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Die Konsequenzen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
359 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am08.08.20161. Auflage
Als Kind war Minnie Panis allen ein Rätsel, ihrer Mutter, den Lehrern, dem Arzt, der sie schon als Säugling behandelt hat: das Baby, das nicht schreien wollte. Mit Ende zwanzig ist sie immer noch zurückhaltend, nur scheinbar zerbrechlich, auf jeden Fall bezaubernd anders - und gleichzeitig ein Star in der niederländischen Kunstszene. Unerschrocken und mit leidenschaftlicher Neugier legt Minnie das eigene Leben unters Mikroskop, stellt in ihren Werken gewagte Fragen nach dem Verschmelzen von Leben und Kunst, der Lust, aus dem eigenen Dasein zu verschwinden. Der Fotograf, mit dem sie eine lose sexuelle Beziehung verbindet, kommt ihr als Partner bei ihrem neuen Projekt gerade recht. Doch die Konsequenzen lassen sich nicht absehen. Und die Frage ist: Wer manipuliert wen? Mit Minnie Panis haben wir eine junge, eigensinnige, berückende Protagonistin. Mit »Die Konsequenzen« einen rasanten Roman mit einem so witzigen wie ironischen Blick auf die internationale Welt der Kunst. Und mit Niña Weijers eine neue Stimme, die ohne große Worte, aber mit einer Menge Menschenkenntnis besticht. »Wie kommt es, dass manche Leute aus ihrem Leben erzählen können, als wäre es eine hochspannende Geschichte? Minnie kann das nicht. Weijers glücklicherweise schon.« Vogue »Mühelos hat Weijers ihren Platz unter den angesehenen niederländischen Autorinnen eingenommen, Hella Haasse, Anna Enquist, Margriet de Moor. ... Schreibt man über diesen Roman, klingt es nach Schwerarbeit. Liest man ihn, ist es ganz leicht. Also lesen Sie.« Cees Nooteboom


Niña Weijers, geboren 1987 in Nijmegen, studierte Literaturwissenschaften in Amsterdam und Dublin. 2010 gewann sie den Literaturwettbewerb »Write Now!«. Für ihren ersten Roman, Die Konsequenzen, der in zahlreichen Ländern erschienen ist, wurde sie mit mehreren Preisen, darunter dem renommierten Anton-Wachter- Preis, ausgezeichnet. Ich. Sie. Die Frau ist ihr zweiter Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextAls Kind war Minnie Panis allen ein Rätsel, ihrer Mutter, den Lehrern, dem Arzt, der sie schon als Säugling behandelt hat: das Baby, das nicht schreien wollte. Mit Ende zwanzig ist sie immer noch zurückhaltend, nur scheinbar zerbrechlich, auf jeden Fall bezaubernd anders - und gleichzeitig ein Star in der niederländischen Kunstszene. Unerschrocken und mit leidenschaftlicher Neugier legt Minnie das eigene Leben unters Mikroskop, stellt in ihren Werken gewagte Fragen nach dem Verschmelzen von Leben und Kunst, der Lust, aus dem eigenen Dasein zu verschwinden. Der Fotograf, mit dem sie eine lose sexuelle Beziehung verbindet, kommt ihr als Partner bei ihrem neuen Projekt gerade recht. Doch die Konsequenzen lassen sich nicht absehen. Und die Frage ist: Wer manipuliert wen? Mit Minnie Panis haben wir eine junge, eigensinnige, berückende Protagonistin. Mit »Die Konsequenzen« einen rasanten Roman mit einem so witzigen wie ironischen Blick auf die internationale Welt der Kunst. Und mit Niña Weijers eine neue Stimme, die ohne große Worte, aber mit einer Menge Menschenkenntnis besticht. »Wie kommt es, dass manche Leute aus ihrem Leben erzählen können, als wäre es eine hochspannende Geschichte? Minnie kann das nicht. Weijers glücklicherweise schon.« Vogue »Mühelos hat Weijers ihren Platz unter den angesehenen niederländischen Autorinnen eingenommen, Hella Haasse, Anna Enquist, Margriet de Moor. ... Schreibt man über diesen Roman, klingt es nach Schwerarbeit. Liest man ihn, ist es ganz leicht. Also lesen Sie.« Cees Nooteboom


Niña Weijers, geboren 1987 in Nijmegen, studierte Literaturwissenschaften in Amsterdam und Dublin. 2010 gewann sie den Literaturwettbewerb »Write Now!«. Für ihren ersten Roman, Die Konsequenzen, der in zahlreichen Ländern erschienen ist, wurde sie mit mehreren Preisen, darunter dem renommierten Anton-Wachter- Preis, ausgezeichnet. Ich. Sie. Die Frau ist ihr zweiter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518747766
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum08.08.2016
Auflage1. Auflage
Seiten359 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1982224
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


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MINNIE saß ihrer Mutter gegenüber in einem großen Mittagsrestaurant am Wasser. Es war ein lärmender Ort mit einer erwartbaren und zu teuren Karte, einem nichtssagenden Interieur und einem Bedienungspersonal, das die Bestellungen in Apparate eingab, mit denen Augenkontakt zu einer Reliquie aus der Vergangenheit geworden war. Es war der Ort, an dem sie sich immer trafen.

An diesem Morgen hatte ihre Mutter sie in aller Frühe angerufen. Ein seltenes Ereignis, nicht nur wegen des Zeitpunkts, sondern auch, weil ihr Kontakt hauptsächlich über E-Mail verlief und darauf angelegt war, sich ohne allzu viele Abschweifungen zu ihrem dreimonatlichen gemeinsamen Mittagessen zu verabreden, während welchem sie sich gegenseitig in möglichst groben Zügen über den Stand der Dinge in Kenntnis setzten. Ihre Mutter verstand wenig von Minnies Leben und Minnie genauso wenig von dem ihren. Dass zwei so verschiedene Menschen dennoch Blutsverwandte waren, hatte sie schon gewundert, als sie noch ein kleines Mädchen war und sich, auf die albernen Glow-in-the-dark-Sterne an ihrer Zimmerdecke starrend, fragte, ob man auch versehentlich in jemandes Bauch landen konnte.

»Ein Glück«, hatte ihre Mutter ohne Umschweife gesagt, als Minnie an jenem Morgen den Hörer abnahm. »Du lebst noch.«

»Natürlich lebe ich noch«, sagte Minnie. »Warum sollte ich nicht leben?« Einen Moment blieb es still.

»Ich habe gerade von dir geträumt«, sagte ihre Mutter. »In meinem Traum ging ich in dein Schlafzimmer, es war dein Kinderzimmer, aber du warst schon erwachsen. Du lagst neben dem Bett, von Kopf bis Fuß in ein Laken gewickelt, ganz stramm, wie eine Mumie. Ich ging schnell zu dir, um dir das Laken vom Gesicht zu ziehen, aber es war schon zu spät, deine Lippen und Augenlider waren blau, und deine Haut spannte sich weiß und straff über den Knochen. Obwohl ich es gar nicht wollte, berührte ich dein Gesicht mit der Fingerspitze. Es war hart und kalt wie, was weiß ich, ein Paket Fischstäbchen im Tiefkühlfach. Es war so ... so schrecklich ... realistisch.«

Erstaunt hatte Minnie dem Bericht ihrer Mutter gelauscht. Sie kannte niemanden, der so nüchtern war wie sie, so unempfänglich für alles, was nicht zur konkretesten, sichtbarsten Wirklichkeit gehörte. Außerdem war ihre Mutter völlig unsentimental. Noch nie hatte Minnie sie ausgelassen lachen oder weinen oder vor Wut schreien sehen; ihre Emotionen wurden in minimalen Dosierungen bemessen, die sie nie überschritt. Das Leben ihrer Mutter, dachte Minnie manchmal, spielte sich entlang den Linien eines Mondrian-Gemäldes ab: horizontal und vertikal und absolut ohne Frivolitäten. Kurz und gut, sie war wohl die Letzte, von der man erwarten würde, dass sie etwas so Geheimnisvollem wie einem Traum Bedeutung beimaß.

»Ich weiß nicht, warum ich dich eigentlich anrufe«, sagte ihre Mutter, die sich nun hörbar wieder fasste. »Jetzt, wo ich es laut ausspreche, klingt es schlichtweg lächerlich und überhaupt nicht realistisch.«

»Na ja«, sagte Minnie. In einem Impuls, vielleicht um ihrer Mutter Unbehagen zu zerstreuen, hatte sie ihr vorgeschlagen, mittags zusammen zu essen, und jetzt saßen sie hier. Eigentlich war es rührend, dachte sie, ein Traum, der unversehens bei ihrer Mutter den Panzer der Rationalität durchbrochen hatte.

Es war der erste Tag im Februar, und sogar für diese Jahreszeit war es extrem kalt. Bei einer Schlittschuhfahrt am Tag zuvor hatte Minnie sich einen gehörigen blauen Fleck an der Hüfte geholt, der alle paar Stunden seine Farbe wechselte und auf den sie zwanghaft drückte, um zu spüren, ob es noch weh tat - was es tat.

»Entschuldige bitte, was ich da am Telefon verzapft habe«, sagte ihre Mutter, noch bevor sie ihren Mantel ausgezogen hatte. Sie klang wieder wie sie selbst, klar und sachlich. »Ich war gerade erst aufgewacht, ich habe nicht nachgedacht.«

Minnie verfolgte die routinierte Art und Weise, wie sie sich ihres Mantels entledigte, den Schal sorgsam in den Ärmel steckte, den Rock glatt strich und sich setzte. Sie war hübsch, auf unauffällige, aber gut konservierte Weise. Ein Profi. Minnie erinnerte sich, wie ihre Mutter früher auf sie gewartet hatte, wenn sie aus der Schule kam, wie anders sie gewesen war als die übrigen Mütter, die einfach in diese Rolle hineingeboren schienen und auf vollkommen natürliche Weise mit dem Schulhof, ihren Kindern, den anderen Müttern verschmolzen. Ihre eigene Mutter schien jedes Mal wieder erstaunt dazustehen, als wäre sie nur kurz um den Block gegangen und versehentlich auf dem Schulhof gelandet.

Schon dreißig Jahre arbeitete sie beim KWF, wo sie sich als rechte Hand jedes Direktors unersetzlich machte, der dort für eine Weile tätig war. Über Krebsbekämpfung sprach sie mit fast so etwas wie Leidenschaft, wenngleich es Minnie nie ganz klar war, ob diese Leidenschaft von der Vorstellung angestachelt wurde, eine Krankheit zu bekämpfen, oder weil es ihrer Mutter regelmäßig gelang, große Geldbeträge für die Stiftung zu beschaffen.

Als sie saß, blickte sie ihre Tochter einen Moment lang forschend an. »Du siehst anders aus. Nicht schlechter, aber anders«, sagte sie. »Hast du zugenommen?«

Minnie begriff, dass sie das als Kompliment auffassen sollte. Von Geburt an war sie zu klein für ihr Alter gewesen, und ein deutlicher Wachstumsschub war nie erfolgt. Als Erwachsene war sie noch immer auf fast kindliche Weise zart, was sie für einen bestimmten Männertyp unendlich anziehend machte. Das und ihr asymmetrisches Gesicht, in dem alles leicht aus dem Lot war. Menschen, Männer, sahen darin gern etwas Wildes und Unzähmbares. Vielleicht war das nicht unrichtig. Vielleicht passte man sein Leben dem Gesicht an, mit dem man geboren wurde.

»Wie läuft's mit dem Krebs?«, fragte sie und drückte fest auf den blauen Fleck. Alles war eine Wiederholung desselben, ewige Fragen, ewige Antworten.

»Nicht so toll«, sagte ihre Mutter. »Immer mehr Menschen werden krank. Sie rauchen zu viel und essen schlechtes Zeug, darauf läuft es hinaus. Inzwischen gibt es eine bahnbrechende Behandlungsmethode nach der anderen, aber tja, wenn die Leute sich erst mal mit all den schlechten Angewohnheiten so ungefähr selbst in den Tod treiben ... Manchmal denke ich, es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Krise und dem Wuchern dieser Krankheit. Eine Gesellschaft, die, wohin man auch schaut, allmählich aufgezehrt ist oder so ... na ja. Mein Kollege hat dich neulich in einer Zeitschrift gesehen, ich weiß nicht mehr, in welcher.«

Eine Kellnerin mit einem Apparat nahm ihre Bestellung auf, indem sie wild auf das Display einhämmerte. »Entschuldigung«, murmelte sie, ohne aufzuschauen, und dann noch einmal, schon im Gehen, »Entschuldigung.«

Jetzt würde ihre Mutter fragen, wie es mit ihrer Arbeit lief. Minnie würde etwas Vages zur Antwort geben, ihre Mutter würde abwesend murmeln und dann von etwas anderem anfangen. Danach würden sie ihre Suppe essen und jede auf ihre Weise schweigen.

Als Teenager hatte Minnie sich eine Zeitlang Spekulationen in Bezug auf ihren Vater hingegeben. Minutenlang konnte sie in den Spiegel starren, auf der Suche nach einem Gesicht hinter ihrem Gesicht, einer Erklärung, die sie von ihrer Mutter nicht erhielt und selbst auch nicht einforderte. Diese Phase war vorbeigegangen.

»Bist du noch mit, wie heißt er, diesem Künstler zusammen?«

»Nein, Mama«, sagte Minnie. »Schon seit einem halben Jahr nicht mehr.« Ich habe ihn betrogen, wollte sie hinzufügen, ich habe ihn betrogen, ohne das kleinste bisschen Schuldgefühl, offenbar bin ich jemand, der das sehr gut kann. Sie dachte an den Fotografen. Genauer gesagt, war er ständig als summender Grundton in ihren Gedanken anwesend, das hatte verschiedene Ursachen, die nicht alle von gleich großer Bedeutung waren. Für den Moment galt es, vor allem projektbezogen an ihn zu denken, beschloss sie, sofern das überhaupt möglich war.

Nach ihrer Mutter Liebesleben fragte Minnie nie. Ihres Wissens hatte sie schon zehn Jahre lang keinen Freund mehr gehabt, und sie nahm nicht an, dass sich das ändern würde. Ihre Mutter trug etwas Hartes in sich, wie einen Kieselstein, der in ihren Körper eingenäht war. Vielleicht war er einmal weich gewesen, mit der Zeit jedoch einfach erstarrt. Vielleicht war Liebe etwas, was man irgendwann in eine Schublade stecken konnte, zusammen mit anderen Dingen aus der Vergangenheit, die man nicht mehr brauchte.

»Und deine Arbeit?«, fragte ihre Mutter.

»Nichts Neues«, sagte Minnie. »Eine Phase der Besinnung.«

»Ich habe neulich etwas über eine amerikanische Künstlerin gelesen, die farbige Flüssigkeiten schluckt, um sie danach auf eine Leinwand zu kotzen. Diese Bilder werden für viel Geld verkauft. Ich verstehe nicht, dass man so etwas als Kunst bezeichnet. Dass Leute dafür Tausende von Dollar bezahlen.«

»Nein«, sagte Minnie, »das klingt wirklich nicht nach Kunst.«

Sie erinnerte sich, dass ihre Mutter nur still genickt hatte, als sie mit achtzehn ankündigte, an die Kunstakademie zu wollen. Auch in den Wochen danach hatte sie nichts dazu gesagt, was Minnie rasend und nur noch entschlossener gemacht hatte. Eines Abends, wenige Tage bevor der Unterricht anfangen und Minnie in ein winziges Dachzimmer in Amsterdam-West ziehen sollte, fand sie ihre Mutter am Küchentisch vor einem Glas Wein. Sie schob einen Umschlag über den Tisch mit fünfhundert Euro, fremde, neue Währung, die aussah wie Spielgeld. »Für dein Material«, hatte sie gesagt, und das war's. In den Jahren danach war sie treu zu allen Vernissagen gekommen, und obwohl Minnie von...

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Niña Weijers, geboren 1987 in Nijmegen, studierte Literaturwissenschaften in Amsterdam und Dublin. 2010 gewann sie den Literaturwettbewerb »Write Now!«. Für ihren ersten Roman, Die Konsequenzen, der in zahlreichen Ländern erschienen ist, wurde sie mit mehreren Preisen, darunter dem renommierten Anton-Wachter- Preis, ausgezeichnet. Ich. Sie. Die Frau ist ihr zweiter Roman.