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Die scharlachrote Stadt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
324 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.06.20161. Auflage
Mit der Renaissance war ein neuer Frühling des Geistes und der Kunst in Europa eingezogen. Jene einzigartig farbige, auch in der Verderbnis noch kraftvolle Epoche ersteht aufs neue in diesem vielschichtigen, großartigen Roman. Alle bedeutenden Gestalten der Zeit treten in unseren Gesichtskreis: neben den berühmten Mitgliedern der Borgia-Familie erscheinen Michelangelo, die von ihm verherrlichte Vittoria Colonna, die an der Seite ihres Mannes Francesco Pescara einsam dahinlebende Frau, Machiavelli und der zynische Pietro Aretino. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Hella S. Haasse wurde 1918 als Tochter eines niederländischen Kolonialbeamten in Batavia geboren. Sie studierte in Amsterdam und wurde mit der in den Tropen spielenden Erzählung ?Oeroeg? bekannt. Mit ihren großen historischen Romanen erwarb sie sich weit über die Grenzen der Niederlande hinaus literarische Anerkennung. Hella S. Haasse starb 2011 in Amsterdam.
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Produkt

KlappentextMit der Renaissance war ein neuer Frühling des Geistes und der Kunst in Europa eingezogen. Jene einzigartig farbige, auch in der Verderbnis noch kraftvolle Epoche ersteht aufs neue in diesem vielschichtigen, großartigen Roman. Alle bedeutenden Gestalten der Zeit treten in unseren Gesichtskreis: neben den berühmten Mitgliedern der Borgia-Familie erscheinen Michelangelo, die von ihm verherrlichte Vittoria Colonna, die an der Seite ihres Mannes Francesco Pescara einsam dahinlebende Frau, Machiavelli und der zynische Pietro Aretino. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Hella S. Haasse wurde 1918 als Tochter eines niederländischen Kolonialbeamten in Batavia geboren. Sie studierte in Amsterdam und wurde mit der in den Tropen spielenden Erzählung ?Oeroeg? bekannt. Mit ihren großen historischen Romanen erwarb sie sich weit über die Grenzen der Niederlande hinaus literarische Anerkennung. Hella S. Haasse starb 2011 in Amsterdam.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105611586
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.06.2016
Auflage1. Auflage
Seiten324 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse841 Kbytes
Artikel-Nr.1955480
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Zweites Kapitel Pietro Aretino und Giovanni Borgia

«Verzeihung, Messer, bitte vielmals um Entschuldigung! Bei diesem Gedränge sieht man gar nicht, wo man seine Füße hinstellt. Es wäre bestimmt kein Luxus, wenn man diese Galerie einmal verbreitern würde. Meint Ihr nicht auch, Messer? Die Herren, welche von Seiner Heiligkeit in Audienz empfangen werden, können wenigstens in den Vorzimmern warten. Diese Loggias hier sind immer und ewig von Leuten aus ihrem Gefolge versperrt. Ein Betrieb und ein Lärm wie auf dem Fischmarkt! Paßt nur auf, hier könnt Ihr alle Dialekte Italiens sprechen hören. Da wird debattiert und renommiert, da werden Witze erzählt ... das geht den ganzen langen Tag so weiter, Messer! Jene Kartenspieler und Würfler dort verbringen ihre Zeit auf unterhaltendere Art. Nur zu ... laßt das Geld nur rollen, ihr Herren, nachher werden dann gewiß wieder die Dolche entscheiden müssen! Gestern noch mußte die Leibwache einschreiten. Lakaien des venezianischen und des sienischen Gesandten drohten, sich gegenseitig die Gurgel abzuschneiden. Auf dem Platz vor San Pietro haben sie später die Sache durchgefochten ... ich weiß nicht, wie es abgelaufen ist ... Messer, weshalb diese ablehnende Haltung? Seid Ihr mir doch böse, weil ich Euch auf den Fuß getreten bin?»

«Ich bin in Eile, Messer.»

«Aber gewiß nicht in solcher Eile wie jene beiden Monsignori dort. Da schaut her, für rote Talare schafft die Leibwache schon Platz. Weniger hohe Tiere wie Ihr und ich müssen dann zurücktreten. Ich rate Euch gut, Messer ... wenn Ihr keinen Wert darauf legt, mit der stumpfen Seite einer Hellebarde einen Stoß vor die Brust zu erhalten, so wartet lieber einen Augenblick. Die Schweizer sind roh!»

«Ich bitte Euch dringend, mich nicht zurückzuhalten, Messer. Ich habe Auftrag, mich unverzüglich zum Sekretär des Datarius zu begeben.»

«Ach so, zu Berni? Obacht, Messer, seht zu, daß Ihr nicht fallet! Fast wäret Ihr über den Purpur gestolpert. Die reichsten Huren Venedigs und Roms tragen nicht solch lange Schleppen wie die Kardinäle heutzutage.»

«Dank für Eure Hilfe. Gestattet mir jetzt, weiterzugehen.»

«Von mir aus gerne. Aber es ist zu spät. Es kommt eben wieder eine Gesellschaft aus dem Audienzsaal. Ihr werdet Euch gedulden müssen, bis die Herren vorüber sind. Was sage ich, es sind ja Damen dabei diesmal! Ah, ich sehe schon, wer es ist: die Marquise von Pescara. Seht sie Euch an, Messer, dort geht die einzige keusche Frau Roms. Sie zeigt sich nur selten in der Öffentlichkeit, wenn Seine Exzellenz, ihr Gemahl, beim Heer des Kaisers ist. Ich werde so oft bei dir sein, wie Pescara bei seiner Vittoria. So lautet der sarkastische Kehrreim eines Gassenhauers, in dem ein Mann sein Liebchen loswerden will. Ich muß sagen, Ihre Exzellenz trägt ihr Los mit bewundernswerter Geduld. Eine schöne Frau, nicht wahr? Vielleicht zu kühl, zu ernst für meinen Geschmack, aber welche Haltung, welche Augen, Messer! Eine Frau wie eine antike Statue, keine Aphrodite, vielmehr eine Artemis oder eine Nike ... Aus dem Geschlechte Colonna, edles Blut, stolze Rasse! ... Euer ergebener Diener, Eure Exzellenz! ... Das ist eine Frau, vor der man sich verbeugt, und wenn man auch mit Gewißheit weiß, daß sie nicht zurückgrüßen wird. Seht, Varano geruht diesmal, mich zu bemerken!»

«Varano?»

«Der dort, der auf einen Schritt Entfernung hinter Ihrer Exzellenz einhergeht. Die große Frau mit dem Pferdegesicht neben ihm ist seine Gemahlin, Catarina Cibo, eine Nichte des Papstes.»

«Varano, Herzog von Camerino?»

«Richtig ... Beide sind intime Freunde Ihrer Exzellenz. Sie sind bei ihr abgestiegen im Palast Ascanio Colonnas. Ich habe mir sagen lassen, die hohe Gesellschaft verbringe ihre Zeit mit dem gemeinsamen Lesen der Briefe des Apostels Paulus und dem Besuch der Zusammenkünfte der Brüderschaft der Göttlichen Liebe. Kann man sich einen erbaulicheren Zeitvertreib denken? - Ihr geht in falscher Richtung, Messer, Ihr folgt dem Zug. Wenn Ihr zu Berni müßt, könnt Ihr ja besser durch die Galerie der Fresken gehen. Aber, aber, wie habt Ihr es eilig ... ich kann kaum gleichen Schritt mit Euch halten.»

«Ich habe Euch ja nicht gebeten, mich zu begleiten, Messer.»

«Daß Varano und seine Gattin bei Seiner Heiligkeit waren, wundert mich durchaus nicht. Die Familien Medici und Cibo ziehen immer am gleichen Strang, wie man sagt. Was aber bedeutet die Anwesenheit der Marquise? Pescara ist spanischer gesinnt als die Spanier, und die Colonna liegen seit Jahr und Tag in öffentlichem Zwiespalt mit den Päpsten, sie sind Ghibellinen in Reinkultur. Außerdem ist Ihre Exzellenz seit einem Jahr in Ungnade.»

«Bekleidet der Herzog von Varano ein Amt am Hofe?»

«Nein, Messer, sonderbar genug nicht. Durch seine Beziehungen zu Seiner Heiligkeit könnte er ja sozusagen bekommen, was immer er nur haben möchte. Er ist offenbar nicht ehrgeizig. Er und seine Frau haben mehr Interesse für geistliche als für weltliche Angelegenheiten. Man sagt, sie seien die Gönner und Förderer eines neuen Ordens von Bettelmönchen. Man sieht sie öfters hier, um Vergünstigungen für ihre Schützlinge zu erlangen ... Aber Ihre Exzellenz? Wenn sie wieder Annäherung an den Papst sucht, liegt es auf der Hand, daß dann die Varano als Mittler auftreten ... Ah, jetzt sehe ich, was Ihr im Sinn habt, Ihr wollt dem Zug den Weg abschneiden ... Hierher also, zwischen diese Säulen, da könnt Ihr die Gesellschaft noch einmal vorbeikommen sehen.»

«Der Platz ist schon besetzt, Messer. Ich bitte Euch, laßt diesen Mann in Ruhe. Es ist nicht meine Gewohnheit, mir durch Drängen Vorrang zu verschaffen.»

«Handelte es sich um einen andern, würde ich sagen: nur keine Bedenken. Vorrang haben ist eine Sache der Geschicklichkeit. In diesem Falle aber geziemt uns Bescheidenheit. Wißt Ihr, wer dort steht, Messer? Ich sehe, Ihr kennt ihn nicht. Schäbig, staubig, ungepflegt wie gewöhnlich, immer sonderbar, immer unnahbar, unser Michelangiolo Buonarotti! Aber ein großer Mann! Man muß ihm etwas nachsehen. Nicht jedermann ist so großzügig in seinen Anschauungen wie ich ... Er hat viele Feinde in Rom. Ungehobelt bis zur Ruppigkeit, spricht er manchmal tagelang kein Wort, ist launisch, menschenscheu. Es gehen allerhand Gerüchte über ihn ... er kassiere Vorschüsse ein, liefere aber die übernommene Arbeit nicht oder nicht rechtzeitig ab, er laufe schönen Jungen nach, und zwar nicht nur zu dem Zweck, sie in Stein oder Farbe verewigen zu können ... Aber ein großer Künstler, Messer, ein Riese unter den Riesen. Ich weiß, was ich sage, ich verstehe mich auf Kunst.»

«Wer und was seid Ihr eigentlich selbst, Messer? Ein Führer, der ungebeten von allem, was es hier zu sehen gibt, Erklärungen bietet?»

«Ach, Ihr haltet mich für zudringlich, Ihr findet mich lästig! Aber Ihr könnt nicht leugnen, daß Ihr nur zu gerne über den Herzog von Camerino unterrichtet werden wolltet. Welch ein Glück, daß ich gerade zur Hand war, um Eure Neugier zu befriedigen! Ohne Übertreibung darf ich behaupten, daß ich über jedermann am Hofe genau im Bilde bin. Ihr braucht mir bloß Fragen zu stellen ... ich stehe Euch zu Diensten.»

«Euer Name, Messer?»

«Wollt Ihr wahrhaftig behaupten, Ihr kennet mich nicht? Laßt uns aus dem Gedränge gehen. Hierher, Messer, in diese Galerie, die ist schmal, hier kommt das große Publikum nicht hin. Ihr habt doch zweifellos schon von mir reden hören. Ich bin Pietro Aretino, seit kurzem Ritter von Rhodes, Dichter, Redner, Pamphletist, Lob- und Tadelkünstler, Satyriker, Verfasser von Hagiographien, Vermittler beim Kauf antiker und moderner Kunstwerke, Vertrauensmann und Korrespondent wichtiger Persönlichkeiten innerhalb und außerhalb Roms - zu dienen. Mein Name reimt auf Pasquino ... sagt Euch das nichts? Außerdem auf divino . Eine kleine, aber vielsagende Einzelheit.»

«Und eine, mit der sich meines Wissens etwa die Hälfte aller Italiener brüsten könnte. Ihr seid Euch Eures eigenen Wertes und Verdienstes wohl sehr bewußt.»

«Gewiß. Nicht weniger als der Tatsache, daß zweimal zwei vier sind und daß wir zwei uns augenblicklich in der Galerie der Bildhauerarbeiten befinden ... Ich hätte übrigens nicht übel Lust, das scheinheilige steinerne Gesicht dort, wer ist es gleich ... San Onofrio, San Pasquale, irgendein obskurer Märtyrer ... kurz und klein zu schlagen!»

«Da wollen wir halt lieber weitergehen, ehe Ihr Freveltaten begeht. Ich habe Eile.»

«In vollem Ernst, Messer, haltet Ihr diese Fratzen hier in der Galerie für Kunstwerke? Sie sind ohne Ausdruck, ohne Leben, glattes Machwerk aus einer Zeit, da die Bildhauer noch nicht wußten, wie man warmes, atmendes Fleisch darstellen soll. Nein, da lobe ich mir das Werk Messer Michelangiolo Buonarottis, dem wir soeben begegneten. Was der macht, das lebt, das ist beredt ...»

«Ich kann mir vorstellen, daß Ihr eine Vorliebe für beredte Kunst habt.»

«Ah, ah! Ihr wollt mich hänseln, Messer. Nun, das nehme ich nicht übel. Hierher bitte, nach rechts, stolpert nicht, um die Ecke sind ein paar verräterische Stufen. Ich merke schon, daß Ihr Euch im pontifikalen Irrgarten noch nicht vollkommen auskennt, Messer Giovanni Borgia.»

«Mich kennt Ihr also offenbar auch?»

«Ich weiß von Euch alles, was zu wissen sich lohnt. Ihr kommt vom französischen Hof, Ihr habt im Heere des Königs François vor Pavia gekämpft, Ihr wurdet von den Kaiserlichen gefangengenommen, aber innert vierundzwanzig Stunden wieder freigelassen, weil Ihr gescheit genug wart, Euch dem Gefolge des...
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