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Größter anzunehmender Glücksfall

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
221 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am01.07.20161. Auflage
Jean-Jacques und Claire sind seit acht Jahren verheiratet, und zwischen der sonntäglichen Lammkeule bei Claires Eltern auf dem Land und dem zukunftspessimistischen Chinesischunterricht für die sechsjährige Tochter Louise spulen sie monoton und routiniert ihr Ehe- und Liebesleben ab, das einst durch eine Reise nach Genf - auf den Spuren von Albert Cohens Roman 'Die Schöne des Herrn' - seinen mythisch überhöhten Gipfel erreicht hatte. Aus Neid auf seinen Kollegen Édouard, der sich nach seiner Scheidung zu einem rasanten Casanova entwickelt hat, beginnt Jean-Jacques eine Affäre mit der attraktiven Arbeitskollegin Sonia. Noch einmal spürt er die Genfer Glückseligkeit, doch er weiß nicht wirklich etwas mit diesem Gefühl anzufangen. Er, der sich für alles im Leben rückversichern will, erlebt den Glücksfall als beängstigend unkontrollierbar und verläßt Sonia wieder. Claire, die sich nicht lange von der neuen Liebeslust ihres Mannes täuschen läßt, engagiert ihrerseits den schüchternen Russen Igor zunächst als Detektiv und dann als Liebhaber. Bei einer gemeinsamen Reise nach Berlin, wo sie ausgerechnet im Hotel Suisse absteigen, erkennt Claire, daß sie ihr größtes Glück gerade aufgegeben hat ... Voller Anspielungen auf Filme wie 'Der Himmel über Berlin' und 'Jules und Jim' und auf Autoren wie Albert Cohen und Witold Gombrowicz erzählt David Foenkinos in gewohnt ironischer und bisweilen skurriler Manier, aber auch mit melancholischen Untertönen die Geschichte einer großen Liebe. Sie erkennt sich leider erst, als sie mit großem Getöse zu Ende geht. Sehnsüchtig wird des unwiederholbaren Anfanges einer glücklichen Beziehung gedacht: Jedes Paar hat sein eigenes Genf.

David Foenkinos, 1974 geboren, Schriftsteller und Drehbuchautor, studierte Literaturwissenschaften an der Sorbonne und Jazz am CIM. Seine Bücher sind weltweit in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und wurden für alle wichtigen französischen Literaturpreise nominiert, für den Prix Fémina, den Prix Médicis, den Prix Renaudot und den Prix Goncourt. Für "Das erotische Potential meiner Frau" erhielt er den Prix Roger Nimier.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR17,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextJean-Jacques und Claire sind seit acht Jahren verheiratet, und zwischen der sonntäglichen Lammkeule bei Claires Eltern auf dem Land und dem zukunftspessimistischen Chinesischunterricht für die sechsjährige Tochter Louise spulen sie monoton und routiniert ihr Ehe- und Liebesleben ab, das einst durch eine Reise nach Genf - auf den Spuren von Albert Cohens Roman 'Die Schöne des Herrn' - seinen mythisch überhöhten Gipfel erreicht hatte. Aus Neid auf seinen Kollegen Édouard, der sich nach seiner Scheidung zu einem rasanten Casanova entwickelt hat, beginnt Jean-Jacques eine Affäre mit der attraktiven Arbeitskollegin Sonia. Noch einmal spürt er die Genfer Glückseligkeit, doch er weiß nicht wirklich etwas mit diesem Gefühl anzufangen. Er, der sich für alles im Leben rückversichern will, erlebt den Glücksfall als beängstigend unkontrollierbar und verläßt Sonia wieder. Claire, die sich nicht lange von der neuen Liebeslust ihres Mannes täuschen läßt, engagiert ihrerseits den schüchternen Russen Igor zunächst als Detektiv und dann als Liebhaber. Bei einer gemeinsamen Reise nach Berlin, wo sie ausgerechnet im Hotel Suisse absteigen, erkennt Claire, daß sie ihr größtes Glück gerade aufgegeben hat ... Voller Anspielungen auf Filme wie 'Der Himmel über Berlin' und 'Jules und Jim' und auf Autoren wie Albert Cohen und Witold Gombrowicz erzählt David Foenkinos in gewohnt ironischer und bisweilen skurriler Manier, aber auch mit melancholischen Untertönen die Geschichte einer großen Liebe. Sie erkennt sich leider erst, als sie mit großem Getöse zu Ende geht. Sehnsüchtig wird des unwiederholbaren Anfanges einer glücklichen Beziehung gedacht: Jedes Paar hat sein eigenes Genf.

David Foenkinos, 1974 geboren, Schriftsteller und Drehbuchautor, studierte Literaturwissenschaften an der Sorbonne und Jazz am CIM. Seine Bücher sind weltweit in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und wurden für alle wichtigen französischen Literaturpreise nominiert, für den Prix Fémina, den Prix Médicis, den Prix Renaudot und den Prix Goncourt. Für "Das erotische Potential meiner Frau" erhielt er den Prix Roger Nimier.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406699948
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum01.07.2016
Auflage1. Auflage
Seiten221 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1969380
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
ZWEITER TEIL

 
I

Claire ging nach diesen drei Worten auf ihre Eltern zu. Mit der gleichen selbstverständlichen Natürlichkeit äußerte sie:

«Ich habe gerade Jean-Jacques verlassen. Schönen Sonntag noch.»

Und sie nahm ihre Tochter an die Hand.

«Wollen wir nicht auf Papa warten?» fragte Louise.

«Ach was, du siehst doch, daß er schläft.»

Ohne einen Blick zurückzuwerfen, gingen sie los. Jean-Jacques war wie erstarrt. Er sah aus wie jemand in Hypnose, der zwischen zwei Stühlen saß. René sorgte sich um ein dringenderes Problem: den Zustand seiner Frau. Auch in einem schlingernden Boot durfte die Rangordnung in der Familie nicht außer acht gelassen werden. Renée zappelte nervös und ziemlich unregelmäßig hin und her (diese Unregelmäßigkeit ging ihm, René, einem Mann mit Prinzipien, auf die Nerven). Offensichtlich handelte es sich um einen hysterischen Anfall. Sie schluchzte Satzbrocken: «Nein, das gibt s doch nicht ⦠nein, das kann nicht wahr sein ⦻ Er sah, daß die Situation außer Kontrolle geriet, daß dieser Sonntag eine andere Farbe annahm, dieser Sonntag war wie ein anderer Tag, wie eine Art Montag im November. René wurde von einer gewissen Panik befallen, und es blieben nur noch Relikte seiner selbst übrig.[1] Er beschloß erstens, sich einen kleinen Sliwowitz zu genehmigen. Und zweitens beschloß er, das, was er erstens gemacht hatte, wieder zu tun. Als dieser Walzer der tausend Umdrehungen getanzt war, faßte er den weisen Beschluß, einen Trostspender zu rufen. Zum Glück war sein Nachbar kein Geringerer als der Doktor Renoir, der wichtigste Arzt von Marnes-la-Coquette.

Letzterer ließ in der Sekunde, in der er Renés belemmerte Miene sichtete, schnell die Rolläden herunter. Wenn es darum ging, ihn zu stören, hatte er die Dreistigkeit der Leute immer schon gerochen. Sonntags zog er es vor, sich tot zu stellen. Doch sehr schnell holte sein schrecklich ringendes Gewissen die Aufwallung der Übellaunigkeit ein. Man entgeht seinem Schicksal nie. Seit Dutzenden von Generationen wurde in der Familie Renoir der Medizinerberuf vom Vater auf den Sohn übertragen (und dazu muß man sagen, daß man in der anderen Familie Renoir von der Malerei zum Film gekommen war â¦). Seit Dutzenden von Generationen waren die Sonntage von der unsteten Nachbarschaft auf den Kopf gestellt worden. Keuchend machte er die Tür auf:

«Was ist denn los?»

«Ich ⦠ich ⦻

Der Alkoholmißbrauch in Verbindung mit dem außer Kontrolle geratenen Sonntag hatte auf Renés Ausdrucksfähigkeit übergegriffen. Er gestikulierte lebhaft und deutete auf sein Haus. Renoir beschloß, ihn auf der Stelle abzuhorchen.

«Öh ⦻

«Du mußt wirklich mit dem Trinken aufhören, weißt du ⦠Die Zeiten sind nicht immer rosig, ich weiß, ganz im Gegenteil ⦻

«Öh ⦻

«Aber manchmal muß man die richtigen Entscheidungen treffen können. Für die Gesundheit ist nichts zu teuer, das weißt du ja ⦻

Nach einer Weile gelang es René doch, Renoir zu seinem Haus zu zerren, und der Arme begutachtete die Schäden. Da stellte er etwas Fürchterliches fest: den Tod eines Sonntags.

Renoir beeilte sich zu fragen, was geschehen sei. René war erleichtert, nicht mehr auf sich allein gestellt zu sein, und erklärte, daß seine Tochter seinen Schwiegersohn verlassen habe. Er fühlte neuen Schwung und wagte sogar eine kleine Hypothese:

«Das ist bestimmt ein emotionaler Schock, oder?»

«Ja, wahrscheinlich», bestätigte der Doktor.

René machte einen kleinen begeisterten Satz; der Gedanke, sich nützlich vorzukommen, brachte ihn ganz aus dem Häuschen. Aber als er den Kopf drehte, bot sich ihm erneut der Anblick seiner Frau, und er mußte wieder eine Haltung einnehmen, die eines besorgten Ehemanns würdig war. Renoir seinerseits gab sich einen Augenblick lang Träumereien hin, in denen er sich glückliche Tage ausmalte, die er mit der Nachbarstochter, die neuerdings Junggesellin war, verlebte. Er hatte seit Jahren Phantasien von Claire und ließ sich manchmal bei einer zarten Onanie gehen. Die Nachricht erfreute ihn so sehr, daß er sich um so heiterer um Renée kümmerte und ihr zur Beruhigung einen kleinen Nadelstich verabreichte. Anschließend beförderten sie sie in ihr Zimmer. Um das quälende Echo dessen, was sie so traumatisiert hatte, nicht mehr hören zu müssen, begann sie recht schnell zu schnarchen.

Nun mußte man sich mit dem Schwiegersohn befassen, der dabei war, seine Karriere als Schwiegersohn kläglich zu beenden. Auch wenn Renoir mit einer gewissen Anteilnahme versehen war, so konnte er doch angesichts dieses von seiner Frau sitzengelassenen Mannes ein kleines, innerlich freudiges Herzklopfen nicht mäßigen.[2] Sechs Jahre war es jetzt her, daß Marilou Renoir ihn verlassen hatte. Genau, seine Marilou, sie hatte nicht einmal ihre Sachen mitgenommen, eine Kurzschlußhandlung, die Undankbare. Sie hatte eine kleine Postkarte geschickt, auf der sie ihm sagte, daß es vorbei sei. Eine Postkarte, nach sechs Jahren Ehe â¦

«Einen kleinen Stich?» schlug René vor.

«Nein ⦠Nein ⦠Das kommt von den unliebsamen Überraschungen im Leben! Man braucht nicht zu glauben, daß er der einzige ist, der so was durchgemacht hat, Klappe zu, Ende der Vorstellung, jetzt reicht s», regte sich Renoir auf.

Somit durfte Jean-Jacques anstatt eines Nadelstiches eine saftige Ohrfeige auf der rechten Backe in Anspruch nehmen.

René wußte diese wirkungsvolle Methode zu schätzen, sosehr er auch bedauerte, daß sie nicht seiner Frau zugute gekommen war. Sein Schwiegersohn kam wieder zu sich. Er rollte die Augen und versuchte zu begreifen, wo er war. Doch plötzlich gönnte ihm sein Bewußtsein keine längere Atempause mehr, die drei Worte seiner Frau fielen ihm ein, und er fing endlich an zu weinen.

Renoir verließ das Haus in der Manier eines unaufdringlichen Helden, der in sein dürftiges Leben zurückkehrt, weil Tränen ja widersinnigerweise ein Zeichen der Lebenskraft sind. René stürzte auf seinen Schwiegersohn zu, um ihm ein Taschentuch zu geben. Wie absonderlich, ihn so zu sehen. Zum ersten Mal fand er ihn in Tränen vor. Es war genauso, als würde ein Auto weinen. René ergriff eine Initiative, die darin bestand, in den Keller zu laufen, um noch eine Flasche Sliwowitz zu holen. Er schenkte dem Mann gleich ein Glas ein und gleich noch eins und dann noch eins für den Mann, dessen Gesicht das Aussehen eines Schwamms annahm, für den Mann, der bald nur noch die Erinnerung an einen Schwiegersohn sein würde. Vorerst galt es zu trinken, um zu vergessen. Und wenn man ein bißchen hart gegen sich selbst war, würde man vielleicht jenes sagenhafte Stadium erreichen, wo man vergißt, daß man trinkt.

Am späten Nachmittag taumelte Jean-Jacques durch den Garten. Der Alkohol machte ihn aggressiv, er riß wütend die Blumen aus, er war das Trinken nämlich nicht so gewohnt. Sein Telefon klingelte, und hektisch stürzte er darauf zu, war er doch davon überzeugt, daß das seine Frau war, die ihr absurdes Verhalten bereits bereute. Er hörte Claires vollkommen klare Worte am anderen Ende. Man hätte meinen können, daß sie ihre Kurzschlußhandlung seit Jahrhunderten organisiert hatte.

«Ich habe Louise zu Sabine gebracht.»

«Wieso denn?»

«Weil ich heute abend nicht nach Hause komme. Genausowenig wie an den anderen Abenden.»

«Wo gehst du hin?»

«Das will ich dir nicht sagen. Wir reden später irgendwann. Ich will vorläufig nicht mit dir reden.»

«Aber ich verlange eine Erklärung! (Nach einer Pause:) Und paß bloß auf, wenn du mich verläßt ⦠Nicht, daß dir einfällt, daß du hinterher zurückkannst. Du bist dir da hoffentlich sicher?»

«â¦»

«Wenn es das ist, was du willst, dann hau ab!»

Claire legte lieber auf. Jean-Jacques Umgangston schockierte sie. Nie war er so heftig gewesen. Er reihte Schimpfwörter aneinander. René fühlte sich ein wenig in der Verantwortung, wegen des Sliwowitz, schwang sich aber dennoch auf:

«Wenn Sie so von meiner Tochter reden ⦠hm ⦠wär es mir lieber, wenn Sie Ihre Wörter anders wählen würden.»

«â¦»

«Na ja, das stimmt schon ⦠solche Sachen muß man nicht sagen ⦻, schwang er sich noch höher auf.

Jean-Jacques hatte rote Augen. René dachte sich, daß er besser den Mund gehalten hätte und daß es zwecklos war, von einem Mann, der für nichts mehr geradestand, irgend etwas zu verlangen. Schließlich entschuldigte sich Jean-Jacques doch.

«Haben Sie ihr das von ihrer Mutter gesagt?» fragte René.

«Ach, nein, daran hab ich nicht gedacht ⦻

«Ist gut ⦠Ich sag es ihr später ⦻

Er stand...
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Autor

David Foenkinos, 1974 geboren, Schriftsteller und Drehbuchautor, studierte Literaturwissenschaften an der Sorbonne und Jazz am CIM. Seine Bücher sind weltweit in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und wurden für alle wichtigen französischen Literaturpreise nominiert, für den Prix Fémina, den Prix Médicis, den Prix Renaudot und den Prix Goncourt. Für "Das erotische Potential meiner Frau" erhielt er den Prix Roger Nimier.