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Ludwigshöhe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
579 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am27.05.20161. Auflage
Die drei Geschwister Berg - Clarissa, Monika und Ulrich - machen ein vertracktes Erbe. Ihr Onkel Robert bedenkt sie mit gewaltigen und weit verzweigten Vermögenswerten, allem voran mit einer Villa am Starnberger See. All dies könnte sie auf einen Schlag von ihrem ermüdenden, nicht unbedingt aussichtsreichen Existenzkampf befreien. Aber er macht ihnen eine Auflage: Sie müssen dieses Haus als Hort und Zufluchtsort für Lebensmüde betreiben und ihnen auch das eine oder andere nützliche Utensil bereithalten; nicht nur rechtlich eine Gratwanderung. Voller Skrupel und Ängste, aber auch scharf aufs Erbe öffnen die Geschwister die Villa an der Ludwigshöhe für eine stetig wachsende Zahl von "Finalisten". Da findet sich eine verzweifelte Verkäuferin neben dem Bühnenbildner mit gewissen körperlichen Defiziten ein, eine ausgebrannte Lehrerin neben einer vereinsamten Schauspielerin, eine medikamentenabhängige Witwe neben der liebeskranken Domina, ein bankrotter Verleger, aber auch eine erst 17jährige syrische Immanitin, die Angst hat, Opfer eines Ehrenmords zu werden. Während die Geschwister den Keller des Hauses mit praktischen Kühltruhen füllen, machen die Moribunden fast gar keine Anstalten mehr, ihrem dunklen Drang zu folgen. Die alte Villa erlebt ein Fest des Lebens - der kuriosen Beziehungen, Gespräche, Annäherungen und Abstoßungen, neuer Liebe und Lebensmutes - wie es als frisches, zeitgemäßes Panorama und in brillant-unterhaltsamer Form nur Hans Pleschinski inszenieren kann.
Ein großer Roman, der ein ebenso präzises wie farbiges Bild des gegenwärtigen Lebens bietet, der Versagungen, Überforderungen und Zwänge, aber auch der Wünsche, Sehnsüchte und der Möglichkeiten, die dem Dasein auch abzugewinnen sind.



Über den Autor

Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Er veröffentlichte u.a. die Romane "Leichtes Licht" (C.H.Beck, 2005), "Ludwigshöhe" (C.H.Beck, 2008) und "Königsallee" (C.H.Beck, 2013), der ein Bestseller wurde, und gab die Briefe der Madame de Pompadour, eine Auswahl aus dem Tagebuch des Herzogs von Croÿ und die Lebenserinnerungen von Else Sohn-Rethel heraus. Zuletzt erhielt er u.a. den Hannelore-Greve-Literaturpreis (2006), den Nicolas-Born-Preis (2008) und wurde 2012 zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München und den Niederrheinischen Literaturpreis. Hans Pleschinski ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDie drei Geschwister Berg - Clarissa, Monika und Ulrich - machen ein vertracktes Erbe. Ihr Onkel Robert bedenkt sie mit gewaltigen und weit verzweigten Vermögenswerten, allem voran mit einer Villa am Starnberger See. All dies könnte sie auf einen Schlag von ihrem ermüdenden, nicht unbedingt aussichtsreichen Existenzkampf befreien. Aber er macht ihnen eine Auflage: Sie müssen dieses Haus als Hort und Zufluchtsort für Lebensmüde betreiben und ihnen auch das eine oder andere nützliche Utensil bereithalten; nicht nur rechtlich eine Gratwanderung. Voller Skrupel und Ängste, aber auch scharf aufs Erbe öffnen die Geschwister die Villa an der Ludwigshöhe für eine stetig wachsende Zahl von "Finalisten". Da findet sich eine verzweifelte Verkäuferin neben dem Bühnenbildner mit gewissen körperlichen Defiziten ein, eine ausgebrannte Lehrerin neben einer vereinsamten Schauspielerin, eine medikamentenabhängige Witwe neben der liebeskranken Domina, ein bankrotter Verleger, aber auch eine erst 17jährige syrische Immanitin, die Angst hat, Opfer eines Ehrenmords zu werden. Während die Geschwister den Keller des Hauses mit praktischen Kühltruhen füllen, machen die Moribunden fast gar keine Anstalten mehr, ihrem dunklen Drang zu folgen. Die alte Villa erlebt ein Fest des Lebens - der kuriosen Beziehungen, Gespräche, Annäherungen und Abstoßungen, neuer Liebe und Lebensmutes - wie es als frisches, zeitgemäßes Panorama und in brillant-unterhaltsamer Form nur Hans Pleschinski inszenieren kann.
Ein großer Roman, der ein ebenso präzises wie farbiges Bild des gegenwärtigen Lebens bietet, der Versagungen, Überforderungen und Zwänge, aber auch der Wünsche, Sehnsüchte und der Möglichkeiten, die dem Dasein auch abzugewinnen sind.



Über den Autor

Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Er veröffentlichte u.a. die Romane "Leichtes Licht" (C.H.Beck, 2005), "Ludwigshöhe" (C.H.Beck, 2008) und "Königsallee" (C.H.Beck, 2013), der ein Bestseller wurde, und gab die Briefe der Madame de Pompadour, eine Auswahl aus dem Tagebuch des Herzogs von Croÿ und die Lebenserinnerungen von Else Sohn-Rethel heraus. Zuletzt erhielt er u.a. den Hannelore-Greve-Literaturpreis (2006), den Nicolas-Born-Preis (2008) und wurde 2012 zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München und den Niederrheinischen Literaturpreis. Hans Pleschinski ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406699153
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum27.05.2016
Auflage1. Auflage
Seiten579 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1951216
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1.

«Waren Sie schon Patient bei uns?» Die Sprechstundenhilfe fand die Antwort auf ihre Frage in ihrer PC-Kartei. «Nehmen Sie bitte im Wartezimmer Platz.»

Ulrich Berg griff eine Illustrierte und setzte sich. Junge Menschen waren offenbar auch in der Zahnarztpraxis von Dr. Gessler rar. Zwei ältere Damen und zwei junge Türkinnen mit Kopftuch vertieften sich wieder in ihre Lektüre, wisperten in ihrer Sprache. Ein Rentner in hellblauem Sakko starrte auf ein gerahmtes Foto von einem Wasserfall.

Für Ulrich Berg war es kein Problem, unbemerkt die schwarzen Karten aus seiner Jackentasche zu ziehen. Unauffällig schob er sie beim Durchblättern der Zeitschrift für Segelsport zwischen die Hochglanzseiten. Mit einem Räuspern legte er Sail & Cruise zurück und nahm sich vom Stapel die Postille der AOK. Noch drei seiner Kärtchen, im Format von Visitenkarten, opferte er für dieses Druckerzeugnis und diesen Ort. Nun konnte auch bei Dr. Gessler ein späterer Patient beim Warten und Blättern das stabile schwarzglänzende Kärtchen in Händen halten und in freundlich geschwungener goldener Schrift lesen:

Es folgte die Telefonnummer.

Lange hatten sie über den Wortlaut gestritten. Wenn Du verstehst, verstehst Du, hatte Monika vorgeschlagen. Doch Clarissa hatte sich durchgesetzt: «Wir haben kein Zeltlager aufgeschlagen. Je distanzierter der Ton, desto wohltuender für alle.» - Beim Gewicht der Mitteilung konnte der Wortlaut niemals angemessen geraten. Letztendlich waren die Fragen und Andeutungen ebenso dezent wie eindringlich formuliert. Wenn Sie verstehen ⦠Frau Fontanelli hatte verstanden und lebte nicht mehr.

Bei Zahnärzten war auf alle Fälle Trostlosigkeit versammelt. Natürlich auf ganz andere Weise als in Arbeitsagenturen. Doch in der Kapuzinerstraße war er bereits um acht Uhr früh gewesen. Im Grunde hätte er für sich selbst dort eine Wartenummer ziehen können.

«Nur den Zahnstein?» fragte von der Tür die Helferin. Ulrich Berg war aufgestanden: «Ich werde nachmittags wiederkommen. Ich hätte fast einen wichtigen Termin vergessen.» Er blickte sich noch einmal um. Eine Muslima im Keller - das hätte gerade noch gefehlt.

Der Mittvierziger war seit einer Woche darin geübt, mit freundlichem Lächeln an Praxispersonal vorbei wieder in Treppenhäuser und ins Freie zu verschwinden. Nur in Garmisch, bei einem Internisten, war ihm eine Praktikantin nachgelaufen. «Ihr Schlüsselbund ist rausgefallen.»

Die Aprilsonne wärmte kaum. Er klappte den Fellkragen hoch und zog die Cordjacke zu. Ein Wind ging. Er hätte es genossen, wenn ihm die dicken blonden Locken vor Stirn und Augen geweht wären. Tempi passati. Das Haar war längst dünner geworden und nur noch wellig. Die Erschlaffung paßte zu den umknitterten Augen, den dünner gewordenen Lippen und den Schulterverspannungen. Im Zusammenspiel machten diese Spuren der Zeit männlicher, jedenfalls hatte Robert Redford diese Deutungsrichtung vorgelebt. Frühere Detaileitelkeiten, die bei selbstgewisser Jugendlichkeit, guten Zähnen, munterem Blick gar nicht nötig gewesen wären, wandelten sich vor dem weiteren Schrumpfen und Vergrauen womöglich zu einer defensiven Gesamteitelkeit.

So weit war es wohl noch nicht.

Die Jeans saß gut.

Ulrich Berg bog in die Maximilianstraße. Die Staatsoper war mit grünvioletten Phantasiefahnen beflaggt. Rechter Hand auf dem Isarhochufer breitete der Bayerische Landtag seine steinernen Arme aus. Die Goldmosaiken schimmerten schwach. Die gesamte Prachtmeile, auch wenn man es nur flüchtig wahrnahm, blieb der beeindruckende Willensakt eines Königs, etwas Imposantes, Schönes und Einmaliges zu hinterlassen. Mitunter konnten Fassaden, Kolonnaden, Illusionen das Leben zusammenhalten, wenn es im Inneren wackelig wurde. Aus dem Schein konnte wieder ein Sein erwachsen. Das war zumindest ein spätmonarchistischer Vorschlag der Wittelsbacher, die Prunkschneisen in Gehölz, Äcker, Dumpfheit und Unwillen geschlagen hatten. Im nachhinein war jeder froh, daß die Steuergelder unerbittlich zu Säulen und Statuen geworden waren.

Ulrich Berg gewahrte die Auslagen bei Vuitton. Einige der Hemdenstoffe, erkannte er, stammten aus den toskanischen Webereien in Prato. Vom Schnitt her waren sie Konfektionsware zum dreißigfachen Preis. Nicht weit davon entfernt hatte Moshammer gewirkt, der schneidernde Wiedergänger des Märchenkönigs. Im Schaufenster, zwischen Schlipsen und Blazern, hatte Ulrich vorzeiten auf einem neobarocken Schemel Daisy, den gleichfalls medienerprobten Yorkshire des erdrosselten Couturiers, schlummern sehen. Der Bayer, der schließlich auch noch Schlager hatte trällern wollen, hatte Mut zu sich selbst bewiesen. Neuere Paradiesvögel erschienen flügellahmer, wurden für immer kürzere Starphasen noch öfter abgelichtet und endeten oft genug in Reihenhäusern. Wo blühte noch belebender Wahnsinn?

Streusplitt der vergangenen Wochen knirschte unter den Stiefelsohlen. Gekehrt wurde offenbar monatlich. Müßiggänger, Kunden, die bei Bulgari, Vuitton und Pralinen-Cordes für ihre Lebensbelohnungen das Geld ließen, waren am Montagmorgen kaum zu sehen. Angestellte an Kassen und vor Regalen ordneten bereits geordnete Zettel und Blusen.

Der Schlag traf ihn in die Kniekehle. Schon schlenkerte der Stockschirm einer Passantin ein Stück vor ihm. Die Frau im Schottenponcho wandte sich nicht einmal um. «Blöde Kuh», zischte er und rieb sich das Gelenk. Vorm Einbiegen ins Kosttor hupte ein Volvo eine Radfahrerin aus dem Weg, die ins Trambahngleis geriet, sich aber wieder fing. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite schaute vor den Vier Jahreszeiten ein Taxifahrer zu, wie eine alte Dame mit Hut und Gehstock in den Fond einzusteigen versuchte.

War es der Wochenanfang?

Kündigte sich Föhn an? Bereits in der S-Bahn hatten einige Fahrgäste so gewirkt, als würden sie es, wenn man ihnen ein Stilett in die Hand drückte, dem Mann oder der Frau gegenüber sofort in den Bauch rammen. Natürlich war die Stimmung im tiefen Winter in den öffentlichen Verkehrsmitteln noch geladener. Dann wußte man oft nicht mehr, was in vielen Gesichtern überwog. Haß oder Selbsthaß. Die Gründe konnte keiner so recht benennen. Freudlosigkeit, Übersättigung, eine neuartige Geschundenheit? Ein so tiefer Grimm trat zutage, daß man fürchten mußte, mit hineingezogen zu werden.

Er wandte sich um. Einige der Lackkärtchen konnte er in der Kulisse deponieren.

Der Modedesigner, mit ein paar Heimaufträgen für Strickwaren von H&M und Escada bedacht, betrat das Café, das den Kammerspielen vorgelagert war. An einem Fenstertisch saß ein TV-Krimikommissar, der mit seinem jüngeren Kripokollegen, beide leger und verständnisvoll, da und dort in München dem Gesetz zu einem Sieg verhalf. Neben einer Tasse, aus der das Teebeuteletikett baumelte, unterstrich der Schauspieler mit Schwung Zeilen auf den Blättern eines zerfledderten Papierstapels. Ein Drehbuch, der Text für eine abendliche Lesung? Auf irgendeine prominente Gestalt stieß man hier immer. In eine rothaarige Frau, natürlich faltiger als auf dem Bildschirm, hatte er einmal unwillkürlich Senta Berger projiziert. Als sie mit ihrem Begleiter ging, hatte sie jedoch spanisch gesprochen und ein Bein nachgezogen. Weiter hinten, am Gang zum Theaterfoyer, frühstückte eine auch durch Interviews mit Fotos bekannte Schriftstellerin. Sie war wegen ihrer sinnlichen Geschichten beliebt. Furiose Jahre in Mexiko wurden ihr nachgesagt, eine schwankende Zahl von Ehen und Liaisons. Jetzt tunkte sie, mit einem Lächeln wie für sich selbst, ein Croissant in den Milchkaffee. Ein pompöser roter Pulli mit weitem Umschlagkragen.

Nach dem frühen Aufstehen trank Ulrich Berg einen Espresso an der Bar. Hunger spürte er nicht. Er schob einige der Kärtchen mit den goldenen Lettern in die Speisekarte neben sich. Reicht es? Reicht es wirklich? ⦠Besonders Künstler, Theaterpublikum, Intellektuelle, empfindsame Menschen waren anfällig und hilfsbedürftig.

Ihnen konnte in diesem harten, schweren, oft unerträglichen Leben geholfen werden. In gewisser Weise. Ulrich Berg wollte nicht über Konsequenzen seines gefährlichen Tuns nachdenken. Verdrängung war ein Göttergeschenk. Und selbst heikelste Zeiten gingen vorüber. Strafrechtlich war er nicht zu belangen. Zumindest wollte er es hoffen. Er starrte auf seine Hände. Entsetzlich! Aber es waren nur Werkzeuge. Er zerkaute das Anisplätzchen, bevor es nach einem Schluck Kaffee unter den Tassenboden rutschte. Gemocht hatte er die Italokiesel noch nie. Hinter der Theke wurde geschäumt, gequirlt und gemixt. Ganz Deutschland schien einem Cappuccino-, Schümli- und Latte-Macchiato-Rausch verfallen zu sein, wobei man nie wußte, ob diese Schlabbergetränke wach oder müde machten.

Egal, völlig. Und auch nicht.

Sein Blick löste sich von dem mollig dickwolligen Rot der Autorin, die mit dem Messer anscheinend einen Klacks Marmelade von ihrer Zeitung entfernte.

Bald würde er wohlhabend, ja reich genug sein, um sich in Brasilien...
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Autor

Über den Autor

Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Er veröffentlichte u.a. die Romane "Leichtes Licht" (C.H.Beck, 2005), "Ludwigshöhe" (C.H.Beck, 2008) und "Königsallee" (C.H.Beck, 2013), der ein Bestseller wurde, und gab die Briefe der Madame de Pompadour, eine Auswahl aus dem Tagebuch des Herzogs von Croÿ und die Lebenserinnerungen von Else Sohn-Rethel heraus. Zuletzt erhielt er u.a. den Hannelore-Greve-Literaturpreis (2006), den Nicolas-Born-Preis (2008) und wurde 2012 zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München und den Niederrheinischen Literaturpreis. Hans Pleschinski ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste.