Nicholas, noch immer verschlafen, wenngleich ein wenig wacher als vorhin. Der Mann schüttelte energisch den Kopf. »Das muss ein Irrtum sein.« Dann hielt er inne, zweifelnd: »Andererseits ist es offenbar doch möglich. Ein Rätsel.« Er betrachtete Nicholas, als sei der eine Kuriosität, und fuchtelte wie ein Magier mit den Händen vor seinem Gesicht herum.

»Lassen Sie das«, herrschte Nicholas ihn an. »Sie haben hier nichts zu suchen. Wer sind Sie?« Er fühlte sich bedrängt, irgendwie überfallen, dem ungebetenen Eindringling ausgeliefert. Wer war der Kerl und was wollte er von ihm? Hatte er ihn beobachtet? Wie lange stand er schon da neben dem Bett? Wo kam er her? Warum wirkte er so ganz und gar nicht wie ein Einbrecher? Und überhaupt, was sollte er bei ihm stehlen? Zu guter Letzt die wichtigste Frage: War der Kerl gefährlich?

»Noch einmal.« Nicholas versuchte, wütend und beherrscht zu klingen. »Wer sind Sie?«

Der dünne, elegante Schatten nahm Haltung an. »Sie haben sich geirrt«, sagte der Fremde mit fester Stimme.

Nicholas rieb sich die Augen. Das war doch verrückt. Worin sollte er sich geirrt haben?

»Ich bin gar nicht hier.«

Was sollte das denn nun wieder?

»Natürlich sind Sie hier«, sagte Nicholas und gab sich Mühe, hinreichend wütend zu klingen.

»Nein, bin ich nicht.«

»Ich kann Sie sehen.« Nicholas fand, dass dies ein sehr gewichtiges Argument war.

Der Fremde winkte ab. »Sie haben ja noch den Schlaf in den Augen.«

»Was hat das denn damit zu tun?«

»Glauben Sie mir, Sie haben sich geirrt. Ich bin gar nicht hier.«

Nicholas rieb sich noch mal die Augen.

»Nie gewesen â¦«

»Was â¦?«

Da war niemand mehr.

Wie konnte das sein?

Nicholas knipste das Licht an, dann sprang er aus dem Bett, stieß sich den Kopf an der niedrigen Decke und fluchte. Sein Atem ging schnell, er zitterte. Er schaute sich um: So schnell konnte niemand aus der Kajüte verschwinden, unmöglich.

Ich bin gar nicht hier.

Die Stimme hallte in der Stille wider wie ein Echo.

Nie gewesen â¦

Nicholas begutachtete die Kajüte. Die Tür nach draußen war verschlossen. Wie also war der Fremde hier heraus gekommen (und wie hinein)? Die Antwort: Gar nicht! Etwa, weil er gar nicht da gewesen war? Hatte er sich das alles doch nur eingebildet? Wenn ja, dann war dies der intensivste Traum gewesen, den er je gehabt hatte (und zudem auch noch einer, an den er sich erinnerte). Wäre Erika jetzt bei ihm, dann hätte ihr Geschrei ohne Zweifel die Nachbarn in den anderen Booten geweckt und irgendwer würde jetzt von draußen gegen das Fenster klopfen und sich erkundigen, ob alles in Ordnung sei auf der Dorian Gray (das war der Name von Nicholas Hausboot). Aber Erika war nicht hier. Sie hasste das Hausboot (»Es ist zu eng für alles«, pflegte sie zu sagen, und: »Das ist kein Bett, sondern ein Sarg; viel zu eng für alles.«). Nicholas rieb sich erneut die Augen. Er könnte sie anrufen und ihr schildern, was er erlebt hatte, aber würde sie ihm glauben? Wohl kaum. Er seufzte noch einmal, diesmal laut in die Stille hinein - weil laut zu seufzen manchmal guttat.

Eine Freundin zu haben, die nicht immer da war, konnte von Vorteil sein. Jetzt aber wünschte er sich, sie wäre hier. Sie hätte den schattenhaften Besucher gesehen und laut geschrien, was nervig gewesen wäre und die Nachbarn alarmiert hätte, aber dafür hätte er die Gewissheit gehabt, dass da wirklich jemand gestanden hatte. Jetzt zweifelte er an sich selbst.

»Du hast dir den Mann nur eingebildet«, würde Erika ihm antworten und nicht ohne einen Hauch von Herablassung hinzufügen: »Das macht nur dein Schriftstellergehirn.« Genau deswegen rief Nicholas sie jetzt nicht an. Es wäre uncool. Sie würde spüren, dass er aufgeregt war, und dann würde sie ihm verkünden, wie unmännlich es ist, sich vor seinen eigenen Träumen zu fürchten und erst recht vor geisterhaft auftauchenden Gestalten. Es könnte eine dieser Reden über ihr Rollenverständnis von Männern und Frauen folgen, die ihn langweilten, seitdem er herausgefunden hatte, wie gerne sie sich selbst reden hörte. Nein, es war gut, dass sie nicht hier war

»Hallo?«

Blöde Frage. Wer sollte denn antworten?

»Whoopie?« Die Katze lag auf ihrem Kissen am Fenster und schlief. Sie hatte also niemanden gehört.

Nicholas rekelte sich und gähnte. Er schlurfte rüber ins Bad, das aus kaum mehr bestand als einer Toilette, einer sehr kleinen (und für ihn etwas zu kurzen) Badewanne und einem Waschbecken, die durch eine Tür vom Rest der Kajüte abgetrennt waren, und zwar am Bug des Hausboots. Dort starrte er in den Spiegel: rotblondes Haar, das wie vom Wind verweht aussah, verdreht und lockig (dabei war Nicholas eindeutig Schotte), hellbraune Augen, müde, aber dennoch wachsam (das Herz schlug ihm noch immer wie wild in der Brust), in den Mundwinkeln ein ungläubiges, skeptisches Hm-tja.

Mit ein wenig Photoshop könnte man aus dem Gesicht den »gewöhnlichen Jungen« zaubern. Er dachte daran, wie sehr Erika sein offizielles Autorenfoto mochte. Bisher gab es nur dieses eine - sehr intellektuell in weich gezeichnetem Schwarz-Weiß.

Nicholas pinkelte und ging dann ins Bett zurück. Sein Herz schlug jetzt nicht mehr ganz so schnell wie vorhin. Er schaute aus dem Fenster. Draußen auf dem Uferweg war alles ruhig. Vermutlich hatte er sich das alles wirklich nur eingebildet. Nur ein Traum

Alle Bücher träumen von Geschichten.

In einem Traum in einem Traum.

Sie fürchten sich vor dem Vergessenwerden.

In einem Traum.

Sie haben sich geirrt.

In einem Traum.

Ich bin gar nicht da.

In einem Traum.

Vergessenwerden.

In einem Traum.

Gar nicht.

Da.

Nicholas knipste das Licht aus und hing noch eine Weile einem wild durcheinandergeratenen Geflecht aus Gedanken nach.

Sie haben sich geirrt.

Irgendwo im Dunkel der Kajüte schnurrte wie von fern die Katze.

Ich bin gar nicht da.

Nicholas wusste genau, welches Gesicht sie dabei machte.

Vergessenwerden.

Schließlich schlief er ein.

 

Früh am nächsten Morgen. Bevor Camden Town erwachte, schnatterten bereits die Enten auf dem Kanal. Sie waren immer die Ersten, die den Tag begrüßten, paddelten unter dem Fenster vorbei und...
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Autor

Christoph Marzi wurde 1970 geboren und lebt mit seiner Familie im Saarland. Dort sammelt er in einem Haus mit verwunschenem Garten seine Ideen, die zu Romanen, Kurzgeschichten, Liedern oder Gedichten werden. Für sein Romandebüt "Lycidas" und die Anthologie "Nimmermehr" wurde Christoph Marzi mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. Mit seiner Reihe um die "Uralten Metropolen" feierte er fantastische Erfolge. Sein lang erwarteter neuer Roman "Mitternacht" erscheint jetzt bei Piper.