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Kontinent Doderer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am05.09.20161. Auflage
Die Romane Heimito von Doderers sind spannend, handlungsstark, figurenreich und sehr, sehr komisch - 50 Jahre nach dem Tod des Autors allerdings bilden sie einen fast vergessenen literarischen Kontinent. Dieser ist jetzt neu zu entdecken. Der Wiener Literaturkritiker Klaus Nüchtern folgt bei seiner Durchquerung des "Kontinents Doderer" strikt der eigenen Neugierde. Er durchmisst ganz Sibirien, wo der Autor im Kriegsgefangenenlager zum Schriftsteller wird, und steigt die Stufen nicht nur der berühmten Strudlhofstiege hinauf, sondern auch ins Souterrain schlecht ausgeleuchteter Hausflure herab, wo die von Doderer inbrünstig gehassten Hausmeister hausen.
Akribisch, aber nie akademisch, kritisch, aber nie verbissen, wird Doderers verschlungener Weg vom NSDAP-Mitglied zum gefeierten Über-Österreicher der Nachkriegszeit verfolgt. Nüchtern registriert die restaurativen Tendenzen Doderers ebenso wie dessen Tuchfühlung mit der Avantgarde und weist unter anderem nach, dass der passionierte Voyeur und arrogante Kinomuffel erstaunlich viel mit Alfred Hitchcock zu tun hatte.



Klaus Nüchtern, geboren 1961 in Linz a. d. Donau, studierte Germanistik und Anglistik in Wien. Er leitete das Feuilleton der Zeitung "Falter", wo er nach wie vor als Kritiker und Kolumnist tätig ist. 2011 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik, zuletzt erschien "Buster Keaton oder die Liebe zur Geometrie" (2012).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden (Leinen)
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR21,99

Produkt

KlappentextDie Romane Heimito von Doderers sind spannend, handlungsstark, figurenreich und sehr, sehr komisch - 50 Jahre nach dem Tod des Autors allerdings bilden sie einen fast vergessenen literarischen Kontinent. Dieser ist jetzt neu zu entdecken. Der Wiener Literaturkritiker Klaus Nüchtern folgt bei seiner Durchquerung des "Kontinents Doderer" strikt der eigenen Neugierde. Er durchmisst ganz Sibirien, wo der Autor im Kriegsgefangenenlager zum Schriftsteller wird, und steigt die Stufen nicht nur der berühmten Strudlhofstiege hinauf, sondern auch ins Souterrain schlecht ausgeleuchteter Hausflure herab, wo die von Doderer inbrünstig gehassten Hausmeister hausen.
Akribisch, aber nie akademisch, kritisch, aber nie verbissen, wird Doderers verschlungener Weg vom NSDAP-Mitglied zum gefeierten Über-Österreicher der Nachkriegszeit verfolgt. Nüchtern registriert die restaurativen Tendenzen Doderers ebenso wie dessen Tuchfühlung mit der Avantgarde und weist unter anderem nach, dass der passionierte Voyeur und arrogante Kinomuffel erstaunlich viel mit Alfred Hitchcock zu tun hatte.



Klaus Nüchtern, geboren 1961 in Linz a. d. Donau, studierte Germanistik und Anglistik in Wien. Er leitete das Feuilleton der Zeitung "Falter", wo er nach wie vor als Kritiker und Kolumnist tätig ist. 2011 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik, zuletzt erschien "Buster Keaton oder die Liebe zur Geometrie" (2012).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406697456
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum05.09.2016
Auflage1. Auflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationenmit 10 Abbildungen
Artikel-Nr.1986511
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;352
4;Über den Autor;352
5;Widmung;4
6;Impressum;4
7;Inhaltsverzeichnis;5
8;Heimito von Doderer. Eine Gebrauchsanweisung;7
9;Schuld und Sühne, Schicksal und Sibirien;15
10;Herr von Doderer, wie haben Sie das gemacht?;41
11;Wie schön wäre Wien ohne Wiener;87
12;Von der NSDAP zum Triple-A;115
13;Bildteil;159
14;Versöhnung und Verklärung im Zeichen des Feuers;167
15;Die große Wut des Doctor D.;211
16;Fatale Vertikale;259
17;Who s Who: Von Abheiter bis Zwicklitzer;295
18;Danksagung;347
19;Bildnachweis;348
20;Literaturverzeichnis;349
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Leseprobe


HEIMITO VON DODERER. EINE GEBRAUCHSANWEISUNG


Kurzes Vorwort zu der Frage, warum man Heimito von Doderer heute noch lesen soll, und ein nicht minder knapper Ausblick auf das, was die Leserinnen und Leser erwartet, wenn sie die Antwort darauf in diesem Buch suchen. Nebst einer beruhigenden Erklärung hinsichtlich des angstfreien Umgangs mit Fußnoten

«Von den Romanen Doderers und mehr noch von seinen Tagebüchern und Aufsätzen kann mit einiger Sicherheit behauptet werden, daß sie für breite Leserschichten ohne Bedeutung bleiben müssen. Das aristokratische Selbstverständnis des Autors, die Eigenwilligkeit seiner Sprache, die Kompliziertheit seiner schriftstellerischen Technik und die Esoterik seines Denkens schaffen eine Distanz, die der ungeschulte Leser kaum je wird überbrücken können.»[1]

Die Phase des mehr oder weniger unbestrittenen Ruhms Heimito von Doderers währte maximal fünfzehn Jahre. 1951 war der damals 54-jährige, bis dahin praktisch unbekannte Autor mit der «Strudlhofstiege» zu zumindest lokaler Berühmtheit gelangt, fünf Jahre später glückte ihm mit seinem Opus magnum «Die Dämonen», an dem er ein Vierteljahrhundert gearbeitet hatte, der Durchbruch. Im Juni 1957 zierte sein Konterfei das Cover des Spiegel, der in Doderer einen legitimen «Thronfolger für die verwaisten Kronsessel der deutschen Literatur»[2] erblickte. Mit einem Mal galt der Mann aus Wien als aussichtsreicher Kandidat für den Literaturnobelpreis.

Als Doderer, der in wenigen Jahren zum quasi offiziellen und unstrittigen Repräsentanten der österreichischen Nachkriegsliteratur avanciert war, im Jahr 1966 starb, soll Thomas Bernhard erfreut aus seinem Fernsehsessel aufgesprungen sein und in die Hände geklatscht haben: «Jetzt ist die Bahn frei, jetzt komme ich.»[3] Der ehrgeizige Jungdichter, der zu diesem Zeitpunkt sein Romandebüt «Frost» (1963) und die Erzählung «Amras» (1964) publiziert hatte, sollte recht behalten: Er hat Doderer in kürzester Zeit abgehängt, und der konnte bis heute auch keinen Meter mehr gutmachen.[4]

Bereits ein Jahrzehnt nach seinem Tod - das Eingangszitat stammt von 1976 - wurde Doderer von vielen mehr oder weniger abgeschrieben. Die affirmative Phase, in der der Autor zum «Austriae Poeta Austriacissimus» (Friedrich Torberg) stilisiert worden und die Germanistik es gewohnt war, «sich in den Analysen ganz innerhalb des von Doderers Reflexionen vorgezeichneten Verständnishorizontes aufzuhalten»,[5] kommt im Laufe der 70er-Jahre an ihr Ende. Darüber hinaus findet eine als ideologiekritisch sich verstehende Literaturwissenschaft in dem «große[n] Schweigen, mit dem [in der Doderer-Forschung, K. N.] bisher über die entscheidenden Ereignisse der Jahre 1930-38 hinweggegangen werden mußte»,[6] ein äußerst ergiebiges Studienobjekt. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Mit kritischer Distanz, ja, Distanzierung[7] darf Doderer verlässlich rechnen, und die Auseinandersetzung mit seiner Verstrickung in den Nationalsozialismus steht nach wie vor im Brennpunkt des Interesses.

Der Autor des vorliegenden Buches sieht keinen Grund, hier dagegenzuhalten oder sich gar zu einer Verteidigung des Autors in politisch-biographischen Belangen aufzuschwingen, er möchte bloß nicht noch einmal in die gleiche Kerbe schlagen. Gerade weil die Mythen, Un- und Halbwahrheiten, die Doderer um seinen Beitritt zur NSDAP, der - kein Scherz! - am 1. April 1933 erfolgte, zeitlebens gewoben hat, durch Wolfgang Fleischers Biographie[8] und zuletzt in Alexandra Kleinlerchers umfänglicher Studie «Zwischen Wahrheit und Dichtung»[9] akribisch auseinandergenommen wurden, ist diesem Thema hier kein eigener Abschnitt gewidmet. Stattdessen wird der Fokus im Kapitel «Von der NSDAP zum Triple-A» (S. 117) auf die Frage gerichtet, wie und warum Doderer, dessen NSDAP-Mitgliedschaft allgemein bekannt war, nach dem Krieg in nur wenigen Jahren zum offiziellen Staatsdichter der neu gegründeten Republik avancieren konnte.

Es scheint mir unbestreitbar, dass sich der Autor von den 50er-Jahren an bis zu seinem Lebensende immer wieder an seiner politischen Verfehlung abgearbeitet hat. Zugleich ist das Thema der persönlichen Schuld von Anfang an präsent. Nicht zuletzt, um die Kontinuitäten in seinem Schaffen aufzuzeigen und den fast «fatologisch» anmutenden Bogen zu beschreiben, der den in Sibirien zum Schriftsteller gewordenen Doderer in seinem letzten, Fragment gebliebenen Roman «Der Grenzwald» wieder dorthin zurückführt, werden im Einleitungskapitel Anfang und Ende einer Karriere in einem Panoramaschwenk zusammengebracht.

Die Begriffe, Metaphern und Vergleiche, die Doderer einsetzt, um seiner ideologischen und auf Ressentiments basierenden Verstrickung auf die Schliche zu kommen, sind nicht unbedingt dazu angetan, die Sachlage aufzuklären, ganz im Gegenteil: Oft erweisen sich die vermeintlichen Erkenntnisblitze des Autors als Blendgranaten, die nichts erhellen, sondern die Sicht behindern. Seine Texte lediglich als Symptome des Verschweigens und Verschleierns zu lesen griffe dennoch zu kurz. Gute Literatur ist immer klüger als ihr Verfasser.

«[W]ir wirken nie direkt, und wir bewirken nicht das eigentlich von uns Gemeinte» (DD, 520), schreibt Doderer. Insofern passt es gut, dass der Apologet des Umwegs mit dem Faible für exzentrische Einsätze eigentlich dort am ernsthaftesten ist, wo er vorgibt, einen «Mordsblödsinn» (DM, 363) zu veranstalten. Das Kapitel über «Die große Wut des Doctor D.» versucht jedenfalls zu belegen, dass man den interessantesten und triftigsten politischen Aussagen des Autors in dessen «Merowingern» begegnen wird und nicht in den «Dämonen». In diesen hat sich Doderer zwar ganz offenkundig damit abgemüht, eine «Ideologietheorie» zu liefern, stattdessen aber lediglich eine «Ideologie der Ideologielosigkeit»[10] produziert, die ihren privilegierten Standpunkt nur behaupten, nicht aber ausweisen kann. Wie der Autor ein traumatisches Ereignis der Ersten Republik, nämlich die Proteste gegen ein flagrantes Beispiel von Klassenjustiz und deren brutale Niederschlagung am 15. Juli 1927 («Justizpalastbrand»), in den «Dämonen» einer zugleich kruden und subtilen Revision unterzieht, um es als Sinnreservoir für das im Österreich der Nachkriegszeit herrschende politische Klima aufzubereiten, soll im Kapitel über die versöhnende und verklärende Kraft des Feuers gezeigt werden.

Warum und wozu also Doderer? Der kalendarische Anlass allein - der 50. Todestag am 23. Dezember 2016 - gibt ja noch keine zufriedenstellende Antwort. Schlägt man die aktuellste umfassende Arbeit zu Doderer auf, dann scheint sich am eingangs zitierten Befund, den Hans Joachim Schröder vor knapp 40 Jahren ausgestellt hat, wenig geändert zu haben: «Sein [Doderers, K. N.] Ruhm ist im Bewusstsein der Allgemeinheit abgeblasst und weitgehend längst von anderen verdrängt (â¦). Wie groß in der heutigen Generation junger österreichischer Erwachsener der Anteil von jenen ist, die mit dem Namen Doderer überhaupt noch irgendwas verbinden, wurde wohl noch nicht empirisch erhoben - nach meiner persönlichen Wahrnehmung dürfte es sich um eine bescheidene Minderheit handeln.»[11]

Dagegen lässt sich nichts sagen. Doderer ist ganz gewiss ein Minderheitenprogramm - so wie auch Dante, Dickens oder Dostojewskij. Die Frage ist, ob man sich als Kritiker, Literaturwissenschaftler oder auch nur Leser um Fragen der Quote kümmern muss. Kommt man als österreichischer Doderer-Gutfinder mit deutschen Kollegen ins Gespräch, lautet die Standardreaktion entweder «Muss ich den lesen?» oder «Sollte ich wohl auch mal lesen». Was soll man da schon antworten? Niemand soll müssen. Man kann ein reiches und keineswegs ignorantes Leserinnen- und Leserleben natürlich auch ohne Doderer-Lektüre bestreiten. So wie man auch Dante, Dickens oder Dostojewskij auslassen kann. Alles immer auf die Gefahr hin, etwas zu verpassen.

Verpasst man etwas, wenn man Doderer auslässt? Na, keine Frage! Und darauf hinzuweisen ist auch das eigentliche Anliegen dieses Buches. Es will zeigen, wie die Literaturmaschine Doderer funktioniert und wie man sie zum eigenen Pläsier benutzen kann. Trotz des nicht ganz unbegründeten und auch wieder nicht ganz zu Recht erhobenen...

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Autor

Klaus Nüchtern, geboren 1961 in Linz a. d. Donau, studierte Germanistik und Anglistik in Wien. Er leitete das Feuilleton der Zeitung "Falter", wo er nach wie vor als Kritiker und Kolumnist tätig ist. 2011 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik, zuletzt erschien "Buster Keaton oder die Liebe zur Geometrie" (2012).